OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.03.2012 – 12 U 196/11
1. Zum Begriff „umfriedeter Abstellplatz“ in der Ruheversicherung bei einem Kraftfahrtversicherungsvertrag.
2. Ein Obliegenheitsverstoß ist nicht kausal für den Eintritt des Versicherungsfalles, wenn der Versicherungsfall bei Erfüllung der Obliegenheit ebenfalls eingetreten wäre. Standen dem Versicherungsnehmer mehrere Alternativen zur Erfüllung einer gefahrmindernden Obliegenheit zu Gebote, so entfällt die Kausalität, wenn die Wahl irgendeiner der Alternativen den Eintritt des Versicherungsfalls nicht vermieden hätte.
(Leitsätze des Gerichts)
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 16.11.2011 – 8 O 207/11 – im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die an die Klägerin 5.150 € nebst 5%-Punkten Zinsen über Basiszinssatz seit 22.03.2011 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 564,41 € nebst 5%-Punkten Zinsen über Basiszinssatz hieraus seit 19.05.2011 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtstreits in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin 10% und die Beklagte 90%.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem Kraftfahrzeugkaskoversicherungsvertrag in Anspruch.
2
Zwischen der Klägerin und der Beklagten wurde durch Antrag der Klägerin vom 8.4.2009 ein Versicherungsvertrag über den Pkw der Marke Mercedes Benz, SLK mit dem amtlichen Kennzeichen … mit einer Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 € geschlossen. Der Versicherungsschein datiert auf den 23.06.2009. Eigentümer des versicherten Fahrzeugs ist der Sohn der Klägerin D.. Das Fahrzeug wurde am 4.1.2011 bei der zuständigen Zulassungsstelle abgemeldet.
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Buchstabe H der Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB), von denen die Beklagte meint, dass sie durch Überlassung einer CD-ROM in den Vertrag einbezogen wurden, bestimmt:
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H. 1 Was ist bei Außerbetriebssetzung zu beachten?
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Ruheversicherung
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H.1.1. Wird das versicherte Fahrzeug außer Betrieb gesetzt und soll es zu einem späteren Zeitpunkt wieder zugelassen werden, wird dadurch der Vertrag nicht beendet.
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H.1.2 Der Vertrag geht in eine beitragsfreie Ruheversicherung über, wenn die Zulassungsbehörde uns die Außerbetriebssetzung mitteilt, es sei denn die Außerbetriebssetzung beträgt weniger als zwei Wochen oder Sie verlangen die uneingeschränkte Fortführung des Versicherungsschutzes.
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H.1.3 Die Regelungen nach H.1.1 und H.1.2 gelten nicht für Fahrzeuge mit Versicherungskennzeichen (z.B. Mofas), Campinganhänger sowie bei Verträgen mit ausdrücklich kürzerer Vertragsdauer als ein Jahr; mit Ausnahme von Verträgen im Sinne von G.1.2 Satz 2.
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Umfang der Ruheversicherung
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H.1.4 Mit der beitragsfreien Ruheversicherung gewähren wir Ihnen während der Dauer der Außerbetriebssetzung eingeschränkten Versicherungsschutz.
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Der Ruheversicherungsschutz umfasst:
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– die Kfz-Haftpflichtversicherung,
– die Teilkaskoversicherung, wenn für das Fahrzeug im Zeitpunkt der Außerbetriebssetzung eine Voll- oder eine Teilkaskoversicherung bestand.
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Ihre Pflichten bei der Ruheversicherung:
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H.1.5 Während der Dauer der Ruheversicherung sind Sie verpflichtet, das Fahrzeug in einem Einstellraum (z.B. einer Einzel- oder Sammelgarage) oder auf einem umfriedeten Abstellplatz (z.B. einem abgeschlossenen Hofraum) nicht nur vorübergehend abzustellen und das Fahrzeug außerhalb dieser Räumlichkeiten nicht zu gebrauchen. Verletzen Sie diese Pflicht, sind wir unter den Voraussetzungen nach D.3 leistungsfrei.
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Dem Versicherungsschein, der auf Seite 2 auf die AKB verweist, war ein Beiblatt „Ihre Autoversicherung im Klartext“ beigefügt. Dort findet sich unter Ziff. 21 folgender Hinweis:
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21. Welche Folgen hat eine Außerbetriebsetzung?
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Wird das Fahrzeug außer Betrieb gesetzt, läuft der Vertrag unverändert weiter. Dauert die Außerbetriebsetzung länger als 14 Tage, können Sie eine beitragsfreie Ruheversicherung beantragen. Für die Dauer der Außerbetriebsetzung besteht Versicherungsschutz innerhalb des umfriedeten Abstellplatzes (z. B. Garage, Grundstück). …
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Die Klägerin hat behauptet, am 21.01.2011 seien das Fahrzeug aufgebrochen, die Seitenscheibe eingeschlagen und ein Navigationsgerät entwendet worden. Mit der Klage begehrt sie Erstattung der bereits aufgewandten bzw. noch zu erwartenden Kosten für den Einbau eines Navigationsgeräts. Das Fahrzeug sei zur Tatzeit auf ihrem Grundstück mit der Front unmittelbar vor dem Tor zum rückwärtigen Teil des Grundstücks gestanden, während es mit der linken Seite an die Hauswand des Hauses der Klägerin angeschlossen habe. Vor dem versicherten Pkw sei der Pkw Peugeot 207 der Klägerin abgestellt gewesen. Rechts vom versicherten Pkw sei ein Mercedes E 63 Kombi abgestellt gewesen. Sämtliche drei Fahrzeuge seien verschlossen gewesen. Zusätzlich sei das Grundstück noch durch zwei Rottweiler Hunde gesichert. Diese hätten nicht angeschlagen. Es sei zwar richtig, dass das Fahrzeug aufgrund der Abmeldung lediglich der sog. Ruheversicherung unterlegen habe. Die AKB seien dem Versicherungsschein nicht beigefügt gewesen. Die Klägerin habe keine CD-ROM erhalten. Im Versicherungsschein sei zwar auf das Beiblatt „Ihre Auto-Versicherung im Klartext“ verwiesen. Der Klägerin sei lediglich bekannt gewesen, dass sie ein abgemeldetes Fahrzeug nicht auf dem öffentlichen Straßenraum stehen lassen dürfe, wenn es versichert bleiben soll, sondern es müsse auf dem privaten Grundstück abgestellt werden. Mittlerweile wurde das Fahrzeug teilrepariert. Ein neues Navigationsgerät wurde bislang nicht eingebaut.
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Die Klägerin hat beantragt:
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1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.626,54 € nebst 5%-Punkten Zinsen über Basiszinssatz aus 5.582,40 € seit 22.03.2011 und aus weiteren 44,14 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 22.08.2011 zu zahlen.
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2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,5 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer aus Gegenstandswert 5.582,40 €, mithin einen Betrag in Höhe von 627,13 € nebst 5%-Punkten Zinsen über Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
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Die Beklagte hat einen Anspruch der Klägerin umfassend bestritten. Aufgrund der Mitteilung, dass das streitgegenständliche Fahrzeug abgemeldet worden sei, und da die Beklagte nicht wissen habe können, ob das Fahrzeug eventuell verkauft worden sei, sei die Klägerin mit dem Abrechnungsschreiben vom 05.01.2011, das die Klägerin auch erhalten habe, angeschrieben worden. Ein Antrag auf Ruheversicherung sei nicht gestellt worden, so dass das Vertragsverhältnis mit Abmeldung des Fahrzeugs bis zum 3.1.2011 beendet worden sei. Im Übrigen handele es sich bei H 1.5 ihrer AKB nicht um eine Obliegenheit, sondern um eine Risikobeschreibung, so dass Leistungsfreiheit bestehe, weil die Klägerin das Fahrzeug nicht auf einem umfriedeten Abstellplatz abgestellt habe.
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Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat nach Vernehmung von Zeugen die Klage abgewiesen. Zwar sei das Versicherungsverhältnis zwischen den Parteien mit der Abmeldung nicht beendet, sondern vielmehr automatisch in eine Ruheversicherung übergeleitet worden. Die AKB der Beklagten seien jedoch wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Bestimmend für den Vertragsinhalt sei der Versicherungsschein. Der Erhalt der CD, auf der sich die Bedingungen befunden hätten, sei durch die Angaben der Zeugin Zweifel und die eigene Unterschrift der Klägerin bewiesen. Ein Leistungsanspruch der Klägerin scheitere daran, dass diese die Obliegenheit zum Abstellen des Fahrzeuges auf einem umfriedeten Abstellplatz zumindest grob fahrlässig verletzt habe.
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Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt.
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Das Landgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die AKB in den Versicherungsvertrag einbezogen worden sei. Die Klägerin verfüge über keinen Computer und keine Computerkenntnisse. Im Übrigen sei der Vertrag überhaupt nicht in eine Ruhensversicherung übergeleitet, sondern bestehe in seiner ursprünglichen Form fort, da hierfür nach den Bedingungen der Beklagten ein Antrag erforderlich sei. Hilfsweise macht sich die Klägerin den Vortrag der Beklagten, die AKB seien wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen, zu eigen und behauptet, die Verletzung der Obliegenheit sei nicht kausal für den Eintritt des Versicherungsfalls.
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Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Weiterhin bestreitet sie den Eintritt eines Versicherungsfalls und geht von einer wirksamen Einbeziehung der AKB aus. Diese seien so zu verstehen, dass das Fahrzeug so abgestellt wie geschehen, nicht versichert sei. Jedenfalls sei der Verstoß gegen die Pflicht, das Fahrzeug auf einem eingefriedeten Abstellplatz abzustellen, auch kausal für den Versicherungsfall und im Übrigen grob fahrlässig, da der Einbruch durch den nicht umfriedeten Abstellplatz zumindest erleichtert worden sei. Für den Fall, dass das Berufungsgericht davon ausgehe, dass die AKB nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden seien, sei ein Versicherungsvertrag nach den gesetzlichen Bestimmungen zustande gekommen, der mit Abmeldung des Fahrzeugs ende.
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In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien außer Streit gestellt, dass sich vorbehaltlich der strittigen Leistungsfreiheit die bedingungsgemäße Entschädigung auf 5.150 € beläuft.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
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Die Berufung ist zulässig und überwiegend begründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus A 2.7.1 der AKB einen Anspruch auf Zahlung der für die Reparatur und Ersatzbeschaffung erforderlichen Kosten.
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1. Es kann dahinstehen, ob die AKB der Beklagten durch die Übergabe einer CD-ROM, auf der sich – unter anderem – die im Verfahren vorgelegten AKB befunden haben sollen, wirksam in den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag einbezogen wurden. Dies könnte insbesondere dann zweifelhaft sein, wenn sich auf der CD-ROM AVB verschiedener Verträge befunden haben sollten, was bislang nicht geklärt ist (vgl. hierzu Rüffer/Halbach/Schimikowski VVG 2. Aufl. § 7 Rz 28). Die Klägerin, die den Erhalt der CD-ROM oder zumindest – mangels eines eigenen Computers – die Möglichkeit zur Kenntnisnahme bestreitet, hat sich bereits erstinstanzlich hilfsweise den Vortrag der Beklagten zu eigen gemacht und sich auf die Geltung der AKB berufen.
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Sollte sich das Vertragsverhältnis hinsichtlich der Außerbetriebssetzung des Fahrzeugs lediglich nach der Ziff. 21 des der Klägerin überlassenen Beiblatts „Ihre Autoversicherung im Klartext“ regeln, kommt es auf den Abstellungsort des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Schadenfalls nicht an. Nach dieser Bestimmung läuft der Versicherungsvertrag unverändert weiter, so dass voller Schutz aus der Teilkaskoversicherung besteht. Nur in der Ruheversicherung kommt dem Abstellort aber eine Bedeutung zu. Mangels eines nach Ziff. 21 erforderlichen Antrags der Klägerin hat sich die Versicherung nicht in eine beitragsfreie Ruheversicherung umgewandelt. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Versicherungsverhältnis auch nicht geendet. Hierfür war die Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 05.01.2011 mangels eines einseitigen Lösungsrechts nicht ausreichend. Unzutreffend – und angesichts des Wortlauts der Bedingungen dem Senat auch nicht nachvollziehbar – ist ferner die Auffassung der Beklagten, durch die Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs sei das versicherte Risiko weggefallen (Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 80 Rdn. 8).
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2. Das landgerichtliche Urteil kann aber auch dann keinen Bestand haben, wenn man davon ausgeht, dass die AKB der Beklagten wirksam in der Vertrag einbezogen worden sind. Teilweise folgt dies schon daraus, dass das Landgericht unter Missachtung von § 28 Abs. 2 VVG ohne die Feststellung einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung eine vollständige Leistungsfreiheit angenommen hat. Insgesamt ist die Beklagte aber weder leistungsfrei geworden noch steht ihr ein Kürzungsrecht zu, weil es zum einen zumindest an einem schweren Verschulden der Klägerin fehlt, und zum anderen der eventuell zu bejahende Verstoß gegen H.1.5 AKB für den Schadensfall nicht kausal war (§ 28 Abs. 4 S. 1 VVG).
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a. Unter dem Regime der AKB der Beklagten bestand gemäß H 1.2 AKB zum Zeitpunkt der Beschädigung des Fahrzeuges eine beitragsfreie Ruheversicherung. Die Übersendung einer Abrechnung zum Zeitpunkt der Abmeldung ändert hieran nichts. Die Abrechnung erfolgt, da die Ruheversicherung nach den eigenen Bedingungen der Beklagten beitragsfrei ist.
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Der Eintritt des Versicherungsfalls ist durch die beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bewiesen. Anhaltspunkte für eine etwaige Selbstschädigung der Klägerin oder ihres Sohnes ergeben sich nicht und werden von der Beklagten auch nicht angeführt. Der Ermittlungsakte ist zudem zu entnehmen, dass in derselben Nacht im Wohnort der Klägerin noch zwei weitere Fahrzeuge aufgebrochen und hochwertige Navigationsgeräte entwendet wurden.
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Die Einstandspflicht der Beklagten ist nicht – auch nicht teilweise – aufgrund der Klausel H 1.5 AKB, in Wegfall geraten. Bei der Bestimmung handelt es sich um eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers und nicht – worauf die Beklagte wiederholt abheben will – um eine Risikobeschreibung (Stadler in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., AKB H Rdn. 7; Knappmann in Prölss/Martin, aaO, AKB 2008 H.1. Rdn. 3). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der AKB selbst, die hier von „Pflichten“ sprechen und für den Fall einer Verletzung der Pflicht auf D.3 verweisen, der im wesentlichen § 28 VVG entspricht. Die von der Beklagten herangezogene Entscheidung des OLG Saarbrücken (VersR 2007, 238) betrifft eine völlig anders formulierte Klausel eines anderen Typs der Kraftfahrtversicherung (Handel- und Handwerkversicherung).
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b. Nach dem im erstinstanzlichen Verfahren durch Beweisaufnahme festgestellten Sachverhalt könnte bereits zweifelhaft sein, ob die Klägerin durch das Abstellen des Fahrzeuges auf ihrem Hof in der konkreten Situation die Obliegenheit verletzt hat. AKB H.1.5 verlangt dem Wortlaut nach keinen „verschlossenen“, sondern einen „umfriedeten“ Abstellplatz. Maßgeblich für die Auslegung dieser Versicherungsbedingung ist die Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, der die Versicherungsbedingungen aufmerksam liest und verständig – unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges – würdigt. Das Merkmal wird allerdings in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich ausgelegt.
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Ein Grundstück soll nach einer Auffassung nur dann als umfriedet gelten, wenn eine körperliche Abgrenzung wie Zaun, Mauer oder Hecke vorhanden ist; eine derartige Absperrung müsse auch zusätzlich als eine vor Diebstahl schützende sozialpsychologische Hemmschwelle dienen (OLG Celle ZfSch 1992, 269). Die Voraussetzungen für einen umfriedeten Abstellplatz sollen aber auch erfüllt sein, wenn das Fahrzeug auf einem Privatparkplatz einer Wohnungseigentümergemeinschaft in einer Art Bucht untergebracht ist, die auf drei Seiten durch halbhohe Mauern, Hecken oder sonstige feste Anlagen gebildet wird, und zur vierten Seite durch eine halbhohe Kette abgegrenzt wird (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht NJW-RR 2009, 1332).
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Für den Begriff „umfriedet“ ist nach anderer Auffassung maßgebend, dass der betreffende Abstellplatz so eingehegt ist, dass ein körperliches Hindernis gegen eine Wegnahme eines darauf befindlichen Fahrzeuges vorhanden ist. Es soll allerdings nicht erforderlich sein, dass eine vorhandene Umschließung völlig lückenlos ist. Insoweit sollen für den Begriff des „umfriedeten“ Abstellplatzes sinngemäß die gleichen Erwägungen wie für den Begriff des „befriedeten“ Besitztums in § 123 StGB gelten (OLG Frankfurt Schaden-Praxis 1994, 90).
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In der versicherungsrechtlichen Literatur wird ebenfalls darauf abgestellt, dass ein umfriedeter Abstellplatz die Merkmale zu erfüllen hat, die ein befriedetes Besitztum im Sinne des § 123 StGB ausmachen (Knappmann aaO H.1 Rdn. 5; Stadler aaO Rdn. 20). In Rechtsprechung und Schrifttum zu § 123 StGB wird allerdings zumindest teilweise die Auffassung vertreten, die räumliche Anbindung an ein Wohnhaus allein – also ohne besondere Einfriedung – sei für die Annahme von befriedetem Besitztum hinreichend, wenn sich der Wille, Fremde fernzuhalten für jedermann erkennbar aus diesem Zusammenhang ergebe (vgl. OLG Oldenburg NJW 1985, 1352; BayObLG NJW 1995, 271; Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 123 Rz 6).
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Dem Senat scheint es schon im Ansatz zweifelhaft, eine Gleichstellung des umfriedeten Abstellplatzes mit dem befriedeten Besitztum vorzunehmen. Während es beim Hausfriedensbruch darum geht, dem Willen des Berechtigten zum Erfolg zu verhelfen, andere auch von Hausvorgärten, Hofräumen und anderen Grundstücksteilen fernzuhalten, also das Hausrecht zu schützen (BayObLGSt 2003, 130), soll mit der Obliegenheit nach H.1.5 AKB 2008 ersichtlich nicht nur eine psychologische Sperre gefordert werden, sondern der Zugang soll (auch) durch ein körperliches Hindernis erschwert werden. Allerdings lässt sich aus der Klausel für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht entnehmen, dass dieses körperliche Hindernis dergestalt sein muss, dass Dritte sich nur mit großem Aufwand darüber hinwegsetzen können. Ausreichend sind daher auch unverschlossene Türen und Tore sowie jegliche, auch niedrige Einfriedungen.
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c. Selbst bei Annahme einer Obliegenheitsverletzung fehlt es an einem schweren Verschulden der Klägerin.
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Für den Fall der Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs gibt Ziff. 21 des der Klägerin in Papierform mit dem Versicherungsschein überlassenen Beiblatts den Hinweis, dass sich an dem Vertrag nichts ändert, und eine Ruheversicherung nur auf – hier nicht gestellten – Antrag zustande kommt. Die Annahme, dass sich aus den auf CD-ROM überlassenen Bedingungen nichts anderes ergeben wird, kann dem Versicherungsnehmer jedenfalls nicht als grobes Verschulden angelastet werden.
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Selbst bei korrekter Kenntnis der vereinbarten AKB ergäbe sich letztlich nichts anderes. Die Auffassung, nach H.1.5 müsse ein Zustand geschaffen werden, der vor der Entwendung des Fahrzeugs selbst schütze, wird auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten. Es kann daher der Klägerin nicht zu einem schweren Verschulden gereichen, wenn sie sich mit einem derartigen Zustand zufrieden gibt. Ein solcher lag jedoch im Zeitpunkt des Schadensfalls vor, denn der Wagen war an zwei Seiten durch bauliche Anlagen und an den beiden anderen durch abgestellte Fahrzeuge vor Wegnahme geschützt. Damit sind zwar wegen des Gebrauchs der anderen Fahrzeuge zu anderen Tageszeiten nicht die Erfordernisse des nicht nur vorübergehenden Abstellens auf einem umfriedeten Abstellplatz erfüllt. Für den Tatzeitpunkt aber konnte die Klägerin ohne grobes Verschulden von der Erfüllung des gebotenen Sicherheitsstandards ausgehen (Prölss in Prölss/Martin, aaO, § 28 Rdn. 125).
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d. Zudem steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die der Klägerin vorgeworfene Obliegenheitsverletzung für den Eintritt des Versicherungsfalls nicht kausal war (§ 28 Abs. 3 VVG). Ein Obliegenheitsverstoß ist nicht kausal für den Eintritt des Versicherungsfalles, wenn der Versicherungsfall bei Erfüllung der Obliegenheit ebenfalls eingetreten wäre. Standen dem Versicherungsnehmer mehrere Alternativen zur Erfüllung einer gefahrmindernden Obliegenheit zu Gebote, so entfällt die Kausalität, wenn die Wahl irgendeiner der Alternativen den Eintritt des Versicherungsfalls nicht vermieden hätte (Prölss aaO, § 28 Rdn. 145; Heiss in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 28 Rdn. 169).
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Der vorliegende Versicherungsfall wäre auch eingetreten, wenn das Grundstück der Klägerin, auf dem das Fahrzeug abgestellt war, insgesamt mit einem halbhohen Zaun umfriedet gewesen wäre. Gleiches wäre der Fall, hätte die Klägerin am konkreten Abstellort die nicht durch bauliche Anlagen geschützten Seiten des Wagens mit einer Kette umgeben. Beide Maßnahmen wären zur Erfüllung der Obliegenheit ausreichend gewesen. Beide Schutzmaßnahmen hätten die offensichtlich professionell vorgehenden Täter, die in derselben Nacht am Wohnort der Klägerin noch aus zwei weiteren Luxusfahrzeugen Navigationssysteme entwendeten, nicht davon abgehalten, an das Fahrzeug zu gelangen, eine Scheibe einzuschlagen und das gewünschte Gerät an sich zu nehmen. Die beigezogenen Ermittlungsakten belegen, dass die Täter nicht nur auf dem Grundstück der Klägerin ohne Scheu in die unmittelbare Nähe der bewohnten Häuser begeben haben, um ihren Taten auszuführen. Wer derart kaltblütig handelt, lässt sich von einer Einfriedung, wie sie zur Erfüllung der Obliegenheit hinreichend wäre, nicht an der Ausführung seiner Planungen hindern.
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3. Die Höhe der Versicherungsleistung steht mittlerweile außer Streit.
III.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92, 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Anlass für eine Zulassung der Revision bestand nicht. Die von der Beklagten als abweichend angeführte Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Saarbrücken betrifft eine Klausel mit anderem Wortlaut.