Zum Beginn der Anmeldefrist für einen Beseitigungsanspruch wegen Gefahren für ein Grundstück durch eine ehemalige Luftschutzstollenanlage

LG Osnabrück, Urteil vom 17. August 2020 – 4 O 109/19

Zum Beginn der Anmeldefrist für einen Beseitigungsanspruch wegen Gefahren für ein Grundstück durch eine ehemalige Luftschutzstollenanlage

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
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Der Kläger beantragt die Feststellung der Verpflichtung der beklagten Bundesrepublik Deutschland (fortan Bekl.), Gefahren auf ihre Kosten beseitigen zu müssen, die von einer ehemaligen Luftschutzstollenanlage in den sog. „Gertrudenberger Höhlen“ für sein darüber befindliches, näher bezeichnetes Grundstück ausgehen sollen.

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Bei den „Gertrudenberger Höhlen“ handelt es sich um einen im Mittelalter angelegten, unterirdischen Kalksteinbergbau, der urkundlich erstmals im Jahr 1333 erwähnt wird. Historisch belegt ist eine weitere Nutzung als Bierlagerkeller etwa ab dem Jahr 1830 durch verschiedene Osnabrücker Brauereien, welche auch Einbauten in der Höhle vornahmen. Im Jahr 1943 ließ das Deutsche Reich als Rechtsvorgänger der Beklagten die Höhle als Luftschutzstollen für bis zu 4.000 Menschen herrichten und nutzen. Hierzu wurden umfangreiche Um- und Einbauten vorgenommen: Toilettenanlagen wurden installiert, elektrische Leitungen wurden gelegt, Klinkerabmauerungen zur Abgrenzung von Toiletten- und Aufenthaltsräumen wurden errichtet, Durchgänge wurden stabilisiert, fluoreszierende Bodenmarkierungen wurden angebracht und die Ein- und Ausgänge wurden bunkertypisch befestigt. Wegen der aktuellen Beschaffenheit der Höhle, der Anordnung ihrer unterschiedlichen Gänge und Räume, sowie der genauen Lage des darüber befindlichen klägerischen Grundstücks wird auf die zur Akte gereichten Lagepläne, Lichtbilder und Gutachten Bezug genommen.

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Nach dem zweiten Weltkrieg waren sämtliche vier Höhleneingänge verschüttet, bis britische Pioniere am 27.02.1966 einen ersten Zugang freigruben. Seit den 1970er Jahren hat die Beklagte, damals handelnd durch das Staatshochbauamt Osnabrück, regelmäßige Befahrungen und Kontrollen in der Höhle vorgenommen, um die Standsicherheit zu gewährleisten. Drei Zugänge zur Höhle wurden freigelegt. Im Jahr 1983 wurde eine erneute Herrichtung der Höhle als Zivilschutzräumlichkeit unter Verweis auf 20 besser geeignete Standorte von behördlicher Seite verworfen. Derweil erfolgte in nicht zugänglichen Teilen der Höhle eine von der Beklagten veranlasste teilweise Verfüllung mit Baustoff, um Standsicherheitsdefiziten der Höhle zu begegnen. Seit 1984 wird das Stollensystem, nachdem es bereits seit 1976 als Bodendenkmal geführt wurde, auch als Baudenkmal im Sinne von § 3 Abs. 2 NDSchG geführt. In der Folgezeit veranlasste die Beklagte Maßnahmen zur Verbesserung der Höhlenbewetterung, so zuletzt durch Installation eines Edelstahlrohrs im Jahr 2012. Sie sorgte zudem für die Sicherung der Höhle von außen durch Instandhaltung abschließbarer Türen. Diese Sicherungsmaßnahmen umfassen laut einer Auflistung der Beklagten einen kassenwirksamen Gesamtaufwand von 144.023,34 € und werden dort als „Sicherungsmaßnahmen nach dem AKG“ bezeichnet.

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Mit Schreiben vom 27.02.2013 wandte sich die für die Beklagte handelnde Anstalt an die Stadt Osnabrück mit dem Vorschlag, die „Gertrudenberger Höhlen“ im Rahmen einer Maßnahme nach § 19 AKG auf Kosten des Bundes zu verfüllen, um weitere Sicherungsmaßnahmen zu vermeiden und für die nötige Standsicherheit zu sorgen. Eine an den Kläger weitergeleitete Einverständniserklärung zu dieser Maßnahme unterzeichnete dieser nicht. Mit Schreiben vom 12.09.2016 wandte sich die vorgenannte Anstalt sodann direkt an den Kläger und stellte darin fest, dass eine Verpflichtung des Bundes, für die Standsicherheit der Höhle Sorge zu tragen, nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG nicht bestehe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Schreiben verwiesen.

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Aktuell führt der Verein …. in Teilen der Höhle regelmäßig Führungen durch, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob diese Führungen auch den Teil der Höhle unter dem klägerischen Grundstück betreffen.

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Der Kläger ist der Auffassung, dass er als Grundstückeigentümer nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG von der Beklagten Maßnahmen zur Abwendung unmittelbarer Gefahren für Leben und Gesundheit verlangen kann, die auf die Beeinträchtigung seines Grundstücks durch staatliche Maßnahmen zurückzuführen sind. Hierzu behauptet er, dass die vom Deutschen Reich vorgenommenen Einbauten zu einer Destabilisierung der Höhle geführt haben, da sie Teile der Höhlendecke abgestützt und damit andere stärker belastet haben. Aus diesem Grund bestehe die Gefahr von Höhleneinstürzen, die zu Tagbrüchen und damit zu einer Gefährdung des von ihm errichteten Hauses führen würden. Auf die Anmeldefrist nach § 28 AKG könne sich die Beklagte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht berufen, weil sie in den Jahren 1976 bis 2012 unstreitig Sicherungsmaßnahmen in der Höhle durchgeführt hat.

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Der Kläger beantragt,

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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Gefahren zu beseitigen, die von der in Osnabrück befindlichen, unterirdischen, ehemaligen Luftschutzstollenanlage in den „Gertrudenberger Höhlen“ ausgehen oder ausgehen werden, soweit von diesen Gefahren das im Eigentum des Klägers stehende Grundstück betroffen ist.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist der Auffassung, dass mögliche Ansprüche des Klägers nicht fristgemäß nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AKG angemeldet wurden und daher erloschen sind. Die Anmeldefrist habe jedenfalls mit Aufhebung des Schutzbaugesetzes am 04.04.1997 zu laufen begonnen. Die Beklagte behauptet ferner, dass in der Höhle allenfalls Gefahren von bergmännisch angelegten Hohlräumen ausgingen – da das Deutsche Reich aber keine Hohlräume angelegt hat, sondern lediglich in vorhandenen Hohlräumen Einbauten vornehmen ließ, gehe von dem Verhalten ihres Rechtsvorgängers keine Gefahr aus.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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I. Die Klage ist zulässig.

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1. Die Eröffnung des Zivilrechtswegs ergibt sich aus § 13 GVG (OVG Lüneburg Beschl. v. 12.7.2019 – 13 OB 350/18, BeckRS 2019, 15257 Rn. 2, beck-online). Das Landgericht Osnabrück ist gemäß §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG i.V.m. § 24 Abs. 1 ZPO das sachlich und örtlich zuständige Gericht.

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2. Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Ein entsprechendes Feststellungsinteresse liegt vor, wenn der Rechtsposition des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und wenn das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH NJW 2009, 751 (752); BGHZ 69, 144 (147)). Dies ist hier aufgrund der Einsturzgefahr und einer möglichen Verantwortlichkeit der Beklagten der Fall.

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II. Die Klage ist unbegründet.

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1. Der Kläger kann von der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verlangen, Gefahren in Zusammenhang mit den unter seinem Grundstück befindlichen „Gertrudenberger Höhlen“ auf ihre Kosten zu beseitigen. Ein solcher Anspruch folgt weder aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG) noch aus § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG.

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Dabei kann dahinstehen, ob die Einbauten, die das Deutsche Reich in den „Gertrudenberger Höhlen“ vornehmen ließ, zu einer Destabilisierung von Teilen der Höhle geführt haben und ob hiervon eine unmittelbare Lebens- oder Gesundheitsgefahr durch mögliche Einstürze von Teilen der Höhle selbst oder durch Einstürze von Eingängen und Abbrüchen an der Erdoberfläche des darüber befindlichen Grundstücks (sogenannte Tagesbrüche) ausgeht.

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Soweit Dienststellen des Deutschen Reichs hier eine Beeinträchtigung des jetzt im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücks verursacht haben, hätten die Rechtsvorgänger des Klägers die Beseitigung dieser Störung innerhalb der Frist des § 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AKG bzw. spätestens innerhalb des Frist des § 28 Abs. 2 AKG gegenüber der Beklagten geltend machen müssen. Da diese Frist von einem, bzw. von zwei Jahren mit dem Zeitpunkt an zu laufen begann, wo die Gertrudenberger Höhlen nach dem Krieg durch ihre Verschüttung als Luftschutzstollen konkludent entwidmet worden sind, ist sie seit etwa siebzig Jahren abgelaufen. Damit bleibt es auch unter Berücksichtigung der Ausnahmeregelung des § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG für Ansprüche wegen der Beeinträchtigung dinglicher Rechte bei der Grundregelung des § 1 Nr. 1 AKG, dass Ansprüche gegen das Deutsche Reich erloschen sind. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beklagte über mehrere Jahrzehnte Kontroll-, Sicherungs- und Instandsetzungsmaßnahmen in den „Gertrudenberger Höhlen“ durchführen ließ: Der Grundsatz von Treu und Glauben ist vorliegend nicht geeignet, eine Unterhaltungspflicht für die Höhle zu begründen.

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a) Nach dem zweiten Weltkrieg und dem Zusammenbruch des Deutschen Reichs hat die Bundesrepublik Deutschland die Schulden des Deutschen Reichs als dessen Rechtsnachfolgerin übernommen. Um Investitionen und damit einen Wiederaufbau zu ermöglichen, entschied sich der Gesetzgeber mit dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz, den Großteil der Reichsverbindlichkeiten aufzuheben. Aus diesem Grund bestimmt § 1 Nr. 1 AKG, dass Ansprüche gegen das Deutsche Reich erloschen sind, soweit im zweiten Teil des Gesetzes keine Ausnahme geregelt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.11.2005 – 7 C 27/04, Tz. 9, juris; BGH VersR 2007, 112, Tz. 17).

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Bei dem vorliegend in Betracht kommenden Anspruch handelt es sich um eine solche Reichsverbindlichkeit im Anwendungsbereich von § 1 Nr. 1 AKG. Der einzige Anknüpfungspunkt für ein schädigendes Verhalten liegt in Handlungen von Dienststellen des Deutschen Reichs aus der Zeit vor Ende des zweiten Weltkriegs. Der Kläger macht insofern geltend, dass die jetzt in seinem Eigentum stehende Liegenschaft durch die Einbauten zum Ausbau der Höhlen als Luftschutzstollen beeinträchtigt worden sei. So soll es insbesondere durch das Einziehen von Trennmauern zu Spannungsumlagerungen innerhalb der Höhlendecke gekommen sein, die eine Einsturzgefahr an den nunmehr stärker belasteten Deckenteilen begründen soll. Diesen Vortrag als wahr unterstellt, wäre das Deutsche Reich Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB.

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b) Ein Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB könnte ausnahmsweise nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG zu erfüllen sein, wenn die Beseitigung der Störung zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib oder Gesundheit erforderlich ist. Für das Gericht erscheint es nicht völlig ausgeschlossen, dass die im Krieg vorgenommenen Veränderungen in der Höhle zu einem Einsturz führen können, der negative Folgen für das an der Erdoberfläche gelegene Grundstück haben kann. Leib und Leben der auf dem Grundstück lebenden Personen könnte vor diesem Hintergrund gefährdet sein.

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c) Ob die Voraussetzungen eines solchen Beseitigungsanspruchs vorliegen, kann im vorliegenden Fall jedoch dahinstehen. Etwaige Ansprüche des Klägers sind jedenfalls erloschen, weil sie nicht rechtzeitig angemeldet wurden.

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aa) Nach § 26 AKG können Leistungen auf Grund der unter anderem nach § 19 Abs. 2 AKG zu erfüllenden Ansprüche nur verlangt werden, wenn sie innerhalb der Frist des § 28 AKG angemeldet werden. Die Frist beträgt nach § 28 Abs. 1 S. 1 AKG ein Jahr und beginnt grundsätzlich mit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes am 01.01.1958. Für den Fall, dass der Anspruch erst nach diesem Zeitpunkt entsteht, beginnt die Frist nach § 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AKG mit der Entstehung des Anspruchs (BGH, a.a.O., Tz. 11). Wann ein Anspruch im Sinne dieser Vorschrift entstanden ist, richtet sich dabei nach den materiellen Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage. Das Allgemeine Kriegsfolgengesetz versteht diesen Begriff nach dem Willen des historischen Gesetzgebers nicht anders, als das Bürgerliche Gesetzbuch (BGH, a.a.O., Tz.16 f.).

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1) Voraussetzung der Entstehung des hier in Betracht kommenden Beseitigungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 BGB wäre zunächst eine Beeinträchtigung des Grundstückseigentums, die nur in der Vornahme von Einbauten in den Höhlen liegen kann. Diese Einbauten wurden im Zeitraum zwischen 1943 und Kriegsende am 31.07.1945 vorgenommen.

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2) Eine weitere Voraussetzung des Beseitigungsanspruchs ist, dass die Eigentumsbeeinträchtigung vom Grundstückseigentümer nicht zu dulden ist, § 1004 Abs. 2 BGB. Während des Krieges wurden die Höhlen von der zuständigen Behörde als öffentliche Luftschutzanlage gewidmet. Die Grundstückseigentümer waren dementsprechend verpflichtet, die vom Deutschen Reich veranlassten Einbauten als fortwährende Beeinträchtigung ihres Grundstücks zu dulden. Erst mit Fortfall dieser Widmung wurde der Störungsbeseitigungsanspruch abwehrfähig und ist damit entstanden (BGH, a.a.O., Tz. 16; NJW 1963, 1918 (1919); NJW-RR 2014, 1427 (1428)). Eine Entwidmung konnte dabei von den Besatzungsmächten als Inhabern der deutschen Staatsgewalt auch konkludent erfolgen, indem sie etwa durch eine Sprengung zum Ausdruck brachten, dass das Stollensystem nicht länger zur Erfüllung hoheitlicher Zwecke bestimmt sein sollte (BGH NJW 1956, 1273 (1273)).

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Eine solche Entwidmung hat vorliegend in der Zeit zwischen dem 01.08.1945 und der Öffnung der „Gertrudenberger Höhlen“ durch die Grabung am 27.02.1966, höchstwahrscheinlich aber in den ersten Nachkriegsjahren stattgefunden, indem die britische Besatzungsmacht alle vier Höhlenzugänge gleichermaßen verschlossen hat. Hiervon ist nach den Umständen des Sachverhaltes mangels anderweitiger Angaben der Parteien auszugehen.

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Unstreitig waren alle vier Höhleneingänge in der Nachkriegszeit verschüttet bzw. verschlossen. Dass alle vier Zugänge gleichermaßen durch einen Bombenangriff verschüttet wurden, ist wegen ihres Abstands voneinander nicht anzunehmen. Ein derart intensiver Angriff wäre jedenfalls historisch überliefert. Für ein Verschließen der Zugänge durch Mitglieder des deutschen Reichs fehlt es an einem nachvollziehbaren Grund. Bis Kriegsende wurden die Höhlen als Schutzstollen benötigt. Auch beim Einmarsch der Siegermächte gibt es für das Verschließen der Höhlen keinen Anlass, da die Anlage nicht dem Militär, sondern dem Zivilschutz diente und weil es auch keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Höhlen als Versteck für etwas dienen sollten. Mit Abstand am wahrscheinlichsten ist es daher, dass die Schließung der Höhlen von den Siegermächten veranlasst wurde. Gerichtsbekannt ist für den in Osnabrück aufgewachsenen Einzelrichter, und anhand historischer Datensammlungen (www.osnabruecker-bunkerwelten.de) öffentlich einsehbar, dass diverse Luftschutzstollen im Stadtgebiet von Osnabrück im Auftrag der britischen Militärregierung unbrauchbar gemacht wurden. Insofern besteht eine tatsächliche Vermutung, dass dies auch mit den als Luftschutzstollen genutzten „Gertrudenberger Höhlen“ geschehen ist.

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3) Es kann dahinstehen, wann die Schließung der Höhleneingänge genau stattgefunden hat. Selbst wenn die Stollenanlage erst nach Inkrafttreten des AKG entwidmet worden sein sollte, hätte die Frist des § 28 AKG zwischen dem 01.01.1958 und der Wiederöffnung der Höhlenzugänge im Jahr 1966 zu laufen begonnen.

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bb) Sowohl die Jahresfrist nach § 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AKG als auch die zweijährige Frist des § 28 Abs. 2 AKG, die bei einer unverschuldeten Verhinderung der Einhaltung der Anmeldefrist gelten würde, wären dementsprechend spätestens in den 1960er Jahren abgelaufen.

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cc) Eine Anmeldung von Beseitigungsansprüchen durch die damaligen Eigentümer des klägerischen Grundstücks hat bis dahin nicht stattgefunden.

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d) Dass die Beklagte die Höhlen ab den 1970er Jahren befahren und auch unter dem Gesichtspunkt einer eventuellen erneuten Nutzung als Zivilschutzraum erkunden ließ, ändert an diesem Ergebnis nichts. Eine erneute Widmung der Stollen, die eine Duldungspflicht der Eigentümer hinsichtlich der Einbauten zur Folge gehabt haben könnte, ist nicht erfolgt. Sie wäre auch unerheblich, weil die Frist zur Geltendmachung eines Beseitigungsanspruchs gegen die alten Einbauten bereits abgelaufen wäre und weil es keine neuen, von der Beklagten zu vertretenden Einbauten gibt, die die Stabilität der Höhle betreffen. Die Beklagte hat nach dem übereinstimmenden Parteivortrag nur bestehende Gefahren beseitigt, nicht aber neue Gefahrenquellen geschaffen.

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e) Dem Ablauf der Anmeldefrist steht auch nicht § 242 BGB entgegen.

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Soweit der Kläger hierzu darauf verweist, dass die Beklagte über Jahrzehnte Schutzmaßnahmen ergriffen und damit ein gewisses Vertrauen darauf geschaffen hat, für die Instandhaltung der Höhle verantwortlich zu sein, betrifft dies nicht den für den Fristablauf relevanten Zeitraum. Eine Art Hemmung des Fristablaufs kann durch das Verhalten der Beklagten nicht eingetreten sein, wenn dieses Verhalten erst Jahre nach Fristablauf begonnen hat. So liegt es hier. Die Anmeldefrist ist spätestens in den 1960er Jahren abgelaufen. Erst für die Jahre 1974/1975 ist aber in den von den Parteien vorgelegten Anlagen eine größere Sicherungsmaßnahme seitens der Beklagten verzeichnet.

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f) Die Grundsätze von Treu und Glauben stellen auch in Verbindung mit § 242 BGB keine Anspruchsgrundlage für den Kläger dar, von der Beklagten weitere Sicherungsmaßnahmen verlangen zu können.

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aa) Außerhalb von Dauerschuldverhältnissen gibt es keinen Rechtssatz, dass derjenige, der rechtsgrundlos über einen längeren Zeitraum Leistungen erbringt, auch künftig zur Erbringung dieser Leistungen verpflichtet ist. Im Gegenteil folgt aus den §§ 812 ff. BGB, dass rechtsgrundlos erbrachte Leistungen grundsätzlich zurück zu gewähren sind.

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Die für die Beklagte handelnde Bundesanstalt hat die Sicherungsmaßnahmen zu Gunsten des Grundstücks des Klägers erbracht, ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein. Wie gezeigt, bestand kein entsprechender Anspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB. Entgegen der von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben genutzten Formulierung stellt auch das AKG keine solche Anspruchsgrundlage dar: Wie gezeigt, regelt das Allgemeine Kriegsfolgengesetz nur das Erlöschen von Ansprüchen und nicht deren Entstehung. Die Bundesrepublik war auch nicht im Rahmen der Gefahrenabwehr zur Erbringung von Maßnahmen verpflichtet, weil dies nach der föderalen Kompetenzaufteilung Aufgabe der Länder ist. Dasselbe gilt für Maßnahmen im Rahmen des Bergwesens.

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bb) Gegen einen Anspruch nach Treu und Glauben spricht zudem, dass es im Vergleich zu sonstigen durch das AKG betroffenen Grundstückseigentümern ein unbilliges Ergebnis darstellen würde, die Eigentümer derjenigen Grundstücke dauerhaft zu begünstigen, deren Grundstücke bereits in den Genuss zusätzlicher Leistungen durch die Bundesrepublik gekommen sind. Zur Schaffung eines gerechten Einzelfallergebnisses läge es aus Sicht des billig und gerecht denkenden Rechtsanwenders näher, die Ungleichbehandlung zwischen den Grundstückseigentümern auszugleichen, als dem bereits übervorteilten Eigentümer weitere Vorteile zu verschaffen.

40
cc) Wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 03.08.2020 äußern ließ, dass die Beklagten jedenfalls für die mittelfristig erforderlichen Sicherungsmaßnahmen einstehen müsste, fehlt auch insofern eine Grundlage. Es ist bereits nicht ersichtlich, weshalb bestimmte Sicherungsmaßnahmen noch ausgeführt werden sollen und wann eine Sicherungspflicht durch die Beklagte erfüllt sein soll. Im Übrigen gelten die bereits genannten Gegenargumente.

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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO.

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