Zum Rechtschutzbedürfnis für statusunabhängiges Abstammungsverfahren

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 09.03.2016 – 2 UF 327/15

Ein Rechtschutzbedürfnis für ein statusunabhängiges Abstammungsverfahren besteht nicht, wenn die Vaterschaft in einem gerichtlichen Verfahren unter Einholung eines Abstammungsgutachtens (hier Blutgruppengutachten) festgestellt worden ist. Das Rechtschutzbedürfnis folgt in diesem Fall auch nicht daraus, dass für ein beabsichtigtes Restitutionsverfahren ein Abstammungsgutachten nach § 185 FamFG benötigt wird.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners und die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Stadt1 vom 24. Juli 2015 abgeändert.

Der Antrag des Antragstellers auf Ersetzung der Einwilligung der Antragsgegner in die genetische Abstammungsuntersuchung wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren setzt der Senat auf 2.000 € fest.

Gründe
I.

Der Antragsteller hat am 10. Oktober 2014 beim Amtsgericht Stadt1 beantragt, festzustellen, dass er nicht der Vater des am …1984 geborenen Antragsgegners, Herrn A sei. Zur Begründung hat er ausgeführt, er sei im Jahr 1988 von Polizeibeamten im Standesamt abgeholt worden und habe vor dem Amtsgericht seine Vaterschaft bekunden müssen. Seine Berechtigung zur Anfechtung ergebe sich aus § 1600 BGB, nachdem er am 20. September 2014 bei einem Aufenthalt in der Gaststätte „C“ von deren Betreiber erfahren habe, dass die am Verfahren beteiligte Mutter des Antragsgegners „freundschaftlichen“ Kontakt mit anderen Männern gehabt habe. Die Mutter des Antragsgegners habe am Kiosk B in Stadt1 eine Nachricht hinterlassen, dass der Antragsteller sie telefonisch kontaktieren solle. Das habe er nicht getan. Insgesamt könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass er nicht der Vater des A sei.

In der Folgezeit haben die Beteiligten über die Frage gestritten, inwieweit der Antragsteller die Vaterschaft anfechten könne. Der Antragsgegner und die beteiligte Mutter haben dazu vorgetragen, die rechtliche Vaterschaft des Antragstellers sei keineswegs über ein Anerkenntnis entstanden, sondern im Rahmen eines beim Amtsgericht in Stadt3 geführten Abstammungsverfahrens nach Einholung eines Gutachtens festgestellt worden.

Im Verfahren hatte der Antragsteller den Antragsgegner daraufhin dazu zu bewegen versucht, bei einer gendiagnostischen Abklärung der Vaterschaft mitzuwirken. Dem haben sich der Antragsgegner und seine Mutter widersetzt. Am 12. März 2015 hat der Antragsteller seinen Antrag umgestellt. Er stelle nunmehr den Antrag, die nicht erteilte Einwilligung zu ersetzen und die Duldung der Probeentnahme anzuordnen gemäß § 1598 a Abs. 2 BGB.

Das Amtsgericht hat versucht, die Akte des Amtsgerichts Stadt3 beizuziehen. Da der Randvermerk am Geburtseintrag des Antragsgegners (Bl. 21 d.A.) allerdings nicht das Aktenzeichen des Urteils des Amtsgerichts Stadt3 vom 14. November 1985 auswies und weil keiner der Beteiligten die Unterlagen des Abstammungs, verfahrens aufbewahrt hatte, ist dieses Vorhaben gescheitert.

Am 3. Juni 2015 hat das Amtsgericht dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe für die erste Instanz bewilligt, ohne näher auszuführen, für welchen Antrag die Bewilligung gelten soll. Im Anhörungstermin sind der Antragsteller und die Mutter des Antragsgegners befragt worden. Der Antragsteller hat erklärt, er sei im Gericht in Stadt3 nicht anwesend gewesen und habe beim Amtsarzt eine Blutprobe abgegeben. Das Gutachten sei mehrfach „korrigiert“ worden. Das habe ihn damals schon stutzig gemacht. Er sei damals allerdings mit großer Sicherheit beim Amtsgerichtsdirektor D in Stadt1 gewesen, dieser habe ihn geheißen, etwas zu unterschreiben, sonst müsse er bleiben, bis er vom Urlaub wiederkäme. Die Mutter hat angegeben, dass sie – wie schon beim Amtsgericht in Stadt3 ausgeführt – während der gesetzlichen Empfängniszeit nur mit einem Mann, nämlich mit dem Antragsteller, verkehrt habe. Deswegen sei nach Einholung von Sachverständigengutachten beim Amtsgericht in Stadt3 auch festgestellt worden, dass er mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9 % der Vater sei.

Mit Beschluss vom 22. Juli 2015 hat das Amtsgericht sodann die Einwilligung des Antragsgegners und seiner Mutter in die Entnahme von Proben zur Abstammungsbegutachtung ersetzt. Es sei misslungen, das beim Amtsgericht in Stadt3 geführte Statusverfahren beizuziehen. Diese Unsicherheit gehe nicht zu Lasten des Antragstellers. Auch Unterlagen beim Standesamt seien nicht verfügbar. Die Verfahrensbeteiligten verfügten ebenfalls nicht mehr über Unterlagen. Ein erheblicher Unsicherheitsfaktor betreffend die Richtigkeit der Feststellung der Vaterschaft in tatsächlicher Hinsicht bestehe damit fort, die Validität des womöglich zugrunde gelegten Gutachtens könne nicht nachvollzogen werden. Unter diesen Umständen könne kein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Antragstellers festgehalten werden.

Gegen die am 13. August 2015 zugestellte Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit der am 11. September 2015 eingelegten Beschwerde. Die Mutter des Antragsgegners hat sich mit der Anschlussbeschwerde am 14. Januar 2016 seinem Verteidigungsbegehren angeschlossen. Der Antragsgegner machte geltend, dass das Verhalten des Antragstellers sehr wohl rechtsmissbräuchlich sei. Aus dem Randvermerk beim Geburtseintrag ergebe sich eindeutig, dass die Vaterschaftsfeststellung aufgrund eines Urteils des Amtsgerichts Stadt3 erfolgt sei. Insoweit könne er sich nicht einfach darauf berufen, dass die Feststellung falsch sei. Er habe den Anschein der Vaterschaft in keiner Weise entkräftet.

Der Senat hat nach Eingang des Verfahrens erneut Nachfrage beim Amtsgericht Stadt3 gehalten und darum gebeten, auch ohne Aktenzeichen Nachsuche nach dem Statusverfahren zu halten. Daraufhin ist das Verfahren beim Amtsgericht Stadt3 aufgefunden und eine vollständige Kopie ist zur Akte gereicht worden (Bl. 116 bis 147 d.A.).Der Senat hat den Beteiligten dazu rechtliches Gehör gewährt.

Der Verfahrensgang zeigt, dass das Kind vertreten durch den gesetzlichen Vormund (Amtsvormund) beantragt hat zu erkennen, dass der hiesige Antragsteller sein Vater ist. Im Verfahren ist, nachdem sich der Antragsgegner nicht beteiligt hatte, zunächst ein Beweisbeschluss ergangen am Fuße der Verhandlung vom 6. Mai 1985. Ausweislich des Beweisbeschlusses sollte ein Blutgruppengutachten einschließlich einer biostatischen Auswertung eingeholt werden. Mit der Erstattung des Gutachtens ist SV1 beauftragt worden, der am 24. Juli 1985 zunächst ein Blutgruppengutachten erstellt hat. Dieses Blutgruppengutachten endet mit dem Ergebnis, dass eine positive Vaterschaftswahrscheinlichkeit des hiesigen Antragstellers mit 99 % mit der verbalen Beurteilung „Vaterschaft höchst wahrscheinlich“ festzustellen sei (Essen-Müller-Verfahren, Bl. 122 d.A.). Die Probeentnahme bei dem Antragsteller erfolgt für dieses Gutachten beim Kreisgesundheitsamt Stadt1 am 28. Mai 1995 (Bl. 124 d.A.). Nachdem das Amtsgericht außerdem am 21. August 1985 ein Blutgruppenergänzungsgutachten angefordert hat, hat der Sachverständige SV1 unter dem 10. Oktober 1985 ein Blutgruppenergänzungsgutachten vorgelegt. Dieses Gutachten hat das HLA-System einbezogen und kommt zu dem Ergebnis, dass die nach dem Essen-Müller-Verfahren errechnete normierte Vaterschaftswahrscheinlichkeit des Beklagten von 99 % sich auf eine Wahrscheinlichkeit von 99,9945 % mit der verbalen Beurteilung „Vaterschaft praktisch erwiesen“ erhöht (Bl. 130 d.A.). Die Probeentnahme für dieses Ergänzungsgutachten ist am 16.9.1985 beim Antragsteller erfolgt, es ist wiederum das Kreisgesundheitsamt Stadt1 tätig geworden (Bl. 132 d.A.). Bei beiden Probeentnahmen sind Bilder des Antragstellers gefertigt worden, die den gleichen Mann zeigen.

Daraufhin hat das Amtsgericht Stadt3 am 14. November 1985 mit Endurteil festgestellt, dass der hiesige Antragsteller Vater des Antragsgegners ist (Bl. 136 d.A.).

Nachdem der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen hat, dass nach erfolgreicher Beiziehung des Abstammungsverfahrens aus Stadt3 das Rechtsschutzbedürfnis zweifelhaft sei, hat der Antragsteller sich darauf berufen, dass die damalige Blutgruppenuntersuchung nicht richtig gewesen sei. Auch in einem anderen Verfahren, in dem er als Vater benannt worden sei, sei er nicht der Vater gewesen. Dieses Verfahren sei wegen einer Auskunft gegen die Kindesmutter beim Oberlandesgericht unter dem Az. … geführt worden. Der damalige angebliche Sohn stamme ebenfalls nicht von ihm ab. Der Antragsteller habe eigens die … in Stadt2 aufgesucht, um die Adresse zu ermitteln, um eventuelle Krankenakten noch herauszufinden. Der Antragsteller sei mit seiner ersten Frau 13 Jahre lang verheiratet gewesen, ohne ein Kind zeugen zu können. Mit seiner zweiten Frau sei er 18 Jahre zusammen gewesen und auch aus dieser Beziehung sei – wie sich nach Anfechtung der Vaterschaft für das aus dieser Ehe stammende Kind ergeben habe – kein leibliches Kind hervorgegangen. Bei ihm sei schon während der …zeit in den 60er Jahren eine Verletzung am Hodensack festgestellt worden, die seine Infertilität zur Folge gehabt habe. Der Antragsteller legt dazu vor eine Krankenkarte der …, aus der sich eine Verletzung „Hodensackprellung“ nach einem Sturz im Dienst, attestiert am 29. November 1965 ergibt. Wegen dieser Umstände halte es der Antragsteller für erforderlich, dass eine Probe gemäß § 1598 a BGB entnommen werde. Er habe Zweifel an seiner Vaterschaft.

Anders als bei einer vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Konstellation (OLG Stuttgart, Beschluss vom 10. August 2009 zu 17 WF 181/09, FamRZ 2010, 53) liege auch nicht ein in der Vergangenheit abgewiesener Anfechtungsantrag vor. Insoweit bestehe ein Interesse an der Abstammungsklärung. Es sei bereits vorgetragen worden, dass der Antragsteller bereits im Jahr 2014 erfahren habe, dass die Kindesmutter während der Empfängniszeit auch mit anderen Männern verkehrt habe.

Die Kindesmutter hat bestritten, dass eine derartige Hodensackprellung beim Antragsteller zur Unfruchtbarkeit geführt haben kann. Die Kindesmutter und der Antragsgegner sind weiterhin der Meinung, dass sich das Rechtsbegehren des Antragstellers als rechtsmissbräuchlich darstellt. Das Amtsgericht Stadt3 habe über zwei Sachverständigengutachten ermittelt, dass der Antragsteller mit einer hohen Wahrscheinlichkeit der Vater des Antragsgegners sei. Die Umstände aus dem Parallelverfahren einen anderen rechtlichen Sohn des Antragstellers betreffend könnten keineswegs dafür herangezogen werden, Zweifel an der Richtigkeit der Erhebungen des Amtsgerichts Stadt3 zu rechtfertigen.

Der Senat hat die Akte … des AG Stadt1 beigezogen.

II.

Die gemäß § 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragsgegners ist wie die gemäß § 66 FamFG zulässige, weil nicht fristgebundene Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin begründet. Das Amtsgericht ist nach dem seinerzeitigen Sachstand vertretbar davon ausgegangen, dass der Antragsteller ein Interesse daran haben kann, über ein – weiteres – Sachverständigengutachten Gewissheit über die leibliche Vaterschaft für den Antragsgegner zu erhalten. Nach den Nachermittlungen im Beschwerdeverfahren ist davon nicht mehr auszugehen, weil die erfolgreiche Beiziehung der Akte des Amtsgerichts in Stadt3 erwiesen hat, dass seinerzeit zwei Blutgruppengutachten eingeholt worden sind, deren Ergebnisse eindeutig den Antragsteller als Vater des Antragsgegners ausweisen. Damit ist der Antrag des Antragstellers als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen.

Im Einzelnen gilt folgendes:

1. Die Entscheidung des Amtsgerichts betrifft nur den Antrag des Antragstellers auf Einwilligung der Antragsgegnerin und des Antragsgegners in die Probeentnahme für die Erstellung eines Abstammungsgutachtens gemäß § 1598a BGB.

Soweit der Antragsteller zunächst die Vaterschaft angefochten hat, hat er diesen Antrag nicht weiterverfolgt. Der Umstand, dass das Amtsgericht hier nur auf einen Antrag entschieden hat, würde aber auch dann, wenn er diesen Antrag weiterverfolgt hätte, nicht dazu führen, dass der Antrag im Beschwerdeverfahren zu bescheiden wäre. Denn der Antragsteller hat einen etwaigen Antrag auf Ergänzung der Entscheidung (§ 43 FamFG) nicht gestellt. Dies führt gemäß §§ 43 Abs. 2 FamFG nach Ablauf von zwei Wochen dazu, dass der Antrag Gegenstand eines neuen Verfahrens sein kann und werden muss (Ulrici, in: Münchner Kommentar zum FamFG, 2. Aufl. 2013, Rdn. 11 zu § 43 FamFG).

2. Der Beschluss des Amtsgerichts ist aufzuheben, weil die Geltendmachung der ihm dem Grunde nach zustehenden Anspruchs nach § 1598 a BGB durch den Antragsteller rechtsmissbräuchlich ist.

a) Soweit sich der Antragsteller darauf beruft, die Anspruchsvoraussetzungen des § 1598 a BGB seien sämtlich niederschwellig ausgestattet, ist dies zwar richtig, insbesondere muss der Vater nach § 1598a BGB keinen Verdacht an seiner bestehenden Vaterschaft äußern, wie der Antragsteller dies vorliegend tut. Tatsächlich setzt § 1598 a BGB als materiell-rechtlicher Anspruch lediglich voraus, dass rechtliche Vaterschaft besteht, eine vorangegangene Aufforderung zur freiwilligen Mitwirkung erfolglos blieb und nicht das Wohl eines minderjährigen Kindes entgegensteht, § 1598a Abs. 3 BGB. Nach allgemeiner Meinung gelten jedoch für die Geltendmachung der beschriebenen Ansprüche die allgemeinen Regelungen zur Rechtsmissbräuchlichkeit (Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Rn. 5 zu § 1598a BGB).

Ist im Rahmen eines vorangegangenen Abstammungsverfahrens nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Vaterschaft des rechtlichen Vaters bereits bestätigt worden, kann eine Rechtsmissbrauch vorliegen (Wellenhofer, in: Münchner Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, Rn. 5 zu § 1598a BGB; OLG Stuttgart, Beschluss vom 10. August 2009 zu 17 WF 181/09, zum Anfechtungsverfahren, zitiert nach Juris, Rn. 4 ff., zustimmend Schäfer, in: Juris PK-FamR 23/2009, Anm. 6: Rechtsmissbräuchliche Durchführung eines Klärungsverfahrens nach § 1598 a BGB; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, 2. Aufl. 2010, S. 206). Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 1598 a BGB letztlich der Beweisnot von Vätern abhelfen wollen, die durch den Erlass einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Rechtswidrigkeit und fehlenden Verwertbarkeit heimlicher Vaterschaftstests entstanden war. Mit seiner Entscheidung vom 13. Februar 2007 hatte daraufhin das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass die bisherige Gesetzeslage nicht mit dem beiderseitigen Recht auf Kenntnis der Abstammung aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar sei und deswegen den Gesetzgeber dazu verpflichtet, zur Verwirklichung des Rechts des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der Abstammung seines Kindes von ihm ein geeignetes Verfahren allein zur Feststellung der Vaterschaft bereitzustellen (vgl. dazu Wellenhofer, Münchner Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, Rn. 1 und 2 zu § 1598 a BGB). Daraufhin ist § 1598 a BGB als statusunabhängiges Klärungsverfahren für die Abstammung eingeführt worden.

Nach Auffassung des Senates ist das Rechtsbegehren des Antragstellers eindeutig rechtsmissbräuchlich. Die Blutgruppenuntersuchungen bei der Feststellung seiner Vaterschaft im Jahre 1985 beim Amtsgericht Stadt3 zeigen keinen Fehler.

Der Antragsteller beruft sich auch nicht darauf, dass bei der konkreten Probeentnahme damals Fehler gemacht worden sind, sondern allein auf die Rahmenumstände um die Geburt des Sohnes aus seiner zweiten Ehe. Der Senat hat die Verfahren zu dieser Vaterschaft zum Teil selbst geführt und kann daher dazu beitragen, dass es sich um eine andere Konstellation gehandelt hat: Hier galt der Antragsteller als rechtlicher Vaterweil er mit der Mutter des betroffenen Kindes verheiratet war. Er selbst hat nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit der Mutter die Vaterschaft für das Kind angefochten und dieser Antrag ist nach Einholung eines Abstammungsgutachtens auch positiv beschieden worden. Im Verfahren vor dem Senat (…) hatte er die Mutter des betroffenen Kindes auf Auskunft über den wahren Vater dieses Kindes in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hatte die Kindesmutter antragsgemäß verpflichtet, im Beschwerdeverfahren nahm nach Erlass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Februar 2015 zum Fehlen eines Auskunftsanspruchs des Scheinvaters gegen die Mutter über den mutmaßlichen leiblichen Vater eines Kindes der hiesige Antragsteller den Auskunftsantrag zurück.

Das zeigt, dass der Antragsteller aus diesem Verfahren keinerlei Aspekte ableiten kann, die gegen die Richtigkeit des im Verfahren beim Amtsgericht in Stadt3 1984 und 1985 eingeholten Blutgruppengutachtens spricht, insbesondere ergeben sich keine Hinweise zu einer behaupteten Unfruchtbarkeit aus dem Umstand, dass seine spätere Ehefrau von einem anderen Mann schwanger geworden ist. Der Antragsteller hat sich im Übrigen im Anfechtungsverfahren für den seinerzeit 11- jährigen Sohn aus dieser Ehe keineswegs auf eine ihm seit 1965 bekannte Infertilität gestützt, sondern darauf, von Dritten erfahren zu haben, dass er nicht der Vater dieses Kindes sein könne (Bl. 2 d. beigezogenen Akte … des AG Stadt1).

Die dort zugrunde liegende Konstellation weicht daher von der hiesigen in maßgeblichen Aspekten ab, denn seinerzeit ist die rechtliche Vaterschaft bereits nicht über ein (fehlerhaftes) Abstammungsgutachten festgestellt worden. Auskunftsansprüche gegenüber der zweiten Ehefrau zur Identität des leiblichen Vaters des Kindes sind unter keinem denkbaren Aspekt als Indizien für Unrichtigkeiten des Abstammungsgutachtens für den hiesigen Antragsgegner aus dem Jahr 1985 geeignet.

Die Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrags des Antragstellers ergibt sich daher nach Überzeugung des Senates daraus, dass eine Einholung eines weiteren Gutachtens nach Sinn und Zweck des § 1598 a BGB nicht verlangt werden kann, wenn sich keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Blutgruppengutachten ergeben haben ( so auch Grün, Vaterschaftsfeststellung und – anfechtung, 2. Aufl. 2010, S. 206). Solche Zweifel ergeben sich eben nicht allein daraus, dass heute Möglichkeiten einer gendiagnostischen Begutachtung bestehen, die nach den Richtlinien zur Einholung von Abstammungsgutachen im Jahr 2002 das Blutgruppengutachten abgelöst haben (vgl. dazu Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, 2. Aufl. 2010, S. 225 f.).

Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, dass er mit einem etwaig anders ausfallenden gendiagnostischen Gutachten die Möglichkeit erhalten könnte, gemäß § 185 FamFG ein Restitutionsverfahren für das seine Vaterschaft feststellende Urteil des Amtsgerichts Stadt3 herbeizuführen. Die Frist gemäß § 586 ZPO gilt zwar gemäß § 185 Abs. 2 FamFG nicht. Allerdings ist der Senat der Auffassung, dass das wegen einer Beweisnot im Erstverfahren geschaffene Recht des rechtlichen Vaters, die Mutter und das Kind im Rahmen des § 1598 a BGB zur Probeentnahme und damit zur Erstellung eines Gutachtens zu zwingen, nicht dahin ausgenutzt werden kann, die Voraussetzungen für ein Restitutionsverfahren zu schaffen. Im Einklang mit der Entscheidung des OLG Zweibrücken (Beschluss vom 7. Oktober 2004 zu 2 WF 159/04, NJW-RR 2005, 307 zur Rechtslage vor 2007) geht der Senat davon aus, dass ein Restitutionsverfahren nur mit einem nach freiwilliger Mitwirkung der Mutter und des Kindes erstellten Gutachten geführt werden kann. Denn die vom Gesetzgeber mit Schaffung des § 1598a BGB geschaffene Grundlage für die zuvor nicht legitimierten Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen muss verfassungskonform ausgelegt werden mit der Folge, dass der staatliche Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit des Kindes und der Mutter nur dann gerechtfertigt ist, wenn auf der anderen Seite das Recht auf Kenntnis der Abstammung ernstlich betroffen ist.

Ob im Übrigen ein über § 1598 a BGB erstelltes Gutachten für ein Restitutionsverfahren eingeführt werden kann, ist nicht ganz unumstritten. Die Möglichkeit, ein derartiges Gutachten im Restitutionsverfahren zu verwenden, wird bislang dann sicher ausgeschlossen, wenn ein vorangegangener Anfechtungsantrag wegen des Verstreichens von Anfechtungsfristen zurückgewiesen worden ist (vgl. Coester-Waltjen/Hillbig-Lugani, Münchner Kommentar zum FamFG, 2. Aufl. 2013, Rdn. 10 zu § 185 FamFG; Helms, das neue Verfahren zur Klärung der leiblichen Abstammung, FamRZ 2008, S. 1033, S. 1036 ff.). Da das statusunabhängige Abstammungsverfahren gemäß § 1598 a BGB sich nach Auffassung des Senats und nach Auffassung von Helms (a.a.O.) dazu eignet, sämtliche Restitutionsregelungen außer Kraft zu setzen, muss die Schranke des Rechtsmissbrauchs über eine teleologische Einschränkung des Anspruchs nach § 1598a BGB erfolgen.

§ 185 Abs. 1 FamFG geht davon aus, dass das Restitutionsverfahren sich auf ein bereits vorliegendes Gutachten stützt. Die theoretische Möglichkeit eines solchen nachgelagerten Restitutionsverfahrens kann daher das rechtliche Interesse an der Einholung eines Gutachtens im Sinne des § 1598 a BGB nicht ersetzen. Die Restitutionsgründe sind in § 185 FamFG zwar weiter ausgestaltet als im Wiederaufnahmerecht gemäß §§ 580 ff. ZPO. Dennoch muss gelten, dass die Durchbrechung der Rechtskraft eines Urteils nur dann hingenommen werden muss, wenn Restitutionsgründe bereits vorliegen. Der Gesetzgeber hat mit § 1598 a BGB die Klärung einer Vaterschaft für den rechtlichen Vater ermöglicht. Der Zusammenklang zwischen den Vorschriften § 1598a BGB und § 185 FamFG kann nicht dazu beitragen, dass rechtliche Väter jeweils nach Etablierung neuer Gutachtenmethoden die Mutter und das Kind in neue Untersuchungen zwingen, um einer bestehenden minimalen Aussicht auf Restitution nachzugehen. Das war mit der Einführung des § 1598a BGB weder intendiert, noch kann die auf Rechtssicherheit im Statusverfahren abstellende Restitutionsmöglichkeit dahin weiter ausgedehnt werden.

Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde zu, weil die Grenzen nicht rechtsmissbräuchlicher Geltendmachung der statusunabhängigen Klärung der Abstammung nach § 1598a BGB noch nicht höchstgerichtlich geklärt sind und eine Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt (§ 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG).

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