LG Heidelberg, Urteil vom 15.05.2009 – 3 S 21/08
Ein Hauseigentümer muss wesentliche Blendwirkungen, die durch die Reflexion von Sonnenstrahlen von einer auf dem Nachbargebäude befindlichen Photovoltaikanlage ausgehen, nicht hinnehmen, wenn die Anlage nach ihrer Beeinträchtigungswirkung nicht ortsüblich ist (Rn.3)(Rn.4)(Rn.9)(Rn.10).
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 30.10.2008 – Az.: 23 C 546/06 – im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, durch geeignete Maßnahmen die von der Photovoltaikanlage auf dem Flachdach seines Einfamilienhauses in, ausgehende Blendwirkung in Richtung auf das oberhalb befindliche Einfamilien-Wohnhaus der Kläger in, zu beseitigen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
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Gem. §§ 540 II, 313a I 1 ZPO wird von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen (§ 540 I Nr. 1 ZPO) abgesehen.
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Die Berufung ist zulässig und begründet.
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Der Unterlassungsanspruch der Kläger, unzumutbare Blendungen durch Reflexionen von Sonnenlicht durch die Photovoltaikanlage auf dem Dach des Gebäudes des Beklagten künftig zu vermeiden, ergibt sich aus § 1004 BGB i. V. m. §§ 906 Abs. 1, 903 BGB.
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Diese Eigentumsstörung beruht, obwohl sie Folge der Sonneneinstrahlung und damit eines Naturereignisses ist, auf dem von dem Beklagten hergestellten und unterhaltenen Zustand seines Gebäudes. Sonneneinstrahlung durch Reflektion kann einen Eingriff in das Eigentum des Nachbarn bedeuten (so Staudinger/Herbert Roth (2002), § 906 BGB, Rn. 123, dort allerdings auch ablehnende Entscheidungen zitiert; OLG Stuttgart Urt. v. 09.02.2009, Aktenzeichen: 10 U 146/08, unveröffentlicht, zit. nach Juris).
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Die Rechtswidrigkeit wird durch die Beeinträchtigung indiziert (Palandt/Bassenge, § 1004, Rn. 12).
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Nach § 1004 Abs. 2 BGB entfällt jedoch ein Unterlassungsanspruch, wenn der Eigentümer den beeinträchtigenden Zustand dulden muss. Gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein Eigentümer unwesentliche Beeinträchtigungen durch die Zuführung unter anderem von Licht nicht verbieten. Die im vorliegenden Fall gegebene Blendwirkung des reflektierten Sonnenlichts ist entgegen der Ansicht des Amtsgerichts eine wesentliche Beeinträchtigung, so dass der Unterlassungsanspruch nicht unter diesem Gesichtspunkt entfällt.
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Zur Beurteilung der Wesentlichkeit hat das Oberlandesgericht Stuttgart ausgeführt (OLG Stuttgart Urt. v. 09.02.2009, Aktenzeichen: 10 U 146/08, unveröffentlicht, zit. nach Juris): „Bei der Frage der Zumutbarkeit ist dabei nicht auf die persönlichen Verhältnisse des Eigentümers abzustellen, sondern auf das Empfinden eines verständigen, durchschnittlichen Benutzers des Grundstücks in seiner örtlichen Beschaffenheit, Ausgestaltung und Zweckbestimmung (BGHZ 159, 168, Juris RN 15; BGHZ 157, 33 Juris RN 27). Die Frage, wann Lichtimmissionen erheblich belästigend und damit nicht mehr zumutbar sind, ist nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse zu bestimmenden Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Nachbarschaft zu beurteilen, wobei wertende Elemente wie Herkömmlichkeit, soziale Adäquanz und allgemeine Akzeptanz einzubeziehen sind. Es kommt also nicht allein auf Art, Stärke und Dauer der Lichteinwirkung und die gegebenenfalls hervorgerufene Blendwirkung an.“
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Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in dem zitierten Urteil bei folgenden Beeinträchtigungen durch reflektiertes Sonnenlicht die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung angenommen: Bei einer Sonnenblendwirkung in der Wohnung der Kläger und auf deren Terrasse von circa Mitte April bis Mitte September etwa 20 bis 30 Minuten am Tag. Durch den flachen Einfall der untergehenden Sonne werde die Reflexlichtblendung wesentlich verstärkt. Innerhalb dieser 20 bis 30 Minuten komme es zu einer starken Blendwirkung. Dem könne nicht entgegengehalten werden, die nur bei Sonnenschein bzw. nur zu bestimmten Tageszeiten auftretenden Lichteffekte seien wegen ihrer vorübergehenden Dauer unwesentlich. Denn auch kurzfristige Lichtreflexe störten den ungehinderten Gebrauch der Wohnung, so dass es nicht nur auf deren Dauer, sondern vor allem auch auf deren Intensität ankomme (VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 11.8.2004, AZ: 2 A 21/04, zitiert nach Juris.). Dabei sei insbesondere auch der flache Lichteinfall – ausgehend von der untergehenden Sonne, der die Reflexlichtblendung wesentlich erhöhe- von Bedeutung. Die Lichtimmissionen beträfen in der Zweizimmerwohnung der Kläger Bereiche, die zu den Zeiten, in denen die Blendwirkungen aufträten, gewöhnlich stark genutzt würden. Darüber hinaus werde eine Terrasse gerade in den Sommermonaten üblicherweise gegen Abend häufig genutzt, also zu der Zeit, in denen die Sonnenlichtreflexe auf der Terrasse einträten und eine Nutzung störten bzw. unmöglich machten.
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Im vorliegenden Fall tritt die Blendwirkung durch das von den Photovoltaikelementen reflektierte Sonnenlicht ebenfalls 20 – 30 Minuten an einem Tag, in dem Zeitraum vom 21.2. bis 21.10. eines Jahres auf, also in einem noch längeren jährlichen Zeitraum als in dem vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall. So wie dort sind auch hier Wohnräume und Terrasse betroffen (AS. I, 177: Sachverständigengutachten). Im vorliegenden Fall tritt die Blendwirkung ebenfalls bei tiefstehender Sonne auf. Weiter hat der Sachverständige festgestellt, dass das reflektierte Sonnenlicht schräg von unten auf das Grundstück der Kläger und in deren Wohnräume scheint. Dies macht die Blendwirkung umso unangenehmer, da gewöhnliche Sonnenlichtschutzvorrichtungen hiergegen gerade nicht schützen. Auch tritt die Blendwirkung in den späteren Nachmittagsstunden auf, in denen in den Sommermonaten insbesondere Terrasse und Garten häufig genutzt werden dürften, insbesondere natürlich an sonnigen Tagen.
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Somit ist die Beeinträchtigung im vorliegenden Fall wesentlich.
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Die Kläger trifft keine Obliegenheit, die Lichtreflexe durch Selbsthilfemaßnahmen abzuwenden, weil auch insoweit die Nutzbarkeit der eigenen Wohnung erheblich leidet (vgl. OLG Stuttgart, a. a. O.). Auf der Terrasse und im Garten wäre dies auch nicht möglich, ohne die Sicht beeinträchtigende Blendschutzeinrichtungen zu errichten.
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Die Kläger müssen die Beeinträchtigung auch nicht gem. §§ 1004 Abs. 2, 906 Abs. 2 ZPO dulden. Voraussetzung hierfür wäre, dass die Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Der Betrieb einer Photovoltaikanlage in der Art und Weise, wie der Beklagte dies tut, stellt bereits keine ortübliche Benutzung seines Grundstücks dar.
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Damit eine Benutzung ortsüblich ist, müssen im maßgeblichen Vergleichsbezirk mehrere Grundstücke mit nach Art und Umfang annähernd gleich beeinträchtigender Wirkung auf andere Grundstücke genutzt werden (Palandt/Bassenge, § 906 Rn. 21). Vergleichsbezirk ist danach die ganze Gemeinde. § 906 BGB ist als Einwendung gegen einen Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch gestaltet, so dass der Störer, hier also der Beklagte, vorzutragen und zu beweisen hat, dass es sich um eine ortsübliche Benutzung handelt (Palandt/Bassenge, § 906 Rn. 24).
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Der Beklagte behauptet nicht, dass in der Gemeinde auch andere Grundstücke mit auf Flachdächer aufgeständert montierten Photovoltaikanlagen genutzt werden, von denen Blendwirkungen durch reflektiertes Sonnenlicht auf Nachbargrundstücke ausgehen. Vielmehr ist unstreitig, dass alle anderen Häuser dort Satteldächer mit nach Westen und Osten ausgerichteten Dachflächen haben und keine Flachdächer mit entsprechend gleich beeinträchtigenden Photovoltaikanlagen. Beim Betrieb von Photovoltaikanlagen auf der nach Westen ausgerichteten Dachfläche eines Satteldaches kommt es aber nicht dazu, dass Sonnenlicht auf andere Grundstücke reflektiert wird. Vielmehr wird es von der Erdoberfläche weg in den Luftraum umgeleitet. Nur bei der nach Süden ausgerichteten Montage auf einem Flachdach wird Licht auf oberhalb liegende Grundstücke reflektiert. Auf die gleiche Beeinträchtigungswirkung der Nutzung kommt es entscheidend an (Palandt/Bassenge, § 906 Rn. 21). Eine solche gleichartige Nutzung ist aber nach dem Vortrag der Parteien nicht gegeben. Nicht maßgebend ist, ob Photovoltaikanlagen als solche in größerem oder zunehmendem Umfang in Deutschland oder Baden-Württemberg betrieben werden, denn es kommt nur auf die Gemeinde und vor allem nur auf die gleichartige Beeinträchtigungswirkung an, die aber bei Photovoltaikanlagen nicht immer gleichartig ist, sondern, wie der Sachverständige dargelegt hat, von ihrer Ausrichtung und der Geländebeschaffenheit abhängt.
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Da die Benutzung bereits nicht ortsüblich ist, bedarf es keiner Ausführungen dazu, ob die Beeinträchtigung mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen verhindert werden kann.
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Die Kläger haben daher den von ihnen geltend gemachten Abwehranspruch, so dass der Beklagte auf die Berufung antragsgemäß zu verurteilen war.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Nach § 15a Abs. 4 EGZPO gehören zu den Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 Abs. 1, 2 ZPO auch die Kosten des Schlichtungsverfahrens, so dass es eines ausdrücklichen Ausspruchs der Kostentragungspflicht hinsichtlich dieser Kosten im Tenor nicht bedurfte.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 II ZPO lagen nicht vor.