Zu den Voraussetzungen eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens und zur Beweislast bei Abweichung

BGH, Urteil vom 20.03.1974 – VIII ZR 234/72

1. Ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben setzt voraus, daß Vertragsverhandlungen vorangegangen waren. Das kann dann angenommen werden, wenn ein geschäftliches Gespräch über einen Vertrag stattgefunden hatte, was der Absender des Schreibens zu beweisen hat.

2. Wenn der Empfänger eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens behauptet, daß dieses von dem Inhalt der Vorverhandlungen erheblich abweiche oder daß bewußt etwas Unrichtiges bestätigt worden sei, so ist er dafür beweispflichtig.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Oktober 1972 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand
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Der Kläger stellt pommes frites her, die er an den Großhandel verkauft. Der Beklagte betreibt den Großhandel mit pommes frites. Am 19. August 1970 erkundigte dieser sich fernmündlich beim Kläger nach dessen Preisen. Im übrigen ist der Inhalt des Ferngespräches streitig. Der Kläger sandte dem Beklagten nach dem Ferngespräch folgendes Schreiben:

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3 „Tag 19.8.1970

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AUFTRAGSBESTÄTIGUNG

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Menge: 3.500 bis 4.000 kg je Woche

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Warenart: Pommes frites

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Lieferzeit: vom 1. September 1970 bis zum 30. Juni 1971

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Preis: DM 0,95 je kg

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Frachtgrundlage: frachtfrei Niedersfeld

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Verpackung: Kartons zu 10 kg

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Zahlung: netto Kasse innerhalb von 10 Tagen

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4 F. H. to K.“

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Der Beklagte widersprach dem Schreiben nicht. Er nahm vom Kläger keine pommes frites ab, sondern bezog diese von einer anderen Firma.

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Der Kläger verlangt daher als Schadensersatz wegen der Nichtabnahme von pommes frites einen Teilbetrag von 10 000 DM nebst Zinsen. Das Landgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht gab ihr statt.

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Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

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Entscheidungsgründe
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I. Das Berufungsgericht ist der Meinung, der Abschluß des Kaufvertrages bei der fernmündlichen Unterredung am 19. August 1970 sei nicht bewiesen. Dennoch sei der Schadensersatzanspruch des Klägers begründet, weil durch die widerspruchslose Entgegennahme der „Auftragsbestätigung“ ein Vertrag zustande gekommen sei. Diese sei nämlich als kaufmännisches Bestätigungsschreiben anzusehen. Daß sich nicht feststellen lasse, ob der Inhalt der Auftragsbestätigung von dem Ergebnis des Ferngespräches erheblich abweiche und der Kläger bewußt etwas Unrichtiges bestätigt habe, gehe zu Lasten des insoweit beweispflichtigen Beklagten.

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II. Die Rüge der Revision, es handle sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bei der Auftragsbestätigung vom 19. August 1970 nicht um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, ist unbegründet. Die Auslegung dieses Schreibens ist im Revisionsrechtszuge nur beschränkt nachprüfbar, weil es um die Auslegung einer individuellen atypischen Erklärung geht. Infolgedessen kann lediglich geprüft werden, ob das Berufungsgericht Denkgesetze, Auslegungsregeln oder Verfahrensvorschriften verletzt oder ob es das Wesen eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens verkannt hat. Das ist nicht der Fall.

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1. Der Annahme eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens steht nicht entgegen, daß das Schreiben als Auftragsbestätigung bezeichnet wurde. Nach gefestigter Rechtsprechung ist die Bezeichnung, die ein Teil seinem Schreiben gibt, nicht entscheidend. Auf diese wird nämlich im kaufmännischen Verkehr häufig kein großes Gewicht gelegt (BGH Urteil vom 7. Oktober 1971 — VII ZR 177/69 = BB 1971, 1479 = Betrieb 1971, 2302). Es ist auch unschädlich, daß das Schreiben eine vorangegangene fernmündliche Abrede nicht erwähnte oder in Bezug nahm (BGHZ 54, 236, 239). Da die Parteien nur eine fernmündliche Unterredung und zwar an dem Tage, an dem das Schreiben abging, geführt hatten, konnte sich dieses Schreiben nur auf das Ferngespräch vom 19. August 1970 beziehen. Das Schreiben konnte auch nach seinem äußeren Eindruck dazu bestimmt sein, das Ergebnis der fernmündlichen Unterredung in ihrem wesentlichen Inhalt wiederzugeben.

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2. Erforderlich für die Annahme eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens ist allerdings weiter, daß Vertragsverhandlungen vorausgegangen waren (BGH Urteil vom 26. Juni 1963 — VIII ZR 61/62 = NJW 1963, 1922, 1925; BGH Urteil vom 28. September 1970 — VIII ZR 164/68 = WM 1970, 1314).

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a) Denn für ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben ist begriffswesentlich, daß es das wirkliche oder vermeintliche Ergebnis vorangegangener Vertragsverhandlungen wiedergibt. Dadurch unterscheidet es sich von einer Auftragsbestätigung, die nicht das Ergebnis vorhergegangener Vertragsverhandlungen mitteilt, sondern eine in Form einer Bestätigung gekleidete Annahmeerklärung oder gar nur eine Offerte ist (BGHZ 18, 212, 215). Da der Kläger nach allgemeinen Beweisgrundsätzen die Voraussetzungen eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens darzutun hat, ist er beweispflichtig dafür, daß der „Auftragsbestätigung“ Vertragsverhandlungen vorausgegangen waren.

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b) Das hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision rechtsirrtumsfrei bejaht. Es hat zwar offengelassen, ob die Parteien bei dem Ferngespräch am 19. August 1970 sich über den Kauf von pommes frites geeinigt hatten oder ob der Beklagte nur ein Preisangebot hatte haben wollen und deutlich gemacht hatte, daß er einen Vertrag noch nicht schließen wolle. Das Berufungsgericht hat aber festgestellt, daß unstreitig alle Einzelheiten der zu liefernden Menge, des Preises und der Zahlungsweise besprochen worden waren, und daß am Schlusse des Ferngesprächs von einer Auftragsbestätigung die Rede war. Bei diesem Sachverhalt hat das Berufungsgericht annehmen können, daß Vertragsverhandlungen stattgefunden hatten. Denn der Kläger hatte ein ins einzelne gehendes Vertragsangebot abgegeben und der Beklagte hatte sich mit diesem Angebot sachlich befaßt. Ob es bei dem Ferngespräch zu einem Vertragsschluß gekommen war, ist unerheblich, weil ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben auch dann angenommen werden kann, wenn die vorausgegangenen Vertragsverhandlungen nicht zu einem Vertragsschluß geführt hatten (BGH Urteil vom 27. Januar 1965 — VIII ZR 11/63 = LM HGB § 346 (Ea) Nr. 8/9 = NJW 1965, 966 = WM 1965, 580).

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III. Handelte es sich bei der „Auftragsbestätigung“ vom 19. August 1970 um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, so mußte der Beklagte dem Schreiben widersprechen, wenn er es nicht gelten lassen wollte.

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1. Denn ein Kaufmann, der einem anderen ein Bestätigungsschreiben zusendet, um das Ergebnis vorausgegangener Vertragsverhandlungen verbindlich festzulegen, geht davon aus, daß der Empfänger das Schreiben daraufhin überprüft, ob es auch nach seiner Meinung den Inhalt der getroffenen Vereinbarungen bzw. der vorausgegangenen Verhandlungen richtig wiedergibt. Widerspricht er nicht, so soll sich der Absender grundsätzlich darauf verlassen können, daß das Geschäft, so wie er es bestätigt hat, abgewickelt werden kann (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1971 — VII ZR 177/69 = BB 1971, 1479 = Betr. 1971, 2302 mit weiteren Nachweisen).

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2. Das gilt allerdings dann nicht, wenn der Inhalt des Bestätigungsschreibens von dem Inhalt der Besprechungen so weit abweicht, daß der Absender vernünftigerweise nicht mit einem Einverständnis des Empfängers rechnen kann oder wenn der Absender des Bestätigungsschreibens dadurch gegen Treu und Glauben verstößt, daß er diesem bewußt einen unrichtigen Inhalt gegeben hat (BGHZ 40, 42, 44/45).

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IV. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß insoweit der Empfänger des Bestätigungsschreibens beweispflichtig ist.

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1. Dem Absender einer „Auftragsbestätigung“ obliegt nach allgemeinen Beweisgrundsätzen die Beweislast für die rechtsbegründende Norm. Er hat also darzutun, daß es sich bei seinem Schreiben um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben handelt, das dem anderen Teil zugegangen ist. Wenn der Empfänger behauptet, eine Bindungswirkung sei nicht eingetreten, weil das Schreiben vom Inhalt der Vorverhandlungen erheblich abweiche oder gar bewußt etwas Unrichtiges bestätigt worden sei, so muß er die Voraussetzungen dieser rechtshindernden Norm dartun. Denn im Regelfall hat das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben Bindungswirkung. Wer geltend macht, Bindungswirkung trete ausnahmsweise nicht ein, hat also die Voraussetzungen für deren Nichteintritt zu beweisen (vgl. Rosenberg, Die Beweislast, 4. Aufl. S. 124).

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2. Es kommt hinzu, daß von dem Empfänger eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens, das den Vorverhandlungen oder den getroffenen Abreden nicht entspricht, nach den kaufmännischen Gepflogenheiten ein alsbaldiger Widerspruch erwartet werden darf (vgl. Schmidt-Salzer in BB 1971, 591). Widerspricht der Empfänger des Bestätigungsschreibens nicht, obwohl dieses mit dem Inhalt der Vorverhandlungen nicht übereinstimmt, so hat er nicht die im kaufmännischen Verkehr gebotene Verhaltensweise beachtet. Daher hat er darzutun, daß er sich nicht an die allgemein übliche und gebotene Verhaltensweise halten mußte und daß ein Widerspruch gegen das Bestätigungsschreiben deshalb nicht erforderlich war, weil es von den Vorverhandlungen erheblich abwich oder bewußt etwas Unrichtiges bestätigte.

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3. Schon nach Auffassung des Reichsgerichts war daher der Empfänger eines Bestätigungsschreibens dafür beweispflichtig, daß der Absender eines derartigen Schreibens gegen Treu und Glauben verstoßen hat, indem er dem Schreiben bewußt einen anderen Inhalt gab, als in den Vorverhandlungen zum Ausdruck gekommen war (RG LeipZ 1923, 344).

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4. Ob dann eine andere Beurteilung gerechtfertigt wäre, wenn der Absender des Bestätigungsschreibens dessen Empfänger überrumpeln wollte, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn dafür bietet der Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte.

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V. Die Revision des Beklagten war mithin zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

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