LG Saarbrücken, Urteil vom 05.07.2013 – 13 S 66/13
Mietet der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug nicht am Unfallort, sondern in der Nähe seines Wohnsitzes und des regelmäßigen Fahrzeugstandortes an, so bestimmt sich der ersatzfähige Normaltarif nach dem dortigen regionalen Markt und nicht nach dem regionalen Markt am Unfallort.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts St. Wendel vom 28. Februar 2013 – 15 C 720/11 (03) – teilweise abgeändert, und die Beklagte wird unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an den Kläger 429,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 25. Mai 2011 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention zu 17 %, der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 83 % und die Nebenintervenientin die Kosten der Nebenintervention zu 83 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Mit der vorliegenden Klage macht der in … wohnhafte Kläger Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 16. März 2011 in … ereignete und bei dem ein von dem Kläger geleaster Mercedes ML-420 CDI beschädigt wurde. Die Einstandspflicht der Beklagten für den unfallursächlichen Schaden steht zwischen den Parteien dem Grunde nach außer Streit.
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Der Kläger ließ den geleasten Mercedes in der Zeit vom 18. bis 28. März 2011 reparieren. Für den Zeitraum vom 17. bis 29. März 2011 mietete er bei der … Autovermietung GmbH & Co. KG in … einen Mercedes ML 350 CDI mit geringerer Motorisierung an. Die Streitverkündete stellte dem Kläger Mietkosten von 2.597,41 €, Zustell- und Abholkosten von 62,18 €, Kosten für Winterbereifung von 117,65 € sowie eine Selbstbeteiligung von 1.050,00 € wegen eines während der Anmietung eingetretenen Unfalls in Rechnung. Hierauf hat die Beklagte 1.298,00 € an die Nebenintervenientin gezahlt.
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Erstinstanzlich hat der Kläger behauptet, er sei auf einen Mercedes ML angewiesen, da er beruflich eine 3 m lange Leinwand habe transportieren müssen.
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Mit der Klage hat er den restlichen Rechnungsbetrag des Mietwagenunternehmens nebst Zinsen geltend gemacht. Die Nebenintervenientin hat sich dem klägerischen Antrag angeschlossen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
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Das Erstgericht, auf dessen Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an den Kläger 259,57 € nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne Mietwagenkosten nur zum Normaltarif beanspruchen. Dieser entspreche dem Fraunhofer-Wert zzgl. eines Zuschlags von 15 %. Zusätzliche Kosten für Winterreifen seien nicht zu erstatten, da Mietwagenkosten Fahrzeuge mit geeigneter Bereifung ohne Sonderkosten zur Verfügung stellen müssten. Die Kosten für die angefallene Selbstbeteiligung seien nicht erstattungsfähig, da der Kläger den Unfall mit dem Mietwagen allein verschuldet habe. Der Kläger habe auch nicht nachweisen können, dass das unfallbeschädigte Kraftfahrzeug vollkaskoversichert gewesen sei, ohne dass eine Selbstbeteiligung vorgesehen gewesen sei.
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Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren, soweit das Erstgericht hierauf nicht erkannt hat, in vollem Umfang weiter. Er meint, er könne nicht darauf verwiesen werden, einen anderen Fahrzeugtyp in Anspruch zu nehmen. Für die Ortsüblichkeit der Mietpreishöhe komme es auf den Bereich Iserlohn, Hemer, Menden und Dortmund an. In den Landgerichtsbezirken Dortmund und Essen werde die Schwacke-Mietpreisspiegelliste angewandt. Die Selbstbeteiligung sei jedenfalls in Höhe der Differenz zu der Selbstbeteiligung für das geleaste Unfallfahrzeug von 1.050,00 € – 1.000,00 € erstattungsfähig.
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Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.
II.
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Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. In der Sache hat sie jedoch nur einen geringen Teilerfolg.
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1. Im Ansatz zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalls auf der Grundlage der §§ 7, 18 StVG iVm. § 115 VVG vom Haftpflichtversicherer des Schädigers nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2013 – VI ZR 290/11, VersR 2013, 515; Urteil vom 18. Dezember 2012 – VI ZR 316/11, VersR 2013, 330 f.; BGHZ 160, 377, 383 f; Urteil vom 2. Februar 2010 – VI ZR 139/08, VersR 2010, 545). Ein höherer Tarif als der Normaltarif ist nur erstattungsfähig, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolge dessen zur Schadenbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (BGHZ 160, 377, 383 f; Urteil vom 2. Februar 2010 aaO). In diesem Fall muss der Geschädigte darlegen und erforderlichenfalls beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen kein wesentlich günstigerer Tarif auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – zugänglich war (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 aaO; Urteil vom 12. April 2011 – VI ZR 300/09, VersR 2011, 769; Urteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 18/06, VersR 2007, 515 mwN.). Die Frage, ob ein Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist, kann lediglich offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Normaltarif in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war, so dass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gemäß § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 – VI ZR 139/08, VersR 2010, 545; Kammerurteile vom 6. August 2010 – 13 S 53/10 – und vom 16. Oktober 2009 – 13 S 171/09).
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2. Bei der Ermittlung des Normaltarifs hat das Amtsgericht auf die Erhebung „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2011“ des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation abgestellt. Hierdurch wird der Kläger jedenfalls nicht rechtswidrig zu seinem Nachteil beschwert.
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a) Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden, und ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichten. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 aaO; Urteil vom 12. April 2011 aaO; Urteil vom 18. Mai 2010 – VI ZR 293/08, Urteil vom 11. März 2008 – VI ZR164/07, VersR 2008, 699, jew. mwN.). Nach diesen Grundsätzen ist der Tatrichter grundsätzlich weder gehindert, seiner Schadensschätzung die Schwacke-Liste noch den Fraunhofer-Mietpreisspiegel zugrunde zu legen. Der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen können, genügt nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen. Die Listen dienen dem Tatrichter nur als Grundlage für seine Schätzung nach § 287 ZPO. Er kann im Rahmen seines Ermessens unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von diesen – etwa durch Abschläge oder Zuschläge auf den sich aus ihnen ergebenden Normaltarif – abweichen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 aaO; Urteil vom 17. Mai 2011 – VI ZR 142/10, VersR 2011, 1026; Urteil vom 12. April 2011 aaO). Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf dann, aber auch nur dann, der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 aaO; Urteil vom 17. Mai 2011 aaO; Urteil vom 11. Mai 2008 aaO; Kammerurteil vom 6. August 2010 – 13 S 53/10).
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b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist es nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht der Ermittlung des Normaltarifs nicht die Schwacke-Liste, sondern den Fraunhofer-Mietpreisspiegel zugrunde gelegt hat.
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aa) Nach Auffassung der Kammer bietet der Fraunhofer-Mietpreisspiegel gegenüber der Schwacke-Liste im Ansatz methodische Vorteile. Ein wesentlicher Vorzug der Schwacke-Liste gegenüber dem Fraunhofer-Mietpreisspiegel besteht nämlich in der verdeckten Datenerhebung, die Möglichkeiten einer manipulativen Einflussnahme auf die Umfrageergebnisse weitgehend reduziert. Zwar werden von Teilen der Rechtsprechung (vgl. etwa Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 22. Dezember 2009 – 4 U 294/09 – 83, NZV 2010, 242; OLG Stuttgart, Urteil vom 8. Juli 2009 – 3 U 30/09, NJW-RR 2009, 1540; vgl. aber auch OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 3. August 2009 – 7 U 94/09, DAR 2009, 705) Einwendungen gegen die Erhebung des Fraunhofer-Instituts vorgebracht, die sich teilweise auch nach Auffassung der Kammer als beachtenswert erweisen. Den berechtigten Einwendungen kann jedoch angemessen Rechnung getragen werden, ohne dass die Fraunhofer-Erhebung als zur Ermittlung des maßgeblichen regionalen Marktes als generell ungeeignet angesehen werden müsste (hierzu eingehend Kammerurteil vom 6. August 2010 – 13 S 53/10).
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bb) Die Kammer hat auch keinen Anlass daran zu zweifeln, dass der Fraunhofer-Mietpreisspiegel als Schätzgrundlage gerade für den hier maßgeblichen regionalen Markt geeignet ist.
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Entgegen dem Erstgericht ist der maßgebliche regionale Markt hier freilich nicht der saarländische Markt, für den die Kammer die Tauglichkeit des Fraunhofer-Mietpreisspiegels in eigenen Untersuchungen bestätigt gefunden hat. Mietet der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug nicht am Unfallort, sondern in der Nähe seines Wohnsitzes und des regelmäßigen Fahrzeugstandortes an, so wird ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch die Anmietung zu dem auf diesem regionalen Markt maßgeblichen Normaltarif für erforderlich halten dürfen. Im Rahmen des geschuldeten vollständigen Schadensersatzes kann der Geschädigte erwarten, an diesem Ort über ein Ersatzfahrzeug verfügen zu können. Die Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges von dem – u.U. weit entfernt liegenden – zufälligen Unfallort ist demgegenüber regelmäßig mit zusätzlichen Kosten verbunden und deshalb üblicherweise wirtschaftlich nicht sinnvoll. Hinzu kommt, dass der Geschädigte, wenn sich der Unfallort weiter von seinem Wohnort entfernt befindet, am Unfallort häufig nur über eingeschränkte Möglichkeiten verfügen würde, sich um ein angemessen günstiges Angebot zu bemühen.
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Für die hier vorgenommene Anmietung am Standort … kann aber grundsätzlich von der Eignung des Fraunhofer-Mietpreisspiegels als Schätzungsgrundlage für die Bestimmung des Normaltarifs ausgegangen werden. Das für Iserlohn zuständige Landgericht Hagen hat unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus mehreren Verfahren diese Grundlage in gefestigter Rechtsprechung herangezogen und jedenfalls mit keinen höheren als dem vom Erstgericht berücksichtigten Zuschlag versehen (vgl. LG Hagen, Urteil vom 21. September 2010 – 1 S 112/10; Beschluss vom 5. Oktober 2009 – 10 S 64/09 (vorgehend AG Iserlohn); Urteil vom 4. Dezember 2009 – 8 O 97/09, jeweils zitiert nach juris). Soweit benachbarte Landgerichte – so u.a. das für den Wohnort des Klägers zuständige LG Arnsberg hiervon abweichende Schätzgrundlagen herangezogen haben (vgl. LG Arnsberg, Urteil vom 26. Februar 2013 – 5 S 46/11, Urteil vom 1. September 2009 – 5 S 70/09; Urteil vom 2. Dezember 2008 – I-5 S 70/08), ergibt sich jedenfalls aus der Begründung dieser Entscheidungen kein Gesichtspunkt, der den Fraunhofer-Mietpreisspiegel auf dem hier maßgeblichen regionalen Markt als nicht geeignet erscheinen ließe. Solche Gesichtspunkt hat auch der Kläger nicht vorgetragen. Danach beschwert die – im Übrigen unangegriffene – Ermittlung des Normaltarifs unter Zugrundelegung des Fraunhofer-Mietpreisspiegels zzgl. eines Zuschlags von 15 % durch das Erstgericht den Kläger jedenfalls nicht rechtswidrig.
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3. Soweit das Erstgericht dem Kläger – von der Berufung unangegriffen – ferner Hol- und Bringkosten von weiteren 26,89 € und 35,29 € zuerkannt hat, wird der Kläger auch hierdurch nicht zu seinem Nachteil beschwert.
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4. Entgegen der angefochtenen Entscheidung kann der Kläger allerdings für die Bereifung mit Winterreifen weitere 12 x 10,00 € = 120,00 € beanspruchen. Allein der Umstand, dass Kraftfahrzeuge je nach Wetterverhältnissen mit Winterreifen versehen sein müssen (vgl. § 2 Abs. 3a StVO) hindert eine Preisgestaltung, bei der Anmietkosten und Kosten für eine Bereifung mit Winterreifen separat ausgewiesen sind, nicht (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2013 – VI ZR 245/11 – VersR 2013, 730 ff.). Ein solcher separater Ausweis ist auch in der Praxis durchaus üblich (vgl. die Nachweise bei BGH aaO). Der von der Kammer zugrunde gelegte Marktpreisspiegel Mietwagen des Fraunhofer-Instituts geht von Preisen aus, die unter Vermeidung von Aufschlägen und Zuschlägen für Winterreifen ermittelt wurden (vgl. Fraunhofer IAO, Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2011, S. 19). Unter diesen Umständen ist ein Zuschlag für die tatsächlich angefallenen, notwendigen Aufwendungen für Winterreifen vorzunehmen, dessen Höhe nach gefestigter Kammerrechtsprechung (Kammerurteile vom 26. Februar 2010 – 13 S 240/09 – und vom 9. April 2010 – 13 S 238/09) jedoch auf 10,00 EUR/Tag zu begrenzen ist, was – mangels anderer verfügbarer Grundlage – dem Bundesdurchschnitt nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel entspricht.
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5. Entgegen der angegriffenen Entscheidung sind auch die Kosten der Selbstbeteiligung erstattungsfähig, soweit sie über die Höhe der für das klägerische Fahrzeug vereinbarten Selbstbeteiligung hinausgehen. Das entspricht der Pflicht zur Leistung vollständigen Schadensersatzes nach § 249 BGB. Danach ist der Geschädigte so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde. Ohne das (erst)schädigende Ereignis wäre der Kläger durch die von ihm eingegangene Versicherung gegen einen weiteren Schaden – selbst bei eigenem Verschulden – bis auf die vereinbarte Selbstbeteiligung abgesichert gewesen. Dieser durch die eingegangene Versicherung bezahlte Vorteil der Absicherung muss dem Geschädigten erhalten bleiben, wenn er infolge des (Erst-)Unfalls gezwungen wird, ein Ersatzfahrzeug anzumieten, während sein eigenes Fahrzeug reparaturbedingt ungenutzt bleibt. Die Anmietung eines Fahrzeugs mit einer lediglich geringfügig um 50,00 € höheren Selbstbeteiligung ist dem Geschädigten auch nicht als Verstoß gegen eine Schadensminderungspflicht anzulasten.
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6. Danach kann der Kläger über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag von 259,57 € hinaus nach dem Normaltarif weitere 120,00 € für Winterreifen und weitere 50,00 € Selbstbeteiligung nebst Zinsen verlangen.
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7. Weitere Mietwagenkosten sind vorliegend nicht erstattungsfähig. Der Kläger – dem insoweit die Darlegungslast obliegt – kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass ihm in der konkreten Unfallsituation kein günstigerer Normaltarif als der von ihm in Anspruch genommene Tarif zugänglich gewesen sei.
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a) Dass er seiner Verpflichtung, sich vor der Anmietung nach dem Mietpreis und günstigeren Angeboten zu erkundigen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2010 – VI ZR 112/09, VersR 2010, 494; Urteil vom 2. Februar 2010 – VI ZR 7/09, VersR 2010, 683), nachgekommen wäre, ist nicht vorgetragen. Eigene Bemühungen um die Einholung von Vergleichsangeboten hat der Kläger nicht dargetan. Soweit er geltend macht, das Reparaturunternehmen habe ihm über die Firmen … und … keinen Mercedes ML vermitteln können, genügt dies in mehrfacher Hinsicht der Erkundigungspflicht nicht.
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aa) Zu Recht ist das Erstgericht dem Kläger bereits nicht in der Annahme gefolgt, er sei zum Transport seiner Leinwand gerade auf das hier verunfallte Fahrzeugmodell angewiesen. Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, gibt es eine Vielzahl weiterer Kraftfahrzeuge mit einem größeren Stauraum. Zwar mag es dem Kläger nicht zumutbar sein, auf einen im Vergleich zu seinem Fahrzeug ungleich größeren und unhandlicheren Lastkraftwagen zurückzugreifen. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass in der Fahrzeugklasse, zu der das klägerische Fahrzeug gehört, allein ein Mercedes ML 420 geeignet wäre, die Leinwand des Klägers und seine sonstige Ausrüstung zu transportieren. Der insofern darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat den Beweis hierfür nicht angetreten. Unter diesen Umständen bedurfte es auch keiner Beweisaufnahme darüber, ob außer der Firma … keine andere Firma in der Lage gewesen wäre, dem Kläger einen Mercedes ML zur Verfügung zu stellen. Denn schon nach dem klägerischen Vortrag kann nicht davon ausgegangen werden, dass auch kein gleichwertiges Fahrzeug eines anderen Herstellers verfügbar gewesen wäre.
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bb) Überdies zeigt der Kläger keine Besonderheiten im hier maßgeblichen regionalen Markt auf, die es generell erlaubt hätten, das Einholen von weiteren Vergleichsangeboten zu unterlassen (vgl. Kammer, Urteile vom 26. Februar 2010 – 13 S 240/09 – und vom 6. August 2010 – 13 S 66/13). Eine besondere Eil- oder Notsituation ist nicht ersichtlich. Unter solchen Umständen ist dem Kläger regelmäßig die Einholung von drei Vergleichsangeboten zumutbar. Dessen war der Kläger hier insbesondere auch nicht deshalb enthoben, weil – die Behauptung des Klägers als wahr unterstellt – die Firmen … und … auf Vermittlung der Reparaturwerkstatt keinen Mercedes ML zur Verfügung stellen konnten. Abgesehen davon, dass eine Erkundigung nach Fahrzeugen anderer Hersteller nicht erfolgte, durfte sich der Kläger unter den hier gegebenen Umständen mit einer solchen durch das Reparaturunternehmen vermittelten Auskunft nicht zufrieden geben. Bleiben einzelne Mietpreisabfragen ohne Erfolg, kann die Einholung von ein bis zwei weiteren Abfragen geboten sein (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2010 – VI ZR 6/09, VersR 2010, 1053 f.). Das gilt insbesondere, wenn – wie hier – keine besondere Eilsituation vorliegt und das einzige vorliegende Angebot einen vergleichsweise hohen Mietpreis ausweist.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 101 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO iVm. § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).