LG Hamburg, Urteil vom 03. November 2017 – 324 O 219/17
Zum Unterlassungsanspruch einer Journalistin und Schriftstellerin gegen Vorwürfe der Verbreitung von „Fake News“
Tenor
I. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 Euro, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre),
zu unterlassen,
zu behaupten bzw. behaupten zu lassen, zu veröffentlichen bzw. veröffentlichen zu lassen oder sonst zu verbreiten bzw. verbreiten zu lassen,
1. …
2. („Wie sollen wir, werter A. R.,) um eine (sc. von P. R. aufgestellte) Tatsachenbehauptung kämpfen, die bereits gerichtlich widerlegt war?“
wie geschehen im Tweet des Beklagten vom 01.04.2017;
3. …
4. „Sie konnte ihren Vorwurf nicht belegen. Darum hat sie vor Gericht verloren. Wir stehen nicht für FakeNews.“
wie geschehen im Tweet des Beklagten vom 04.04.2017;
5. …
bzw.
„Weil wir uns, ehrlich gesagt, von Frau R. getäuscht fühlen. (…) Frau R. hat bei uns einen Artikel geschrieben, in dem sie einen Namen erwähnt hat, eines Mannes, von dem sie wusste, dass sie ihn nicht erwähnen darf, weil bereits ein Gericht geurteilt hatte, dass der Name in Verbindung mit der ‘Ndrangheta, dieser italienischen mafiaähnlichen Organisation, nicht genannt werden darf. Wir wussten das nicht, sie wusste es.“
bzw.
„Frau R. hat aber etwas getan, was man nicht machen darf, sie wusste, dass sie den Namen nicht schreiben darf und hat ihn uns untergejubelt…“
wie geschehen auf www. f..de am 06.04.2017 bzw. im Interview mit dem Deutschlandfunk des Beklagten vom 03.04.2017.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 65 % und der Beklagte 35 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 17.500,00 Euro und hinsichtlich Ziffer III. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 50.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Unterlassung über sie in verschiedenen Medien verbreiteter Äußerungen in Anspruch.
2
Sie ist Journalistin und Schriftstellerin und veröffentlichte mehrere Bücher über die Mafia. Der Beklagte ist Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift „d. F.“.
3
In der Ausgabe Nr. 11 des „F.“ vom 17.03.2016 veröffentlichte die Klägerin unter der Überschrift „D. B. m. d.“ auf Anfrage der Redaktion einen Artikel, der sich mit den Aktivitäten der Mafia in Ostdeutschland beschäftigt (Anlage K 2). Eine abweichende Fassung des Artikels hatte die Klägerin vorab auf ihrer Website www. p..com veröffentlicht. Über den Artikel und seine Folgen entspann sich zwischen den Parteien eine – auch öffentlich ausgetragene – Auseinandersetzung, in deren Zuge die streitgegenständlichen Äußerungen des Beklagten fielen. Hintergrund ist der Folgende:
4
Im November 2015 strahlte der M. Rundfunk (M.) eine Dokumentation mit dem Titel „D. P. d. B. –d. M. i. M.“ im Fernsehen aus. In der Sendung wurde berichtet, dass mehr als 1.200 mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der italienischen Mafia in Deutschland lebten und ihre mächtigster Organisation die ‘Ndrangheta mit einer Schaltzentrale in E. sei. Zudem wurde ein Geschäftsmann, genannt „M.“, erwähnt, der – so der Beitrag – zwei Restaurants in E. betreibe und bei den italienischen Behörden als Finanzverwalter der Mafia gelte. Wegen dieser Filmpassagen beantragte der Italiener M1 C. beim Landgericht L. den Erlass einer einstweiligen Verfügung, weil der M. in rechtswidriger und ihn identifizierender Weise über ihn berichtet habe. Das Landgericht L. erließ mit Urteil vom 02.02.2016 (Anlage B 1) eine einstweilige Verfügung gegen den M., durch die diesem untersagt wurde, den Verfügungskläger mit oder ohne Hinweis auf „M.“ wörtlich oder sinngemäß als Mitglied der Mafiaorganisation ‘Ndrangheta zu bezeichnen, sowie weitere Äußerungen über den Verfügungskläger zu verbreiten. Auf die Berufung des M. bestätigte das Oberlandesgericht D. die Entscheidung mit Urteil vom 30.08.2016 (Anlage B 2).
5
In ihrem Artikel „D. B. m. d.“ (Anlage K 2) nahm die Klägerin auf diese Gerichtsverfahren Bezug und führte aus:
6
„Als ich erfuhr, dass eine Unterlassungsklage gegen die M.-Dokumentation erfolgreich war, hatte ich das Gefühl, in einer Zeitfalle festzusetzen. Das Landgericht L. gab dem Kläger M1 C. Recht, der sich in einem im Film „M.“ genannten Geschäftsmann wiedererkannte. Jener M. habe bis 2013 ein Steakhouse in B. betrieben, hieß es in der Dokumentation. Derzeit sei er aktiv an der Expansion der ‘Ndrangheta beteiligt, von E. aus.“
7
Daraufhin mahnte M1 C. die Klägerin am 28.06.2016 ab und forderte sie wegen dieser und einer weiteren Textpassage auf ihrer Internetseite zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auf. Da die Klägerin diese nicht abgab, beantragte er am 07.07.2016 beim Landgericht L. den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Klägerin (Auszug Anlage K 3). Mit Verfügung vom 08.07.2016 (Anlage K 4) wies das Landgericht L. auf seine örtliche Unzuständigkeit hin und führte unter Ziffer 3. der Verfügung aus, dass es angesichts der Unzulässigkeit der Klage nicht auf die Frage ankomme, ob die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung vorliegend überhaupt Anwendung fänden, nachdem der Antragsteller mit dem angesprochenen Verfahren selbst in die Offensive gegangen sei und es sich um ein öffentliches Verfahren handele. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 09.11.2016 erklärte sich die Klägerin mit einer Verhandlung vor dem Landgericht L. einverstanden. Nach mündlicher Verhandlung vom 03.02.2017 erließ das Landgericht L. am 24.02.2017 durch Urteil eine einstweilige Verfügung (Anlage K 6), mit der der Klägerin untersagt wurde, den Verfügungskläger im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Dokumentation “ D. P. d. B.” mit vollem Namen zu nennen sowie die Behauptungen zu verbreiten, der Verfügungskläger sei italienischen Ermittlern zufolge der Mafiaorganisation ‘Ndrangheta zuzurechnen und habe bis 2013 ein Steakhouse in B. betrieben und sei von E. aus aktiv an der Expansion der ‚Ndrangheta beteiligt. In der Urteilsbegründung führte das Landgericht L. aus, dass die Nennung des vollen Vor- und Zunamens des Verfügungsklägers im Zusammenhang mit der Berichterstattung der Klägerin über den M.-Fernsehbeitrag und das daran anknüpfende Zivilverfahren das Persönlichkeitsrecht des Verfügungskläger verletze. Bei einer Berichterstattung über Zivilverfahren sei – entsprechend der Berichterstattung über Strafverfahren – eine Abwägung im Einzelfall erforderlich, ob für die identifizierende Berichterstattung ein die verletzten Interessen des Betroffenen überwiegendes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit anzuerkennen sei. Diese Abwägung falle zulasten der Klägerin aus, da ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an der Namensnennung nicht erkennbar sei, diese aber für den Verfügungskläger mit einer erheblichen Prangerwirkung verbunden sei. Auch sei die Klägerin nicht berechtigt, die in der M.-Dokumentation aufgestellten Behauptungen über den Verfügungskläger zu verbreiten. Denn damit habe sie sich der Verdachtsberichterstattung des M. angeschlossen, ohne jedoch das hierfür erforderliche Mindestmaß an Beweistatsachen darzulegen. Sie habe nichts dazu vorgetragen, inwieweit sie ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht bei der Prüfung etwaiger Erkenntnisquellen, die diesen Äußerungen zu Grunde lägen, nachgekommen sei. Sie habe deshalb nicht ungeprüft ohne Klarstellung die im M.-Bericht aufgestellten Behauptung weiterverbreiten dürfen (S. 11 des Urteils Anlage K 6). Das Gericht folgte damit nicht der Argumentation der Klägerin; es handele sich nicht um eine Verdachtsberichterstattung, sondern um eine Gerichtsberichterstattung. Die Klägerin hat dieses Urteil als endgültige Regelung akzeptiert.
8
Am 21.07.2016 ging der Zeitschrift „d. F.“ ebenfalls eine Abmahnung von M1 C. zu. Nach rechtlicher Prüfung und Beratung durch den Rechtsanwalt des Verlags strich die Redaktion den Namen von Herrn C. aus dem Artikel im Übrigen blieb der Artikel unverändert online. Im September 2016 kam es zu einer Korrespondenz zwischen der Klägerin und der stellvertretenden Chefredakteurin des „F.“, Frau K. (E-Mail Klägerin 21.09.2016 Bl. 41 d.A., E-Mail Frau K. 26.09.2016 Anlage K 15), im Zuge derer die Klägerin eine sinnentstellende Kürzung in ihrem Artikel monierte und Frau K. die Löschung des Artikels von der Website in den Raum stellte. Zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt danach wurde der Artikel der Klägerin von der Website des „F.“ gelöscht. Die Klägerin sandte dem Beklagten am 02.11.2016 eine E-Mail (Anlage K 16) mit der Bitte um Stellungnahme zu dem Vorgang. Daraufhin antwortete die stellvertretende Chefredakteurin Frau K. mit E-Mail vom 03.11.2016 (Anlage K 17), woraufhin sich die Klägerin mit E-Mail vom 07.11.2016 (Anlage K 18) an die Geschäftsführerin Frau Dr. D. wandte. Frau Dr. D. sandte der Klägerin am 08.11.2016 eine E-Mail und bot ihr ein Telefonat an (Anlage B 4). Zu einer telefonischen Rücksprache kam es nicht.
9
Am 15.03.2017 veröffentlichte die Klägerin auf ihrer Website einen Blogeintrag, in dem sie die Auseinandersetzung um die Veröffentlichung des Artikels aus ihrer Sicht darstellte (Anlage B 3). Zudem bat sie Journalistenkollegen um Unterstützung. Daraufhin veröffentlichte der Journalist A. R. in der F1 vom 01.04.2017 unter der Überschrift “ V. d. M. l. h. s. l.” einen Artikel über die Auseinandersetzung zwischen der Klägerin und der Zeitschrift “ d. F.” (Anlage K 9). Herr R. holte im Zuge der Recherche auch eine Stellungnahme des Beklagten ein, die in dem Artikel wie folgt wiedergegeben wurde:
10
“Wir sind als Zeitung darauf angewiesen, uns auf die korrekte Arbeit unserer Autoren zu verlassen. Wenn wir unwissentlich Behauptungen drucken, die sich als nicht haltbar erweisen, müssen wir die Zusicherung geben, solche Behauptungen nicht zu wiederholen. Das ist in der deutschen Medienlandschaft die übliche Praxis und gerade in Zeiten, die von den Stichworten ,Fake News’ und ,Lügenpresse’ geprägt sind, richtig und wichtig.” […] Redaktionen sind keine Rechtsschutzversicherung für mangelhafte Recherche.”
11
Am 01.04.2017 veröffentlichte der Beklagte auf seinem Twitter-Account „@A.“ die folgende Äußerung (Screenshot Anlage K 10):
12
„Wie sollen wir, werter A. R., um eine Tatsachenbehauptung kämpfen, die bereits gerichtlich widerlegt war? #Mafia #dasganzebild“
13
Am 02.04.2017 veröffentlichte der Beklagte auf seinem Twitter-Account die folgende Äußerung (Screenshot Anlage K 11):
14
„Liebe Frau R., Sie haben uns den Klarnamen untergejubelt, den sie – und wir – nicht hätten nennen dürfen. Ist das Pressefreiheit? Nein!“
15
Am 03.04.2017 äußerte sich der Beklagte in einem Interview mit dem D.- F. (Mitschrift in Auszügen Anlage K 14) u.a. wie folgt:
16
„Frage: Aber warum dann denn jetzt gerade da bei P. R., warum springen Sie da nicht ein?
17
Antwort: Weil wir uns, ehrlich gesagt, von Frau R. getäuscht fühlen. Es ist natürlich auch ungewöhnlich, so einen Streit zwischen einem Verlag und einer Autorin öffentlich auszutragen, aber wie stehen natürlich zu unseren Entscheidungen und auch zu unseren Fehlern. Frau R., die eine sehr engagierte Antimafia-Autorin ist, hat bei uns einen Artikel geschrieben, in dem sie einen Namen erwähnt hat, eines Mannes, von dem sie wusste, dass sie ihn nicht erwähnen darf, weil bereits ein Gericht geurteilt hatte, dass der Name in Verbindung mit der ‘Ndrangheta, dieser italienischen mafiaähnlichen Organisation, nicht genannt werden darf. Wir wussten das nicht, sie wusste es. Und das ist für uns echt eine üble Situation, weil wir da auf Schadensersatz verklagt werden können bis zum Mond, so ist nun mal unsere deutsche Rechtslage. Und wir müssen uns an die deutschen Gesetze halten, als Zeitung.
18
Frage: Sie haben der F1 gegenüber gesagt, Redaktion seien keine Rechtsschutzversicherung?
19
Antwort: […] Frau R. hat aber etwas getan, was man nicht machen darf, sie wusste, dass sie den Namen nicht schreiben darf und hat ihn uns untergejubelt, und wir haben die Schlampigkeit begangen, nicht von alleine zu merken, dass man den Namen rausnehmen muss, das war natürlich unser Fehler. Übrigens hat die Z. und die F1 2015 und 2014 ähnliche Artikel über diesen Sachverhalt geschrieben und da taucht der Name nicht auf.“
20
Ebenfalls am 03.04.2017 veröffentlichte die Klägerin auf ihrem Twitter-Account „@P. R.“ folgende zwei Äußerungen (Screenshots Bl. 30-31 d.A.):
21
„Die Grenze meines Masochismus ist mit A. weit überstiegen #Mafia“
22
„Wozu die Mafia, wenn es doch auch feige Verleger gibt? #Mafia“
23
Am 04.04.2017 veröffentlichte der Beklagte auf seinem Twitter-Account die folgende Äußerung (Screenshot Anlage K 12):
24
„Sie konnte ihren Vorwurf nicht belegen. Darum hat sie vor Gericht verloren. Wir stehen nicht für FakeNews.“
25
Am 06.04.2017 veröffentlichte der Beklagte auf der Website des „F.“ eine Stellungnahme mit der Überschrift „In eigener Sache – Stellungnahme – Ein Statement des F. zum Fall R.“ (Anlage K 13), in der es u.a. heißt:
26
„R. nannte dabei in ihrem Artikel erneut den Klarnamen dieses Mannes. Damit verstieß sie direkt gegen die Anordnung des Gerichts – und der F. mit ihr. Mittlerweile wurde P. R. vom Landgericht L. auf Unterlassung der Verbreitung verurteilt. […] Die später erfolgte Löschung des Textes wurde mit Frau R. besprochen.“
27
Ebenfalls am 06.04.2017 veröffentlichte die Klägerin auf ihrem Twitter-Account die folgende Äußerung (Screenshot Bl. 31 d.A.):
28
„Herr A. lügt „in eigener Sache“. Weder die Textlöschung noch sonst etwas wurde mit mir besprochen. @d.“
29
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 13.04.2017 mahnte die Klägerin den Beklagten ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auf (Anlage K 7). Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20.04.2017 (Anlage K 8) lehnte der Beklagte dies ab.
30
Die Klägerin trägt vor, dass die angegriffenen Äußerungen des Beklagten unwahre Tatsachenbehauptungen darstellten, die sie aufs Schwerste in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzten. Insbesondere habe sie bei Veröffentlichung des Artikels keine Kenntnis darüber gehabt, dass die Nennung des Klarnamens von Herrn C. rechtswidrig sei, sondern sei von einer zulässigen Gerichtsberichterstattung ausgegangen. Immerhin habe auch das Landgericht L. ausweislich der Verfügung vom 08.07.2016 (Anlage K 4) die Äußerungen zunächst für zulässig erachtet. Da es sich um Gerichtsberichterstattung handelte, habe sie nicht mangelhaft recherchiert. Bislang sei auch nicht eine Behauptung des M. widerlegt. Schließlich habe sie auch nicht gegen die Anordnung des Gerichts verstoßen, denn eine solche Anordnung gegen sie habe es im März 2016 nicht gegeben.
31
Sie beantragt,
32
den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,
33
zu behaupten bzw. behaupten zu lassen, zu veröffentlichen bzw. veröffentlichen zu lassen oder sonst zu verbreiten bzw. verbreiten zu lassen,
34
1. („Redaktionen sind keine Rechtsschutzversicherung) für mangelhafte Recherche (sc. von P. R.)“
35
wie geschehen in dem Artikel der F1 vom 01.04.2017;
36
2. („Wie sollen wir, werter A. R.,) um eine (sc. von P. R. aufgestellte) Tatsachenbehauptung kämpfen, die bereits gerichtlich widerlegt war?“
37
wie geschehen im Tweet des Beklagten vom 01.04.2017;
38
3. „Liebe Frau R., Sie haben uns den Klarnamen untergejubelt, den sie – und wir – nicht hätten nennen dürfen. Ist das Pressefreiheit? Nein!“
39
wie geschehen im Tweet des Beklagten vom 02.04.2017;
40
4. „Sie konnte ihren Vorwurf nicht belegen. Darum hat sie vor Gericht verloren. Wir stehen nicht für FakeNews.“
41
wie geschehen im Tweet des Beklagten vom 04.04.2017;
42
5. „R. nannte dabei in ihrem (sc. am 17. März 2016 im „F.“ erschienen) Artikel erneut den Klarnamen dieses Mannes. Damit verstieß sie direkt gegen die Anordnung des Gerichts – und der F. mit ihr.“
43
bzw.
44
„Weil wir uns, ehrlich gesagt, von Frau R. getäuscht fühlen. (…) Frau R. hat bei uns einen Artikel geschrieben, in dem sie einen Namen erwähnt hat, eines Mannes, von dem sie wusste, dass sie ihn nicht erwähnen darf, weil bereits ein Gericht geurteilt hatte, dass der Name in Verbindung mit der ‘Ndrangheta, dieser italienischen mafiaähnlichen Organisation, nicht genannt werden darf. Wir wussten das nicht, sie wusste es.“
45
bzw.
46
„Frau R. hat aber etwas getan, was man nicht machen darf, sie wusste, dass sie den Namen nicht schreiben darf und hat ihn uns untergejubelt…“
47
wie geschehen auf www. f..de am 06.04.2017 bzw. im Interview mit dem D. des Beklagten vom 03.04.2017.
48
Der Beklagte beantragt,
49
die Klage abzuweisen.
50
Er ist der Auffassung, dass es sich bei den angegriffenen Äußerungen um rechtlich nicht zu beanstanden Meinungsäußerungen handele. Die Klägerin habe in ihrem Blog, über Social Media und in Zusammenarbeit mit ihr gewogenen Journalisten die öffentliche Auseinandersetzung mit ihm gesucht. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung müsse sie sich auch Kritik an ihrem Verhalten und ihrer Person gefallen lassen dabei seien auch pointierte Gegenangriffe zulässig.
51
Die im Klageantrag zu Ziffer 1. angegriffene Äußerung beschreibe allgemein das Verhältnis von Redaktion und Autoren; selbst wenn man die Äußerung direkt auf die Klägerin beziehen wolle, handele es sich jedoch um eine subjektive Meinungsäußerung. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf zurückziehen, sie habe nur „Gerichtsberichterstattung“ betrieben. Denn ein solches absolutes „Gerichtsprivileg“ gebe es nicht und könne es auch nicht geben, da ansonsten jede noch so intime oder ehrenrührige Tatsache automatisch und ohne Einschränkung der Medienöffentlichkeit preisgegeben werden könne, sobald und soweit sie nur Gegenstand eines Gerichtsverfahrens sei. Mit der Äußerung zu Ziffer 2. des Klageantrags äußere er lediglich die Meinung, dass sich der „F.“ in einem möglichen Rechtsstreit um die Zulässigkeit der Nennung des Klarnamens von Herrn C. keine ausreichenden Erfolgsaussichten ausrechne, was angesichts der Urteile des Oberlandesgerichts D. sowie das Urteil des Landgerichts L. gegen die Klägerin zutreffend sei. Die Formulierung „untergejubelt“ suggeriere dem Leser ein subjektives Gefühl des Sich-Getäuscht-Fühlens: Die Klägerin habe den Klarnamen in Verbindung mit dem Verdacht einer Zugehörigkeit zur ‘Ndrangheta genannt, obwohl die Äußerung des Verdachts gerichtlich untersagt worden sei und ihr dies bekannt gewesen sei. Bei der Äußerung zu Ziffer 4. des Klageantrags handele es sich um eine wahre Tatsachenbehauptung. Auch die erste Äußerung zu Ziffer 5. des Klageantrags sei zulässig; die Klägerin habe genau jene Handlung vorgenommen, zu deren Unterlassung der M. vom Landgericht L. verurteilt worden sei; in diesem Sinne habe sie „direkt gegen die Anordnung des Gerichts verstoßen“. Auch die zweite Äußerung von Ziffer 5. des Klageantrags sei zulässig; der Klägerin seien die in Bezug genommenen Tatsachen – das Verbot der Verbreitung des Verdachts durch das Landgericht L. mangels ausreichender Beweisgrundlage – unstreitig bekannt gewesen. Ob die Klägerin rechtsirrig angenommen habe, zur Namensnennung durch ein besonderes „Gerichtsprivileg“ berechtigt gewesen zu sein, sei ohne Belang. Der Beklagte dürfe deshalb auch die Meinung äußern, dass er sich getäuscht fühle, weil die Klägerin den Namen trotz dieser Umstände genannt habe.
52
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der Sitzung vom 29.09.2017 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
53
I. Die zulässige Klage ist nur in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK hinsichtlich der im Klageantrag unter Ziffer 2. sowie teilweise hinsichtlich der unter den Ziffern 4. und 5. angegriffenen Äußerungen zu, da diese Äußerungen bei fortbestehender Wiederholungsgefahr ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzen. Ein darüber hinausgehender Unterlassungsanspruch besteht nicht.
54
1. Hinsichtlich der mit Ziffer 1. des Klageantrags angegriffenen Äußerung „mangelhafte Recherche“ besteht kein Unterlassungsanspruch der Klägerin.
55
a. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klägerin von der streitgegenständlichen Textpassage allerdings individuell betroffen.Die individuelle Betroffenheit setzt voraus, dass sich die Darstellung mit dem Anspruchsteller als Individuum befasst. Gegen rechtsverletzende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht kann somit nur der unmittelbar Verletzte vorgehen, nicht auch derjenige, der lediglich mittelbar oder faktisch-reflexartig belastet ist (Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, Kap. 12 Rn. 43f; HH-Ko/MedienR/Meyer, 3. Auflage 2016, Abschn. 40 Rn. 4). Die Klägerin ist unmittelbar von der Äußerung „mangelhafte Recherche“ betroffen, da sie sich nach dem maßgeblichen Gesamtkontext auf sie bezieht. Zwar nennt der Beklagte in seiner in dem F1-Artikel (Anlage K 9) abgedruckten Stellungnahme den Namen der Klägerin nicht ausdrücklich. Nach dem Kontext der Berichterstattung, der ausweislich der Überschrift den „,Fall‘ P. R.“ schildert und zu dem der Beklagte laut dem einleitenden Satz um eine Stellungnahme gebeten wird, geht der verständige Durchschnittsleser aber davon aus, dass der Beklagte sich zu P. R. äußert.
56
b. Die Äußerung zu Ziffer 1. des Klageantrags verletzt die Klägerin jedoch nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht handelt es sich um einen offenen Tatbestand, bei dem die Feststellung einer rechtswidrigen Verletzung eine ordnungsgemäße Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit voraussetzt (Palandt-Sprau, BGB, 76. Auflage 2017, § 823 Rn. 95; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 5 Rn. 13 m.w.Nw.). Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährt, sondern verlangt eine Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, Art. 10 EMRK und dem Recht der persönlichen Ehre und auf öffentliches Ansehen des Klägers (BGH, Urteil vom 16.11.2004, VI ZR 298/03, Juris Rn. 29). Handelt es sich bei einer Äußerung um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, so spricht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Vermutung zugunsten der Zulässigkeit der Äußerung (BVerfG, Beschluss vom 04.02.2010, 1 BvR 369/04 – Ausländer-Rück-Führung, Juris Rn. 25; Beschluss vom 10.10.1995, 1 BvR 1476/91 – Soldaten sind Mörder, Juris Rn. 3c). Die freie Meinungsäußerung findet ihre Grenze aber zum einen im Fall der Schmähkritik (BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995, 1 BvR 1476/91 – Soldaten sind Mörder, Juris Rn. 3c m.w.Nw.), zum anderen dort, wo es für eine bestimmte und einen anderen belastende Meinung schlechthin keine tatsächlichen Bezugspunkte gibt (BGH, Urteil vom 18.06.1974, VI ZR 16/73 – Deutschland-Stiftung, Juris Rn. 25; HansOLG Beschluss vom 03.03.2000, 7 U 69/99, Juris Rn. 8; Soehring, Presserecht, 5. Auflage 2013, § 20 Rn. 9). Eine Meinungsäußerung liegt vor, wenn eine Äußerung nicht dem Beweis zugänglich ist, sich insbesondere nicht mit dem Kriterium „wahr oder unwahr“ messen lässt, sondern vom Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet ist, also einen Vorgang oder Zustand an einem vom Kritiker gewählten Maßstab misst (vgl. BVerfG, Urteil vom 22.06.1982, 1 BvR 1376/79 – Wahlkampf, Juris Rn. 15; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 4 Rn. 4 m.w.Nw.).
57
Ausgehend von diesen Maßstäben handelt es sich bei der unter Ziffer 1. des Klageantrags angegriffenen Äußerung um eine zulässige Meinungsäußerung. Nach dem Verständnis des Lesers bezeichnet der Beklagte darin die Recherche der Klägerin im Zusammenhang mit ihrem Artikel „D. B. m. d.“ als „mangelhaft“. Schon nach dem Wortlaut liegt darin eine Bewertung der Arbeit der Klägerin dahingehend, dass sie in Quantität oder Qualität nicht ausreicht bzw. bestimmten Anforderungen nicht entspricht. Für diese Meinungsäußerung des Beklagten liegen ausreichende Anknüpfungspunkte vor. Denn in seinem Urteil vom 24.02.2017 (Anlage K 6) führt das Landgericht L. aus, dass die Klägerin die Verdachtsäußerungen des M. nicht habe wiederholen dürfen, ohne den erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen darzulegen sie habe jedoch die entsprechende Erfüllung ihrer Recherchepflicht nicht darlegen können. Diese Ausführungen des Gerichts kann der Beklagte zulässig mit der angegriffenen Äußerung bewerten.
58
Die Argumentation der Klägerin, dass die Textpassage des Artikels „D. B. m. d.“ eine Gerichtsberichterstattung darstelle, bei der alle dargestellten Tatsachen wahr seien, führt dagegen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar mag der Leser des F1-Artikels – wenn nicht der Ansicht der Beklagten zu folgen ist – nach dessen Gesamtkontext nicht erfahren, dass die Klägerin davon ausgegangen war, dass es sich um eine zulässige Gerichtsberichterstattung handelt, sodass für sie kein Anlass zu einer weitergehenden Recherche bestanden hatte. Soweit diesbezüglich also die streitgegenständliche Äußerung des Beklagten jedenfalls im Kontext ein unwahres Element enthält, hätte dies aber nicht der Beklagte zu verantworten, sondern die F1 bzw. der Autor des Artikels. Es ist auch davon auszugehen, dass dem Autor A. R. bei Einholung von dessen Stellungnahme die Rechtsauffassung der Klägerin beim Verfassen des Artikels „D. B. m. d.“ bekannt war. Denn schließlich war es die Klägerin selbst, die A. R. über den Sachverhalt informiert hatte. Der Autor konnte daher die Äußerung des Beklagten auch zutreffend einordnen. Dafür, dass sich diese Information für den Leser aus dem F1-Artikel möglicherweise nicht hinreichend erschließt, haftet jedoch nicht der Beklagte.
59
2. Dagegen verletzt die im Klageantrag zu Ziffer 2. angegriffene Äußerung des Beklagten die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
60
Bei der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Freiheit der Meinungsäußerung kommt es für die Zulässigkeit einer Äußerung maßgeblich mit darauf an, ob es sich um wahre oder unwahre Tatsachenbehauptungen handelt. Denn Tatsachenbehauptungen, die nicht zur verfassungsmäßig vorausgesetzten Meinungsbildung beitragen können, sind nicht geschützt; das ist bei bewusst oder erwiesen unwahren Tatsachenbehauptungen der Fall (BVerfG, Beschluss vom 16.03.1999, 1 BvR 734/98, Juris Rn. 30; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 6 Rn. 14). Wahre Tatsachenbehauptungen sind dagegen in weitem Umfang hinzunehmen, denn das Persönlichkeitsrecht verleiht seinem Träger keinen Anspruch darauf, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.03.1998, 1 BvR 131/96 – Missbrauchsvorwurf, Juris Abs. 4. b)).
61
Ausgehend von diesen Maßstäben handelt es sich bei der streitgegenständlichen Äußerung um eine unwahre Tatsachenbehauptung. Die Äußerung in Form einer rhetorischen Frage enthält im Gesamtkontext der Hashtags, des Adressaten der Äußerung und des von A. R. verfassten F1-Artikels nach dem Verständnis des Lesers die Aussage, die Klägerin habe im „F.“ mit der namentlichen Nennung von M1 C. eine Tatsachenbehauptung aufgestellt, die bereits gerichtlich widerlegt gewesen war. Dabei handelt es sich um eine Sachverhaltsschilderung, die dem Beweis zugänglich ist, und somit eine Tatsachenbehauptung darstellt. Nicht überzeugend ist dagegen die Argumentation des Beklagten, er äußere hier die Meinung, dass sich der „F.“ in einem möglichen Rechtsstreit um die Zulässigkeit der Nennung des Klarnamens von Herrn C. keine ausreichenden Erfolgsaussichten ausrechne. Diese Auffassung mag Hintergrund seiner Äußerung sein, nach dem Wortlaut und dem Gesamtkontext ergibt sich für den Leser aber ein anderes, tatsächliches Verständnis. Die Tatsachenbehauptung ist auch insoweit unwahr, als unstreitig weder das Landgericht L. noch das Oberlandesgericht D. den Verdacht gegen M1 C. „widerlegt“, also dessen Unwahrheit gerichtlich festgestellt haben. Vielmehr obsiegte M1 C. in allen genannten Verfahren, weil es sich nach Auffassung der Gerichte mangels hinreichender Beweistatsachen jeweils um eine unzulässige identifizierende Verdachtsberichterstattung handelte.
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3. Hinsichtlich der Äußerung im Klagantrag zu Ziffer 3. („Sie haben uns den Klarnamen untergejubelt“) fehlt es wiederum an einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin, da es sich um eine zulässige Meinungsäußerung des Beklagten handelt. Ausgehend vom Wortlaut bedeutet „unterjubeln“ laut Duden „bewerkstelligen, dass jemand etwas (zugeschoben) bekommt“, „dass ihm etwas zugedacht, zugemutet wird (was er nicht gern haben, tun möchte)“. Es beinhaltet also insbesondere eine Schilderung der Perspektive desjenigen, dem etwas untergejubelt wird; dagegen ist eine Täuschung des Handelnden nicht erforderlich. Für diese Meinungsäußerung des Beklagten, dem „F.“ sei etwas zugemutet worden, was er nicht gern haben wollte, liegen hinreichende Anknüpfungstatsachen vor. Denn unstreitig hat die Klägerin in dem von ihr verfassten Artikel den Klarnamen von M1 C. genannt, ohne jedoch – neben der Erwiderung im Artikel – noch einmal explizit die Redaktion auf die Entscheidung des LG L., mit der die Namensnennung gerade untersagt wurde, hinzuweisen. Bereits dieser Sachverhalt rechtfertigt die von dem Beklagten geäußerte Bewertung, dem „F.“ sei etwas „untergejubelt“ worden.
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4. Die Äußerung in Ziffer 4. des Klageantrags verletzt die Klägerin in Bezug auf die ersten beiden Sätze nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, dagegen liegt in Bezug auf den letzten Satz eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor.
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Bei den ersten beiden Sätzen („Sie konnte ihren Vorwurf nicht belegen. Darum hat sie vor Gericht verloren“) handelt es sich um wahre Tatsachenbehauptungen, da sie dem Beweis zugängliche Sachverhaltsschilderungen des Beklagten beinhalten. Sie sind prozessual als wahr anzusehen, da das Landgerichts L. die Klägerin mit Urteil vom 24.02.2017 unstreitig zur Unterlassung verurteilt hat, weil sie, indem sie den vom M. geäußerten Verdacht über M1 C. wiederholte, einen Vorwurf geäußert, diesen aber weder im Rahmen der Berichterstattung noch im Zivilverfahren durch hinreichende Beweistatsachen belegt hat. Soweit die Klägerin darauf abstellt, sie habe nur deshalb verloren, weil sie den Klarnamen von M1 C. genannt habe, so betrifft dies nur den ersten Teil des Unterlassungstenors im Urteil des Landgerichts L., nicht aber die darüber hinaus ebenfalls untersagte Äußerung des konkreten Verdachts.
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Dagegen verletzt der letzte Satz der streitgegenständlichen Äußerung („Wir stehen nicht für FakeNews.“) die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, da es sich um eine unwahre Tatsachenbehauptung handelt. Die Äußerung versteht der Leser so, dass die Klägerin in ihrem Artikel Informationen verbreitet hat, von denen sie wusste oder jedenfalls hätte wissen können, dass sie unwahr sind. Denn der Vorwurf der Fälschung (englisch „Fake“) beinhaltet den Umstand, dass der Betreffende wissentlich die Unwahrheit verbreitet. Anders können die Rezipienten diese angegriffenen Äußerungen nicht verstehen, denn dem Vorwurf der Lüge beziehungsweise Fälschung wohnt das Element inne, dass der Betreffende wissentlich die Unwahrheit verbreite. Die Kenntnis- bzw. Motivlage der Klägerin ist jedoch grundsätzlich einem Beweis zugänglich, etwa durch Befragung der betreffenden Personen (vgl. HansOLG, Urteil vom 14.02.2017, 7 W 16/17), zum Begriff ‘‘Fake-News“. Zwar können Äußerungen über die Motive und/oder das Wissen dritter Personen auch von Elementen des Meinens und Dafürhaltens geprägt sein, etwa wenn es für den Rezipienten offenkundig ist, dass der Äußernde lediglich Vermutungen hierüber anstellt (HansOLG a.a.O.). Bei der streitgegenständlichen Äußerung bleibt für ein solches Verständnis jedoch schon nach dem Wortlaut kein Raum. Mit der Feststellung, dass der „F.“ nicht für „FakeNews“ stehe, wirft der Beklagte der Klägerin nach dem Verständnis des Lesers ohne Einschränkung oder Abschwächung vor, bewusst und zielgerichtet falsche Informationen verbreitet zu haben.
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Diese Tatsachenbehauptung ist prozessual jedoch unwahr. Die Klägerin trägt vor, nicht gewusst zu haben, dass die Nennung des Namens von M1 Constanzo in ihrem Artikel unzulässig gewesen sei; sie sei von einer rechtmäßigen Gerichtsberichterstattung ausgegangen. Der analog § 186 StGB für die Wahrheit seiner Tatsachenbehauptung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat seine Darlegungslast dagegen nicht erfüllt. Denn er hat gar nicht vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass die Klägerin vor der Veröffentlichung positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der fraglichen Textpassage gehabt hat. Auch über diesen Sachverhalt hinaus sind keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, die belegen, dass die Klägerin „FakeNews“ verbreitet hätte. Selbst wenn dem dargestellten Verständnis des Begriffs „Fake-News“ nicht zu folgen wäre, bestünde der Anspruch. Denn er beinhaltet – zumal unter Berücksichtigung der sogenannten Stolpe-Rechtsprechung – die Aussage, dass die Unwahrheit feststeht. Dies ist indes wie oben ausgeführt nicht der Fall.
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5. Hinsichtlich des Klageantrags zu Ziffer 5. verletzen die Äußerungen die Klägerin lediglich teilweise in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
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a. Die erste streitgegenständliche Äußerung in Ziffer 5. des Klageantrags („Damit verstieß sie direkt gegen die Anordnung des Gerichts – und der F. mit ihr.“) stellt keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin dar. Sofern die Klägerin argumentiert, dass die Äußerung als Tatsachenbehauptung dahingehend zu verstehen sei, dass es ihr gegenüber eine direkte Anordnung des Gerichts gegeben habe, den Klarnamen nicht zu veröffentlichen, wogegen sie verstoßen habe, ist dem nicht zu folgen. Einem solchen Verständnis steht der Kontext der Äußerung entgegen. Denn in den vorhergehenden beiden Sätzen schildert der Beklagte, dass es einen Rechtsstreit wegen einer Mafia-Dokumentation des M. gegeben habe und das Gericht einem Gastronomen Recht gegeben habe, der nicht im Zusammenhang mit der kalabrischen Mafia genannt werden wollte. Insofern kann sich nach dem Verständnis des Lesers die Formulierung “Anordnung des Gerichts” nur auf die Entscheidung in dem Verfahren gegen den M. beziehen; mit dem Zusatz “direkt” wird nach dem Verständnis des Lesers bezeichnet, dass der Artikel der Klägerin genau die Äußerung beinhaltete, die mit dem Urteil verboten worden war. Somit enthält die Äußerung nach dem Verständnis des Lesers allein die Tatsachenbehauptung, dass die Klägerin mit ihrer Berichterstattung genau die Äußerungen getätigt hat, die das Gericht dem M. zuvor untersagt hatte. Dabei handelt es sich jedoch um eine wahre Tatsachenbehauptung, da die Klägerin in ihrem Artikel unstreitig sowohl die dem M. untersagte Nennung des Klarnamens von M1 C. vollzieht als auch die dem M. untersagten Äußerungen (teilweise) wiedergibt.
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b. Die zweite streitgegenständliche Äußerung von Ziffer 5. des Klageantrags verletzt die Klägerin dagegen in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Sie enthält die dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ihres Artikels Kenntnis davon hatte, dass sie den Klarnamen von Herrn C. nicht hätte nennen dürfen. Wie bereits ausgeführt trägt die Klägerin jedoch vor, dass sie keine Kenntnis davon gehabt habe, sondern von einer zulässigen Gerichtsberichterstattung ausgegangen sei. Angesichts der Ehrenrührigkeit der Aussage, die Klägerin habe wider besseres Wissen eine rechtswidrige Berichterstattung verbreitet, trägt der Beklagte wiederum analog § 186 StGB die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit seiner Aussage. Er beruft sich darauf, dass der Klägerin die Hintergründe des Urteils des Landgerichts L. gegen den M. bekannt gewesen seien, ein etwaiger Rechtsirrtum der Klägerin sei ohne Belang gewesen. Diese Argumentation reicht zur Erfüllung der Darlegungs- und Beweislast jedoch nicht aus. Denn vorliegend ist entscheidend, ob die Klägerin positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit ihrer eigenen Veröffentlichung gehabt hat („sie wusste es.”), nicht ob sie es hätte wissen müssen. Es erscheint auch naheliegend, dass die Klägerin den Schluss von der Rechtswidrigkeit der Klarnamen-Nennung im M.-Bericht zu der Rechtswidrigkeit der Klarnamen-Nennung in ihrem Artikel wegen des abweichenden Kontextes (im ersten Beitrag Berichterstattung über Mafia-Tätigkeiten, im zweiten Beitrag Berichterstattung über Zivilverfahren) tatsächlich nicht gezogen hat. Da der Beklagte für eine positive Kenntnis der Klägerin nichts vorgetragen bzw. Beweis angeboten hat, handelt es sich um eine prozessual unwahre und damit rechtswidrige Tatsachenbehauptung.
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c. Die dritte Äußerung von Ziffer 5. des Klageantrags verletzt die Klägerin ebenfalls in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, soweit es heißt, dass sie „wusste“, dass sie den Namen nicht hätte schreiben dürfen. Insoweit gelten die Ausführungen unter I. 5. b. (s.o.) entsprechend. Keine Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt dagegen in der wiederum angegriffenen Äußerung, die Klägerin habe dem F. den Namen „untergejubelt“. Insoweit gelten die Ausführungen unter I. 3. (s.o.) entsprechend.
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6. Soweit die streitgegenständlichen Äußerungen die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen, besteht auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr. Die Wiederholungsgefahr wird durch die Erstbegehung indiziert. Der Beklagte hat keine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben und auch sonst sind keine Umstände ersichtlich, die eine Wiederholungsgefahr entfallen lassen könnten.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO und die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 3, 4 ZPO.
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Der nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 09.10.2017 sowie der nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklagten vom 01.11.2017 boten keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.