Zur Aufklärungspflicht des Arztes bei Kombination zweier Eingriffe

OLG Dresden, Urteil vom 16.05.2017 – 4 U 1229/15

Klärt der Arzt vor der Kombination zweier Eingriffe (hier: Katarakt-OP unter gleichzeitiger Astigmatismuskorrektur) nur über einen Operationsteil (hier: Katarakt-OP) auf, so haftet er für die Folgen der Operation nicht, wenn offen bleibt, ob diese nicht auch allein auf dem Teil der Operation beruhen können, der von der Aufklärung umfasst war.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 31.07.2015 (Az. 1 O 3306/14) wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 44.309,26 EUR festgesetzt.

Gründe
I.

1
Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadenersatz wegen der Verletzung von Pflichten aus einem im Jahr 2008 geschlossenen Anwaltsvertrag, in dessen Rahmen sie von der Klägerin beauftragt worden waren, gerichtlich Schadenersatzansprüche gegen den die Klägerin behandelnden Augenarzt Dr. med. F. K. durchzusetzen.

2
Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und der erstinstanzlichen Antragstellung wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Dresden vom 31.07.2015 verwiesen, der wie folgt zu ergänzen ist:

3
Nach Feststellung der die Klägerin behandelnden Ärzte litt diese an beiden Augen an Grauem Star. Sie wurde deshalb am 10.09.2007 am linken Auge und am 20.09.2007 am rechten Auge durch Dr. med. F. K. operiert. Zugleich nahm er jeweils am linken und rechten Auge der Klägerin eine Hornhautbegradigung (Astigmatismuskorrektur) vor.

4
Die Klägerin hat behauptet, Dr. med. F. K. habe ihr mitgeteilt, dass es notwendig sei, an beiden Augen operativ eine Hornhautbegradigung durchzuführen. Er habe darauf hingewiesen, sie könne nur in dem Fall zukünftig noch ein Auto führen, und eine Hornhautbegradigung müsse zugleich mit der Operation des Grauen Stars durchgeführt werden. Eine Aufklärung bezüglich der Hornhautbegradigung – insbesondere auch zu den Risiken – sei durch Dr. med. F. K. nicht erfolgt. Nachdem sie am rechten Auge am 20.09.2007 zunächst eine Hornhautbegradigung noch ausdrücklich abgelehnt habe, sei sie in der Folge durch Dr. med. F. K. bedrängt worden, eine solche durchzuführen. Unter Medikamenteneinfluss und gedrängt durch den „Redeschwall“ des Arztes habe sie schließlich in die Operation eingewilligt. Nach den Operationen habe sie Schmerzen gehabt und eine Verschlechterung der Sehleistung festgestellt, wobei die Sehfähigkeit über die Jahre immer mehr abgenommen habe. Sie nehme zudem starke Lichtbrechungen wahr. Die Hornhaut an beiden Augen weise starke Vernarbungen auf, die auf die Operationen des Dr. med. K. zurückzuführen seien. Sie könne nicht mehr Auto fahren und es falle für sie Fernsehen, Computerarbeit sowie Kino und Theater völlig aus. Bei entsprechender Positionierung und entsprechenden Lichtverhältnissen könne sie einige Seiten einer Zeitung oder eines Buches lesen, dann verschwimme jedoch das vom Auge aufgenommene Bild. Die Beklagte zu 1. habe nicht beachtet, dass der Klägerin materielle Schäden aus der fehlerhaften Behandlung des Arztes entstanden seien und habe diese fehlerhaft nicht eingeklagt. Das von der Beklagten zu 1. mit der Klage geltend gemachte Schmerzensgeld sei zudem zu gering bemessen gewesen. Da es sich um zwei Körperverletzungen, von denen zumindest eine vorsätzlich begangen worden sei, gehandelt habe und wegen der erheblichen Einschränkungen des Sehvermögens hätte vielmehr die Geltendmachung eines Schmerzensgeld von zumindest 40.000,00 EUR anwaltlicher Sorgfalt entsprochen. Darüber hinaus habe die Beklagte zu 1. die Klägerin nur unzureichend beraten; sie habe in der mündlichen Verhandlung des Vorprozesses am 18.05.2011 die Konsequenzen des dort geschlossenen Abfindungsvergleiches nicht überschauen können. Insgesamt stehe ihr daher gegenüber den Beklagten eine Schadensersatzforderung in Höhe von 39.309,26 EUR zu, die sich aus dem Schmerzensgeld in Höhe von 40.000,00 EUR abzüglich gezahlter 2.750,00 EUR aus dem Abfindungsvergleich, Kosten für eine Voruntersuchung des Dr. med. F. K. in Höhe von 864,49 EUR, Kosten für eine Brille in Höhe von 763,40 EUR, Kosten für die Untersuchung beim Optiker in Höhe von 117,90 EUR, Kosten für Kontaktlinsenreinigungsmittel in Höhe von 50,47 EUR, Übernachtungskosten in Aachen im Zusammenhang mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens in Höhe von 113,00 EUR sowie außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 150,00 EUR zusammensetze. Darüber hinaus sei der Feststellungsantrag auf Grund der weiter zunehmenden Verschlechterung des Augenlichts begründet.

5
Die Beklagten haben behauptet, die Beklagte zu 1. habe in der Sitzung am 18.05.2011 mit der Klägerin ausführlich über die Bedingungen des abzuschließenden Vergleiches gesprochen. Im Rahmen des Gespräches sei die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass die Zahlung abschließend sei, auch wenn sich der Gesundheitszustand künftig weiterhin verschlechtere. Darüber hinaus sei auf ein bestehendes Beweisrisiko hingewiesen worden, insbesondere, dass eine sichere Prognose über das Ergebnis des einzuholenden Sachverständigengutachtens sowohl bezüglich eines Behandlungsfehlers als auch bezüglich des Ursachenzusammenhanges, nicht getroffen werden könne.

6
Mit Urteil vom 31.07.2015 hat das Landgericht Dresden die Klage abgewiesen, da die geltend gemachte Forderung verjährt sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

7
Mit der von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegten sowie begründeten Berufung verfolgt diese ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Sie ist der Ansicht, dass die von ihr geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt seien. Insbesondere habe die Verjährung entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht im Jahr 2011 begonnen, vielmehr hätte die Klägerin erst im Laufe des Jahres 2014 i.S.d. § 199 Abs. 1 BGB Kenntnis davon gehabt, dass pflichtwidrige Handlungen der Beklagten vorlägen.

8
Die Klägerin beantragt,

9
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dresden vom 31.07.2015

10
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, 39.309,26 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 18. Juni 2014 an die Klägerin zu zahlen;

11
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, die künftig der Klägerin wegen der streitgegenständlichen Operationen zur Hornhautbegradigung vom 10. und 20. September 2007 noch nicht bezifferbaren Schäden zu ersetzen, die durch den Vergleich vor dem Landgericht vom 18. Mai 2011 nicht mehr gegenüber dem Arzt Dr. F. K. verfolgbar seien.

12
Die Beklagten zu 1. und 2. beantragen jeweils,

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die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

14
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil.

15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines augenärztlichen Sachverständigengutachtens. Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen PD Dr. med. habil. T. H. vom 29.07.2016 Bezug genommen. Darüber hinaus hat der Senat den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung am 04.04.2017 angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2017 Bezug genommen.

II.

16
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

1.

17
Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche jedoch nicht verjährt.

18
a) Ansprüche gegen Rechtsanwälte verjähren seit Aufhebung des § 51b BRAO durch Gesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3214) mit Wirkung vom 15. Dezember 2004 nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften der §§ 194 ff. BGB. Danach verjährt der Regressanspruch nach § 195 BGB in drei Jahren mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Mandant von der Person des Schuldners und von den – den Anspruch begründenden – Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB; vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2016, Az. IV ZR 58/16, zitiert nach juris; BGHZ 200, 172 ff.). Eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch begründenden Umstände i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt im Fall der Anwaltshaftung nicht schon dann vor, wenn dem Mandanten Umstände bekannt werden, nach denen zu seinen Lasten ein Rechtsverlust eingetreten ist. Vielmehr muss er Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn – zumal wenn er juristischer Laie ist – ergibt, dass der Rechtsberater von dem üblichen rechtlichen Vorgehen abgewichen oder Maßnahmen nicht eingeleitet hat, die aus rechtlicher Sicht zur Vermeidung eines Schadens erforderlich waren. Nicht die anwaltliche Beratung, sondern erst der Pflichtenverstoß des Rechtsberaters begründet den gegen ihn gerichteten Regressanspruch (vgl. nur BGH, a.a.O.).

19
b) Vorliegend lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin bereits im Jahr 2011 Kenntnis von der Person des Schuldners sowie den anspruchsbegründenden Tatsachen besaß und daher der Lauf der Verjährungsfrist bereits Ende des Jahres 2011 begann.

20
Zwar hat sich die Klägerin bereits im Jahre 2011 schriftlich (vgl. Schreiben vom 06.01.2011, Anlage K 10, und vom 06.04.2011, Anlage K 17) über die Arbeitsweise der Beklagten beschwert. Dennoch lag zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis der maßgebenden Umstände i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor. Vielmehr handelte es sich bei den schriftlichen Äußerungen der Klägerin lediglich um Unmutsäußerungen, die die vorprozessuale Mandatsbearbeitung betrafen. Dagegen lässt sich nicht entnehmen, dass die Klägerin im Jahr 2011 bereits Kenntnis von konkreten Pflichtverletzungen der Beklagten im Zusammenhang mit dem gegen Dr. med. K. durchgeführten Klageverfahren hatte, die nunmehr aber ausschließlich Gegenstand des gegen die Beklagten anhängigen Verfahrens sind. Denn die Klagebegründung ist ausweislich der beigezogenen Akte des Landgerichts Dresden (Az. 6 O 239/11) erst mit Schriftsatz vom 09.05.2011, mithin nach den Schreiben vom 06.01.2011 (Anlage K 10) bzw. 06.04.2011 (Anlage K 17), erfolgt. Ihren nunmehrigen Prozessbevollmächtigten suchte sie zudem erst im April 2014 auf, um die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten geltend zu machen. Es ergeben sich daher keine Anhaltspunkte, die eine Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis der der Klägerin im Jahr 2011 von den den Beklagten nunmehr zur Last gelegten Pflichtverletzungen begründen würden.

21
c) Aber selbst wenn man davon ausginge, die dreijährige Verjährungsfrist hätte gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem 31.12.2011 begonnen, wäre die Verjährung durch die Erhebung der Klage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB rechtzeitig gehemmt worden. Zwar ist die Zustellung der Klage an die Beklagte zu 1. erst am 05.03.2015 und an den Beklagten zu 2. erst am 13.02.2015 erfolgt, dennoch wirkt die Zustellung jeweils auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung am 23.12.2014 zurück, da die Zustellung jeweils noch als „demnächst erfolgt“ i.S.v. § 167 ZPO anzusehen ist. Das Merkmal „demnächst“ i.S.v. § 167 ZPO ist nur erfüllt, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Dabei wird eine Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig hingenommen (vgl. nur BGH, Urteil vom 10.07.2015, Az. V ZR 2/14, zitiert nach juris, mit zahlr. Nachw.).

22
aa) Insoweit liegt eine der Klägerin vorwerfbare Verzögerung von mehr als 14 Tagen im Hinblick auf die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses nicht vor. Denn der Kostenvorschuss ist verfahrenswidrig (§ 31 Abs. 1, § 32 Abs. 2 KostVg a.F.) nicht von der Partei selbst, sondern über deren Anwalt angefordert worden ist. Die damit einhergehende – der Partei nicht zuzurechnende – Verzögerung ist unter diesen Umständen nach der Rechtsprechung des BGH (aaO.) im Allgemeinen mit drei Werktagen unter Ausklammerung des Eingangstages und von Wochenendtagen zu veranschlagen. Innerhalb einer solchen Zeitspanne kann auch in hoch belasteten Anwaltskanzleien eine Kenntnisnahme, Bearbeitung und Weiterleitung sowie bei Zugrundelegung üblicher Postlaufzeiten zudem der Eingang bei der Partei selbst erwartet werden. Vorliegend wäre die Kostenanforderung, die ausweislich der Akten durch das Gericht am 07.01.2015 freigegeben worden ist, dem Rechtsanwalt bei Zugrundelegung einer Postlaufzeit von drei Tagen, daher frühestens am 09.01.2015 (Freitag) zugegangen. Dementsprechend ist die Klägerin so zu stellen, wie sie stünde, wenn ihr selbst die Anforderung am 14.01.2015 (Mittwoch) zugegangen wäre. Da die Klägerin frühestens am nächsten Tag, d.h. am 15.01.2011, hätte tätig werden müssen und der Kostenvorschuss tatsächlich am 29.01.2011 bei der Justizkasse eingegangen ist, liegt keine schuldhafte Verzögerung von mehr als 14 Tagen vor.

23
bb) Nichts anderes ergibt sich auch deshalb, soweit der Beklagten zu 1. die Klageschrift dann erst am 05.03.2015 wegen unrichtiger Angabe der Anschrift der Beklagten zu 1. zugestellt werden konnte. Denn nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. nur Urteil vom 08.06.1988, Az. IVb ZR 92/87, zitiert nach juris) wird die Zeitdauer der Verzögerung erst von der zunächst versuchten, fehlgeschlagenen Zustellung an gerechnet und die Frage, ob die spätere erfolgreiche Zustellung noch „demnächst“ erfolgte, danach beantwortet, um welche Zeitspanne die Klagezustellung durch die Nachlässigkeit des Klägers hinausgeschoben wurde. Allerdings lässt sich mangels entsprechenden Vermerks in den Akten nicht feststellen, wann der fehlgeschlagene Zustellversuch vorgenommen worden ist. Unter Berücksichtigung dessen, dass ausweislich der Akten der erste Zustellversuch durch das Gericht unter der falschen Anschrift am 12.02.2015 (Donnerstag) veranlasst worden ist und dass bei der späteren Zustellung zwischen der Veranlassung am 02.03.2015 (Montag) und der tatsächlich erfolgten Zustellung am 05.03.2015 (Donnerstag) zwei Werktage lagen, ist jedoch davon auszugehen, dass die Zustellung bei Berücksichtigung entsprechender Postlaufzeiten und des dazwischenliegenden Wochenendes frühestens am 17.02.2015 hätte vorgenommen werden können, so dass bei einer Zustellung die nur etwas mehr als 14 Tage später (nämlich 16 Tage später) am 05.03.2015 erfolgt ist, noch von einer „demnächst“ erfolgten Zustellung auszugehen ist.

2.

24
Der Klägerin stehen jedoch gegenüber den Beklagten die geltend gemachten Schadensersatzansprüche aus §§ 280 Abs. 1, 611, 675 BGB nicht zu.

25
a) Der Senat unterstellt hierbei zu ihren Gunsten, dass die Beklagte zu 1) ihre aus dem Anwaltsvertrag folgende Pflicht, die Interessenlage der Klägerin umfassend zu klären und ihr nach dem Gebot des sichersten Weges dasjenige vorzuschlagen, was die größte Sicherheit versprach, das angestrebte Ziel zu erreichen (vgl. hierzu BGH NJW 2012, 2435; NJW 2009, 1589; Fahrendorf in: Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl. Rn 429ff., 566ff.), schuldhaft verletzt hat. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass die der Klägerin zuteil gewordene Beratung im Zusammenhang mit dem Abschluss des Abgeltungsvergleiches im Vorprozess hinreichend war, schon weil hier Spätschäden im Raum standen und daher eine Beratung über die Möglichkeit, insoweit einen Vorbehalt in den Vergleich aufzunehmen (vgl. insoweit Fritz, ZMGR 2015, 292), sich aufgedrängt hätte. Dies kann jedoch auch dahinstehen. Der Klägerin ist auch im Anschluss an die ergänzende Beweisaufnahme durch den Senat nicht der Nachweis gelungen, dass ihr durch den Abfindungsvergleich ein Schaden entstanden ist. Weitergehende Ansprüche gegenüber dem sie behandelnden Arzt Dr. med. K. als mit dem Abfindungsvergleich vereinbart, hätten der Klägerin jedenfalls nicht zugestanden.

26
b) Der Klägerin ist der Nachweis nicht gelungen, dass ein Behandlungsfehler bzw. eine infolge eines Aufklärungsmangels rechtswidrig vorgenommene Operation kausal für den ihr entstandenen Schaden geworden ist. Der im Berufungsverfahren beauftragte Sachverständige PD Dr. med. H. hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass die durchgeführte Operation am Grauen Star (Katarakt-Operation) aufgrund der Trübungen in der Linse der Klägerin medizinisch indiziert war und gemäß den geltenden medizinischen Standards fehlerfrei durchgeführt worden sei. Dies wird von der Klägerin auch nicht angegriffen. Dass jedoch nicht die Operation am Grauen Star, sondern die Astigmatismuskorrektur an beiden Augen entweder für sich allein oder zusammen mit der Operation am Grauen Star ursächlich für den der Klägerin entstandenen Schaden – insbesondere für die Vernarbungen auf der Hornhaut (irregulärer Astigmatismus) mit den sich daraus ergebenden Folgeschäden – geworden ist, hat die Klägerin – selbst unter Berücksichtigung des erleichterten Beweismaßstabes des § 287 ZPO – nicht bewiesen.

27
aa) Der Patient muss beweisen, dass sein Körper- oder Gesundheitsschaden gerade Folge des Behandlungsfehlers oder des mangels ordnungsgemäßer Aufklärung rechtswidrigen Eingriffs ist, wobei Mitursächlichkeit genügt (vgl. Laufs u.a., Arztrecht, 7. Aufl., XI. Rz.47, m.w.N.). Kann der Schaden eines Patienten sowohl durch den durch die Einwilligung gedeckten und behandlungsfehlerfrei durchgeführten Teil des Eingriffs als auch durch den durch die Einwilligung nicht mehr gedeckten und daher nicht rechtmäßigen Teil verursacht worden sein, so haftet der Arzt grundsätzlich nur dann, wenn der Patient beweist, dass der Schaden durch den nicht rechtmäßigen Teil verursacht worden ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.02. 2003, Az. 7 U 156/02, zit. nach juris; Martis/Winkhart, aaO., A 2134, m.w.N.). Besteht nach mangelhafter Aufklärung die rechtswidrige Behandlungsmaßnahme in einer Operation, stellt dies den Primärschaden i.S.d. § 286 ZPO dar. Dem Patienten kommt dann für den Nachweis des hierauf kausal zurückzuführenden Gesundheitsschadens die Beweiserleichterung aus § 287 ZPO zugute (vgl. dazu nur Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4.Aufl., Rz. A 1891a, Rz. A 2114, m.w.N.). Im Rahmen des § 287 ZPO genügt für die richterliche Überzeugungbildung eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit (vgl. BGHZ 159, 254; BGH, VersR 2004, 118; Laufs, a.a.O, XI. Rz.58).

28
bb) Im Anschluss an die Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen PD Dr. med. habil. H. ist eine solche (Mit-)Ursächlichkeit der Astigmatismuskorrektur für den bei der Klägerin an beiden Augen vorhandenen irregulären Astigmatismus jedoch nicht als überwiegend wahrscheinlich im Sinne des § 287 ZPO anzusehen Zwar hat der gerichtlich bestellte Sachverständige sowohl in seinem Gutachten vom 29.07.2016 als auch im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2017 erklärt, dass seiner Auffassung nach mit höherer Wahrscheinlichkeit die Kombination der beiden Operationen, d.h. der Katarakt-Operation und der Astigmatismus-Operation, zu dem Auftreten des irregulären Astigmatismus bei der Klägerin geführt habe als jede der beiden Operationen für sich genommen. Er hat dies zum einen damit begründet, dass aufgrund der beiden Eingriffe zwei Hornhautschnitte durchgeführt worden seien, so dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines irregulären Astigmatismus größer sei, als wenn es nur einen Schnitt wie bei einer alleinigen Katarakt-Operation gegeben hätte. Zum anderen hat er die höhere Wahrscheinlichkeit der Mitursächlichkeit der Astigmatismuskorrektur mit der gleichmäßigen Verteilung der Irregularität auf der Hornhaut begründet.

29
Dies genügt jedoch nach Auffassung des Senats nicht, damit er sich die Überzeugung davon bilden kann, dass (jedenfalls auch) die Astigmatismuskorrektur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu der Vernarbung der Hornhautoberfläche bei der Klägerin geführt hat. Denn der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2017 dargestellt, dass bei einer Operation am Grauen Star die Hornhautoberfläche immer verändert werde, so dass dies für sich allein bereits zum Auftreten eines irregulären Astigmatismus führen könne. Deshalb sei bei einer Operation, bei der allein am Grauen Star operiert werde, immer über dieses Risiko aufzuklären. Auch vorliegend könne es daher sein, dass durch die Katarakt-Operation erhebliche Wundheilungsstörungen hervorgerufen worden seien, der irreguläre Astigmatismus mithin auch allein durch die Operation am Grauen Star bewirkt worden sein könne. Soweit auf den von ihm eingesehenen Bildern auf der gesamten Hornhaut eine Irregularität zu finden sei, spreche dies zwar aus seiner Sicht eher dagegen, dass diese durch eine der beiden Operationen allein hervorgerufen worden sei, es sei jedoch gleichwohl als Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Dabei hat er darauf hingewiesen, dass Einschnitte an einer Stelle der Hornhaut grundsätzlich auch Wundheilungsstörungen und einen irregulären Astigmatismus an einer ganz anderen Stelle der Hornhaut verursachen könnten. Auch auf ausdrückliche Nachfrage hat sich der Sachverständige außerstande gesehen, das Maß der Wahrscheinlichkeit, wonach die Kombination beider Schnitte zu dem irregulären Astigmatismus geführt hätte, einzugrenzen, auch weil es hierzu – mangels ausreichenden Interesses in der Medizin – keine Studien gebe.

30
Im Anschluss an diese Ausführungen des Sachverständigen fehlt es dem Senat aber an einer ausreichenden Grundlage, um sich die Überzeugung bilden zu können, dass die Astigmatismuskorrektur für den bei der Klägerin vorhandenen irregulären Astigmatismus mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (jedenfalls mit-) ursächlich geworden ist. Insbesondere liegt hier auch kein Fall der sog. Gesamtkausalität vor, der es rechtfertigen könnte, die verbleibende Unklarheit der Behandlungsseite anzulasten (vgl. hierzu OLG Koblenz VersR 2008, 648; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl. B Rn 260). Denn vorliegend steht gerade nicht fest, dass mehrere Ursachen in nicht abgrenzbarer Weise zu einem Gesamtschaden geführt haben. Neben einem solchen nicht abgrenzbaren Zusammenwirken von Katarakt- und Astigmatismusoperation verbleibt vielmehr auch die nicht von der Hand zu weisende Ursächlichkeit allein der – medizinisch indizierten und behandlungsfehlerfrei ausgeführten – Kataraktoperation. Dass die Kombination der Eingriffe die Wahrscheinlichkeit des Auftretens der Hornhautvernarbung erhöht hat, stellt lediglich einen theoretischen, nicht jedoch einen tatsächlichen Anhaltspunkt dar. Die gleichmäßige Verteilung der Irregularität ist für sich allein nicht ausschlaggebend, um eine überwiegende Wahrscheinlichkeit hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zu begründen, wenn Hornhauteinschnitt und Wundheilungsstörung grundsätzlich an anderen Stellen der Hornhaut lokalisiert sein können.

III.

31
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Zulassungsvoraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

32
Für die Streitwertfestsetzung waren die §§ 47, 48 GKG, 3 ZPO maßgebend, wobei der Feststellungsantrag mit 5.000,00 EUR bemessen worden ist.

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