OLG Hamm, Urteil vom 01.12.2008 – 5 U 161/08
Der Grundstückseigentümer, der die ihn durch eine Baumschutzsatzung bindende öffentlich-rechtliche Verpflichtung befolgt, den Baumbestand zu erhalten, kann nicht zugleich wegen des von diesem zwangsläufig ausgehenden Laubfalls privatrechtlich haftbar gemacht werden kann. Er ist nämlich selbst gehindert, die Ursache für die Zahlungspflicht zu beseitigen. Nicht allein er ist aus seinem Eigentum sozialpflichtig in der Weise, den Baum dulden zu müssen, sondern auch der Nachbar in der Weise, dass er die Einwirkungen des Baumes ohne Ausgleichsanspruch hinnehmen muss (Rn. 26).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. Juli 2008 verkündete Urteil der Zivilkammer II des Landgerichts Detmold abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 100 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
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A.
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Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Der Kläger verlangt von den Beklagten Entschädigung nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB für Zeitaufwand, Aufwendungen und vermeintliche Schäden, die ihm durch die Einwirkungen von zwei in unmittelbarer Nähe zur Grundstücksgrenze auf dem Grundstück der Beklagten befindlichen Buchen entstanden sein sollen.
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Wegen des weiteren Tatsachenvortrags der Parteien einschließlich der genauen Fassung der erstinstanzlich gestellten Sachanträge nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.
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Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 1.387,53 € stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in dieser Höhe aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB habe. Entschädigung könne der Kläger verlangen für die Reinigung der Dachrinnen in Höhe von 627,53 € und für die durch Laubabfall verursachten Aufräumarbeiten in Höhe von 720,- € (72 Std. mal 10,- €). Darüber hinaus könne er Deponiekosten für 120 Müllsäcke in Höhe von 40,- € ersetzt verlangen. Weitergehende Ansprüche stünden dem Kläger nicht zu. Das Klägervorbringen zur notwendig gewordenen Instandsetzung des Balkons sei unsubstantiiert. Der Schaden an seinem Pkw sei von seiner Versicherung reguliert worden. Entschädigung für die Anschaffung eines gebrauchten Anhängers könne der Kläger nicht verlangen, da ihm der Anhänger auch ansonsten jederzeit für andere Zwecke zur Verfügung stehe.
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Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.
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Die Beklagten wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ferner behaupten sie, die Buchen seien 80 bis 90 Jahre alt, und meinen, sie seien keine Störer, da sie – unstreitig – die Bäume nicht gepflanzt haben. Im übrigen sind sie der Auffassung, es würden keine wesentlichen bzw. zumutbare Beeinträchtigungen vorliegen.
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Die Beklagten beantragen,
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unter Abänderung des am 23.07.2008 verkündeten Urteil des Landgerichts Detmold (Az. 12 O 184/07) die Klage insgesamt abzuweisen;
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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen;
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unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn weitere 25.804,07 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 27.06.2007 zu zahlen.
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Der Kläger wiederholt im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Des weiteren behauptet er, die auf seinem Grundstück entstehenden Immissionen würden praktisch ausschließlich von den beiden Buchen verursacht. Er meint, eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks durch die Beklagten sei schon deshalb zu verneinen, weil – unstreitig – die Buchen nicht einmal einen Grenzabstand vom 2 m einhalten.
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Der Kläger hat bei der Stadt Detmold eine Ausnahmegenehmigung zum Fällen der Bäume nach § 5 der Satzung zum Schutz des Baumbestandes in der Stadt E2 vom 17.09.2001 beantragt. Diese ist ihm versagt worden. Die Stadt hat stattdessen unter dem 19.08.2005 lediglich eine Genehmigung zum Rückschnitt der Buchen maximal bis zur Grenzlinie und zur Kronenauslichtung von maximal 15 % erteilt. Mit seinem darüber hinausgehenden Begehren auf Erteilung einer Genehmigung zum Fällen der beiden Bäume ist der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Minden abgewiesen worden (Urteil vom 29.8.2005, Az. 9 K …/…). Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist durch Beschluss des OVG Münster vom 20.12.2005 (Az. 8 A …/…) abgelehnt worden.
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Im Verfahren vor dem Landgericht Detmold, Az. …, haben die Parteien über die Frage gestritten, ob die Beklagten verpflichtet sind, die streitgegenständlichen Buchen zu fällen. Dies hatte der Kläger mit der Behauptung begehrt, dass es technisch ausgeschlossen sei, die Beschattung und Verunreinigung seines Grundstücks durch die beiden Buchen anders zu beseitigen als durch deren Entfernung. Hilfsweise hatte er beantragt festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm als Gesamtschuldner jeglichen Schaden zu ersetzen, der durch die Einwirkung der beiden streitgegenständlichen Bäume durch Laub- und Fruchtbefall sowie Vermoosung der Dächer entsteht. In der Berufung ist die Klage insgesamt abgewiesen worden (Urteil des Senats vom 23.03.2006, Az. …). Einen Anspruch des Klägers auf Beseitigung der Buchen hat der Senat mit der Begründung verneint, dass der Kläger die Bäume gemäß § 1004 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der Baumschutzsatzung der Stadt E2 zu dulden hat.
B.
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
I.
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Die Klage ist zulässig. Dadurch, dass der Senat im Vorprozess die Klage insgesamt abgewiesen hat, ist nicht bereits rechtskräftig entschieden, dass dem Kläger gegen die Beklagten wegen der von den beiden Buchen ausgehenden Emissionen keine Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche zustehen.
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Zwar hat das Berufungsgericht über den hilfsweise vorgebrachten, vom Erstrichter nicht berücksichtigten Klagegrund mitzuentscheiden, wenn es den ersten, vom Erstrichter als durchschlagend angesehenen Klagegrund nicht für begründet hält. Hat der Erstrichter den Hauptantrag zuerkannt, muss also auf die Berufung des Beklagten das Berufungsgericht, das den Hauptantrag für unbegründet hält, über den Hilfsantrag entscheiden, ohne dass es einen besonderen Antrags oder gar des Anschlussrechtsmittels des Klägers bedarf (vgl. Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, § 528 Rn 19, 20). Im Vorprozess hat der Kläger seine Hilfsanträge in der Berufung allerdings nicht weiterverfolgt. In der Berufungsbegründung hat er lediglich noch den Hauptantrag gestellt. Mit der Abweisung der Klage ist deshalb auch nicht rechtskräftig festgestellt, dass keine Verpflichtung der Beklagten besteht, durch Einwirkung der beiden Buchen entstehende Schäden zu ersetzen, da eine Entscheidung über den vorgenannten Hilfsantrag nicht ergangen ist.
II.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von 27.191,60 Euro aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog, der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, zu.
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Gehen von der ortsüblichen Benutzung eines Grundstücks Einwirkungen i.S. von § 906 Abs. 1 S. 1 BGB auf ein anderes Grundstück aus und beeinträchtigen sie dessen Benutzung wesentlich, und muss der betroffene Grundstückseigentümer die Einwirkungen dulden, kann er von dem Eigentümer des anderen Grundstücks grundsätzlich nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkungen eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen (vgl. BGH NJW 04, 1037 ff.). Laubabfall bzw. das Abfallen von Bucheckern und Blüten auf ein Nachbargrundstück gehören auch – anders als die vom Kläger ebenfalls gerügte Verschattung durch die Buchen (vgl. Senat MDR 1999, 930 f.; Palandt-Bassenge, BGB, § 906 Rn 4) – zu den „ähnlichen Einwirkungen“ i.S. des § 906 Abs. 1 S. 1 BGB (vgl. BGH NJW 04, 1037 ff.; OLG G NJW 1988, 2618 ff.; OLG Stuttgart NJW-RR 1988, 204 f.).
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1. Im vorliegenden Fall ist bereits eine wesentliche Beeinträchtigung des Klägergrundstücks durch die von den Buchen ausgehenden Einwirkungen nicht ersichtlich.
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Maßgebend für die Frage, ob eine Einwirkung wesentlich ist oder nicht, ist das Ausmaß, in dem die Benutzung nach der tatsächlichen Zweckbestimmung des Grundstücks gestört wird (MüKo-Säcker, BGB, § 906 Rn 34). Dabei ist auf das Empfinden eines „verständigen Durchschnittsmenschen“ und das, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist, abzustellen. Damit können auch wertende Momente, wie zum Beispiel die Beachtung des Naturschutzes und des Umweltbewusstseins der Bevölkerung, in die Beurteilung einbezogen werden (vgl. BGH NJW 04, 1037 ff.).
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Soweit der Kläger geltend macht, er müsse aufgrund der von den Buchen ausgehenden Beeinträchtigungen (nach den Ausführungen des Klägers im Senatstermin auch aufgrund der von den auf dem Grundstück der Beklagten vorhandenen Obstbäumen und der dort stehenden Hecke ausgehenden Einwirkungen) 72 Stunden im Jahr Laub, Bucheckern und Äste beseitigen, er müsse einmal im Jahr das Dach seines Hauses abstrahlen, er müsse zweimal im Jahr die Abwasserkanäle säubern und er müsse jährlich ca. 120 Säcke (nach den Ausführungen des Klägers im Senatstermin: 80 Säcke) an Blättern, Bucheckern und Zweigen sammeln und zur Deponie abfahren, liegen keine Einwirkungen vor, die den Wohngenuss oder die Grundstücksnutzung dauerhaft und nachhaltig beeinträchtigen. Vielmehr handelt es sich um jahreszeitlich bedingte und beschränkte Einwirkungen, für deren Beseitigung ein relativ geringer Zeit- und Arbeitsaufwand erforderlich ist. Ein durchschnittlich empfindender und denkender Anwohner ohne besondere Empfindlichkeit würde die geschilderten Beeinträchtigungen ohne Entschädigungsverlangen hinnehmen. Dies gilt umso mehr, als der Begriff der Wesentlichkeit entsprechend der Änderung der allgemeinen Umweltverhältnisse und der Einstellung der Bevölkerung einem ständigen Wandel unterworfen ist. Das geschärfte allgemeine Bewusstsein und das Streben nach Erhaltung herkömmlicher Baumbestände darf deshalb auch in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben. Billigte man hier großzügig Ausgleichsansprüche zu, würde dies dazu führen, dass viele Eigentümer sich ihrer Bäume entledigten, nur um solchen Ansprüchen zu entgehen (vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 1988, 204 f.).
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Deshalb könnte hier eine wesentliche Beeinträchtigung nur dann bejaht werden, wenn die Einwirkungen der Buchen bereits objektiv feststellbare physische Auswirkungen auf das Eigentum des Klägers hätten. In einem solchen Fall ist die Grenze von der Unwesentlichkeit zur Wesentlichkeit der Beeinträchtigungen nämlich in jedem Fall überschritten (vgl. BGH NJW 04, 1037 ff.). Der Kläger behauptet zwar solche physischen Auswirkungen und trägt vor, der an seinem Haus befindliche Balkon sei so stark durch Feuchtigkeitsschäden, Laubfall etc. geschädigt worden, dass ein Ersatz notwendig sei. Allerdings ist – ganz abgesehen von den Fragen, ob der diesbezügliche Vortrag des Klägers überhaupt hinreichend substantiiert ist, ob der Kläger die Höhe des geltend gemachten Schadens schlüssig dargelegt hat, und inwieweit sich der Kläger ein Mitverschulden anrechnen lassen muss – bereits eine Kausalität zwischen den Einwirkungen der Buchen und der behaupteten Verrottung des Balkons nicht ersichtlich. Denn es ist schlechterdings nicht vorstellbar, dass der Umstand, dass sich Laub auf der für eine Verwendung im Freien vorgesehenen Holzkonstruktion angesammelt hat, dazu geführt haben soll, dass der Balkon marode ist.
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2. Zudem steht einem Entschädigungsanspruch des Klägers entgegen, dass er die Buchen nach dem rechtskräftigen Urteil des Senats vom 23.03.2006 (Az. 5 U 156/05) gemäß § 1004 Abs. 2 BGB i. V. m. der Baumschutzsatzung der Stadt E2 zu dulden hat.
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a) Ein Anspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ist grundsätzlich nicht gegeben, wenn der Beseitigungsanspruch durch eine Baumschutzsatzung ausgeschlossen ist. Denn wie die Wortwahl „hiernach“ in § 906 Abs. 2 S. 2 BGB zeigt, besteht der Ausgleichsanspruch nur, wenn die Duldungspflicht auf § 906 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB beruht. Dem liegt zugrunde, dass derjenige, der die ihn bindende öffentlich-rechtliche Verpflichtung befolgt, den Baumbestand zu erhalten, nicht zugleich wegen des von diesem zwangsläufig ausgehenden Laubfalls privatrechtlich haftbar gemacht werden kann. Er ist nämlich selbst gehindert, die Ursache für die Zahlungspflicht zu beseitigen. Nicht allein er ist aus seinem Eigentum sozialpflichtig in der Weise, den Baum dulden zu müssen, sondern auch der Nachbar in der Weise, dass er die Einwirkungen des Baumes ohne Ausgleichsanspruch hinnehmen muss (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 1991, 1364 ff.; LG B NJW 1987, 1271 f.; LG Dortmund NJW-RR 1987, 1101; Staudinger-Roth, BGB-Neubearbeitung 2002, § 906 Rn 251; Otto, Zivilrechtliche Auswirkungen von Baumschutzregelungen, NJW 1989, 1783 ff.).
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b) Eine andere Entscheidung wäre geboten, wenn das Anpflanzen der Bäume als rechtswidrig anzusehen wäre (vgl. Staudinger-Roth, BGB-Neubearbeitung 2002, § 906 Rn 251), die Beklagten mit Erfolg eine Ausnahmegenehmigung für die Beseitigung der Buchen beantragen könnten (vgl. BGH NZM 05, 318 f.; BGH NJW 04, 3701ff.), oder die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung daran scheitert, dass eine Beseitigung der Bäume jetzt dem Zweck der Baumschutzsatzung widerspricht, weil die Störer bisher pflichtwidrig das ungehinderte Wachstum der Bäume hingenommen haben (vgl. BGH NZM 05, 318 ff.).
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Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass das Anpflanzen der – mindestens 60 Jahre alten – Bäume als rechtswidrig anzusehen ist oder die Beklagten pflichtwidrig das ungehinderte Wachstum der Bäume hingenommen bzw. es zugelassen haben, dass die Buchen in diesem Umfang wachsen. Jedenfalls mangelt es insoweit an jeglichem substantiierten Vorbringen des darlegungs- und beweisbelasteten Klägers. Unstreitig ist, dass die Beklagten die Bäume nicht gepflanzt haben. Der Kläger hat aber nicht einmal dargelegt, wann die Beklagten Eigentümer des Grundstücks geworden sind. Auch fehlt Vortrag dazu, ob die Beklagten zu diesem Zeitpunkt oder später verpflichtet und in der Lage gewesen wären, die Bäume zu beseitigen oder zumindest soweit zurückzuschneiden, dass sie sein Grundstück nicht beeinträchtigen.
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Auch die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Beseitigung der Bäume ist für die Zukunft nicht zu erwarten. Es ist nicht nur rechtskräftig festgestellt, dass die beiden Buchen dem Schutz der örtlichen Baumschutzsatzung unterliegen, sondern auch, dass dem Kläger kein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme von der gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 der Satzung zum Schutz des Baumbestandes in der Stadt E2 vom 17.09.2001 grundsätzlich verbotenen Entfernung der Buchen zusteht (vgl. VG Minden, Urteil vom 29.08.2005, Az. 9 K …/…; OVG NRW, Beschluss vom 20.12.2005, Az. 8 A …/…). Unter Berücksichtigung der Umstände, dass die Baumschutzsatzung der Stadt E2, hier insbesondere § 5, der „Ausnahme und Befreiungen” regelt, seitdem keine Änderung erfahren hat, und auch die Sach- und Rechtslage seit dem rechtskräftigen Abschluss des Verwaltungsverfahrens gleich geblieben ist, besteht deshalb nach wie vor keine Befreiungsmöglichkeit von dem Verbot, die Buchen zu fällen, so dass die Inzidententscheidung, die das Zivilgericht in diesem Zusammenhang vorzunehmen hat (vgl. BGH NZM 05, 318 f.; BGHNJW 04, 3701ff.), ergibt, dass die Beklagten nicht mit Erfolg eine Ausnahmegenehmigung beantragen könnten.
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c) Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagten aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB kommt letztlich auch nicht vor dem Hintergrund in Betracht, dass die Stadt unter dem 19.08.2005 die Genehmigung zum Rückschnitt der Buchen maximal bis zur Grenzlinie und eine Kronenauslichtung von maximal 15% erteilt hat, und der Kläger behauptet, die Beklagten hätten bis heute keine Rückschnittarbeiten durchgeführt. Letztgenannte Behauptung wird nämlich nicht nur von den Beklagten bestritten, die – unter Vorlage von Lichtbildern und entsprechenden Rechnungen im Senatstermin – vorgetragen haben, sie hätten immer das getan, was die Stadt E2 ihnen erlaubt hat, und die Bäume würden jedes Jahr geschnitten. Zudem hält der Kläger selbst, wie sich aus seinen Ausführungen im Vorprozess ergibt, ein Zurückschneiden allein für nicht geeignet, die von ihm gerügten Beeinträchtigungen zu beseitigen. Er meint vielmehr, nur die Beseitigung der Bäume könne das Problem lösen. Damit fehlt es aber nach dem eigenen Vorbringen des Klägers an der Kausalität zwischen angeblich nicht vorgenommenen Rückschnittarbeiten und dem Eintritt der hier für eine Entschädigung herangezogenen Beeinträchtigungen durch die Buchen, so dass auch hierauf kein Entschädigungsanspruch gestützt werden kann.
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Im übrigen geht der Anspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB nicht auf Schadensersatz, sondern auf angemessenen Ausgleich in Geld. Er richtet sich als Folgeanspruch aus der Duldungspflicht des Abs 2 S 1 an der ortsüblichen Nutzung des Grundstücks aus und wird nur für den Teil der Beeinträchtigungen gewährt, der unzumutbar ist. Damit ist er betragsmäßig i.d.R. niedriger als ein Schadensersatzanspruch (vgl. BeckOK-Fritzsche, BGB, § 906 Rn 78, 79 m.w.N.; Palandt-Bassenge, BGB, § 906 Rn 27).
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Soweit der Kläger seinen Entschädigungsanspruch auf beklagtenseits angeblich nicht durchgeführte Rückschnittarbeiten hätte stützen wollen, hätte er daher substantiiert darlegen müssen, welche – zusätzlichen – unzumutbaren Beeinträchtigungen auf die fehlenden Rückschnittarbeiten zurückzuführen sein sollen. Dazu fehlt es an Vortrag des Klägers. Dieser unterscheidet nicht nur nicht zwischen Laubbefall der Buchen an sich und Laubbefall aufgrund nicht durchgeführter Rückschnittarbeiten. Er differenziert auch nicht zwischen den von den Buchen ausgehenden Einwirkungen und den Emissionen der übrigen auf seinem Grundstück, dem Grundstück der Beklagten oder in der Nachbarschaft stehenden Bäume und Sträucher. Da Entschädigung nur für die unzumutbaren Beeinträchtigungen verlangt werden kann, hätte der Kläger aber zu Art und Größe der eigenen und umliegenden Anpflanzungen vortragen und zwischen den insoweit entstehenden Einwirkungen konkret unterscheiden müssen. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass sich die Grundstücke der Parteien offensichtlich in einem seit vielen Jahren gewachsenen Wohngebiet mit teilweise hohem Baumbestand befinden, weshalb das Grundstück des Klägers – wie auch die benachbarten Grundstücke – auf jeden Fall dem Abfallen von Laub, Nadeln, Zapfen und anderen pflanzlichen Bestandteilen der eigenen und fremden Bäume und Sträucher ausgesetzt ist. Deshalb muss der Kläger – ebenso wie seine Nachbarn – ohnehin Reinigungsarbeiten auf seinem Grundstück vornehmen, um das Laub und Ähnliches zu entfernen. Für diese Einwirkungen kann der Kläger aber keine Entschädigung geltend machen.
III.
33
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.