LG Köln, Urteil vom 26. September 2018 – 13 S 162/17
Bei Unterlassungsansprüchen aus § 1004 BGB analog wegen der Beeinträchtigung der Grundstücksausfahrt durch Nachbarn in einer privaten Wohnanlage ist vorrangig auf den Inhalt des Grundbuchs und dessen Regelungsgehalt für die Zu- und Abfahrt abzustellen.(Rn.6)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Brühl vom 05.09.2017 – Az. 28 C 45/17 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
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Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
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1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden, bleibt in der Sache hinsichtlich des allein noch im Streit befindlichen Berufungsantrags zu 3) jedoch ohne Erfolg.
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Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 600,71 € besteht mangels einer Hauptforderung, hinsichtlich derer die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, nicht. Die Kläger konnten von den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verlangen, dass diese es unterlassen, auf dem Flächenstreifen vor ihrem Grundstück, C-Straße in … X ein Fahrzeug so zu parken, dass das Fahrzeug in den Raum der Privatstraße „C-Straße“ hineinragt.
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Ein Unterlassungsanspruch folgte nicht aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB aus dem Gesichtspunkt der Beeinträchtigung des Eigentums der Kläger an ihrem Grundstück. Zwar kann der Eigentümer Behinderungen des Zugangs zu seinem Grundstück, die von einem anderen Grundstück ausgehen, in entsprechender Anwendung von § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB abwehren (BGH, Urt. v. 01.07.2011 – V ZR 154/10 = NJW-RR 2011, 1476, 1477). Dem Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB steht insbesondere nicht entgegen, dass das Herrschaftsrecht des Grundstückseigentümers sich nicht auf die zu seinem Grundstück führende Straße erstreckt, von der aus die Beeinträchtigung erfolgt, denn das Recht eines Grundstückseigentümers, der als Straßenanlieger in besonderem Maß auf die Nutzung der sein Grundstück erschließenden Straße angewiesen ist, gehört zu den durch § 903 BGB garantierten Nutzungsbefugnissen (BGH, a.a.O.). Eine abwehrfähige Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB hätte jedoch nur dann vorgelegen, wenn die Beklagten derart auf der Privatstraße parkten, dass die Kläger an der Zu- oder Abfahrt zu ihrem Grundstück gehindert waren (BGH, a.a.O.). Das war unstreitig zu keinem Zeitpunkt der Fall. Der Umstand, dass die Kläger je nach Parkposition der Beklagten nicht „in einem Zug“ in ihre Einfahrt einfahren können, sondern hierzu auf dem vor ihrem Grundstück gelegenen Wendehammer rangieren müssen, stellt keine abwehrfähige Beeinträchtigung im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB dar. Aus denselben Erwägungen besteht kein Anspruch aus § 862 BGB wegen der Störung des Besitzes der Kläger an deren Grundstück; es fehlt bereits an der erforderlichen Besitzstörung (BGH, a.a.O. Palandt/Herrler, BGB, 77. Aufl. 2018, § 862 Rn. 3).
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Ein Unterlassungsanspruch folgte auch nicht aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB aus dem Gesichtspunkt der Beeinträchtigung des Miteigentums der Kläger an der Privatstraße „C-Straße“. Die Kläger waren – anders als die Beklagten – nicht Miteigentümer der Privatstraße. Im Übrigen können Miteigentümer Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB nur Dritten entgegen halten; untereinander haben Miteigentümer dagegen nur die Rechte aus §§ 743 ff. BGB (Ebbing in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1004 BGB, Rn. 104). Auch ein Unterlassungsanspruch aus §§ 745, 743 Abs. 2 BGB bestand mangels Miteigentums der Kläger an der Privatstraße nicht. Die Kläger sollen erst am 24.07.2018 Miteigentum an der Privatstraße erworben haben. Das von den Klägern beanstandete Parkverhalten war aber vor diesem Zeitpunkt erfolgt; es ist nicht ersichtlich, dass es ab dem 24.07.2018 erneut zu einem solchen Parkverhalten kam.
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Die begehrte Unterlassung konnten die Kläger ferner nicht aus §§ 1027, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB verlangen. Es fehlte an der erforderlichen Beeinträchtigung im Sinne von § 1027 BGB. Eine Beeinträchtigung i.S.d. § 1027 BGB ist jede Störung oder Behinderung der rechtmäßigen Ausübung der Dienstbarkeit (BGH NJW 2014, 3780). Bei der Auslegung der Dienstbarkeit ist entscheidend auf die Grundbucheintragung abzustellen. Angesichts der Zweckbestimmung des Grundbuchs, jedem Gutgläubigen sowie allen späteren Verpflichteten und Rechtsnachfolgern über Inhalt und Umfang der eingetragenen Rechte eindeutig Aufschluss zu geben, ist bei der Auslegung auf den Wortlaut sowie insbesondere auf den Sinn abzustellen ist, wie er sich aus dem Grundbuch selbst ergibt. Umstände, die außerhalb dieser Urkunde liegen, dürfen zur Ermittlung von Inhalt und Umfang des dinglichen Rechts nur insoweit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Umständen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschl. v. 06.11.2014 – V ZB 131/13 = NJW-RR 2015, 208; Münchener Kommentar/Mohr, 7. Aufl. 2017, BGB § 1018 Rn. 18 m.w.N.). Die Parteien haben eine sog. Benutzungsdienstbarkeit mit dem Inhalt eines „Geh- und Fahrrechts“ vereinbart, wobei sich eine weitere Konkretisierung des Inhalts der Benutzungsdienstbarkeit aus dem Grundbuch nicht ergibt. Nach den ohne Weiteres für jedermann ersichtlichen Umständen dient das Geh- und Fahrrecht an der Privatstraße dem Zweck, dass die Anwohner die von ihnen bewohnten Grundstücke erreichen können, da andere Zufahrtsmöglichkeiten nicht bestehen. Die Zu- oder Abfahrt zum klägerischen Grundstück wurde durch die Beklagten jedoch zu keinem Zeitpunkt verhindert. Nicht von der Benutzungsdienstbarkeit umfasst ist Recht der Kläger, ihr Grundstück unter Vermeidung jeglicher Rangiermanöver erreichen oder verlassen zu können. Das Grundbuch gewährte ihnen lediglich ein „Geh- und Fahrrecht“, ohne hierfür eine gewisse Fahrbahnbreite zu garantieren und ohne gleichzeitig festzulegen, dass die beklagten (Mit-)Eigentümer der Privatstraße gewisse Handlungen (z.B. Parken, Halten etc.) nicht vornehmen durften; letztere Möglichkeit, die Bewilligung einer sog. Unterlassungsdienstbarkeit, sieht das Gesetz in § 1018 Alt. 2 BGB aber ausdrücklich vor. Eine solches Verständnis der Dienstbarkeit wird gestützt durch § 1020 S. 1 BGB, der teils als Inhaltsbestimmung, teils als Ausübungsschranke des dinglichen Rechts angesehen wird. Danach soll der (Mit-)Eigentümer in der Benutzung seines Eigentums nur insoweit eingeschränkt werden, als es zur sachgemäßen Rechtsausübung notwendig ist. Die Kläger hatten daher jedenfalls solche Verengungen der Fahrbahn zu dulden, die nicht dazu führten, dass sie ihr Grundstück nicht anfahren oder verlassen können.
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Die von den Klägern begehrte Rechtsfolge läßt sich ferner nicht aus §§ 861, 862 BGB wegen der Störung bzw. Entziehung ihres Mitbesitzes ableiten. Eine verbotene Eigenmacht der Beklagten i.S.d § 858 BGB lag zu keinem Zeitpunkt vor. Die Beklagten übten lediglich den ihnen eingeräumten Mitbesitz aus. Darin lag keine verbotene Eigenmacht. Zudem findet zwischen Mitbesitzern in ihrem Verhältnis zueinander ein Besitzschutz insoweit nicht statt, als es sich um die Grenzen des dem einzelnen zustehenden Gebrauchs handelt, § 866 BGB (BGH, Urt. v. 14.01.1959 – V ZR 82/57 = NJW 1959, 1364, 1365). Besitzschutz zwischen Mitbesitzern ist ausnahmsweise nur dann möglich, wenn eine Besitzstörung vorliegt, die den betreffenden Mitbesitzer praktisch vollständig an der Ausübung des Mitgebrauchs hindert. Das war aber zu keinem Zeitpunkt der Fall.
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Eine Unterlassungsverpflichtung der Beklagten kann schließlich auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis (§ 242 BGB) hergeleitet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet der Gedanke von Treu und Glauben im Rahmen eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in der Regel keine selbstständigen Ansprüche, sondern wirkt sich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus (so schon BGH, Urt. v. 21.10.1983 – V ZR 166/82 = NJW 1984, 729, 731). Diese Schranke kann den Grundstückseigentümer zwar ausnahmsweise auch zwingen, eine bestimmte eigene Nutzung seines Grundstücks zu unterlassen (BGH, Urt. v. 08.02.2013 – V ZR 56/12 = NJW-RR 2013, 650), ein solcher Anspruch besteht aber nur, wenn dies – über die gesetzlichen Regelungen hinaus – für einen billigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheint (BGH, Urt. v. 16.02.2001 – V ZR 422/99 = NJW-RR 2001, 1208, 1209; BGH, Urt. v. 29.06.2012 − V ZR 97/11 = NJW-RR 2012, 1160, 1162). Auch im Nachbarrecht gilt nämlich der Grundsatz, dass für die Lösung von Interessenkonflikten in erster Linie etwaige schuldrechtliche Vereinbarungen und der Inhalt dinglicher Rechte wie Grunddienstbarkeiten, aus denen sich das Verhältnis von Rechten und Pflichten nachbarlicher Grundstückseigentümer bestimmen kann, maßgeblich (BGH, Urt. v. 09.07.1958 – V ZR 202/57 = NJW 1958, 1580, 1581).
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In diesem Fall hatte das von den Klägern beanstandete Parkverhalten der Beklagten nicht derart einschränkende Folgen, dass diese für sie gleichsam untragbar wären. Die Zu- und Abfahrt zu bzw. von ihrem Grundstück war den Klägern zu jedem Zeitpunkt möglich. Wie häufig die Beklagten ferner derart parkten, dass die Kläger nur mittels eines Rangiermanövers an dem Fahrzeug der Beklagten vorbeifahren konnten, wurde aus dem Vortrag der Kläger nicht deutlich. Lediglich im Termin vor dem Amtsgericht am 25.07.2017 führte der Kläger zu 1) aus, dass es jeden Tag zu „neuen Behinderungen“ durch die Beklagten gekommen sei, ohne dass im Einzelnen ersichtlich war, worin und in welchem Ausmaß die jeweilige Behinderung bestand. Dass es bei der Zufahrt zum Grundstück zu Behinderungen durch die Beklagten kam, vermag die Kammer nicht nachzuvollziehen, weil aus den Lichtbildern ersichtlich ist, dass die Kläger jeweils rückwärts in ihrer Einfahrt parkten. Dann war es aber ohnehin erforderlich, dass sie auf dem Wendehammer rangierten. Dass sich ferner durch das beanstandete Parkverhalten die Gefahr erhöht haben, andere Verkehrsteilnehmer, etwa spielende Kinder, nicht oder zu spät zu sehen, ist nicht nachvollziehbar. Diese Gefahr bestand gleichermaßen, wenn die Beklagten ihr Fahrzeug vollumfänglich auf ihrem Grundstück parkten; dass letzteres Verhalten vom Recht der Beklagten aus § 903 BGB gedeckt war, stellen die Kläger nicht in Abrede. Die von den Klägern beklagten Erschwernisse waren nach alledem nicht als so schwerwiegend anzusehen, dass hieraus so nachteilige Einschränkungen drohten, dass ihnen über den gesetzlichen und durch Grunddienstbarkeiten dinglich gesicherten rechtlichen Rahmen hinaus ein Unterlassungsanspruch zugebilligt werden musste.
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2. Hinsichtlich der Klageanträge zu 1) und 2) tragen nach beidseitiger Teilerledigungserklärung der Parteien gem. § 91a ZPO die Kläger die Kosten des Rechtsstreits, da die Klage insoweit – auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen – von Anfang an unbegründet war; hinsichtlich des Klageantrags zu 3) folgt die Kostenentscheidung aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708Nr. 10, 711,713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.
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3. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO.
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Berufungsstreitwert:
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Bis zum 31.08.2018: 5.000 €
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Danach: Summe der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten