LG Münster, Urteil vom 30. Dezember 2011 – 2 O 269/11
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht eines Piloten in Bezug auf das Anlegen eines Fallschirms durch einen Fluggast
Tenor
1. Der Klageantrag zu Ziffer 1) ist dem Grunde nach begründet.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus Anlass des Schadensereignisses vom … auf dem Flugplatz Stadtlohn- Wenningfeld zu ersetzen.
Tatbestand
1
Der Kläger macht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus einem tragischen Unfall vom …, den er während eines Fluges mit dem Flugzeug des Beklagten zu 1), dessen Pilot der Beklagte zu 2) war, erlitten hatte, geltend.
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Der Beklagte zu 1) ist Inhaber der Firma T, einer Fallschirmspringschule. Zugleich ist er Halter des Flugluftfahrzeugs Cessna U206G, aus dem heraus der Kläger verunfallte. Der Beklagte zu 1) setzt dieses Flugzeug in seiner Fallschirmsprungschule ein. Zum Unfallzeitpunkt befand sich der Beklagte zu 1) im Urlaub in Frankreich. Der Sprungbetrieb wurde durch den Sprungleiter X durchgeführt. Das Flugzeug wurde durch den Beklagten zu 2) geflogen. Der Beklagte zu 2) war am Tag des Unfalls für den Beklagten zu 1) als freier Pilot tätig. Der Beklagte zu 2) ist Inhaber einer entsprechenden Pilotenlizenz und als solcher berechtigt, Luftfahrzeuge wie das hier eingesetzte Modell Cessna verantwortlich zu führen.
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Für den Unfalltag hatte die Freundin des Sohnes des Klägers, Frau Q, einen sogenannten Tandemsprung bei dem Beklagten zu 1) gebucht. Nach Regenunterbrechungen begann gegen 17:00 Uhr die Einweisung von Frau Q sowie einer weiteren Person für den Tandemsprung. Insgesamt sollten fünf Personen springen (zwei Tandemsprünge und ein Einzelsprung). Es fanden an diesem Tag insgesamt neun Flüge durch den Beklagten zu 2) statt, wobei der Flug mit der Frau Q der letzte war.
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Dem Kläger wurde die Möglichkeit geboten, an diesem Flug – ohne abzuspringen – für ein Entgelt in Höhe von 35,00 EUR teilzunehmen, um so die Absprünge von oben verfolgen zu können. Streitig ist zwischen den Parteien, ob die Initiative hierzu vom Kläger oder von Mitarbeitern des Beklagten zu 1) ausging. Jedenfalls war der Kläger einverstanden und zahlte die 35,00 EUR. Er erhielt auch einen Fallschirm angelegt unter Hinweis darauf, dass auch ein Gast, der lediglich im Flugzeug mitfliege, einen Rettungsschirm tragen müsse.
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Zunächst erhielt der Kläger einen Rettungsfallschirm umgelegt, dann allerdings einen sogenannten Sprungfallschirm, und zwar einen Schülersprungfallschirm. Dieser unterscheidet sich von einem Rettungsfallschirm dadurch, dass der Sprungfallschirm zwei Fallschirme, und zwar einen Hauptfallschirm und einen Reservefallschirm hat. Der Sprungfallschirm wird durch einen automatischen Auslösemechanismus ausgelöst, abhängig von einer bestimmten Vertikalgeschwindigkeit.
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Der Kläger begab sich sodann mit den anderen Personen in das Flugzeug. Das von der amerikanischen US-Luftfahrtbehörde FAA für den Sprungbetrieb zugelassene Flugzeug Cessna U206G sieht vor, dass bis auf den Pilotensitz alle Sitze ausgebaut werden können. Die Frachttüren der Kabine werden vollständig ausgebaut. Vor die Frachttüren wird außen an die Kabinenwand ein Windabweiser montiert. In eben dieser Konfiguration wurde das Flugzeug betrieben. Zusätzlich war ein Rollo vor die Öffnungen installiert worden.
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Der Kläger erhielt die Anweisung, sich neben dem Piloten auf den Boden zu setzen.
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Als das Flugzeug die entsprechende Flughöhe erreicht hatte, wurden zunächst die Tandemsprünge ausgeführt. Nachdem auch der letzte Springer, der „Solist“, aus dem Flugzeug gesprungen war, wobei dieser das hochgezogene Rollo wieder ein Stück weit herunter gelassen hatte, begann der Beklagte zu 2) mit dem Landeanflug. Der Kläger saß zu diesem Zeitpunkt noch neben dem Piloten.
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Die Automatik an dem Fallschirm des Klägers war eingeschaltet.
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Während des Landeanfluges in einer Höhe von ca. 300 Metern reagierte auf einmal aufgrund des Erreichens der „erforderlichen“ Vertikalgeschwindigkeit des Flugzeugs die Automatik an dem Sprungfallschirm des Klägers. Der Reservefallschirm an diesem Sprungfallschirm öffnete sich und kam heraus. Durch den hierdurch hervorgerufenen Sog wurde der Kläger aus dem Flugzeug gesogen und landete auf einem Acker.
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Der Kläger wurde schwer verletzt. Er erlitt ein Polytrauma mit
12 – Instabiler keildeformierter Berstungsspaltungsfraktur BWK 3,
13 – Stauchungsfraktur BWK 1,
14 – Stabile HWK 2 Fraktur Typ 2 nach Anderson / D´Alonzo,
15 – Sternumfraktur,
16 – Hämothorax beiderseits,
17 – Schädelhirntraume gedeckt, Grad I – II.
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Außerdem erlitt der Kläger diverse andere Verletzungen. Wegen der genauen Verletzungsfolgen wird auf die Klageschrift Bezug genommen.
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Aufgrund seiner Verletzungen war der Kläger bis zum 31.01.2011 krank geschrieben. Seit dem 01.02.2010 bezieht er zunächst für den Zeitraum bis zum 01.11.2012 eine Erwerbsunfähigkeitsrente.
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Mit dem Klageantrag 1a) macht der Kläger einen Sachschaden geltend, mit dem Klageantrag 1b) Verdienstunfall, mit dem Klageantrag 1c) Haushaltsführungsschaden, mit dem Klageantrag 1d) ein Schmerzensgeld und mit dem Klageantrag 1e) die Erstattung von vorgerichtlichen Anwaltskosten. Wegen der genauen Schadenshöhe wird auf die Klageschrift Bezug genommen.
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Der Kläger behauptet, dass am Unfalltag ein Mitarbeiter des Beklagten zu 1) die am Flugplatz stehende Gruppe und somit auch ihn fragte, ob jemand mitfliegen wolle. Einweisungen in den Gebrauch des Fallschirms oder ein sonstiges Verhalten an Bord des Flugzeugs vor Antritt des Fluges habe er nicht erhalten. Seine sämtlichen Schäden seien unfallbedingt.
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Der Kläger beantragt,
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1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner, a) an den Kläger 11.180,79 Euro nebst jährlichen Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage an allgemeinem Sachschaden zu zahlen; b) an den Kläger 15.773,07 Euro nebst jährlichen Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage an Verdienstausfall für den Zeitraum bis zum 30.06.2011 zu zahlen; c) an den Kläger 16.493,00 Euro nebst jährlichen Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage an Haushaltsführungsschaden bis zum 30.06.2011zu zahlen; d) an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe der Kläger in das Ermessen des Gerichts stellt, nebst jährlichen Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage; e) an den Kläger 1.749,90 Euro nebst jährlichen Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz an vorgerichtlichen Kosten zu zahlen.
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2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus Anlass des Schadensereignisses vom … auf dem Flugplatz Stadtlohn-Wenningfeld zu ersetzen.
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Die Beklagten und der Streithelfer beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte zu 1) behauptet, dass der Kläger aus eigenem Antrieb an dem Flug teilnahm. Der Kläger habe seine Mitarbeiter gefragt, ob er mitfliegen dürfe, worauf diese erklärt hätten, dass dies kein Problem sei. Er behauptet des Weiteren, dass die Verhaltensregeln für den Umgang mit dem Fallschirm genauso wie das Verhalten im Flugzeug dem Kläger mitgeteilt und erklärt worden seien.
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Des Weiteren vertritt der Beklagte zu 1) die Ansicht, dass der Kläger kein Fluggast an Bord des Luftfahrzeuges gemäß § 45 Abs. I LuftVG gewesen sei. Die vom Kläger gezahlten 35,00 EUR würden kein Beförderungsentgelt darstellen, sondern nur einen Unkostenbeitrag.
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Der Beklagte zu 2) hat in der mündlichen Verhandlung behauptet, dass er den Sprungleiter X vor Ort gefragt habe, ob die Automatik ausgeschaltet gewesen sei, was bejaht worden sei. Im nachgelassen Schriftsatz vom 07.12.2011 hat der Beklagte zu 2) vortragen lassen, dass er an Herrn X die Bemerkung „Sicherheitssystem deaktiviert“ gerichtet habe. In diesem nachgelassen Schriftsatz hat der Beklagte zu 2) weiter behauptet, dass er das System des Fallschirmes nicht prüfen könne. Es sei von außen nicht erkennbar, ob das Sicherheitssystem aktiviert wurde oder nicht. Das Sicherheitssystem sei unter einer Klappe verborgen. Es sei ihm nicht gestattet, an Fallschirmsystemen Kontrollen durchzuführen, die das Fallschirmsystem in seiner Funktionalität beeinträchtigen könnten.
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Rechtlich vertritt der Beklagte zu 2) die Ansicht, dass ein Luftbeförderungsvertrag zwischen ihm und dem Kläger nicht geschlossenen worden sei. Er sei auch nicht ausführender Luftfrachtführer.
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Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
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Die Akte 30 Js …09 Staatsanwaltschaft Münster ist vom Gericht beigezogen worden.
Entscheidungsgründe
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Da der Anspruch des Klägers im Bezug aus dem Klageantrag zu 1) sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach streitig ist, hat das Gericht bezüglich des Klageantrages zu 1) zunächst ein Grundurteil erlassen gemäß § 304 ZPO, dass die Klage insoweit dem Grunde nach begründet ist. Dem Klageantrag zu Ziffer 2 – Feststellungsanspruch – konnte das Gericht bereits jetzt statt geben.
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Im Einzelnen:
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1. Anspruch gegen den Beklagten zu 1): Dem Kläger stehen gegen den Beklagten zu 1) dem Grunde aus § 45 in Verbindung mit § 36 Satz 1 und 2 LuftVG Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche zu.§ 45 LuftVG lautet:
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„wird ein Fluggast durch einen Unfall an Bord eines Luftfahrzeuges … körperlich verletzt und gesundheitlich geschädigt, ist der Luftfrachtführer verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“
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Diese Voraussetzungen liegen vor.
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§ 45 LuftVG ist bei einer aus Vertrag geschuldeten Luftbeförderung anwendbar. Hierbei reicht jede aus Vertrag geschuldete Beförderung aus (vergleiche Frankfurter Kommentar zum LuftVG / Müller-Rostin, 2010. § 45 4).
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Dann müsste der Kläger als Fluggast mit dem Beklagten als Luftfrachtführer einen Vertrag über eine geschuldete Beförderung geschlossenen haben.
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Der Beklagte zu 1) ist zunächst Luftfrachtführer.
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Dies ist derjenige, der sich durch Vertrag im eigenen Namen verpflichtet, Personen oder Sachen auf dem Luftwege zu befördern. Die Personen müssen hierbei nicht gewerbsmäßig handeln. Ebenso muss die Beförderung nicht gegen Entgelt erfolgen. Entscheidend ist vielmehr, ob nach dem Willen der Beteiligten eine vertragliche Bindung entstanden ist. Ebenso muss der Luftfrachtführer die Beförderung nicht selbst ausführen. Er kann sich zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung der Dienste eines Dritten bedienen, ohne dadurch seine Eigenschaft als Luftfrachtführer zu verlieren.
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Der Beklagte zu 1) ist Inhaber der T. Er hat sich über seine Angestellten verpflichtet, den Kläger mitzunehmen. Ob der Kläger oder die Angestellten des Beklagten das Angebot oder die Annahme formulierten, ist irrelevant. Dass die Beförderung nur gegen geringes Entgelt in Höhe von 35,00 EUR erfolgt ist, ist unproblematisch. Es ist eine Einigung zwischen dem Kläger und einem der Angestellten des Beklagten zu 1) erfolgt, dass der Kläger mitfliegen darf und hierfür 35,00 EUR entrichtet. Nach dem objektiv erkennbaren Willen der Beteiligten ist somit eine vertragliche Bindung zustande gekommen. Es handelt sich bei dem Entgelt und dem Umständen nach nicht um eine bloße Gefälligkeit, da der Beklagte zu 1) eine Fallschirmspringschule handelt und auch kein befreundetes Verhältnis zwischen den Beteiligten vorliegt. Wer unter solchen Umständen gegen Bezahlung von 35,00 EUR mitfliegt, kann davon ausgehen, dass er für sein Entgelt in die Gefahren eingewiesen wird und dass die andere Partei für sein Verhalten auch eine Verantwortung durch Vertragsschluss übernehmen will.
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Der Beklagte zu 1) ist daher Luftfrachtführer.
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Der Kläger müsste auch Fluggast im Sinne des § 45 LuftVG gewesen sein.
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Luftfluggast ist derjenige Insasse, dem das Luftfahrzeug ausschließlich zur Beförderung dient. Es ist folglich eine Person, deren Beförderung aufgrund eines mit dem Luftfrachtführer abgeschlossenen Vertrages erfolgt. Im Vordergrund steht der Zweck der Beförderung. Zweck der Beförderung ist die Ortsveränderung, zu der sich der Luftfrachtführer vertraglich verpflichtet. Soweit ein Flug zum Zwecke der Ausübung des Flugsportes angetreten wird, stellt die Beförderung zwar einen notwendigen, aber einen unselbstständigen Faktor dar, sodass die zugrundeliegenden Pflichten nicht den Pflichten eines Beförderungsvertrages entsprechen. Diese Haftungserleichterung ist aber nur dann anwendbar, wenn das Beförderungsinteresse gegenüber den am Erlernen und an der Ausübung des Flugsportes im Allgemeinen gegebenen Interesse und dem Flug seine Präge verleiht. Der Kläger wollte keinen Flugsport betreiben. Er saß nur neben dem Beklagten und beobachtete die Absprünge der Fallschirmspringer, insbesondere den Absprung der Freundin seines Sohnes. Vorliegend ging es daher um eine sichere Beförderung. Zwar sollte die Beförderung nicht von Punkt A zu Punkt B erfolgen, dies ist jedoch irrelevant. Auch ein Rundflug gegen Entgelt ist ein Beförderungsvertrag. Hier wird zwischenzeitlich auch der Ort verändert.
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Der Kläger zahlte die 35,00 EUR für die Mitnahme an Bord und somit für seine Beförderung und nichts anderes. Er ist gerade kein Fallschirmspringer gewesen und somit lag kein anderer Hauptzweck als die Beförderung vor. Der Kläger war damit Fluggast.
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Der Kläger ist auch durch einen Unfall an Bord eines Luftfahrzeuges körperlich verletzt und an der Gesundheit geschädigt worden. Auch lag ein entsprechender Kausalzusammenhang vor. Wegen dem starken Sinkflug reagierte die Automatik des Fallschirms und der Kläger wurde aus dem Flugzeug gesogen.
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Die Haftung des Beklagten ist nicht durch § 45 Abs. II LuftVG auf einen Betrag bis zu 113.100,00 Rechnungseinheiten begrenzt. Eine Begrenzung findet nur dann statt, wenn der Schaden nicht durch ein rechtswidriges oder schuldhaftes Handeln oder Unterlassen oder durch das rechtswidrige oder schuldhafte Handeln oder Unterlassen der Angestellten des Luftfrachtführers verursacht worden ist.
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Im vorliegenden Fall wurde die Automatik am Fallschirm des Klägers nicht ausgestellt, sodass diese aufgrund der erreichten erforderlichen Vertikalgeschwindigkeit, bedingt durch den Sinkflug des Flugzeuges, reagierte und der Reservefallschirm sich öffnete und der Kläger herausgesogen wurde. Dieser Unfall war daher geradezu vorprogrammiert.Die Klage ist auch der Höhe nach zumindestens in Höhe von 1,00 EUR begründet.Dass der Kläger durch diesen Unfall Sachschaden, Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden erlitten hat, steht dem Grunde nach außer Frage. Fraglich ist nur die konkrete Höhe. Dass der Kläger auch Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes hat sowie die Erstattung von vorgerichtlichen Anwaltskosten, steht ebenfalls außer Frage.
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Entsprechend ist auch der Feststellungsantrag des Klägers begründet.
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Ansprüche gegen den Beklagten zu 2:Der Beklagte zu 2) haftet nicht aus § 45 LuftVG, da er kein Luftfrachtführer im Sinne dieser Vorschrift ist. Er stand zu dem Kläger in keinerlei vertraglichem Verhältnis und hat auch selber keinen Beförderungsvertrag mit dem Kläger geschlossen.
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Der Beklagte zu 2) haftet auch nicht aus § 48 LuftVG, da er nicht ausführender Luftfrachtführer im Sinne dieser Vorschrift ist. Der Beklagte zu 2) ist als freier Pilot auf Weisung des Beklagten zu 1) und seiner Leute tätig. Er ist somit kein ausführender Luftfrachtführer, sondern lediglich Erfüllungsgehilfe des Beklagten zu 1).
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Der Kläger hat aber gegen den Beklagten zu 2) einen Anspruch aus § 823 Abs. I BGB in Betracht.
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Der Beklagte zu 2) hat Verkehrssicherungsverpflichtungen aus § 3 LuftVO verletzt.
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Gemäß § 3 LuftVO hat der Luftfahrzeugführer, was der Beklagte zu 2) war, das Entscheidungsrecht über die Führung des Luftfahrzeuges. Er hat die während des Fluges, bei Start und Landungen und bei Rollungen aus Gründen der Sicherheit notwendigen Maßnahmen zu treffen.
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Der Beklagte zu 2) hat in der mündlichen Verhandlung vom 03.11.2011 selber eingeräumt, dass ihm bewusst war, dass der Kläger einen Sprungfallschirm erhalten hatte. Dem Beklagten zu 2) war bewusst, dass bei diesem Sprungfallschirm ab einer gewissen Vertikalgeschwindigkeit die Automatik sich einschaltet und der Reservefallschirm herauskommt. Dem Beklagten zu 2) war auch bewusst, dass bei der von ihm im Regelfall erreichten Vertikalgeschwindigkeit diese Situation konkret auftreten kann, wenn auch nicht muss. Dem Beklagten zu 2) muss auch bewusst gewesen sein, dass einer Person wie dem Kläger dieses Gefahrenpotenzial überhaupt nicht bekannt sein kann.
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In dieser Situation ist schon sehr zweifelhaft, ob die Nachfrage an den verantwortlichen Sprungleiter, ob die Automatik ausgeschaltet ist, überhaupt ausreichend ist. Wie der Beklagte zu 2) im nachgelassenen Schriftsatz vom 07.12.2011 ausgeführt hat, will er aber noch nicht einmal diese Frage gestellt haben, sondern lediglich eine entsprechende Bemerkung „Sicherheitssystem deaktiviert“ an den Sprungleiter gerichtet haben.
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Dies kann nach Auffassung des Gerichts aber in keinem Fall ausreichend sein, angesichts des ungeheuren Gefahrenpotenzials, was damit verbunden ist. Der Beklagte zu 2) muss sich davon selbst überzeugen. Wenn ihm dies – wie im nachgelassen Schriftsatz vom 07.12.2011 – nicht möglich sein soll, was in keiner Weise überzeugend ist, muss er entweder die Mitnahme des Klägers ablehnen oder diese Kontrolle durch eine geeignete andere Person, etwa dem Sprungleiter, ausführen lassen. Jedenfalls darf sich der Beklagte zu 2) angesichts dieses erheblichen Gefahrenpotenzials nicht „blind“ darauf verlassen, dass die Automatik ausgeschaltet ist.
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Bezüglich der Schadenshöhe gelten die obigen Ausführungen. Wenn eine Haftung des Beklagten zu 2) durch eine analoge Anwendung des § 45 Abs. II LuftVG theoretisch begrenzt werden könnte, so greift aber auch diese Vorschrift hier nicht ein, da der Beklagte zu 2) schuldhaft gehandelt hat.
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Nach alledem war wie erkannt zu entscheiden.