Zu den Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung eines Mobilfunkvertrages durch den Anbieter

AG Pankow-Weißensee, Urteil vom 02.02.2012 – 102 C 337/11

Zwar kann der Zahlungsverzug ein Grund zur fristlosen Kündigung sein, aber nur, wenn dieser wiederholt bzw. über einen längeren Zeitraum vorliegt und mutwillig ist. Hat der Kunde eines Mobilfunkanbieters indes nur eine einzige Rechnungsforderung nicht erfüllt, weil er einzelne Rechnungspositionen beanstandet hat, ist ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne von § 626 BGB zu verneinen (Rn.11).

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 61,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 30.1.2010 sowie 39,- EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 77%, die Beklagte 23%. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Von der Abfassung eines Tatbestandes wird gem. § 313 a ZPO abgesehen.


Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nur z.T. begründet. Die anteilige Klagerücknahme (40,- EUR der Hauptforderung sowie 31,20 EUR anwaltliche Gebühren und weitere Zinsen) ist gem. § 269 ZPO wirksam.

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Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von weiteren 61,68 EUR gem. Rechnung vom 1.9.09 (über die anerkannten und bereits tenorierten 51,47 EUR nebst anteiliger Zinsen hinaus) als vereinbarte Vergütung gem. § 611 Abs. 1 BGB zu, da das Bestreiten der Beklagten gem. § 296 ZPO als verspätet zurückzuweisen ist und zudem nicht ausreichend substantiiert ist. Denn die Beklagte hat die Fristen des Gerichts gem. Verfügung vom 18.10.11 verstreichen lassen, obwohl das Gericht ausdrücklich auf die Verspätungsfolgen hingewiesen hat bei Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens und erst mit Schriftsatz vom 7.12.2011 bestritten, 31 Mal die Zielnummer … angewählt zu haben bzw. mit Schriftsatz vom 9.1.12 bestritten, dass das Abrechnungssystem der Klägerin zertifiziert sei. Hätte die Beklagte fristgerecht zur Sache vorgetragen, hätte die Klägerin die geforderte Bescheinigung noch vor dem Termin bzw. jedenfalls in einem nachgelassen Schriftsatz vorlegen können.

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Im Übrigen spricht aber auch ein Anscheinsbeweis für die Richtigkeit der Rechnung vom 1.9.09, den die Beklagte – trotz Hinweis des Gerichts im Termin – nicht durch ein ausreichend substantiiertes Bestreiten erschüttert hat, obschon sie von der Klägerin den Einzelverbindungsnachweis erhalten hat. Es mag sein, dass die Beklagte um 5 Uhr morgens noch schläft. Sie muss indes auch sicherstellen bzw. darlegen und beweisen, dass keine unbefugten Dritten (Kinder/Familienangehörige) das Handy benutzt haben, denen sie den Zugriff möglicherweise fahrlässig und damit zurechenbar ermöglicht haben könnte. Dass sie die Nutzung des Handys durch unbefugte Dritte verhindert hat, trägt sie trotz Hinweises des Gerichts im Termin nicht vor. Die Klägerin war auch nicht verpflichtet, den Dienstleister zu benennen, da dieser von der Beklagten leicht selbst hätte ermittelt werden können, wenn sie die Nummer … z.B. bei Google eingegeben hätte. Dann hätte sie festgestellt, dass die monierten SMS über die … versandt worden sind und der zuständige Dienstleister die Infrastruktur dieser Firma genutzt hat, wobei die … weitere Informationen zum zuständigen Dienstleister über den Link http://www…. anbietet. Es wäre die Obliegenheit der Beklagten gewesen, den Dienstleister zu ermitteln bzw. den Anscheinsbeweis zu erschüttern, der für die Richtigkeit der Rechnung vom 1.9.09 spricht, die sie im Übrigen hinsichtlich der weiteren Positionen nicht beanstandet, sondern die übrigen Forderungen sogar anerkannt hat, so dass das Abrechnungssystem nach dem ersten Anschein sehr wohl funktioniert haben muss.

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Ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten ist jedenfalls nicht ersichtlich, da die Klägerin den Einzelverbindungsnachweis übersandt hat und weitere Informationen vertraglich nicht vereinbart sind. Wenn die Beklagte die Sperre eines konkreten Dienstleisters wegen betrügerischer Handlungen gewünscht hätte, hätte sie diesen der Klägerin jedenfalls namentlich benennen müssen, was sie nicht getan hat. Ihr pauschales Bestreiten ist rechtlich unerheblich und zudem als verspätet zurückzuweisen.

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Der zugesprochene Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 BGB, weil in der Rücklastschrift – trotz erteilter Einzugsermächtigung – eine verzugsbegründende ernsthafte und endgültige Zahlungsverweigerung der Beklagten liegt.

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Insofern kann die Klägerin als Verzugsschaden auch gem. §§ 280, 286 BGB i.V.m. §§ 2, 13, 14 RVG, Nr. 2300, Nr. 7002 W RVG die Gebühren in Höhe von 39,- EUR netto (1,3 Geschäftsgebühr zzgl. 6,50 EUR Auslagenpauschale von 20% der Geschäftsgebühr) verlangen, die sie für die anwaltliche Mahnung vom 9.11.09 bzgl. der Rechnung vom 1.9.09 bezahlt hat, da diese Gebühren unabhängig davon entstanden sind, dass das Mahnschreiben, dessen Zugang die Beklagte bestreitet, möglicherweise auf dem Postweg verloren gegangen ist. Es handelt sich jedenfalls um einen verzugsbedingten Schaden.

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Weitere Forderungen stehen der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

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Sie hat keinen Schadensersatzanspruch in Höhe von restlichen 349,49 EUR gem. Rechnung vom 1.12.09 (389,49 EUR) nach Abzinsung und Abzug ersparter Aufwendungen (insofern 40,- EUR zurückgenommen) aufgrund ihrer fristlosen Kündigung vom 30.11.09 vor Ablauf der 24-monatigen Festlaufzeit des Vertrages (bis 30.4.11) nach § 280 BGB i.V.m. XV. Nr. 2 AGB. Denn die fristlose Kündigung der Klägerin war unwirksam und ihre darin zum Ausdruck kommende ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung war unzulässig, weil ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung des Dienstvertrages im Sinne von §§ 620, 626 BGB nicht vorlag und sich die Beklagte insofern nicht schadensersatzpflichtig gemacht hat, als sie die Rechnung vom 1.9.09 über 113,15 EUR nicht erfüllte.

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Vielmehr kann die Beklagte ihrerseits gem. §§ 280, 281 BGB Freistellung von den Grundgebühren im Wege des Schadensersatzes verlangen aufgrund der andauernden unzulässigen Leistungsverweigerung der Klägerin, die in der fristlosen Kündigung vom 30.11.09 zum Ausdruck kommt und schuldet insofern keine weiteren monatlichen Gebühren für die Monate 12/09 bis 4/11 gem. Rechnung vom 1.12.09, da man gem. § 242 BGB nicht etwas verlangen kann, was man unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt sofort wieder zurückgeben muss.

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Zwar ist in Ziffer XV. 1 a AGB unter anderem geregelt, dass die Klägerin zur fristlosen Kündigung des Vertrages berechtigt ist, wenn der Kunde mit einem Betrag von mehr als 75,- EUR in Verzug ist. Jedoch ist diese Klausel unwirksam gem. § 307 BGB, weil die Beklagte als Verbraucherin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird und die Bestimmung insbesondere mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (siehe § 626 BGB), von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, obschon das TKG auf Mobilfunkverträge nicht anwendbar ist. Denn in § 626 BGB, der über § 306 BGB nun Anwendung findet, ist bestimmt, dass aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist nur gekündigt werden kann, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann, wobei die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen kann ab Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund. Diese gesetzlichen Vorgaben werden in der Klausel XV. 1a AGB vollkommen zu Lasten des Kunden ignoriert. Zwar kann der Zahlungsverzug ein Kündigungsgrund sein, aber nur, wenn dieser wiederholt bzw. über einen längeren Zeitraum vorliegt und mutwillig ist. Hier hat die Beklagte indes nur eine einzige Rechnungsforderung nicht erfüllt, weil sie einzelne Rechnungspositionen beanstandet hat, weshalb ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne von § 626 BGB zu verneinen ist; zudem wurde auch die Kündigungsfrist nicht eingehalten. Mangels Anspruchs auf diesen Teil der Hauptforderung (349, 49 EUR) entfällt insofern auch ein Anspruch auf Verzugszinsen gem. §§ 280, 286 ff. BGB.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 269 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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Für eine Zulassung der Berufung besteht kein Anlass, § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n.F..

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