Zum Vorliegen eines arglistigen Verhaltens eines Versicherungsnehmers

OLG München, Urteil vom 30.03.2012 – 25 U 5453/09

Für ein arglistiges Verhalten eines Versicherungsnehmers gegenüber seinem Versicherer bei Antragstellung kann sprechen, wenn er schwere, chronische, schadengeneigte Erkrankungen oder immer wieder auftretende zahlreiche Erkrankungen oder dauerhafte Erkrankungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen, die zu erheblichen Einschränkungen des Alltags führen oder solche verschwiegen hat, die offenkundig für das versicherte Risiko erheblich sind. Auch die Angabe einer belanglosen Erkrankung bei Verschweigen einer belangvollen kann ein Indiz für Arglist sein (Rn. 20).

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 27.10.2009, Az. 12 O 23527/08, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 35.230,24 festgesetzt.


Gründe

I.

1

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend, welche aufgrund Antrages der Klägerin vom 19.12.2001 (Anlage B 1) abgeschlossen wurde. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem als Anlage K 1 vorgelegten Nachtrag zum Versicherungsschein vom 15.10.2005. Die Parteien haben die Geltung der BBUZ 2001 (Anlage K 2) vereinbart. Die Klägerin hat vorgetragen, in dem erlernten Beruf der Dialysefachkrankenschwester seit 14.07.2004 insbesondere wegen einer psychischen Erkrankung, seit 2008 auch wegen eines Hörsturzes, zweier Bandscheibenvorfälle sowie einer Hammerzehe bedingungsgemäß berufsunfähig zu sein. Sie macht Leistungen ab dem 28.10.2004 geltend. Einen Leistungsantrag hat sie bei der Beklagten am 28.09.2007 (Anlage B 5) gestellt. Die verspätete Meldung sei entschuldigt, da sie erst durch ein Gespräch mit einer Versicherungsvertreterin erfahren habe, dass sie über eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung verfüge.

2

Die Beklagte hat eingewandt, Leistungen könnten gemäß § 1 Abs. 4 BBUZ für die Zeit vor dem Leistungsantrag ohnehin nicht gefordert werden. Im Übrigen seien Leistungen nicht fällig, da sie ihre Leistungsprüfung nicht habe abschließen können. Die Klägerin habe weder den im Rahmen der Leistungsprüfung angeforderten REHA-Entlassungsbericht vorgelegt, noch die geforderte Schweigepflichtentbindungserklärung für die Deutsche Rentenversicherung abgegeben. Zudem habe sie den Termin zur Untersuchung bei einem von der Beklagten beauftragten Arzt nicht wahrgenommen.

3

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens erster Instanz, der Prozessgeschichte sowie der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Endurteils des LG München I vom 27.10.2009 (S. 3/7) Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, Ansprüche vor dem 01.08.2007 seien wegen § 1 Abs. 4 BBUZ unbegründet. Der Nachweis, dass sie diese Ausschlussfrist unverschuldet versäumt habe, sei der Klägerin nicht gelungen. Im Übrigen sei die Klage derzeit unbegründet, weil die Leistung der Beklagten noch nicht fällig sei und sich die Beklagte auf die Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit durch die Klägerin berufen könne. Die Beklagte habe zu Recht auf der Vorlage des REHA – Entlassungsberichts und der geforderten Schweigepflichtentbindungserklärung für die Deutsche Rentenversicherung sowie auf der Untersuchung der Klägerin durch einen von ihr beauftragten Arzt bestanden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf S. 7/12 des Endurteils vom 27.10.2009 Bezug genommen.

4

Gegen dieses Endurteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und fristgerecht begründete Berufung der Klägerin. Sie rügt, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, das Erstgericht habe verfahrensfehlerhaft ihr Beweisangebot, wonach sie die Anmeldefrist unverschuldet versäumt habe, nicht berücksichtigt. Auch habe das Landgericht zu Unrecht angenommen, dass die Klageforderung nicht fällig sei. Sie habe durch Vorlage der Atteste nachgewiesen, dass sie berufsunfähig sei. Weitere Erhebungen durch die Beklagte seien nicht veranlasst gewesen. Der REHA-Entlassungsbericht liege ihr selbst auch nicht vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 04.04.2010 (Bl. 131/145 d.A.) sowie die Schriftsätze der Klägerin vom 02.06.2010 (Bl. 168/174 d.A.), vom 23.06.2010 (Bl. 176/177 d.A.) und vom 28.06.2010 (Bl. 178/180 d.A.) Bezug genommen.

5

Die Klägerin beantragt zuletzt,

6

1. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 27.10.2009, Aktenzeichen 12 O 23527/08, wird die Beklagte und Berufungsbeklagte verurteilt, an die Klägerin € 31.233,10 zu zahlen;

7

2. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 27.10.2009, Aktenzeichen 12 O 23527/08, wird die Beklagte und Berufungsbeklagte verurteilt, an die Klägerin Versicherungsleistungen aus dem Versicherungsvertrag Nr. 730 139 53.5, sonach Rentenzahlungen von € 4.321,92 jährlich zu erbringen und die Klägerin von der Beitragspflicht freizustellen ab dem 01.01.2009 bis längstens 01.01.2024.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

10

Sie verteidigt, ebenfalls unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, das Ersturteil als zutreffend. Die Kenntnis des REHA – Entlassungsberichts sei unbedingt erforderlich, dessen Erholung setze die gesonderte Schweigepflichtentbindungserklärung voraus. Die vorgelegten Atteste seien ungenügend, die Krankschreibungen ohne Aussagekraft. Die behauptete Unkenntnis vom Bestehen der Versicherungen werde nach wie vor bestritten. Im Übrigen gebe es nach den Versicherungsbedingungen keinen rückwirkenden Anspruch. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung der Beklagten vom 24.03.2010 (Bl. 148/161 d.A.) Bezug genommen.

11

Der Senat hat den Parteien in der Ladungsverfügung (Anlage zu Bl. 162 d.A.) sowie im Termin vom 29.06.2010 (S. 3 des Sitzungsprotokolls, Bl. 183 d.A.) Hinweise erteilt, hinsichtlich deren Einzelheiten auf die genannten Fundstellen Bezug genommen wird. Die Parteien haben sich daraufhin mit dem Ruhen des Verfahrens einverstanden erklärt, die Klägerin hat die von der Beklagten geforderte Schweigepflichtentbindungserklärung unterzeichnet und ihre Bereitschaft erklärt, sich einer Begutachtung durch die Beklagte zu unterziehen (vgl. S. 4 des Sitzungsprotokolls vom 29.06.2010, Bl. 184 d.A.).

12

Mit Schriftsatz vom 15.06.2011 (Bl. 210/211 d.A.) hat die Beklagte vorgetragen, dass sie im Rahmen der Leistungsprüfung festgestellt habe, dass die Klägerin bei Antragstellung die auf S. 2 des Schriftsatzes (Bl. 211 d.A.) im Einzelnen aufgeführten Erkrankungen bzw. Beschwerden aus dem Zeitraum vom 15.12.1994 bis 23.05.2001 verschwiegen habe. Die Beklagte habe daraufhin mit Schreiben vom 03.06.2011 die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt. Diese Anfechtung hat sie erneut mit Schreiben vom 13.07.2011 (vorgelegt mit Schriftsatz vom 29.12.2011 als Anlage B 22) erklärt, nachdem die Klägerin die Anfechtung nach § 174 BGB zurückgewiesen hat. Die Beklagte trägt unter Bezugnahme auf ihre als Anlage B 21 vorgelegten Annahmerichtlinien vor, dass sie den Antrag der Klägerin allenfalls mit Leistungsauschlüssen betreffend Wirbelsäulenerkrankungen und Migräne sowie deren Ursachen und Folgen abgeschlossen hätte. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 15.06.2011 (Bl. 210/211 d.A.), vom 15.11.2011 (Bl. 224/229 d.A.) sowie vom 21.02.2012 (Bl. 250/255 d.A.) Bezug genommen.

13

Die Klägerin hält die Anfechtungserklärung für unwirksam. An die genannten Behandlungen könne sie sich wegen Zeitablaufs nicht erinnern. Sie habe bei Antragstellung sämtliche durch den Agenten S. an sie gerichteten Fragen korrekt beantwortet und insbesondere Rückenprobleme genannt sowie einen Darmverschluss im Alter von 17 Jahren. Sie habe sämtliche vom Zeugen S. angefragten Gesundheitsdaten zutreffend bekanntgegeben. Gezielte Fragen über etwaige Vorerkrankungen seien von diesem nicht gestellt worden. Der Zeuge sei an ihrem Gesundheitszustand nicht wirklich interessiert gewesen. Es werde bestritten., dass sie gefahrerhebliche Erkrankungen verschwiegen habe. Sie habe auch nicht arglistig gehandelt. Seit ihrer Heirat im Herbst 1998 habe sie massiv unter der häuslichen Gewalt ihres Ehemannes gelitten. Deswegen habe sie an Schlafstörungen und Verspannungen gelitten. Dies habe sie dem behandelnden Arzt mitgeteilt. Diagnosen habe ihr der Arzt nicht genannt. Zudem sei die Anfechtung verfristet und die Ausführungen der Beklagten zu den Voraussetzungen der Anfechtung unsubstantiiert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 23.09.2011 (Bl. 219/221 d.A.), vom 13.02.2012 (Bl. 237/245 d.A.), vom 23.02.2012 (Bl. 256/257 d.A.) sowie vom 27.02.2012 (Bl. 259/261 d.A.) Bezug genommen.

14

Der Senat hat die Klägerin in der Ladungsverfügung vom 01.1.2012 (Bl. 231 d.A.) darauf hingewiesen, dass die Jahresfrist des § 124 BGB gewahrt sein dürfte und ein Bestreiten der Beschwerden und Erkrankungen, auf deren Verschweigen die Anfechtung gestützt wurde, mit Nichtwissen unwirksam ist. Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 13.02.2012 (Bl. 237/245 d.A.) hat der Senat am 17.02.2012 die nachträgliche Ladung des Zeugin Dr. B. zu dem dort (Bl. 247 d.A.) bezeichneten Beweisthema angeordnet. Dieser Zeuge hat mit Telefax vom 24.02.2012 (Bl. 258 d.A.) mitgeteilt, dass es ihm nicht möglich ist, der kurzfristigen Zeugenladung Folge zu leisten.

15

Der Senat hat im Termin vom 28.02.2012 die Klägerin persönlich angehört und den Zeugen Schiffgens zum Antragsgespräch mit der Klägerin vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf S. 3/8 des Sitzungsprotokolls (Bl. 264/269 d.A.) Bezug genommen.

II.

16

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte Ansprüche aus der streitgegenständlichen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht zu. Die Beklagte hat diesen Vertrag mit Schreiben vom 13.07.2011 (Anlage B 22, Blatt 2) wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten, weshalb es auf die Frage, ob die Klägerin bedingungsgemäß berufsunfähig ist und ein etwaiger Leistungsanspruch fällig wäre, nicht mehr ankommt.

17

Im Einzelnen:

1.1.

18

Im Rahmen der mündlichen Anhörung hat die Klägerin eingeräumt, an Rückenbeschwerden und Migräne gelitten zu haben (S. 4 des Protokolls, Bl. 265 d.A.). Dass sie diese Umstände dem Zeugen S. mitgeteilt hat, ist aufgrund der Angaben dieses Zeugen widerlegt. Der Zeuge hat angegeben, dass er die Antragsfragen einzeln vorgelesen und erläutert und nach seiner Erinnerung auch auf die Folgen einer Falschbeantwortung hingewiesen habe. In der damaligen Ausbildungsphase sei er besonders bemüht gewesen, den Antrag so vollständig und vorschriftsmäßig wie möglich aufzunehmen. Wahrscheinlich habe er die Gesundheitsfragen damals noch genauer gestellt, als er dies heute tue. Wenn die Klägerin Kopf- oder Rückenschmerzen erwähnt hätte, hätte er genauer nachgefragt, da ja eine Migräne oder ein Bandscheibenvorfall dahinter stehen könne. Wenn ihm jemand Rückenbeschwerden im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit schildere, nehme er dies in den Antrag auf. Er habe deswegen auch schon mehrere Antragsablehnungen durch Versicherungen bekommen. Aufgrund dieser Angaben ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin weder die Rückenbeschwerden, noch die Migräne gegenüber dem Zeugen S. erwähnt hat, denn der Zeuge hätte in diesem Fall nach der von ihm geschilderten Vorgehensweise beides in den Antrag aufgenommen.

19

Der Zeuge war für den Senat im vollen Umfang glaubwürdig, seine Angaben waren auch glaubhaft. Er hat angegeben, sich noch an das Antragsgespräch erinnern zu können, wenn auch nicht an alle Einzelheiten. Er hat dies plausibel mit dem Umstand erklärt, dass er sich damals noch in der Ausbildung befunden habe und die Klägerin einer der ersten Kunden gewesen sei. Er konnte sich auch an Details des Antragsgesprächs erinnern, etwa an die Erörterung, ab welchem Prozentsatz Versicherungsschutz besteht. Auch konnte er sich daran erinnern, einen mobilen Drucker mitgeführt zu haben, wobei er in diesem Zusammenhang angab, er gehe davon aus, dass er den Antrag sogleich ausgedruckt und von der Klägerin habe unterschreiben lassen. Gerade im letztgenannten Zusammenhang wurde deutlich, dass der Zeuge bemüht war, nur das wiederzugeben, an das er sich noch erinnern konnte. Der Zeuge antwortete nach gründlicher Überlegung und ließ stets erkennen, ob und inwieweit er sich seiner Sache sicher war. Der Zeuge wirkte auf den Senat ausgesprochen seriös und glaubwürdig. Für seine Glaubwürdigkeit spricht auch, dass er auf Vorhalt ohne Zögern einräumte, hinsichtlich der Einschätzung des Merkmals “ …überwiegend körperlich tätig …“ möglicherweise eine falsche Einschätzung vorgenommen zu haben. Der Senat zieht hieraus nicht den Schluss, dass der Zeuge im Rahmen der Gesundheitsfragen nicht sorgfältig vorgegangen ist. Aufgrund des im Rahmen der Vernehmung gewonnenen persönlichen Eindrucks ist der Senat davon überzeugt, dass die Angaben dieses Zeugen der Wahrheit entsprechen.

1.2.

20

Die Klägerin hat zur Überzeugung des Gerichts auch arglistig gehandelt. Von einem arglistigen Verhalten ist auszugehen, wenn der Täuschende weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er unzutreffende Angaben macht, und dass dadurch bei dem Empfänger seiner Erklärung eine falsche Vorstellung entsteht und diese ihn zu einer Erklärung veranlasst, die er bei richtiger Kenntnis der Dinge nicht oder nicht so abgegeben haben würde. Voraussetzung für die Annahme einer arglistigen Täuschung ist somit, dass der Versicherungsnehmer mit wissentlich falschen Angaben von Tatsachen bzw. dem Verschweigen anzeige- und offenbarungspflichtiger Umstände auf die Entschließung des Versicherers, seinen Versicherungsantrag anzunehmen, Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er wahrheitsgemäße Angaben mache. Arglistig täuscht im Sinne des § 123 BGB damit nur derjenige, dem bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früherer Behandlungen auch bewusst ist, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet ist, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Vertragsangebots zu beeinflussen. Auf Arglist als innere Tatsache kann regelmäßig nur auf der Grundlage von Indizien geschlossen werden. Für ein arglistiges Verhalten eines Versicherungsnehmers gegenüber seinem Versicherer bei Antragstellung kann sprechen, wenn er schwere, chronische, schadengeneigte Erkrankungen oder immer wieder auftretende zahlreiche Erkrankungen oder dauerhafte Erkrankungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen, die zu erheblichen Einschränkungen des Alltags führen oder solche verschwiegen hat, die offenkundig für das versicherte Risiko erheblich sind. Auch die Angabe einer belanglosen Erkrankung bei Verschweigen einer belangvollen kann ein Indiz für Arglist sein (vgl. u.a. BGH NJW-RR 1991, 412; OLG Saarbrücken VersR 1996, 488).

21

Auf Grund der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin zumindest hinsichtlich der Migräne und der Rückenbeschwerden arglistig im Sinne dieser Kriterien gehandelt hat. Der Zeuge S. hat ihr die Gesundheitsfragen vorgelesen und erläutert. Nachdem sie selbst behauptet, dem Zeugen S. daraufhin die Migräne und die Rückenbeschwerden genannt zu haben, stellt sie selbst die Offenbarungspflicht hinsichtlich dieser Umstände nicht ernsthaft in Frage. Soweit sie behauptet, sie habe damals überhaupt nicht gewusst, auch eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen, ist dies durch die glaubwürdigen Angaben des Zeugen S. ebenfalls widerlegt. Der Zeuge hat in diesem Zusammenhang angegeben, die berufliche Situation der Klägerin mit dieser erörtert und die Prozentsätze der Berufsunfähigkeit, die zu einer Leistungspflicht führen, besprochen zu haben. Auch konnte sich der Zeuge an eine Äußerung der Klägerin erinnern, wonach der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung für den Ehemann der Klägerin sehr wichtig gewesen sei. Der Senat hält auch dies für glaubwürdig. Die verspätete Antragstellung durch die Klägerin im September 2007 könnte mit den von der Klägerin geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen erklärt werden und zwingt deshalb nicht zu dem Rückschluss, dass diese Angaben des Zeugen nicht der Wahrheit entsprechen. Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 22.03.2012 neue Tatsachen vorträgt, aus denen sich die Unglaubwürdigkeit des Zeugen S. ergeben soll, war dieses Vorbringen nicht zu berücksichtigen. Die Gewährung einer Schriftsatzfrist hatte die Klägerin im Termin vom 28.02.2012 nicht beantragt. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO ist nicht geboten. Die Klägerin behauptet zwar einen Restitutionsgrund im Sinne von § 156 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 580 Nr. 3 ZPO, hat diesen aber entgegen § 156 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht gemäß § 294 ZPO glaubhaft gemacht.

22

Insgesamt lässt das Verschweigen der Migräne und der Rückenschmerzen angesichts dieser Umstände nur den Schluss zu, dass die Klägerin insoweit auf das Antragsverhalten der Beklagten bewusst Einfluss nehmen wollte.

1.3.

23

Das Verschweigen der vorgenannten Umstände war auch kausal für die Entscheidung der Beklagten über die Annahme des Antrages der Klägerin. Die Beklagte hat durch Vorlage ihrer Annahmerichtlinien (Anlage B 21) plausibel dargelegt, dass sie den Antrag nur mit einer Ausschlussklausel bezüglich Wirbelsäulenerkrankungen und Migräne sowie deren Folgen angenommen hätte. Einer Einvernahme des Zeugen Dr. B. bedurfte es angesichts der Erklärung der Klägerin selbst sowie der Aussage des Zeugen S. nicht mehr.

1.4.

24

Die Beklagte hat die Anfechtung auch innerhalb der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB erklärt. Die Auskünfte der behandelnden Ärzte Dr. B. und Kollegen wurden am 06.08.2011 erteilt und gingen ausweislich des Eingangsstempels der Beklagten auf der Anlage B 20 dort am 23.08.2010 ein. Die Anfechtung wurde mit Schreiben vom 03.06.2011 und nochmals mit Schreiben vom 13.07.2011 erklärt. Hinsichtlich des letztgenannten Schreibens werden formale Mängel durch die Klägerin nicht substantiiert vorgebracht, sie sind auch nicht ersichtlich.

25

Daher war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

26

III. Nebenentscheidungen:

27

1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziffer 10 n.F, 711 ZPO.

28

2. Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO besteht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, da keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung, die höchstrichterlich noch nicht entschieden wurde, vorliegt, noch durch die Entscheidung Rechtsfragen angesprochen werden, die der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen.

29

3. Die Streitwertfestsetzung entspricht der Festsetzung durch die erste Instanz. Auf die zutreffende Berechnung durch das Landgericht im Beschluss vom 15.01.2009 (Bl. 13 d.A.) wird Bezug genommen.

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