Landgericht Detmold, Urteil vom 22.02.2012 – 10 S 163/11
Zum Zustandekommen eines wirksamen Kaufvertrages bei Abbruch einer Internet-/ebay-Auktion
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 24.08.2011 wird auf ihre Kosten nach einem Gegenstandswert von 2.000,– € zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Sachverhalt
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 544 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
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II.
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Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erfolgt, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht dem Kläger einen Anspruch auf Übereignung des Wohnwagens gemäß § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB zuerkannt.
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Die Beklagte hat ein bindendes Angebot gemäß § 145 BGB durch das Einstellen des streitgegenständlichen Wohnwagens auf der Internetplattform ebay abgegeben (BGH NJW 2002, 363). Demnach ist derjenige, der einem anderen die Schließung eines Vertrages anträgt, an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat. Bei der Auslegung der von der Beklagten abgegeben Willenserklärung können die maßgeblichen AGB von ebay (im Folgenden: ebay-AGB) herangezogen werden. Die ebay-AGB für die vorliegende Auktion enthalten in § 10 Abs. 1 folgende Regelungen:
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“Stellt ein Anbieter auf der eBay-Website einen Artikel im Angebotsformat Auktion ein, gibt er ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrages über diesen Artikel ab. Dabei bestimmt der Anbieter einen Startpreis und eine Frist (Angebotsdauer), binnen derer das Angebot per Gebot angenommen werden kann. Der Bieter nimmt das Angebot durch Abgabe eines Gebots über die Bieten-Funktion an. Das Gebot erlischt, wenn ein anderer Bieter während der Angebotsdauer ein höheres Gebot abgibt. Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt, das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen …”
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Aufgrund dieser Bestimmung ist das Verkaufsangebot der Beklagten aus der Sicht der an der Auktion teilnehmenden Bieter (§§ 133, 157 BGB) dahin zu verstehen, dass es unter dem Vorbehalt einer berechtigten Angebotsrücknahme steht (siehe hierzu BGH MMR 2011, 653).
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Ob hier ein berechtigter Grund für die vorzeitige Beendigung der ebay-Auktion vorlag, kann im Ergebnis dahinstehen, da jedenfalls zum Zeitpunkt des Abbruchs der Auktion kein Grund vorlag. Denn unstreitig wurde die Auktion am 06.04.2011 beendet, wobei der Wohnwagen auch nach dem streitigen Vortrag der Beklagten erst am 07.04.2011 veräußert worden ist. Das Angebot der Beklagten hat der Kläger durch Abgabe des Höchstgebotes von 56,00 € angenommen.
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Das Rechtsgeschäft ist auch nicht etwa gemäß § 138 BGB nichtig. Für die Annahme der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäftes reicht nämlich allein das Bestehen eines besonders krassen Missverhältnisses zwischen Preis und Leistung nicht aus. Hinzu treten müssen weitere sittenwidrige Umstände, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung auf Seiten des Klägers, der als der wirtschaftlich oder intellektuell Überlegene die schwächere Lage des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt hat. Dafür bietet der Vortrag der Beklagten keine hinreichenden Anhaltspunkte.
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Insoweit kommen der Beklagten wegen der Besonderheiten des Geschäftes auch keine Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugute. Zwar besteht bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung grds. eine tatsächliche Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung, die in der Regel eine weitere Prüfung der subjektiven Voraussetzungen entbehrlich macht (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rdnr. 34 a m.w.Nw.). Das gilt aber nicht uneingeschränkt. Zu berücksichtigen sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls. Diese aber rechtfertigen bei Internetgeschäften der vorliegenden Art auch bei einem groben Missverhältnis von Preis und Leistung nicht ohne Weiteres den Rückschluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Käufers bzw. auf ein Ausnutzen einer Schwäche des Verkäufers. Denn der Teilnehmer einer Internetauktion ist sich regelmäßig bewusst, dass die Ermittlung der Höhe der Gegenleistung von anderen Faktoren als allein dem üblichen Marktwert eines Artikels abhängt. Die Erwartung des Verkäufers, durch geschicktes Einstellen eines Artikels ein möglicherweise besonders gutes Geschäft zu machen, und demgegenüber die Vorstellung des Bieters, im richtigen Moment zu einem besonders günstigen “Schnäppchen” zu kommen, gehören geradezu zum Wesen einer derartigen Vertragsanbahnung. Dem widerspräche aber, wenn bei der Wahl einer solchen Verkaufsplattform die Präsentation eines Artikels nur dann verbindlich sein soll, wenn auch ein “angemessener” Preis erzielt wird (LG Bonn, Urteil. v. 12.11.2004 – 1 O 307/04; OLG Köln, MMR 2007, 446).
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Der Übereignungsanspruch ist auch nicht etwa dadurch untergegangen, dass die Beklagte behauptet, das Eigentum an dem Wohnwagen bereits auf einen Dritten übertragen zu haben. Denn der Kläger hat den Eigentumsverlust bereits erstinstanzlich bestritten. Das einzige Beweismittel der Beklagten ist eine Erklärung des D, der den Kauf des Wohnwagens bestätigt hat, § 416 ZPO. Diese Erklärung wurde jedoch erst in der Berufungsinstanz vorgelegt; erstinstanzlich wurden keine Beweismittel angeboten, so dass das Amtsgericht die Beklagte zu Recht als beweisfällig angesehen hat.
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Gemäß § 531 Abs. 2 ZPO sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurde oder im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden ist, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
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Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Beklagte hätte bereits erstinstanzlich alle in Betracht kommenden Beweismittel benennen müssen. In der Berufungsinstanz kann sie hiermit nun nicht mehr gehört werden.
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Zu Recht hat das Amtsgericht die Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs verneint. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist eine in Rspr. und Lit. anerkannte Fallgruppe des § 242 BGB, die von den Gerichten von Amts wegen zu berücksichtigen ist (BGHZ 12, 164 ff.). Dass damit Wertungsfragen einhergehen, die wiederum zu Rechtsunsicherheiten führen können, liegt in der Natur der Sache. Deshalb muss die Anwendung auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben.
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Grundsätzlich kommt die Annahme einer unangemessenen Benachteiligung des Anbieters und Verkäufers nur in krassen Ausnahmefällen in Betracht. Der Anbieter ist nämlich regelmäßig durch die Möglichkeit der Angabe eines Mindestgebots, der Größe der Bietschritte sowie der Bietzeit in der Lage, sein Risiko zu begrenzen. Nutzt er dies nicht, muss er sich an der Folge grds. festhalten lassen. Dies kann allerdings uneingeschränkt nur dann gelten, wenn die Auktion auch tatsächlich bis zum Ende der Bietzeit durchgeführt wurde und der Anbieter die Chancen eines niedrigen Startpreises insoweit genutzt hat und damit auch die Risiken tragen muss. Wurde aber die Auktion vorzeitig abgebrochen, muss der konkrete Einzelfall betrachtet werden. Dabei ist von besonderem Gewicht, ob sich die wesentliche Begründung, den Anbieter an seinem Angebot festzuhalten und den Bieter nicht seiner Willkür auszusetzen, im konkreten Einzelfall realisiert hat (OLG Koblenz MMR 2009, 630).
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Die Beklagte hat die Auktion bereits am nächsten Tag abgebrochen. Durch die vorzeitige Beendigung hat sie sich selbst der Gefahr ausgesetzt, dass gerade ein solches Missverhältnis zwischen Preis und Leistung entstehen kann. Wäre die Auktion bis zum regulären Ende betrieben worden, wäre möglicherweise ein höherer Preis erzielt worden. Ließe man den Einwand des Rechtsmissbrauchs zu, so wäre grundsätzlich jeder Anbieter berechtigt, die Auktion vorzeitig zu beenden (auch wenn hierfür kein Grund vorliegt), wenn das Höchstgebot zu diesem Zeitpunkt deutlich hinter dem wirtschaftlichen Wert der Sache zurückbliebe. Das wird jedoch den spezifischen Besonderheiten einer Internetauktion in keiner Weise gerecht.
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Hinsichtlich des Feststellungsantrages wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre gesetzliche Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.