Zum bergrechtlichen Schadensersatzanspruch wegen Wertminderung eines Grundstücks durch Bergbau

OLG Hamm, Urteil vom 31. Januar 2019 – I-17 U 83/18

Zum bergbaurechtlichen Schadensersatzanspruch wegen Wertminderung eines Grundstücks

Tenor
1.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.03.2018 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

2.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

4.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen einer Bergschadensgefahr geltend.

2
Mit dem bezifferten Antrag zu 1) begehrt die Klägerin von der Beklagten als Bergwerkseigentümerin Ersatz für bereits angefallene Kosten für die Sicherung und Baureifmachung von Grundstücken.

3
Mit dem Klageantrag zu 2) begehrt die Klägerin die Feststellung, dass eine entsprechende Verpflichtung zur Erstattung von Sicherungskosten dem Grunde nach auch für Grundstücke besteht, auf denen noch keine Sicherungsarbeiten durchgeführt worden sind.

4
Die Klägerin stellt Pumpen und Pumpensysteme her. Im Jahre 2014 beschloss die Klägerin, die eigene Firmenzentrale nebst angegliederter Produktion im Rahmen des Gesamtprojektes V-Campus entlang der O-Straße umfassend auszubauen. In diesem Rahmen ist unter anderem die Errichtung einer neuen und modernen Fabrik, weiterer Gebäude für Verwaltung und Forschung, Sozialflächen, ein Customer Interface sowie der Bau eines Museums geplant.

5
Am Ende der Bauarbeiten möchte die Klägerin ihren jetzigen Betrieb, der sich derzeit auf dem Gelände südlich der O-Straße in E befindet, an den Nordrand des neuen V-Campus verlegen.

6
Da nicht sämtliche von der geplanten Campus-Anlage erfassten Grundstücke im Eigentum der Klägerin standen, erwarb die Klägerin zunächst weitere Grundstücke.

7
Unterhalb der streitgegenständlichen Grundstücke befinden sich Stollen, die auf in der Vergangenheit dort betriebenen Bergbau zurückzuführen sind.

8
Die Beklagte ist Bergwerkseigentümerin der unterhalb der Grundstücke der O-Straße liegenden Bergwerksfelder bzw. Eigentümerin der Bergbauberechtigungen auf den streitgegenständlichen Grundstücken.

9
Die Klägerin beauftragte das Institut für Bergbau, Boden und Bauwerk (IBL) mit der Klärung der bergbaulichen Entwicklung im streitgegenständlichen Bereich. Das IBL erstellte daraufhin unter dem 21.09.2015 einen Bericht.

10
In der Zeit vom 21.09.2015 bis zum 30.09.2016 ließ die Klägerin Baugrund-untersuchungen durchführen. Am 31.03.2017 erstellte das IBL für die Klägerin auch insoweit einen Kurzbericht.

11
Darüber hinaus ließ die Klägerin auf einem Teil der Flächen bereits Sicherungsmaßnahmen ausführen.

12
Zudem fragte die Klägerin bei der Bezirksregierung Arnsberg hinsichtlich der bergbaulichen Verhältnisse an. Die Bezirksregierung Arnsberg teilte der Klägerseite daraufhin mit Schreiben vom 08.12.2016 mit, dass die Beklagte Eigentümerin der Bergbauberechtigungen auf den angefragten Grundstücken sei.

13
Für die erbrachten Leistungen wurden der Klägerin von dem IBL mit Rechnung vom 26.09.2016 Kosten i.H.v. 238.113,11 EUR in Rechnung gestellt.

14
Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 13.12.2016 zur Zahlung bereits angefallener Sicherungskosten sowie zur Erklärung der Bereitschaft auf, für weitere Sicherungsmaßnahmen auf den Flächen aufzukommen. Dies wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 12.01.2017 abgelehnt. Bei der Geltendmachung der Ansprüche gegenüber der Beklagten hat die Klägerin zwischen dem Teil der Sicherungskosten, den die Klägerin auf die Abbaufelder aus der Bergbauberechtigung der Beklagten zurückführt und den Kosten für den erheblichen „wilden Bergbau“, dem „Uraltbergbau“ vor 1865 sowie die Sicherung des oberflächennahen Bergbaus differenziert. Der Klageforderung liegt nur der Teil der Kosten zu Grunde, den die Klägerin auf die Bergbauberechtigung der Beklagten zurückführt.

15
Die Klägerin hat gemeint, gegenüber der Beklagten einen Anspruch aus § 148 ABG zu haben, der auch die Kosten für Sicherungsmaßnahmen erfasse. Denn ein solcher Anspruch setze keinen bereits eingetretenen Bergschaden voraus, sondern ein Schaden im Sinne des ABG könne auch in der bloßen Gefahr der körperlichen Einwirkung auf ein Grundstück bestehen.

16
Darüber hinaus hat die Klägerin in Bezug auf den schadensrechtlich relevanten Zeitpunkt der Abbauhandlungen behauptet, dass ausweislich des Berichtes des IBL vom 21.09.2015 Abbauhandlungen unterhalb der Grundstücke bis in die Jahre 1906/1907, im Fall des Bergwerks „H“ noch bis ins Jahr 1926, stattgefunden hätten.

17
Die Klägerin hat weiter behauptet, dass das streitgegenständliche Gelände bereits bis zum Jahr 1926 Baulandqualität aufgewiesen habe; bereits in der Zeit bis 1850 habe sich an einer zentralen Stelle des Geländes eine Kapelle befunden, unweit westlich davon derzeit bereits die Siedlung „I“ und südlich davon die nördlichen Ausläufer der Gemeinde I2; die bauliche Nutzung der Umgebung habe sich zudem beständig verdichtet; damit habe bereits ein voranschreitendes Baugeschehen vorgelegen, in dessen Zuge ehemals im Außenbereich gelegene Grundstücke zu Bauland geworden seien; außerdem sei der Siedlungswille im dortigen Bereich an der mittlerweile flächendeckenden Verabschiedung von Bebauungsplänen deutlich erkennbar.

18
Weiterhin hat die Klägerin behauptet, dass das Projekt des neuen V-Campus ohne zusätzliche Sicherungsmaßnahmen nicht hätte verwirklicht werden können; es sei notwendig gewesen, die unterirdischen Stollen aufzufüllen, um einen tragfähigen Untergrund zu schaffen.

19
Bei ihr seien Kosten in Höhe von insgesamt 1.361.493,29 EUR netto für die auf den streitgegenständlichen Flächen durchgeführten Sicherungsmaßnahmen angefallen, die neben einem Betrag in Höhe von gerundet 249.000,00 EUR für die ihr entstandenen Gutachterkosten mit dem Klageantrag zu Ziff. 1 geltend gemacht werden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten, insbesondere der einzelnen Kostenpositionen, wird Bezug genommen auf die Ausführungen in der Klageschrift sowie auf die von der Klägerin als Anlage vorgelegte Rechnungsprüfung des IBL vom 13.10.2016.

20
Unter Bezugnahme auf die ebenfalls als Anlage zur Akte gereichte Kostenschätzung des IBL vom 04.04.2017 hat die Klägerin behauptet, dass insgesamt mit Sanierungskosten von 5.503.146,98 EUR zu rechnen sei, mit der Folge, dass nach Abzug der mit dem Klageantrag zu 1) geltend gemachten, bereits entstandenen Kosten für die noch nicht gesicherten Grundstücke mit weiteren Sicherungskosten in Höhe von 3.892.653,69 EUR zu rechnen sei, die die Klägerin dem Grunde nach mit dem Feststellungantrag zu 2) geltend macht.

21
Die Klägerin hat beantragt,

22
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.610.493,29 EUR nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2017 zu zahlen.

23
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr die Kosten für eventuell erforderliche Sicherungsmaßnahmen auf den nachfolgend genannten Flächen zu ersetzen:

24
O-Straße 63

25
Flurstücke #66 und #32, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ###99

26
O-Straße 59

27
Flurstücke ##67 und ##68, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ###68

28
O-Straße 57

29
Flurstück #63, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ###88

30
Flurstücke #90 und #52, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ###46

31
O-Straße 55

32
Flurstück #50, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ###51

33
Flurstücke #48, #49, #51 und #55, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ###04

34
Flurstücke #54, #52, #93, #92, #90, #91, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ###33

35
O-Straße 55 (Parkplatz)

36
Flurstück #93, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ##70 (lfd. Nr. 1 – der Grundbuchauszug enthält auch Flurstücke des Grundstückes O-Straße 100 bis 102)

37
O-Straße 100 bis 102

38
Flurstücke #69, #71, #51, #52, #50, #78 und #47, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ##22

39
Flurstücke #78 und #80, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ##70 (lfd. Nr. 2 und 3).

40
Die Beklagte hat beantragt,

41
die Klage abzuweisen.

42
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, nicht passivlegitimiert zu sein, weil ein einwirkungsrelevanter Abbau in dem IBL-Bericht vom 31.03.2017 nur im G festgestellt worden sei, der nach den Darlegungen des IBL in den Jahren 1906 bis 1907 geführt worden sei und gut mit dem Grubenbild der W bzw. Zeche D übereinstimme; die Beklagte sei indessen nicht Gesamtrechtsnachfolgerin der Zeche D; dies folge daraus, dass die Zechen W / D – wie sich aus einem weiteren Bericht des IBL vom 21.09.2015 – ergebe, 1908 in Konkurs gegangen und durch die Zeche H im Wege der Versteigerung erworben wurden; insofern liege kein derivativer Erwerb der Beklagten, sondern eine Unterbrechung der Rechtsnachfolge im Bergwerkseigentum vor, so dass eine Haftung der Beklagten ausscheide.

43
Außerdem fehle es an einem Schaden in Gestalt einer Berggefahr; von einem Schaden in Gestalt einer Berggefahr könne nur dann ausgegangen werden, wenn sich das Grundstück zum Zeitpunkt des Entstehens der Hohlräume bereits als Bauplatz geeignet habe oder in absehbarer Zeit erkennbar als Bauplatz in Frage gekommen sei; nur dann sei von einem Schaden in Gestalt des Verlustes der Baulandeigenschaft auszugehen; dies sei hier aber nicht der Fall, weil die Grundstücke O-Straße im Zeitpunkt des von der Klägerin zugrunde gelegten Abbaus in den Jahren 1906/1907 und bis 1926 weder eine Bauplatzeigenschaft aufgewiesen hätten noch damit zu rechnen gewesen sei, dass die Grundstücke diese Eigenschaft in absehbarer Zeit erlangen würden.

44
Zudem sei die Kausalität eines der Beklagten zuzurechnenden Abbaus für die von der Klägerin behauptete Bergschadensgefahr von der Klägerin nicht hinreichend dargelegt worden.

45
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

46
Die von der Klägerin behauptete Schadenshöhe hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten.

47
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.03.2018 abgewiesen.

48
Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Erstattung von Sicherungskosten nicht zu. Ein solcher Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aus § 148 des Allgemeinen Berggesetzes für die Preußischen Staaten vom 24.06.1865 ( ABG ) als der einzigen hier in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage.

49
§ 148 ABG sei vorliegend anwendbar.

50
Nach § 170 BBergG sei altes Recht auf Bergschäden im Sinne von § 114 BbergG anzuwenden, die ausschließlich vor Inkrafttreten des Bundesberggesetzes am 01.01.1982 verursacht worden sind.

51
Diese Voraussetzungen seien erfüllt, weil ein Abbau in den nach Klägervorbringen einwirkungsrelevanten Bergwerken, für die nunmehr die Beklagte die Bergbauberechtigung innehat, stattgefunden habe. Davon sei deshalb auszugehen, weil auf Grundlage des Klägervortrags, dem die Beklagte nicht (ernstlich) entgegengetreten sei, Bergbau nur bis in die Jahre 1906/1907 bzw. bis ins Jahr 1926 stattgefunden habe. Danach sei der Betrieb eingestellt worden.

52
Ein Anspruch der Klägerin aus § 148 ABG, sei es aus eigenem Recht als Grundstückseigentümerin, sei es aus abgetretenem Recht, scheitere jedenfalls daran, dass ein ersatzfähiger Schaden nicht festzustellen sei.

53
Daher könne dahinstehen, ob es der Beklagten mangels eines derivativen Rechtserwerbs aufgrund des Konkurses der Zechen W und D an der Passivlegitimation fehle – wie von der Beklagten behauptet – oder ob etwaige Ansprüche der Klägerin bereits verjährt seien.

54
Nach § 148 ABG sei der Bergwerksbesitzer verpflichtet, für allen Schaden, welcher dem Grundeigentum oder dessen Zubehörungen durch den unterirdisch oder mittels Tagesbaues geführten Betrieb des Bergwerks zugefügt wird, vollständige Entschädigung zu leisten, ohne Unterschied, ob der Betrieb unter dem beschädigten Grundstück stattgefunden hat oder nicht, ob die Beschädigung von dem Bergwerksbesitzer verschuldet ist oder ob sie vorausgesehen werden konnte oder nicht.

55
Die Schaden stiftende Einwirkung eines Bergwerksbetriebes auf Grundstücke könne sich dabei entweder in einer körperlichen Einwirkung vollziehen oder als Gefahr einer solchen Einwirkung darstellen, die bereits im Voraus, d. h. vor der Verwirklichung der drohenden Einwirkung, eine Wertminderung des Grundstücks eintreten lässt.

56
Die Klägerin mache vorliegend keinen Schaden in Gestalt einer körperlichen Einwirkung auf die streitgegenständlichen Grundstücke geltend, sondern begründe den Anspruch ausschließlich mit einer sog. Berggefahr, also der drohenden Gefahr bergbaulicher Einwirkungen.

57
Eine solche drohende Gefahr bergbaulicher Einwirkungen stelle selbst schon einen Bergschaden i.S.d. § 148 ABG dar, wenn sie die Bewertung fremder Grundstücke ungünstig beeinflusse. Die Ersatzpflicht des § 148 ABG erstrecke sich auf jeden Schaden, der über das Grundeigentum dem Vermögen eines anderen zugefügt wird. Eine solche Schadenszufügung finde nicht nur dann statt, wenn auf ein fremdes Grundstück körperlich eingewirkt werde, sondern auch schon dann, wenn der Bergwerksbetrieb die Ursache für eine Befürchtung solcher Einwirkungen werde und diese Befürchtung eine Wertminderung fremder Grundstücke herbeiführe. Daher könne auch ohne körperliche Beschädigung allein durch die Berggefahr die Nutzbarkeit eines Grundstücks beeinträchtigt werden, weil durch das Vorhandensein unterirdischer Hohlräume die objektive Besorgnis entstehe, dass sich demnächst – insbesondere im Falle einer Belastung der Erdoberfläche durch Bauwerke – reale Schäden an der Erdoberfläche ergeben könnten.

58
Die diese Besorgnis begründende Gefahrenlage entstehe objektiv in dem Augenblick, in dem der Bergbau unterirdische Hohlräume in gefährdender Nähe des betroffenen Grundstücks schaffe. Damit sei zugleich auch die Einwirkung des Bergbaues, soweit diese in den Auswirkungen der Berggefahr bestehe abgeschlossen. Mit der Schaffung dieser Gefahr sei zugleich die Einwirkung auf das Grundstück beendet, mit der Folge, dass von diesem Zeitpunkt an objektiv feststehe, dass die Nutzbarkeit des Grundstücks nachteilig verändert sei, weil fortan eine Bebauung nur unter Einhaltung geeigneter Sicherungsmaßnahmen zur Abwehr der Gefahr möglich sei. Damit sei zugleich die mit der Berggefahr verbundene Beschädigung des Grundstücks gegeben. Daraus folge zugleich, dass der Eigentümer des beschädigten Grundstücks Schadensersatz wegen der Beeinträchtigung der Bebauungsmöglichkeit nur verlangen könne, wenn das Grundstück schon in dem genannten Zeitpunkt „Bauplatzeigenschaft“ besessen habe, oder wenn wenigstens schon damals damit zu rechnen war, dass das Grundstück ohne die schädigende Wirkung des Bergbaus in absehbarer Zeit diese Eigenschaft erlangt haben würde. In Fällen hingegen, in denen das Grundstück zum Zeitpunkt der Beschädigung noch keine Bauplatzqualität gehabt habe und auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen seien, dass es in absehbarer Zeit diese Eigenschaft erlangen werde, scheide ein Schadenersatzanspruch aus.

59
Dass die streitgegenständlichen Grundstücke im Zeitpunkt der Beschädigung, also im Zeitpunkt der Schaffung der unterirdischen Hohlräume, Bauplatzqualität aufgewiesen hätten, ließe sich zur Überzeugung des Landgerichts nicht feststellen. Ebenso wenig könne davon ausgegangen werden, dass in dem vorgenannten Zeitpunkt konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen seien, dass diese Grundstücke die Eigenschaft in absehbarer Zeit erlangen könnten.

60
Dass dies so sei, folge schon aus dem klägerischen Sachvortrag selbst. Dies hat das Landgericht damit begründet, dass alleine der Umstand einer bergbaulichen Nutzung des Geländes und das Vorhandensein einer mit dieser Nutzung einhergehenden Infrastruktur, eine Baulandeigenschaft bezogen auf eine sonstige Nutzung nicht zu begründen vermöge.

61
Der Umstand, dass in der Zeit bis 1850 eine Kapelle auf dem Gelände vorhanden gewesen sei, könne eine Baulandqualität ebenfalls nicht begründen. Dabei ließ es das Landgericht dahinstehen, ob alleine die Existenz einer einzelnen Kapelle ausreichen könne, um eine Bauplatzqualität für das gesamte Gelände zu bejahen. Denn jedenfalls sei diese Kapelle im Zeitraum von 1900 bis 1956 und damit gerade im Zeitpunkt des einwirkungsrelevanten Abbaus in den Jahren 1906/1907 sowie bis 1926 schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht mehr vorhanden gewesen. Dies ließe sich aus den von der Klägerin als Anlage vorgelegten Plänen betreffend die Jahre 1900 und 1956 erkennen. Erst auf Grundlage des Plans für das Jahr 1996, und damit wesentlich später, ließe sich wieder eine Bebauung auf dem streitgegenständlichen Gelände feststellen.

62
Der Hinweis der Klägerin, dass jedermann damit habe rechnen müssen, dass ehemals im Außenbereich gelegene Grundstücke zukünftig zu Bauland werden, und auch der Hinweis der Klägerin auf eine sich in dem Gebiet im Laufe der Zeit verdichtende und damit an die streitgegenständlichen Flächen heranrückende Bebauung, seien nicht ausreichend, von einer Bauplatzqualität auszugehen.

63
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihre ursprünglichen Klageanträge zunächst unverändert weiterverfolgt hat. Nach beendeter Baureifmachung des zunächst vom Feststellungsantrag umfassten Flurstücks #71 hat die Klägerin ihren Zahlungsantrag zu 1) im Hinblick auf die Sicherungskosten erweitert und den Feststellungsantrag zu 2) insoweit nicht weiter verfolgt.

64
Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein Anspruch aus § 148 ABG nur dann bestehe, wenn das betreffende Grundstück Bauplatzeigenschaft gehabt habe. Die Bewertung des Landgerichts sei unzutreffend, weil verkannt werde, dass das Erfordernis einer Bauplatzeigenschaft in Widerspruch zu der aus § 148 ABG folgenden Haftung für eine „Dauergefahr“ stehe. Zudem sei dem ABG das Kriterium der „Bauplatzeigenschaft“ an keiner Stelle zu entnehmen. Das weitergehende aus dem ABG folgende Nutzungsrecht des Bergwerkeigentümers erfordere eine entsprechende umfassende Haftung. Auch aus diesem Grund sei eine konkrete Bauplatzeigenschaft nicht erforderlich. Es sei zudem mit dem Willen des Gesetzgebers, aus dem ein sehr weiter Schadens- und Kausalitätsansatz zu erkennen sei, nicht vereinbar, ein im Gesetz nicht verankertes Kriterium der Bauplatzeigenschaft zu fordern. Auch das Reichsgericht habe es ausreichen lassen, dass zum Zeitpunkt des Bergbaus “ insbesondere Baulandqualität“ bestehe ( RGZ 95,72,78).

65
Damit sei die „enge Auslegung“ des LG Dortmund nicht vereinbar.

66
Zudem liege die Bauplatzeigenschaft im vorliegenden Fall auch ohnehin vor. Dies folge daraus, dass jedenfalls im Ruhrgebiet generell mit einer Bebauung der betroffenen Grundstücke gerechnet werden musste. Zudem sei bereits im Jahre 1912 eine weitere städtebauliche Verdichtung des Ruhrgebietes erwartbar gewesen.

67
Darüber hinaus stützt sich die Berufung auch auf neue Tatsachen. Zufällig sei das Amt für Denkmalpflege an die Klägerin herangetreten und habe darauf hingewiesen, dass sich dort, wo der Vorplatz zum Office geplant sei, ein Familienfriedhof der Familie S befunden habe. Aus den eingesehenen Familienakten sei nicht nur ersichtlich, dass sich auf dem Grundstück eine massive Kirche, sondern auch ein Kanal, eine Straße und ein Bahndamm befunden haben. Darin sei eine Erschließung zu erkennen. Zudem ergebe sich aus einem notariellen Kaufvertrag vom 29.07.1902, dass ein Nachbargrundstück als Bauland verkauft worden sei. Der Verkauf als Bauland könne aus der Höhe des Kaufpreises gefolgert werden. Auch die Eintragung einer Grunddienstbarkeit spreche für die Erwartung einer weiteren Bebauung.

68
Des Weiteren stehe ein etwaiges Konkursverfahren der ehemaligen Zeche D der Zustandsstörerhaftung nicht entgegen. Auf Fragen der Rechtsnachfolge komme es im Rahmen einer Zustandsstörerhaftung nicht an Das folge auch aus der Parallelbetrachtung zum BBodSchG. Zudem sei die Rechtsnachfolge im vorliegenden Fall aber ohnehin nicht unterbrochen. Die Zeche D sei gar nicht in Konkurs gegangen, sondern habe ab dem 12.05.1908 unter Zwangsverwaltung gestanden. Diese sei dann am 07.11.1908 wieder aufgehoben worden. Darüber hinaus sei der streitgegenständliche Abbau auch gar nicht der Zeche D zuzurechnen.

69
Für den Fall, dass das landgerichtliche Urteil Bestand haben sollte und somit eine Haftung der Beklagten nicht in Betracht komme, sei jedenfalls von einer EU-widrigen Beihilfe auszugehen. Dabei sei ohne Belang, dass sich der Rechtstreit zwischen zwei Privatrechtssubjekten abspiele und der Staat kein Akteur sei. Denn es sei durchaus denkbar, dass dieselbe Haftungsentlastung gegenüber einem Teil des Staates relevant werden könne.

70
Die Klägerin beantragt nunmehr,

1.

71
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dortmund vom 23.03.2018 ( – Aktenzeichen 6 O 25/18 – ) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.083.740,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.361.493,29 EUR seit dem 11.01.2017 bis Rechtshängigkeit und aus 2.083.740,10 EUR ab Rechtshängigkeit zu zahlen, sowie

2.

72
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, Schäden für bereits durchgeführte und noch nicht schlussgerechnete sowie eventuell weiter erforderliche Sanierungsarbeiten auf den nachfolgend genannten Flächen zu ersetzen:

73
O-Straße 63

74
Flurstücke #66 und #32, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ###99

75
O-Straße 59

76
Flurstücke ##67 und ##68, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ###68

77
O-Straße 57

78
Flurstück #63, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ###88

79
Flurstücke #90 und #52, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ###46

80
O-Straße 55

81
Flurstück #50, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ###51

82
Flurstücke #48, #49, #51 und #55, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ###04

83
Flurstücke #54, #52, #93, #92, #90, #91, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ###33

84
O-Straße 55 (Parkplatz)

85
Flurstück #93, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ##70 (lfd. Nr. 1 – der Grundbuchauszug enthält auch Flurstücke des Grundstückes O-Straße 100 bis 102)

86
O-Straße 100 bis 102

87
Flurstücke #69, #51, #52, #50, #78 und #47, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ##22

88
Flurstücke #78 und #80, eingetragen im Grundbuch von E, Blatt ##70 (lfd. Nr. 2 und 3).

89
Die Beklagte beantragt,

90
die Berufung zurückzuweisen

91
Die Beklagte ist der Auffassung, das Urteil des Landgerichts sei nicht zu beanstanden. Dies folge daraus, dass die Frage der Bauplatzeigenschaft vom Landgericht zutreffend beurteilt worden sei. Darüber hinaus bekräftigt die Beklagte, dass eine Passivlegitimation ausscheide, zumal die Berggefahr entstanden sei, bevor das Bergwerkseigentum der Beklagten entstanden sei.

II.

92
Die zulässige Berufung ist unbegründet.

93
Zunächst stand es der Klägerin frei, ihren auf Feststellung der Haftung dem Grunde nach gerichteten Antrag zu 2) im Hinblick auf das Flurstück #74 zu beziffern und den Antrag zu 1) auf 2.083,740,10 EUR zu erweitern. Dies folgt aus § 264 Nr. 2 ZPO. Diese Vorschrift lässt unter dem Gesichtspunkt der Klageerweiterung den Übergang von einem Feststellungs- zu einem Leistungsantrag in den Fällen zu, in denen sich, wie hier, der Feststellungs- und Leistungsantrag auf denselben Klagegrund beziehen ( – vgl. BGH, Urteil vom 08.Juni 1994 -VIII ZR 178/92-, juris – ). Die dem bezifferten Klageantrag nunmehr im Wege der Klageerweiterung zugrunde liegenden tatsächlich angefallenen Sicherungskosten sind im Berufungsverfahren auch zu berücksichtigen. Dies folgt aus § 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Die Höhe der Sicherungskosten für das Flurstück #74 war im ersten Rechtszug noch nicht bekannt.

94
Die Klage ist jedoch auch unter Berücksichtigung der Klageerweiterung insgesamt unbegründet.

1)

95
Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 148 ABG nicht vorliegen.

a)

96
§ 148 ABG ist auf den vorliegend geltend gemachten Schadensersatzanspruch anwendbar. Gem. § 170 BBergG findet auf Bergschäden i. S. d. § 114 BBergG, die ausschließlich vor Inkrafttreten des BBergG (01.01.1982) verursacht worden sind, altes Bergrecht, d.h. das Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten Anwendung. Ausschließlich vor dem 01.01.1982 verursacht sind Bergschäden dann, wenn die maßgeblichen Betriebshandlungen vor diesem Zeitpunkt stattgefunden haben und abgeschlossen sind. Maßgebende Betriebshandlung ist der zeitlich und räumlich zusammenhängende Abbau in einem bestimmten Teil des Bergwerksfeldes oder Grubengebäudes (Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, § 170, Rndr. 3).

97
Vorliegend hat die letzte bergbauliche Einwirkung unstreitig im Jahr 1926 stattgefunden.

b)

98
Gem. § 148 ABG ist der Bergwerksbesitzer verpflichtet, „für allen Schaden, welcher dem Grundeigentume oder dessen Zubehörungen durch den unterirdisch oder mittels Tagesbaues geführten Betrieb des Bergwerks zugefügt wird, vollständige Entschädigung zu leisten, ohne Unterschied, ob der Betrieb unter dem beschädigten Grundstücke stattgefunden hat oder nicht, ob die Beschädigung von dem Bergwerksbesitzer verschuldet ist und ob sie vorausgesehen werden konnte oder nicht.“

c)

99
Der Klageantrag zu 1) ist – wie die Kammer rechtfehlerfrei erkannt hat – auch in dem erweiterten Umfang nicht begründet.

aa)

100
Die Schaden stiftende Einwirkung eines Bergwerksbetriebes im Sinne des § 148 ABG kann sich in einer körperlichen Einwirkung – etwa in der Senkung, einer bereits entstandenen Schieflage eines Gebäudes oder etwa in Rissen im Mauerwerk – vollziehen ( vgl. Ebel-Weller, Allgemeines Bergrecht, 2. Auflage 1963, § 148, S. 281 m. w. N. ). Daneben begründet § 148 ABG auch eine Haftung für eine Beeinträchtigung des Grundstücks wegen der drohenden Gefahr einer körperlichen Einwirkung (vgl. Heinemann, Der Bergschaden, S. 41). Die drohende Gefahr bergbaulicher Einwirkung ist mit anderen Worten schon selbst ein Bergschaden, wenn sie die Bewertung fremder Grundstücke ungünstig beeinflusst (vgl. Heinemann, Der Bergschaden S. 45 m.w.N. zur Rechtsprechung des RG). Auf dieser Grundlage kann sich ein Schaden im Sinne des § 148 ABG auch ohne körperliche Beschädigung eines Grundstücks allein dadurch ergeben, dass die Berggefahr die Nutzbarkeit eines Grundstücks beeinträchtigt, weil durch das Vorhandensein unterirdischer Hohlräume die objektive Besorgnis entsteht, demnächst könnten sich – insbesondere im Falle einer Belastung der Erdoberfläche durch Bauwerke – reale Schäden an der Erdoberfläche ergeben ( vgl. Heinemann, Der Bergschaden, S. 48 ).

bb)

101
Vorliegend macht die Klägerin mit ihrem Klageantrag zu 1) einen solchen Anspruch aufgrund einer Berggefahr geltend. Dies folgt daraus, dass es bei der Baureifmachung nicht um die Beseitigung von bereits vollzogenen körperlichen Einwirkungen auf die jeweiligen Flurstücke geht, zumal sich Senkungen oder Schieflagen der betroffenen Grundstückflächen gerade noch nicht gezeigt haben. Es geht vorliegend vielmehr darum, dass eine Bebauung wegen der drohenden Bergschäden nur unter Einhaltung besonderer Vorsichtsmaßregeln möglich erscheint.

102
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die mit dem Klageantrag zu 1) geltend gemachten Kosten für die bereits durchgeführten Sicherungsmaßnahmen nicht selbst den Schaden darstellen, sondern ausschließlich ein Berechnungsmittel für die Höhe des Grundstückminderwertes sind, den der Bergwerksbesitzer als Schaden nach § 148 ABG auszugleichen hat ( vgl. Heinemann, Der Bergschaden, S. 48, m.w.N. ).

103
Diese Wertminderung tritt in zeitlicher Hinsicht nicht erst durch die Durchführung der Sicherungsmaßnahmen, sondern schon in dem Augenblick ein, in dem der Bergbau unterirdische Hohlräume in gefährdender Nähe des betroffenen Grundstücks schafft. Damit ist zugleich auch die Einwirkung des Bergbaus, soweit diese in den Auswirkungen der Berggefahr besteht und sich darin erschöpft, abgeschlossen. Ab diesem Zeitpunkt steht objektiv fest, dass die Nutzbarkeit des Grundstücks mit Blick auf einzuhaltende Vorsichtsmaßregeln nachteilig verändert ist ( vgl. Senat, Urteil vom 25.06.2009, I-17 U 47/08 – juris, m.w.N. ).

cc)

104
Eine Beeinträchtigung der Bebauungsmöglichkeit aus der bergbaulichen Einwirkung kommt aber nur in Betracht, wenn das betroffene Grundstück zum Zeitpunkt der Einwirkung entweder bereits Bauplatzqualität hatte oder wenn zumindestens schon damals damit zu rechnen war, dass das Grundstück diese in absehbarer Zeit erlangen werde ( OLG Düsseldorf ZfBergR 120. 422, 442; Senat a.a.O. ). Nur dann handelt es sich um einen dem Bergbaubetreiber zurechenbaren adäquat verursachten Schaden. Fehlte daher einem Grundstück zu dem Zeitpunkt der bergbaulichen Einwirkung die Eigenschaft als Bauland und war diese auch nicht anhand konkreter Anhaltspunkte vorhersehbar, so konnte der Bergbau diese Eigenschaft auch nicht beeinträchtigen ( Heinemann, Der Bergschaden, S. 46 ). Erwirbt das Grundstück später Baulandqualität, obwohl dies im Zeitpunkt der Einwirkung nicht anhand konkreter Anhaltspunkte vorhersehbar war, kann die später eingetretene Wertminderung durch die fehlende oder eingeschränkte Bebaubarkeit keine kausale Schadensfolge der bergbaulichen Einwirkung sein.

105
Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei dem Kriterium der Bauplatzeigenschaft auch nicht um ein Tatbestandsmerkmal, das der gesetzliche Tatbestand des § 148 ABG nicht vorsieht.

106
Ein zu ersetzender Vermögensschaden beurteilt sich aus einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eintretenden Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre – sog. Differenzhypothese. Haftungsbegründendes Ereignis ist die bergbauliche Einwirkung. Soweit ein Grundstückseigentümer einen Schaden wegen der mangelnden oder eingeschränkten Bebaubarkeit ableiten will, erfordert dies die Baulandqualität im Zeitpunkt dieser Einwirkung. Nur dann kann das Grundstück durch die bergbauliche Einwirkung als Bau- oder Bauerwartungsland beschädigt werden. Die spätere Entwicklung der örtlichen Verhältnisse, die Ackerland zu Bauland gemacht hat, fällt dagegen nicht in den Kreis der Einwirkungen des Bergbaus der Beklagten auf das Grundeigentum der Klägerin ( RGZfB 51, 475). Vor der Einwirkung handelte es sich bei dem Grundstück um Ackerland und nach der Einwirkung ebenso.

dd)

107
Nach dieser Maßgabe stellen Sicherungskosten als Berechnungsmittel für eine Wertminderung eines Grundstücks nur dann einen erstattungsfähigen und dem Bergwerksbetreiber zurechenbaren Schaden dar, wenn das betroffene Grundstück zum Zeitpunkt der Einwirkung Bauplatzeigenschaft hatte oder zumindest schon damals damit zu rechnen war, dass das Grundstück diese in absehbarer Zeit erlangen werde.

108
Soweit die Klägerin ihren Berufungsangriff damit begründet, dass es sich bei dem Kriterium der Bauplatzeigenschaft um ein vom Landgericht unzutreffend gefordertes „ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal“ des § 148 ABG handele, vermag dieser Einwand mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen nicht durchzugreifen. Das Landgericht hat die Frage der Bauplatzeigenschaft zutreffend unter dem Gesichtspunkt des ersatzfähigen Schadens erörtert. Denn zum einen spielt die Frage bei der Schadenentstehung eine Rolle. Fehlt die Eigenschaft als Bauland zum Zeitpunkt der bergbaulichen Einwirkungen, kann diese auch nicht beeinträchtigt werden, so dass es zum relevanten Zeitpunkt bereits an einem Schaden fehlt. Darüber hinaus ist das Erfordernis der Bauplatzeigenschaft, in den Fällen, in denen es um die Frage der Vorhersehbarkeit einer alsbaldigen Entwicklung zum Bauland geht, als Gesichtspunkt der nach §§ 249 ff. BGB zu beurteilenden adäquaten Verursachung der Wertminderung notwendiger Bezugspunkt für die Feststellung eines kausalen Schaden. Auf dieser Grundlage handelt es sich bei dem Kriterium der Baulandqualität, anders als von der Berufung vorgetragen, nicht um ein über eine „enge Auslegung“ des § 148 ABG begründetes ungeschriebenes Tatbestandmerkmal, sondern vielmehr um ein in der reichsgerichtlichen Rechtsprechung und Kommentarliteratur unbestrittenes Merkmal eines nach den §§ 148 AGB, 249 ff. BGB zu bestimmenden ersatzfähigen Schadens ( RGZ 30, 250, 253; 95, 78; 157,99; vgl. auch BGH NJW 1972, 1944; Heinemann, Der Bergschaden, S. 46; Ebel Weller a.a.O., Seite 282 ).

ee)

109
Vorliegend besaß keines der streitbefangenen Flurstücke zum Zeitpunkt der maßgeblichen bergbaulichen Einwirkung die erforderliche Baulandqualität und es war anhand konkreter Anhaltspunkte auch nicht absehbar, dass die betroffenen Grundstücke in absehbarer Zeit Baulandqualität erlangen könnten.

110
Die Baulandeigenschaft eines Grundstücks ist anzuerkennen, sobald es einen über den Wert des bloß landwirtschaftlich zu benutzenden Landes hinausgehenden Verkehrswert dadurch erlangt hat, dass in Kreisen, die für den Erwerb des Grundstücks in Frage kommen, bei der Bemessung des anzulegenden Kaufpreises mit der mehr oder weniger naheliegende Aussicht, es in Zukunft zu bebauen, gerechnet wird ( BGHZ 59,139; RGZfB 62,201; Ebel-Weller a.a.O., S. 282 m.w.N ). Dazu ist keinesfalls erforderlich, dass bereits alle Vorbedingungen einer Bebauung erfüllt, insbesondere etwa Straßen angelegt sind ( vgl. Heinemann, Der Bergschaden, S. 45 ). Bei der Bewertung sind unter Ausscheidung rein theoretischer Entwicklungen die realen Möglichkeiten einer Entwicklung ins Auge zu fassen und namentlich auch der Einfluss öffentlicher Planungen sowie etwaiger Bestimmungen über Grundstücksverkehr und Preisbildung zu berücksichtigen ( vgl. Heinemann, Der Bergschaden, S. 45 m.w.N ).

111
Nach Maßgabe dieser Kriterien ist selbst auf Grundlage des klägerischen Sachvortrags nicht von einer Baulandqualität oder einer schon vorhersehbaren Entwicklung dahingehend auszugehen. Im Ausgangspunkt ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass sich aus dem Umstand, dass in der Zeit bis 1850 eine Kapelle auf dem Gelände vorhanden gewesen ist, eine Baulandqualität nicht begründen lässt. Dies folgt zur Überzeugung des Senats bereits daraus, dass es sich um eine Familienkapelle handelte. Mit Blick auf diese Funktion der Kapelle lässt sich der klägerseits vorgetragene Schluss auf eine sich um die Kapelle als Ortszentrum abzeichnende Bebauung nicht ziehen. Unbeschadet der in der Berufung streitig gewordenen Frage, ob die Kapelle zum einwirkungsrelevanten Zeitpunkt noch vorhanden war, ist nicht erkennbar, aus welchem Grund aus dem Vorhandensein einer einzigen Grabkapelle der Schluss gezogen werden sollte, dass es sich bereits um Bauland handeln könne oder sich eine Entwicklung dahingehend verfestigt haben könnte.

112
Kirchen, Kapellen und Friedhöfe gehören zu den sog. res sacrae ( vgl. zum Begriff und zur rechtlichen Einordnung Schlink NVwZ 1987, 633). Sie dienen dem Kultusgebrauch der Kirche, sind allerdings bauplanungsrechtlich kein Beleg für eine Bauland- oder Bauerwartungslandqualität.

113
Der Einwand der Klägerin, dass jedermann damit habe rechnen müssen, dass ehemals im Außenbereich gelegene Grundstücke im Ruhrgebiet zukünftig zu Bauland werden und auch der Hinweis der Klägerin auf eine sich in dem Gebiet im Laufe der Zeit verdichtende und damit an die streitgegenständlichen Flächen heranrückende Bebauung, sind vom Landgericht zu Recht als nicht ausreichend angesehen worden. Eine derart generalisierende Betrachtung stünde in Widerspruch zu den vorstehend dargestellten Anforderungen an eine sich abzeichnende Bauplatzeigenschaft. Denn es geht gerade nicht um die theoretische Möglichkeit einer zukünftigen Bebauung, sondern darum, dass sich Planungen bereits erkennbar verfestigt haben. Dass sich öffentliche Planungen im Hinblick auf eine absehbare Verdichtung der Bebauung – gerade auch in Bezug auf die streitgegenständlichen Flurstücke – bereits verfestigt haben, ist von der Klägerin nicht vorgetragen.

114
Auch aus dem von der Klägerseite angeführten erhöhten Kaufpreis für ein Nachbargrundstück, lässt sich nicht auf eine sich abzeichnende Baulandeigenschaft schließen. Dies folgt schon daraus, dass weder konkrete Vergleichspreise noch etwaige Umstände oder Beweggründe für die Kaufentscheidung vorgetragen sind.

115
Auch die von Klägerseite angenommene Erschließung durch eine Straße, einen Bahndamm, einen Kanal und die Eintragung einer Grunddienstbarkeit läßt weder für sich betrachtet, noch in der Gesamtschau mit den weiteren in diesem Zusammenhang vorgetragenen Gesichtspunkten, den Schluss zu, dass mit einer Bebauung alsbald zu rechnen war. Immerhin befand sich die Kapelle und auch die Zuwegung bereits vor 1850 auf dem Gelände, ohne dass in „absehbarer Zeit“ eine weitere Bebauung erfolgt ist. Aus welchem Grund diese Merkmale dann zum Zeitpunkt der Einwirkung in den Jahren 1906/07 als Indiz für eine sich abzeichnende Bebauung heranzuziehen sein sollten, erschließt sich nicht.

c)

116
Soweit die Klägerin die Berufung auch damit begründet, dass im Falle der Klageabweisung eine europarechtswidrige staatliche Beihilfe vorliege, vermag auch dieser Einwand an der Bewertung des Senats nichts zu ändern. Dies folgt vorliegend schon daraus, dass eine Mittelzuwendung nur dann der Beihilfenkontrolle des § 107 AEUV unterliegt, wenn sie aus staatlichen Mitteln gewährt wird ( Koenig/Förtsch in Streinz, EUV, AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 107 AEUV, Rn. 65 m.w.N ). Dabei ist die Herkunft der in Rede stehenden Mittel unbeachtlich, solange diese unter staatlicher Kontrolle stehen und zu einer Belastung öffentlicher Haushalte führen ( Koenig/Förtsch in Streinz, a.a.O). Damit sind wegen der fehlenden Mittelbelastung der öffentlichen Haushalte Umverteilungsmaßnahmen zwischen privaten Unternehmen von der Beihilfenkontrolle ausgenommen ( Koenig/Förtsch in Streinz, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund ist es nicht erkennbar, dass es durch die Entscheidung der hiesigen Zivilsache, in der es um die Wertminderung von Grundstücken durch bergbauliche Maßnahmen geht, zu einer Belastung öffentlicher Haushalte kommen könnte. Die von der Berufung vorgetragene Befürchtung dahingehend, dass der Staat einzuspringen hätte, falls sich in der Zukunft Absenkungen einer öffentlichen Straße zeigen würde, hat mit der hier zur Entscheidung stehenden Frage eines Schadenersatzes wegen einer Wertminderung der klägerischen Grundstücke nichts zu tun, mit der Folge, dass sich auch über diesen Weg keine mittelbare Belastung öffentlicher Haushalte durch den hiesigen Streitentscheid begründen lässt.

2.

117
Aus den genannten Gründen ist auch das unter dem Antrag zu 2) geltend gemachte Feststellungsbegehren unbegründet.

3.

118
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr.10, 711, 709 S. 2 ZPO.

4.

119
Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Das Urteil stellt eine Einzelfallentscheidung dar, die der Senat auf der Grundlage vertretener und anerkannter Auffassung in der Rechtsprechung, insbesondere des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, sowie der Literatur getroffen hat. Anders als von Klägerseite angenommen geht es insbesondere nicht um die Auslegung der Voraussetzungen des § 148 ABG, sondern um die Feststellungen eines ersatzfähigen Schadens in dem hier zur Entscheidung stehenden Einzelfall.

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