AGH Hamm, Urteil vom 07.10.2016 – 1 AGH 12/16
Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen keine Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden durch den Vermögensverfall eines Rechtsanwalts vorliegt, so dass seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht zu widerrufen ist.(Rn.40)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Geschäftswert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
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Mit Widerrufsverfügung vom 12.02.2016 hat die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen.
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Der am ……..1977 geborene Kläger ist am 27.02.2007 als Rechtsanwalt im Bezirk der Beklagten zugelassen worden. Seine Kanzleiräume befinden sich gegenwärtig unter seiner Wohnadresse auf der E-Straße in L.
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Nach seiner Zulassung arbeitete der Kläger zunächst in der Rechtsanwaltskanzlei Dr. T & Kollegen GbR in L als freier Mitarbeiter. Im Jahre 2009 wurde er Partner der Sozietät. Mit Wirkung zum 31.12.2011 hat der Kläger den Gesellschaftsvertrag gekündigt. Mit Schreiben vom 03.01.2012 hat er der Beklagten mitgeteilt, dass er nunmehr unter seiner Wohnadresse praktiziere.
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Mit Schreiben vom 26.10.2015 hat der anwaltliche Vertreter des Klägers der Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger „aufgrund der hohen Gesamtverschuldung zahlungsunfähig“ sei.
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Mit Schreiben vom 10.12.2015 hat die Klägerin den Beklagten zunächst zu einem möglichen Widerruf der Zulassung wegen Eintritts des Vermögensverfalls angehört und zur Abgabe einer Aufstellung seiner Verbindlichkeiten sowie Offenlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert (Bl. 12 BA).
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Mit Schreiben vom 18.12.2015 (Bl. 16 ff. BA) trägt der Vertreter des Klägers gegenüber der Beklagten vor, dass der Kläger seit dem 01.09.2015 in seiner Kanzlei als „wissenschaftlicher Mitarbeiter“ zu einem Bruttolohn von 1.800,00 EUR pro Monat beschäftigt sei. Seit November 2015 erhalte er aufgrund einer Erkrankung lediglich Krankentagegeld. Der Kläger sei „aufgrund seiner Erkrankung“ selber nicht als Rechtsanwalt tätig und nehme keine Mandate an.
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Mit Schreiben vom 05.01.2016 (Bl. 20 ff. BA) trägt der Klägervertreter vor, dass sich die Gesamtverschuldung des Klägers auf 421.142,43 EUR belaufe. Der Kläger erhalte gegenwärtig Krankentagegeld in Höhe von 990,00 EUR brutto. Damit sei der Kläger „überschuldet“. Zur Regulierung wird ein Schuldenbereinigungsplan gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorgeschlagen.
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Hintergrund der Überschuldung ist angeblich unter anderem, dass ein Partner der ehemaligen Kanzlei des Klägers Mandantengelder veruntreut habe, für die auch der Kläger zivilrechtlich hafte. Der Kläger befinde sich daher „ohne eigenes Verschulden“ im Vermögensverfall. Aufgrund der Haftung des Klägers habe dieser „Ende Januar 2016“ beim Amtsgericht Krefeld „Antrag auf Privatinsolvenz“ gestellt, das Verfahren laufe beim Amtsgericht Krefeld unter dem Aktenzeichen 91 IK 10/16.
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Mit Schriftsatz vom 28.01.2016 teilt der Kläger dann mit, dass das Anstellungsverhältnis bei seinem anwaltlichen Vertreter zum 31.01.2016 beendet und er damit „faktisch nicht als Anwalt tätig“ sei.
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Die von der Beklagten mehrfach angeforderte Stellungnahme zu den wirtschaftlichen Verhältnissen ist mit den Schriftsätzen vom 18.12.2015, 05.01.2016 sowie 28.01.2016 nur sehr partiell eingereicht worden und beschränkte sich darauf mitzuteilen, dass der Kläger gegenwärtig Krankentagegeld erhalte bzw. auch nach dem 31.01.2016 nicht mehr anwaltlich tätig sei und insofern eine Gefährdung des Interesses der Rechtssuchenden ausgeschlossen sei.
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Die Beklagte hat die Zulassung des Klägers darauf mit Bescheid vom 12.02.2016 widerrufen.
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Die Beklagte begründet ihre Widerrufsverfügung mit dem Vorliegen des Vermögensverfalls aufgrund des Eintritts der „Zahlungsunfähigkeit aufgrund hoher Gesamtverschuldung“. Der Kläger befinde sich in einem „Schuldenbereinigungsverfahren“ und er beabsichtige, das Verbraucherinsolvenzverfahren durchzuführen, falls die gesetzlich vorgesehene außergerichtliche Einigung nicht erzielt werden könne. Aus dem vom Kläger vorgelegten Schuldenbereinigungsplan ergebe sich zum 05.01.2016 eine Gesamtverschuldung in Höhe von 421.142,43 EUR. Auf mehrfache Aufforderung habe der Kläger eine Stellungnahme hierzu nicht abgegeben, insbesondere habe er nicht dargelegt, dass sämtliche Gläubiger dem vorgelegten Schuldenbereinigungsplan zugestimmt hätten oder deren Zustimmung vom Insolvenzgericht ersetzt worden sei.
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Der Vermögensverfall führe vorliegend auch zu einer Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden, die dahingehende Vermutung sei von dem Kläger auch nicht widerlegt worden. Außerhalb eines Anstellungsverhältnisses sei die Annahme geordneter Vermögensverhältnisse nur denkbar, wenn der Kläger darlegen könnte, dass seine Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigt werden können und er wieder selbst und frei über sein Vermögen verfügen könne. Dazu wäre konkret die Zustimmung aller Gläubiger zu einem Schuldenbereinigungsplan oder die Ersetzung dieser Zustimmung durch das Insolvenzgericht erforderlich gewesen, einen solchen Nachweis habe der Kläger nicht erbracht.
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Aus der Verfahrensakte erschließt sich weiterhin, dass der Kläger zum 25.05.2016 auch der Beklagten den Mitgliedsbeitrag für das Jahr 2015 in Höhe von 252,00 EUR sowie die Sonderumlage in Höhe von 63,00 EUR schuldig geblieben ist.
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Der Kläger beantragt,
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den Widerrufsbescheid vom 12.02.2016 aufzuheben
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sowie
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ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
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Der Kläger hält den angefochtenen Bescheid der Beklagten für „zumindest formal rechtswidrig“. Die formelle Rechtswidrigkeit ergebe sich daraus, dass die in dem Widerrufsbescheid in Bezug genommene Anlage 1 (die Liste der Teilnehmer der Vorstandssitzung der Beklagten) dem Bescheid nicht beigelegen habe, der Kläger habe damit nicht erkennen können, wer an der Sitzung des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer, in welcher die Entscheidung getroffen wurde, teilgenommen hat.
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In der Klagebegründung weist der Vertreter des Klägers darüber hinaus darauf hin, dass der Kläger „mittellos“ sei, dass er seit dem 31.01.2016 „arbeitslos“ sei und Arbeitslosengeld in Höhe von 894,00 EUR monatlich erhalte, seine finanzielle Lage „seit Jahren prekär“ sei und das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers mit Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 07.04.2016 eröffnet worden sei. Der Bescheid der Beklagten sei dennoch materiell rechtswidrig, da trotz Vermögensverfalls eine Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden vorliegend auszuschließen sei, da der Kläger „tatsächlich nicht praktiziere“, sondern arbeitssuchend sei und „seit dem 01.02.2016 weder Mandate angenommen“ noch begonnene fortgeführt habe und auch keine Mandatsakquisition durchführe. Auch ein Umgang mit Fremdgeldern finde nicht statt. Schließlich sei der Widerruf unverhältnismäßig, da der Kläger bei rechtskräftigem Widerruf der Zulassung in die „Gefahr von Altersarmut“ gerate.
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Den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe begründet der Kläger damit, dass er nicht über die Mittel verfüge, die Kosten des Rechtsstreits selber aufzubringen und sein Begehren darüber hinaus hinreichend Aussicht auf Erfolg habe. Aus der beigefügten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe erschließt sich, dass er Arbeitslosengeld in Höhe von 894,00 EUR monatlich erhalte und zugleich Mietkosten in Höhe von 470,00 EUR brutto sowie einen Beitrag in das Versorgungswerk von 115,94 EUR zu leisten habe.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgenommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftstücke nebst deren Anlagen, die zu Protokoll der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen sowie den Inhalt der Beiakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Anfechtungsklage des Klägers ist form- und fristgerecht erhoben worden und damit zulässig. Die Klage gegen den Bescheid vom 12.02.2016 datiert vom 09.03.2016 und ist am gleichen Tage per Fax vorab beim Oberlandesgericht Hamm, mithin fristgerecht, eingegangen. Die Anfechtungsklage des Klägers ist gemäß § 46 VwGO, §§ 112a Abs. 1, 112c Abs. 1 BRAO, § 110 Abs. 1 JustG NRW ohne Vorverfahren zulässig.
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Die zulässige Klage ist jedoch nicht begründet.
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Der Widerrufsbescheid der Beklagten ist nicht formell rechtswidrig. Soweit der Kläger behauptet, dem Widerrufsbescheid vom 12.02.2016 habe die Anlage 1, die Liste der an der Sitzung der Rechtsanwaltskammer teilnehmenden Mitglieder des Vorstandes, nicht beigelegen, verbleibt es insoweit bei einer Behauptung.
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Die Beklagte hat dies bestritten. Doch selbst wenn man davon ausginge, dass es sich vorliegend um einen Verfahrensfehler der Beklagten gehandelt habe, ist zu berücksichtigen, dass ein solcher Verstoß nur einen sog. „relativen Verfahrensfehler“ darstellt, der nur dann zur Aufhebung des Verwaltungsaktes führen würde, wenn er sich auf das Ergebnis ausgewirkt haben kann (vgl. AGH NRW, Urt. v. 31.08.2012, 1 AGH 15/12; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. A., § 28 Rn. 78 m.w.N.). Dies ist vorliegend ausgeschlossen. Die Beklagte hat dem Kläger die Liste mit Schriftsatz vom 26.04.2014 noch einmal zur Verfügung gestellt, eine etwaige Rechtswidrigkeit der Besetzung hat der Kläger daraufhin nicht erkannt bzw. gerügt.
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Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtssuchenden nicht gefährdet sind; ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 882b ZPO) eingetragen ist.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach der Mitwirkung ab 01.09.2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheides oder – wenn wie hier das grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren nach neuem Recht entbehrlich ist – auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. BGH, Beschl. v. 29.06.2011 -AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187; v. 28.10.2011 – AnwZ (Brfg) 20/11, NZI 2012, 106; v. 14.11.2013 – AnwZ (Brfg) 65/13 sowie v. 06.02.2014, AnwZ (Brfg) 83/13).
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Die Vermutungswirkung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO greift vorliegend nicht. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Rechtsanwalts ist erst mit Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 07.04.2016, mithin nach Erlass des Widerrufsbescheides erfolgt. Auch war der Kläger zum Zeitpunkt des
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Erlasses des Widerrufsbescheides nicht in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 882b ZPO) eingetragen. Die Vermutung für den Vermögensverfall greift mithin nicht, der Vermögensverfall war daher konkret festzustellen.
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Der Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse gerät, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außer Stande ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 06.02.2014, AnwZ (Brfg) 83/13; Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, 4. A., § 14 Rn. 29).
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Für den Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung, den 12.02.2016, kann das Vorliegen des Vermögensverfalls positiv festgestellt werden. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung verfügte der Kläger bereits über eine Gesamtverschuldung in Höhe von 421.142,43 EUR, befand sich in einem „Schuldenbereinigungsverfahren“ und beabsichtigte, das Verbraucherinsolvenzverfahren durchzuführen.
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Auch auf mehrfache Aufforderung der Beklagten hat der Kläger weder die insoweit für erforderlich angesehene Zustimmung der Gläubiger oder eine diese ersetzende Zustimmung des Gerichts vorgelegt. Schlussendlich lagen diese auch nicht vor, sodass der Kläger bereits Ende Januar 2016 nach eigenem Bekunden den Antrag auf Eröffnung des (Verbraucher-) Insolvenzverfahrens gestellt hat, das dann auch – allerdings erst nach Erlass des Widerrufsbescheides – eröffnet wurde.
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Der Kläger selbst lässt in der Klagebegründung vortragen, dass er „mittellos“ sei, er seit 31. Januar 2016 „arbeitslos“ sei, seine finanzielle Lage „seit Jahren prekär“ sei und – wenngleich durch das Verschulden eines Dritten – in den „Vermögensverfall“ geraten sei.
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Die Tatsache, dass sich der Kläger im Vermögensverfall befindet, ist damit unstreitig, der Kläger ist jedoch der Auffassung, dass die Beklagte mit dem Widerruf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt habe, da der Kläger „ohne eigenes Verschulden“ in diese Lage geraten sei und darüber hinaus eine Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden konkret auszuschließen sei.
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Die Tatsache, dass ein Rechtsanwalt „ohne eigenes Verschulden“ in den Vermögensverfall gerät, ist jedoch rechtlich unerheblich (BGH Beschl. v. 02.04.2012; Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, 4.A., § 14 Rn. 29).
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Der Widerruf der Zulassung wegen Vermögensverfalls kommt allerdings aus-nahmsweise dann nicht in Betracht, wenn eine Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden durch den Vermögensverfall nicht vorliegt. Dies ist bei einem Vermögensverfall nur ganz ausnahmsweise der Fall, da dieser regelmäßig zu einer Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern sowie auch den möglichen Zugriff seiner Gläubiger hierauf führt. Insofern muss unter Berücksichtigung einer Gesamtwürdigung der Person des Rechtsanwalts, der Umstände des Eintritts des Vermögensverfalls, etwaiger Beschränkungen und Sicherheitsmaßnahmen, die der Rechtsanwalt eventuell getroffen hat, geprüft werden, ob die Interessen der Rechtssuchenden gefährdet sind. Eine dahingehende positive Gesamtwürdigung kann aber nur in seltenen Ausnahmefällen eine andere Wertung rechtfertigen (vgl. BGH NJW 2005, 511). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschl. v. 04.04.2012, AnwZ (B) 62/11 Rn. 6) ist die Annahme des Ausschlusses einer Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden nur zu rechtfertigen, wenn vertragsrechtlich und tatsächlich sichergestellt ist, dass die zum Schutz der Interessen der Rechtssuchenden erforderlichen Vorkehrungen eingehalten werden. Dies setzt regelmäßig die Aufgabe der Tätigkeit als Einzelanwalt und den Abschluss eines Anstellungsvertrages mit einer Anwaltssozietät voraus, der nach der Organisation der Sozietät, dem Umfang der Tätigkeitsverpflichtung des Rechtsanwalts gegenüber der Sozietät und den getroffenen Maßnahmen einen effektiven Schutz der Interessen der Rechtssuchenden erwarten läßt. Im Übrigen tritt die Notwendigkeit hinzu, dass der Arbeitsvertrag bereits über einen längeren Zeitraum beanstandungsfrei durchgeführt („gelebt“) worden sein muss (vgl. AGH NW, Urt. v. 14.12.2012, 1 AGH 28/12).
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Dies ist vorliegend nicht der Fall, der Kläger versichert lediglich anwaltlich, dass er seit dem 01.02.2016 weder Mandate angenommen habe, noch begonnene fortführe und auch nicht akquiriere. Er praktiziere nicht als Anwalt und suche vielmehr eine Arbeitsstelle. Ein Umgang mit Fremdgeldern finde insoweit auch nicht statt.
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Die von der Rechtsprechung geforderten Sicherungsmaßnahmen liegen hier sämtlich nicht vor, der Kläger hat seine Kanzleiadresse zu seiner Wohnanschrift verlegt und betreibt damit eine Einzelkanzlei, er hätte somit jederzeit die Möglichkeit, Mandate zu bearbeiten und Fremdgelder entgegen zu nehmen. Auch eine entgegenstehende Absichtserklärung reicht nicht aus, um eine Gefährdung der Rechtssuchenden auszuschließen, der Kläger könnte sich jederzeit anders entscheiden (vgl. Senatsurt. v. 21.08.2015 – 1 AGH 19/15). Ein Ausschluss der Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden ist somit nicht ersichtlich.
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Im Falle eines Insolvenzverfahrens können die Vermögensverhältnisse erst wieder als geordnet angesehen werden, wenn dem Schuldner entweder durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt wurde (§ 291 InsO) oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (vgl. BGH Beschl. v. 28.10.2011 – AnwZ (Brfg) 20/11, Beschl. v. 31.05.2010 – AnwZ (B) 27/09). Diese Voraussetzungen lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens nicht vor.
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Ein Anlass, die Berufung nach § 112c Abs. 1 BRAO i. V. m. § 124 VwGO zuzulassen, besteht nicht. Weder weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§§ 124a Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BRAO). Auch ein Fall der Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 167 Abs. 2 VwGO, § 709 S. 1 ZPO, § 194 BRAO.