Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 24.04.2012 – L 6 R 530/10
I. Der Rentenversicherungsträger hat seine Aufklärungs- und Informationspflicht nach § 13 SGB I gegenüber Versicherten und Rentenempfänger mit ständigem Aufenthalt im Ausland, unter Beachtung spezialgesetzlicher zwischenstaatlicher Regelungen, in der gleichen Art und Weise zu erfüllen, wie gegenüber Betroffenen im Inland.
II. Aus einer Verletzung dieser Pflicht gemäß § 13 SGB I erwächst dem einzelnen Versicherten bzw. Betroffenen grundsätzlich kein im Klagewege verfolgbares Recht auf persönliche Aufklärung.
II. Das Rechtsinstitut des „sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs“ ist in aller Regel nicht dafür geeignet, eine nicht erfolgte Erklärung des Versicherten zur Fortgeltung des am 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenen-Rentenrechts gemäß Art. 2 § 18 Abs. 3 ArVNG nach dessen Tod zu fingieren.
(Leitsätze des Gerichts)
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 30. April 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Streitig ist, ob die Beklagte den Witwenrentenanspruch der Klägerin unter Zugrundelegung des am 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrentenrechts neu festzustellen hat.
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Die 1924 in W. geborene Klägerin ist die Witwe des 1907 in S. geborenen und am 08.09.2001 in Bad R. verstorbenen Versicherten H. A.. Die Ehegatten lebten nach ihrer Eheschließung am 28.08.1948 gemeinsam in Österreich. Auf ihren Antrag vom 09.10.2001 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 26.02.2002 ab 01.10.2001 „große Witwenrente“. Der Rentenbescheid enthält die Feststellungen und Hinweise, dass die Rente mit Ablauf des Sterbemonats gewährt werde, weil für den Versicherten im Sterbemonat Rente gezahlt worden sei, die Rente unter Beachtung von EU-Vorschriften und zwischenstaatlichen Regelungen und unter Anrechnung von Einkommen der Klägerin (eigene österreichische Alters- sowie Witwenpension) ermittelt werde. Die zwischenstaatliche Rente in Höhe von 261,37 Euro sei um das anzurechnende Einkommen von 126,77 Euro auf 134,60 Euro zu mindern; dieser Betrag mindere sich nach Ziffer 19 Schlussprotokoll zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Soziale Sicherheit um weitere 76,46 Euro aufgrund der (zeitgleichen) Versicherungsmonate, die in beiden Vertragsstaaten (bei Ermittlung des Rentenanspruchs einerseits und des Pensionsanspruchs andererseits) zu berücksichtigen seien. Für die Zeit ab 01.04.2002 ergebe sich eine monatliche Zahlung in Höhe von 58,14 Euro. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
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In der Folgezeit wurde die Witwenrentenhöhe – unter Beachtung der jeweiligen Anrechnungsbestimmungen – mit weiteren (bindenden) Bescheiden angepasst. Mit Schreiben vom 18.09.2007 sowie nachfolgenden schriftlichen Eingaben beanstandete die Klägerin die Ermittlung des Rentenzahlbetrages durch die Beklagte. Am 07.10.2008 beantragte sie schließlich die Neufeststellung der Witwenrente ohne Einkommensanrechnung.
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Mit Bescheid vom 13.10.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2009 lehnte die Beklagte eine Neufeststellung nach § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) im Wesentlichen mit der Begründung ab, mit dem ursprünglichen Bescheid vom 26.02.2002 seien die geltenden gesetzlichen Regelungen zutreffend berücksichtigt worden. Denn beide Ehegatten hätten innerhalb der nach Art. 2 § 18 Abs. 3 Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG) maßgeblichen Frist bis 02.01.1989 nicht übereinstimmend erklärt, dass die am 31.12.1985 geltenden Rechtsvorschriften für Renten an Witwen und Witwer anzuwenden seien. Eine Verletzung der Hinweispflicht (nach § 115 Abs. 6 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch – SGB VI -) bzw. der allgemeinen Aufklärungspflicht (im Sinne des § 13 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch – SGB I -) oder Beratungspflicht (nach § 14 SGB I) seitens der Beklagten sei zudem nicht feststellbar.
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Die hiergegen am 20.04.2009 erhobene Klage ist damit begründet worden, dass bei rechtzeitiger umfassender Aufklärung sich die Ehegatten – allein aufgrund des erheblichen Altersunterschieds – für die Anwendung des vormals geltenden Hinterbliebenenrentenrechts entschieden hätten. Der Einwand der Beklagten, sie habe durch Musterschreiben an Rentenempfänger und umfassende Öffentlichkeitsarbeit ihrer Aufklärungspflicht genügt, stehe im Widerspruch zu ihren früheren Einlassungen, wonach entsprechende Hinweise an Versicherte in Österreich nicht möglich gewesen seien .
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Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten hat die 2. Kammer des SG Landshut die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30.04.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe das Recht nicht unrichtig im Sinne des § 44 SGB X angewandt. Denn die Beteiligten hätten keine übereinstimmende Erklärung zur Anwendung des am 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrentenrechts abgegeben und die Beklagte habe nicht ihre Hinweis-, Aufklärungs- oder Beratungspflicht verletzt. Der Gerichtsbescheid ist der Klägerin am 05.05.2010 zugestellt worden.
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Die hiergegen am 05.07.2010 beim SG Landshut eingegangene Berufung hat die Klägerin – vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten – damit begründet, dass ihr bzw. dem Versicherten das übliche Aufklärungsschreiben zum Hinterbliebenenrenten-Wahlrecht nicht zugegangen sei. Es widerspreche EU-Recht, wenn im Ausland lebende Versicherte durch unzulängliche Hinweise und Beratungen diskriminiert würden. Das SG habe es in seiner Entscheidung versäumt, eine Sachprüfung der Öffentlichkeitsarbeit im Ausland seitens der Beklagten vorzunehmen. Die Klägerin könne aufgrund eines „sozialrechtlichen Herstellungsanspruches“ die Neufeststellung ihrer Witwenrente verlangen. Denn die Beklagte habe – entgegen der Ansicht des SG – bereits im Hinblick auf den Altersunterschied von 17 Jahre zwischen dem Verstorbenen und der Witwe einen konkreten Anlass gehabt, zur Wahl des alten Hinterbliebenenrentenrechts zu raten. Die generell bestehende Verpflichtung, die im Ausland lebenden Versicherten umfassend zu informieren, sei seitens der Beklagten und des Gerichts zum Schaden von Tausenden Versicherten missachtet worden.
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Der Aufforderung des Senats mit Schreiben vom 25.05.2011, die Voraussetzungen für eine zulässige Vertretung nach § 73 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zu belegen, ist der Prozessbevollmächtigte erst nach Erinnerung durch die am 16.08.2011 eingegangene Mitteilung nachgekommen, dass er seit 04.06.2011 der Schwiegersohn der Klägerin sei. In der mündlichen Verhandlung ist die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten ausführlich erörtert worden.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG Landshut vom 30.04.2010 und des Bescheides der Beklagten vom 13.10.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2009 zu verurteilen, die Witwenrente ab Rentenbeginn unter Zugrundelegung des am 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrentenrechts neu festzustellen und die entsprechend höheren Rentenbeträge nachzuzahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie beruft sich auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides.
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Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des SG und des Bayer. LSG Bezug genommen.
Entcheidungsgründes
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Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG -), sachlich aber nicht begründet. Die Entscheidungen des Sozialgerichts und der Beklagten sind im Ergebnis zutreffend. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Witwenrentenbescheides vom 26.02.2002 sowie der nachfolgenden Änderungsbescheide. Die hiermit erfolgte Rentenfeststellung, unter Anwendung der gesetzlichen Regelung des § 46 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) und insbesondere der gesetzlichen Bestimmung der §§ 18a SGB IV, 314 Abs. 1 SGB VI zur Anrechnung eigenen Erwerbseinkommens auf die Hinterbliebenenrente, ist für die Beteiligten bindend. Eine Neufeststellung des Hinterbliebenenrentenanspruches nach den bis 31.12.1985 geltenden Rechtsvorschriften kommt nicht in Betracht, weil die Klägerin und ihr verstorbener Ehegatte die hierfür erforderliche gemeinsame Erklärung nicht abgegeben haben.
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Gemäß § 77 SGG wird ein Verwaltungsakt bindend, wenn der gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird und soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Die Klägerin hatte innerhalb der vorgegebenen Frist von einem Monat (§ 84 SGG) nach Erlass der jeweiligen Witwenrentenbescheide in keinem Falle Widerspruch, als Klagevoraussetzung (§ 78 SGG), erhoben. Damit ist die Bindungswirkung der Rentenfeststellungen eingetreten. Diese gesetzliche Regelung dient der Rechtssicherheit, der Rechtsklarheit, dem Rechtsfrieden und im Bereich der Leistungsverwaltung auch der Berechenbarkeit öffentlicher Ausgaben. Der Schutzzweck der Norm umfasst das öffentliche Interesse an dem Bestand eines Verwaltungsaktes ebenso wie den Vertrauensschutz des Adressaten und anderer Beteiligter (§§ 12 SGB X, 69 SGG). Eine Durchbrechung der Bestandskraft ist ausschließlich unter den strengen gesetzlich normierten Voraussetzungen, insbesondere der §§ 44 ff Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), rechtlich zulässig. Die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes, wie sie die Klägerin begehrt, ist in § 44 Abs. 1 SGB X wie folgt geregelt: „Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen“. Eine entsprechende unrichtige Rechtsanwendung liegt hier nicht vor.
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Maßgebend für die Anwendung des Hinterbliebenenrentenrechts war gemäß §§ 300 ff SGB VI die Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens des Rentenanspruches mit dem Tode des Versicherten (§ 46 Abs. 2 SGB VI). Die Sonderregelung des Art. 2 § 18 Abs. 3 Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG) in der Fassung des Art. 4 Nr. 2 des Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetzes vom 11.07.1985 (BGBl I S. 1450) greift vorliegend nicht. Nach Art. 2 § 18 Abs. 3 ArVNG konnten Ehegatten gegenüber den für einen der Ehegatten zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nur bis zum 31.12.1988 übereinstimmend erklären, dass für sie die am 31.12.1985 geltenden Rechtsvorschriften für Renten an Witwen und Witwer anzuwenden seien, wenn beide Ehegatten vor dem 01.01.1936 geboren waren und ihre Ehe vor dem 01.01.1986 geschlossen worden war. Notwendig sind demgemäß fristgerechte Erklärungen von beiden Ehegatten, die wirksam werden, wenn sie dem Erklärungsempfänger, dem Träger der Rentenversicherung, zugehen. Eine solche Erklärung des Ehemannes der Klägerin ist hier nicht vorhanden. Die – hier ohnehin verspätete – Abgabe der Erklärung durch einen der Ehegatten allein reicht selbst in Fällen nicht aus, in denen der andere Ehegatte aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes nicht mehr in der Lage war, seinerseits eine inhaltlich deckungsgleiche Erklärung abzugeben (vgl. hierzu Urteile des 5. Senats des Bundessozialgerichts – BSG – vom 06.09.1989 – 5 RJ 70/88 und vom 16.11.1989 – 5 RJ 71/88).
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Die Klägerin ist auch nicht etwa aufgrund eines „sozialrechtlichen Herstellungsanspruches“ so zu stellen, als hätte sie zusammen mit ihrem Ehemann die notwendige Erklärung rechtzeitig abgegeben. Zu den Voraussetzungen des Herstellungsanspruchs gehören ein Sozialrechtsverhältnis oder zumindest die Anbahnung eines solchen zwischen einem Leistungsträger und einem Berechtigten, die Verletzung einer Informations- oder Beratungspflicht durch den Leistungsträger, ein Schaden beim Berechtigten sowie ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Eintritt des Schadens. Hieraus ergibt sich dann die Verpflichtung des Leistungsträgers auf Vornahme einer zulässigen Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger seine Pflichten ordnungsgemäß erfüllt hätte und die Fehldisposition nicht geschehen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.2003, B 4 RA 15/02 R; BSG, Urteil vom 11.03.2004, B 13 RJ 16/03 R).
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Vorliegend begründet die Klägerin ihr Anliegen nicht mit einer fehlerhaften oder unvollständigen Beratung, vielmehr macht sie geltend, in dem maßgeblichen Zeitraum bis 31.12.1988 von der Beklagten überhaupt nicht über die entsprechende Änderung der Rechtslage informiert worden zu sein.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte – wie es von ihr behauptet und von der Klägerin bestritten wird – im vorliegenden Falle den Versicherten auf die Gestaltungsmöglichkeit nach Art. 2 § 18 Abs. 3 ArVNG hingewiesen hat. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat der einzelne, der die Frist versäumt hat, „bei unterlassener oder ungenügender Aufklärung der Bevölkerung, insbesondere über ein befristetes Recht …“ (hier zur Bestimmung der Fortgeltung des vormaligen Hinterbliebenenrentenrechts), „gegen den Versicherungsträger (§ 13 SGB I) keinen Herstellungsanspruch, es sei denn dass die Fristversäumung auf dessen unrichtigen oder missverständlichen Informationen beruht“ (Urteil des 12. Senats des BSG vom 21.06.1990, 12 RK 27/88, in BSGE 67, 90 = SozR 3-1200 § 13 Nr. 1 – Leitsatz m.w.N.). Grundsätzlich erwächst dem einzelnen Versicherten (und auch dessen Witwe) also aus einer Verletzung der allgemeinen Aufklärungs- und Informationspflicht des § 13 SGB I kein im Klagewege verfolgbares subjektiv-öffentliches Recht auf persönliche Aufklärung. Ausnahmen können ggf. dann bestehen, wenn sich ein Versicherter konkret an den Versicherungsträger wendet oder wenn der Versicherungsträger zuvor unrichtige oder missverständliche Informationen erteilt hat. Dies ist vorliegend, wie dargestellt, nicht der Fall. Fehlende oder unvollständige Gesetzeskenntnis eines Versicherten stellt hingegen keinen derartigen Ausnahmefall dar, weil das Prinzip der formellen Publizität auch im Bereich des Sozialrechts Geltung besitzt und damit kein individueller Anspruch auf allgemeine Aufklärung über die Gesetzeslage besteht (Beschluss des 12. Senats des BSG vom 24.03.2003, B 12 KR 2/03 B).Nicht entscheidend ist hierbei grundsätzlich, ob sich der Versicherte ständig im Inland oder im Ausland aufhält. Lediglich eine unrichtige oder irreführende Information des Versicherten durch die ausländische Verbindungsstelle – wofür vorliegend keinerlei Anhaltspunkte bestehen – wäre unter Umständen der Beklagten zuzurechnen (Urteil des 12. Senats des BSG vom 21.06.1990, a.a.O.).
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Der Senat hält vorliegend auch das Kausalitätskriterium nicht für erfüllt.
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Das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ist nach Systematik, Sinn und Zweck – insbesondere unter Beachtung der Privatautonomie und auch der Grundsätze der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit – grundsätzlich nicht geeignet, die für den erhobenen Anspruch erforderlichen rechtsgestaltenden Willenserklärungen der Eheleute zu fingieren oder zu ersetzen. Bereits unter Berücksichtigung der Grundsätze der objektiven Beweislast ist es ausgeschlossen, die Absicht oder Bereitschaft des Versicherten zur fristgemäßen Abgabe der erforderlichen Erklärung – nach dessen Tod und ohne seine entsprechende letztwillige Verfügung (vgl. dagegen Urteil des 1.Senats des BSG vom 13.11.1990 – 1 RA 5/90) – mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, zu belegen. Nicht entscheidend ist dabei, ob aufgrund der objektiven Umstände – hier gegebenenfalls im Hinblick auf den Altersunterschied der Eheleute oder wegen der Höhe der jeweils in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anwartschaften – die Erklärung wirtschaftlich sinnvoll gewesen wäre. Denn mittels eines Herstellungsanspruchs können Gegebenheiten tatsächlicher Art nicht fingiert werden (vgl. hierzu z.B. Urteil des BSG vom 11.03.2004 – B 13 RJ 16/03 R) und nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung ist ausschließlich die von den Eheleuten im Zeitpunkt der Abgabe ergebnisoffene Erklärung und nicht eine – bei rückblickender Betrachtung – optimale Wirtschaftlichkeitsbestimmung maßgebend. Neben wirtschaftlichen Risiken, mit denen die Wahl des alten oder des neuen Hinterbliebenen-Rentenrechts in der Zukunft ggf. verbunden sein konnte, waren für viele betroffene Eheleute andere Gesichtspunkte dafür maßgebend, sich nicht für die Fortgeltung des bisherigen Rechts zu entscheiden: Häufig waren familiäre oder auch persönliche Gründe, wie psychologische Hemmnissen, sich nachhaltig mit den Gegebenheiten nach dem eigenen Tod oder dem des Partners gedanklich zu beschäftigen – also eine Verdrängung und nicht nur ein Vergessen der gesetzlichen Frist – für die Nichtabgabe der Erklärung ursächlich. Nach dem Tode eines Ehegatten ist es faktisch nicht mehr möglich, entsprechende Umstände, die wesentlich auch von der Willensbildung des Verstorbenen abhängig sein konnten, mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit (fiktiv) auszuschließen.
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Die tatsächliche Abgabe oder die Nichtabgabe der übereinstimmenden Erklärung hatte für die Beteiligten zudem eine rechtsgestaltende Wirkung. Grundsätzlich ist der Ehemann durch die Neuregelung des Hinterbliebenenrentenrechts gegenüber der bis zum 31.12.1985 geltenden Rechtslage besser gestellt worden. Denn nach dem früher geltenden Hinterbliebenenrentenrecht bestand Anspruch auf eine Witwerrente unter den sonstigen Voraussetzungen nur, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod überwiegend bestritten hatte (vgl. dazu auch § 303 SGB VI). Diese geschlechterspezifische Ungleichbehandlung zu Lasten der Ehemänner war nach Feststellung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Grundgesetz (Art. 3) nicht vereinbar. Durch die Neuregelung wurde die Gleichbehandlung von Witwe und Witwer ohne erheblichen finanziellen Mehraufwand erreicht, indem die Erweiterung des Kreises der anspruchsberechtigten Männer durch die allgemeine Einkommensanrechnung auf den Hinterbliebenenrenten ausgeglichen wurde. Der Vertrauensschutz in die vormals geltende gesetzliche Hinterbliebenenrentenregelung sollte nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann zum Tragen kommen, wenn beide Ehegatten die zukunftsgerichteten rechtsgestaltenden übereinstimmenden Willenserklärungen abgaben. Der erklärte Wille nur eines Ehepartners – hier der Klägerin – ist somit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ausreichend bzw. anspruchsbegründend.
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Nach alledem ist der Berufung der Erfolg zu versagen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Gründe für die Zulassung der Revision (§160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) sind nicht ersichtlich.