Zum Verkauf eines Fahrzeuges „im Kundenauftrag“

OLG Stuttgart, Urteil vom 18. Januar 2022 – 6 U 389/21

Zum Verkauf eines Fahrzeuges „im Kundenauftrag“

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 16.7.2021 abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.040,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.3.2021 zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des PKW VW Käfer, Fzg.-Ident-Nr.: …, vom Kläger an den Beklagten.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 10.040,00 €

Gründe
I.

1
Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

2
Auf die zulässige Berufung des Klägers ist das angefochtene Urteil abzuändern.

3
Der Kläger kann gemäß §§ 355 Abs. 3 Satz 1, 357 Abs. 1 BGB die Erstattung der Zahlungen verlangen, die er in Erfüllung des Kaufvertrages geleistet hat, da der Kaufvertrag zwischen den Parteien im Fernabsatz zustande gekommen ist und sich aufgrund des Widerrufs nach §§ 312g Abs. 1, 355 BGB in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt hat. Ein Anspruch auf Ausgleich vorgerichtlicher Anwaltskosten steht dem Kläger jedoch nicht zu.

1.

4
Der Kaufvertrag vom 10.1.2021 kam mit dem Beklagten und nicht mit dem Voreigentümer zustande.

a)

5
Ob ein Agenturgeschäft vorliegt, bei dem der Käufer den Kaufvertrag nicht mit dem als Vermittler tätigen Kfz-Händler, sondern mit dem Voreigentümer schließt, oder ob es sich um einen Verbrauchsgüterkauf vom Kfz-Händler handelt, hängt davon ab, ob der Kfz-Händler im eigenen Namen oder gemäß § 164 Abs. 1 BGB als Stellvertreter im Namen seines Auftraggebers handelt. Der Wille des Unternehmers, im Namen des Vorbesitzers zu handeln und das Kaufangebot für ihn als Stellvertreter anzunehmen, muss für den Käufer deutlich und unmissverständlich hervorgetreten sein, andernfalls kommt der Vertrag mit dem Unternehmer selbst zustande (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl., Rn. 2274). Es liegt hier keine Fallgestaltung vor, bei der es für den Käufer ohne Bedeutung wäre, ob der andere Vertragschließende in eigenem oder fremdem Namen handelt und bei der ein Vertragsschluss mit dem, den es angeht, in Betracht kommt (vgl. dazu Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl., § 164 Rn. 10 ff.). Gerade beim Kauf durch einen Verbraucher ist für diesen wichtig, ob er von einer Privatperson oder von einem Unternehmer kauft, weil davon die Geltung der Schutzvorschriften über den Verbrauchsgüterkauf (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) abhängt.

b)

6
Nach diesen Grundsätzen ist hier von einem Eigengeschäft des Beklagten auszugehen.

aa)

7
Die „Verbindliche Bestellung eines Kraftfahrzeuges“ vom 10.1.2021 lässt nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit erkennen, dass der Beklagte das Fahrzeug als Stellvertreter im Namen des Voreigentümers M. verkaufen wollte.

(1)

8
In der Vertragsurkunde ist der Beklagte unter seiner Firma ausdrücklich als Verkäufer des Kraftfahrzeugs bezeichnet, und unter der Bezeichnung „Verkäufer“ hat der Beklagte den Vertrag auch ohne weiteren Vertretungszusatz unterzeichnet. Diese Kennzeichnung sprach aus Sicht des Klägers eindeutig dafür, dass der Vertrag mit dem Beklagten zustande kommen sollte.

(2)

9
Die weiteren Inhalte des schriftlichen Vertrages sind nicht geeignet, dieses Verständnis dahin zu korrigieren, dass der Beklagte aus Sicht des Klägers als Vertreter handeln wollte. Weder der Hinweis, dass das Fahrzeug „im Kundenauftrag“ verkauft wird, noch der Umstand, dass der Kaufpreis an den Voreigentümer zu zahlen war, sind dafür ausreichend.

10
Der Offenlegung der Auftragsbeziehung des Beklagten zum Voreigentümer kommt gegenüber der Bezeichnung des Beklagten als Verkäufer hier kein entscheidendes Gewicht zu. Ein Verkauf im Auftrag eines Dritten kann durch den Beauftragten sowohl in direkter Stellvertretung des Dritten gemäß § 164 Abs. 1 BGB in dessen Namen und auf dessen Rechnung erfolgen als auch in mittelbarer Stellvertretung, bei der der Beauftragte den Kaufvertrag in eigenem Namen aber auf Rechnung des Dritten schließt. Im letztgenannten Fall wird durch den Vertrag ausschließlich der mittelbare Vertreter berechtigt und verpflichtet (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl., Einf v § 164 Rn. 6). Gerade wegen der Bezeichnung des Beklagten als Verkäufer des Fahrzeugs legt der hier vorliegende Vertragstext aus dem objektiven Empfängerhorizont das Verständnis nahe, dass unter den beschriebenen Möglichkeiten ein Eigengeschäft des Beklagten gewollt war. Insofern unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung von derjenigen, über die das OLG Hamm in dem vom Beklagten zitierten Urteil vom 19. April 2012 ─ 2 U 25/11 ─ zu entscheiden hatte. Es muss deshalb nicht entschieden werden, ob ein Handeln „im Kundenauftrag“ für sich genommen als Hinweis auf ein Vertreterhandeln zu deuten ist.

11
Auch der weitere Umstand, dass die Kaufpreiszahlung an den Voreigentümer erfolgen sollte, lässt sich vollkommen mit der Auslegung des Vertrages als Verkauf in eigenem Namen auf fremde Rechnung in Einklang bringen. Ein Hinweis auf den Willen, in fremdem Namen handeln zu wollen, der geeignet wäre, die ausdrückliche Bezeichnung des Beklagten als Verkäufer zu korrigieren, ergibt sich daraus nicht.

bb)

12
Ein vom Inhalt des schriftlichen Vertrages abweichendes übereinstimmendes Verständnis der Parteien dahingehend, dass ein Vertretergeschäft gewollt gewesen wäre und es sich bei der Bezeichnung des Beklagten als Verkäufer um eine unschädliche Falschbezeichnung gehandelt hätte, kann dem Sachvortrag der Parteien nicht entnommen werden.

13
Die Einlassung des Klägers, er habe das Angebot so verstanden, dass der Beklagte das Fahrzeug verkaufe, ist nicht widerlegt. Der Äußerung des Klägers im Termin beim Landgericht, wonach „jedes Händlerfahrzeug im Kundenauftrag verkauft“ werde, lässt sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht entnehmen, der Kläger sei von einer Stellvertretung ausgegangen, vielmehr wollte der Kläger plausibel machen, warum er von einem Verkauf durch den Beklagten ausgegangen ist. Ob die Einschätzung des Klägers in der Sache zutreffend ist, ist für die Frage, wie er das Verkaufsangebot tatsächlich verstanden hat, nicht erheblich.

14
Soweit der Beklagte einwendet, bereits bei den Vertragsverhandlungen habe er erklärt, dass er nicht Eigentümer des Fahrzeugs sei und der Verkauf im Kundenauftrag erfolge, steht das der Annahme eines Verkaufs durch den Beklagten in eigenem Namen auf fremde Rechnung nicht entgegen. Im Hinblick auf den Inhalt des schriftlichen Vertrages ändern diese Hinweise nichts daran, dass der Beklagte aus Sicht des Klägers Verkäufer des Fahrzeugs war.

cc)

15
Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, die in dem Formular vorgedruckte Bezeichnung als Verkäufer sei neben dem auf den konkreten Fall bezogenen Hinweis darauf, dass der Verkauf im Kundenauftrag erfolge, nicht maßgeblich. Eine von dem Formular abweichende auf ein Vertretergeschäft gerichtete Individualvereinbarung ist – wie ausgeführt – nicht zustande gekommen. Es bleibt deshalb bei dem Grundsatz, dass Unklarheiten, die sich aus dem verwendeten Formular ergeben, zu Lasten des Unternehmers als Verwender des Formularvertrages gehen (§ 305c Abs. 2 BGB).

2.

16
Seine auf den Abschluss des Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung hat der Kläger gemäß §§ 312g Abs. 1, 355 BGB wirksam widerrufen.

a)

17
Gemäß § 312 Abs. 1 BGB sind die Vorschriften über Fernabsatzverträge anzuwenden. Bei dem vorliegenden Kauf handelt es sich um einen Verbrauchervertrag, der eine entgeltliche Leistung des Beklagten als Unternehmer zum Gegenstand hat.

18
Der Kläger war gemäß §§ 312g Abs. 1, 355 Abs. 1 Satz 1 BGB berechtigt, seine auf Abschluss des Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung zu widerrufen. Es liegt ein nach § 312g Abs. 1 BGB widerruflicher Fernabsatzvertrag vor, denn die Parteien haben für die Verhandlungen über den Kauf und den Vertragsschluss unstreitig ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet (§ 312c Abs. 1 BGB). Dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems erfolgt wäre, macht der Beklagte nicht geltend.

b)

19
Das Widerrufsrecht wurde am 2.3.2021 unter Beachtung der dafür geltenden Fristen ausgeübt. Die Widerrufsfrist von 14 Tagen (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB) hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen, denn der Beklagte hatte es versäumt, den Kläger gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB über sein Widerrufsrecht zu unterrichten (§ 356 Abs. 3 Satz 1 BGB). Auch war das Widerrufsrecht nicht gemäß § 356 Abs. 3 Satz 2 erloschen, denn diese Folge wäre erst nach Ablauf einer Frist von zwölf Monaten und 14 Tagen nach Erhalt des Fahrzeugs eingetreten.

c)

20
Als Vertragspartner des Klägers war der Beklagte auch der richtige Adressat der Widerrufserklärung. Der Widerruf hat gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB gegenüber dem Unternehmer zu erfolgen, mit dem der Verbraucher den Vertrag geschlossen hat.

3.

21
Aufgrund des Widerrufs schuldet der Beklagte dem Kläger gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB, die Erstattung der geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 10.040,00 €. Dass der Kläger weisungsgemäß an den Zeugen M. als Dritten gezahlt hat, ändert nichts daran, dass es sich um Leistungen in Erfüllung des Kaufvertrages handelt, die der Beklagte im Sinne des § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB empfangen hat.

22
Zwar bestand hinsichtlich der Rückgabe des Fahrzeugs ursprünglich gemäß § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB eine Vorleistungspflicht des Klägers. Eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung kann aber zu einer Aussetzung der Vorleistungspflicht führen (BGH, Urteil vom 20. Dezember 1996 – V ZR 277/95 –, Rn. 14, juris). Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Vorleistungsberechtigte die Gegenleistung zurückweist, indem er sich – wie vorliegend der Beklagte – zu Unrecht auf den Standpunkt stellt, mit ihm bestehe überhaupt keine Vertragsbeziehung (BGH, Urteil vom 22. September 1983 – VII ZR 43/83 –, Rn. 27, juris). Dem Kläger kann die Zahlung seinem Antrag folgend jedoch nur Zug um Zug gegen Herausgabe und Rückübereignung des PKW zugesprochen werden (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

4.

23
Neben den beantragten Zinsen (§§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB) steht dem Kläger ein Anspruch auf Ausgleich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht zu, da der Widerruf im Zeitpunkt der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten des Klägers noch nicht ausgeübt war und der Beklagte sich folglich mit der Rückabwicklung auch noch nicht in Verzug befand.

III.

24
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

25
Die Revision wird nicht zugelassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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