Zur Bemessung einer Vertragsstrafe wegen Zuwiderverhandlung

LG Karlsruhe, Beschluss vom 16.06.2010 – 11 S 182/09

Bei der Bemessung einer Vertragsstrafe (hier: gegen einen Wohnungseigentümer wegen fortwährender Ruhestörung) ist insbesondere die Druckfunktion zu berücksichtigen. Eine Alkoholkrankheit kann im Ergebnis nicht dazu führen, durch eine weitere Herabsetzung der Strafe die Druckfunktion, die hier schon bei 2.000,00 EUR fraglich scheint, zu verringern und die Vertragsstrafe damit wirkungslos zu machen (Rn. 10).

Tenor

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung des Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme und – im Kosteninteresse – ggf. Rechtsmittelrücknahme bis zum 08.07.2010.

Gründe

I.

1

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Staufen vom 27.08.2009, durch welches er zur Zahlung einer Vertragsstrafe an die Klägerin verurteilt wurde. Er strebt die Herabsetzung der verwirkten Vertragsstrafe an.

2

Seit 2006 stört der Beklagte, der als Wohnungseigentümer der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft angehört, den Hausfrieden im Haus … in welchem seine Wohnung liegt, in zahlreichen Fällen und auch zur Nachtzeit durch lautstarke Streitigkeiten, Herumschreien, tätliche Auseinandersetzungen in der Wohnung und durch überlaute Musik. Allein vom 24.12.2006 bis 04.10.2007 kam es deswegen zu 25 Polizeieinsätzen, nebst Beschwerden der Anwohner beim Ordnungsamt. Teilweise wurde durch das Randalieren des Beklagten auch Gemeinschaftseigentum beschädigt (Scheibe der Hauseingangstür eingeschlagen, Herausreißen und Werfen der Wohnungseingangstür in das Treppenhaus mit Beschädigung von Treppenstufen und einem Fensterelement).

3

Nach mehrfacher Abmahnung der Hausverwaltung und erneuten Vorfällen verpflichtete sich der Beklagte am 26.02.2008 schriftlich gegenüber der Klägerin, Ruhestörungen zu unterlassen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung verpflichtete er sich zur Zahlung von 2.000,00 EUR.

4

Am 08.05.2008 wurde der Beklagte erneut wegen nächtlichen Randalierens von der Polizei abgeführt. Ab November 2008 kam es zu mehreren Vorfällen, die wiederum teilweise einen Polizeieinsatz erforderlich machten, bis hin zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung in der Wohnung des Beklagten durch eine Messerstecherei.

5

Die Klägerin verlangte von dem Beklagten zunächst die Zahlung einer Vertragsstrafe von 2.000,00 EUR wegen neun einzelner, von ihr aufgelisteter Verstöße. Wegen dennoch erfolgender weiterer Verstöße, darunter die Messerstecherei und einen Vorfall mit Beleidigung und Bedrohung einer Hausmitbewohnerin, machte sie eine weitere Vertragsstrafe von 4.000,00 EUR geltend. Das Amtsgericht Staufen verurteilte den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 6.000,00 EUR.

6

Der Beklagte stellt die Vorfälle – bis auf seine Beteiligung an der Messerstecherei – und die Verwirkung der Vertragsstrafe nicht in Abrede, beruft sich jedoch auf eine verminderte Schuldfähigkeit bzw. eine lediglich fahrlässige Begehung wegen seiner schwerwiegenden Alkoholkrankheit und begehrt eine angemessene Herabsetzung der Vertragsstrafe auf 50,00 EUR pro Vorfall, auch aufgrund seiner eingeschränkten wirtschaftlichen Verhältnisse als Hartz-IV-Empfänger.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

8

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Dem Rechtsstreit kommt auch eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu und eine Entscheidung der Kammer ist ferner nicht aus Gründen der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO).

9

1. Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe kommt vorliegend nicht in Betracht, wie das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat. Gemäß § 343 BGB kann eine Vertragsstrafe herabgesetzt werden, wenn sie unverhältnismäßig hoch ist. Angesichts der Schwere und Anzahl der Verstöße durch den Beklagten liegt aber im Streitfall keine Unverhältnismäßigkeit vor. Bei der Billigkeitskontrolle sind alle konkreten Umstände zu berücksichtigen, vor allem Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung, das Verschulden des Verletzers, die Funktion der Strafe als Druck- und Sicherungsmittel, das Interesse des Gläubigers an der Verhinderung der Handlung und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 343 Rn. 6 m. w. N.).

10

Vorliegend ist zunächst zu beachten, dass es sich um zahlreiche Verstöße nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung handelt, darunter auch so schwerwiegende wie die Messerstecherei, die in seiner Wohnung stattgefunden hat, und der Vorfall mit Beleidigung und Bedrohung einer Hausmitbewohnerin. Da mehr als nur drei Vorfälle, nämlich mindestens elf Vorfälle mit der von der Klägerin verlangten Vertragsstrafe von insgesamt 6.000,00 EUR betroffen sind, hat bereits die Klägerin im Ergebnis für eine erhebliche Herabsetzung der Vertragsstrafe gesorgt. Darüber hinaus kommt eine Herabsetzung vorliegend nicht in Betracht. Bei der Bemessung einer Vertragsstrafe ist insbesondere die Druckfunktion zu berücksichtigen (OLG Frankfurt GRUR-RR 2004, 375). Dabei ist hier von entscheidender Bedeutung, dass die hier vereinbarte Höhe von 2.000,00 EUR pro Vorfall sich als nicht einmal ausreichend zur Verhinderung weiterer Verstöße erwiesen hat. Demgegenüber tritt die Bedeutung des Verschuldens des Beklagten gemäß § 827 Satz 2 BGB zurück. Denn seine Alkoholkrankheit, so bedauerlich und schwierig sie für den Beklagten persönlich auch ist, kann im Ergebnis nicht dazu führen, durch eine weitere Herabsetzung der Strafe die Druckfunktion, die schon bei 2.000,00 EUR fraglich scheint, zu verringern und die Vertragsstrafe damit wirkungslos zu machen. Gleiches gilt für sein geringes Einkommen, wobei das Amtsgericht auch richtig darauf hingewiesen hat, dass der Beklagte mit seiner Eigentumswohnung über einen erheblichen Vermögenswert verfügt. Die begehrte Vertragsstrafe kann unter diesen Umständen nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, weshalb die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat.

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