Zu den Pflichten eines Bewachungsunternehmens bei Eintreffen einer Störungsmeldung beim dem bewachten Objekt

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 21. November 2001 – 8 U 12/01

Zu den Pflichten eines Bewachungsunternehmens bei Eintreffen einer Störungsmeldung beim dem bewachten Objekt

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 15 für Handelssachen, vom 11.12.2000 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 37.212,00 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 9. Juni 1998, mindestens 6,5%, seit 21. Juli 2000 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Beklagten beträgt DM 37.212,00.

Gründe
1
Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat aus übergegangenem Recht gemäß § 67 VVG eine Forderung gegen die Beklagte in Höhe von DM 37.212,00. Zugrunde liegt dieser Forderung ein Schadensersatzanspruch der Versicherungsnehmerin der Klägerin, der Firma E GmbH & Co. (nachfolgend: E) gegen die Beklagte aufgrund positiver Vertragsverletzung des zwischen E und der Beklagten abgeschlossenen Bewachungsvertrages.

2
Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Vertragsverhältnisses kann zunächst auf die Darstellung in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen werden. Auch das Landgericht geht davon aus, daß die Beklagte ihre insoweit eingegangene vertragliche Verpflichtung nicht eingehalten hat, als in der Notrufzentrale der Beklagten am 15.4.1999 um 1.45 Uhr die Meldung „Technikstörung“ auflief. Nach den handschriftlichen Bemerkungen in der „Vereinbarung zum Alarmplan“ bestand bei allen angekreuzten Alarmgruppen, u.a. also auch bei der Alarmgruppe Störung Technik, folgende Verpflichtung der Beklagten: Nach Bearbeitung des Alarmplanes und Nichterreichen der Kontaktpersonen Einsatz A.V., der ruft Polizei, wenn nötig. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Unstreitig hat der betreffende Mitarbeiter der Beklagten, welcher den Alarm bemerkte, lediglich in dem Geschäftslokal der Firma E angerufen. Als sich dort niemand meldete, hat er nichts Weiteres unternommen oder veranlaßt. Insbesondere ist er nicht der Verpflichtung nachgekommen, eine der in der Vereinbarung zum Alarmplan genannten Kontaktpersonen zu informieren, den Einsatz des Alarmverfolgers (A.V.) zu veranlassen oder die Polizei zu rufen.

3
Es bestehen keine Zweifel, daß dieses Unterlassen eine Vertragsverletzung darstellt. Der Hinweis der Beklagten auf ein je nach Alarmgruppe geschuldetes abgestuftes Tätigwerden der Beklagten findet in der vertraglichen Vereinbarung keine Stütze. In der Vereinbarung zum Alarmplan und auch in den übrigen Vertragsunterlagen ergibt sich kein Hinweis, daß etwa bei der Alarmgruppe Störung Technik seitens der Beklagten anders zu reagieren wäre als etwa bei der Alarmgruppe Einbruch. Die erwähnte handschriftliche Vereinbarung in der Vereinbarung zum Alarmplan, welche die Verpflichtung der Beklagten im einzelnen umschreibt, bezieht sich gleichermaßen auf sämtliche Alarmgruppen. Auch vom Sinn und Zweck dieser Vereinbarung her ergibt sich kein hinreichender Anhaltspunkt für eine lediglich abgestufte Verpflichtung der Beklagten. Denn auch beim nächtlichen Auftreten einer Technikstörung ist der mit dem Vertrag bezweckte Schutz entfallen, da im Falle eines nachfolgenden Einbruchs dessen Meldung bei der Beklagten nicht mehr möglich war.

4
Entgegen den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil ist auch von der Ursächlichkeit des pflichtwidrigen Verhaltens der Beklagten für den Eintritt des Schadens auszugehen. Die Beklagte war als Bewachungsunternehmen verpflichtet, während der Bewachungszeit den vereinbarten Schutz des Objekts der Firma E bereitzustellen. Daß die Alarmanlage in der betreffenden Nacht nicht scharf gestellt war, ändert daran nichts. Gerade auch für diesen Fall bestand eine weitere Schutzverpflichtung der Beklagten, wie sich aus dem Auflaufen der Alarmgruppe Störung Technik bei der Beklagten ergibt. Die Beklagte ist deshalb gehalten, insoweit den Entlastungsbeweis zu führen. Gelingt ihr das nicht, so haftet sie für den an dem geschützten Objekt eingetretenen Schaden (§ 282 BGB analog). Gelingt der Entlastungsbeweis nicht, ist zugunsten der geschädigten Firma E zu vermuten, daß die Beklagte die Beschädigungen an dem geschützten Objekt und den Diebstahl schuldhaft verursacht hat. Nach ständiger Rechtsprechung findet auch bei einer positiven Vertragsverletzung eine dem § 282 BGB entsprechende Umkehr der Beweislast statt, wenn die Schadensursache aus dem Gefahrenkreis des Schuldners hervorgegangen ist. Diese Voraussetzung liegt vor, weil der Schaden unstreitig zu einem Zeitpunkt eintrat, als die Beklagte zum Schutz des Objekts verpflichtet war.

5
Gegen diese Beweislastverteilung ergeben sich auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles keine durchgreifenden Bedenken. Sie entspricht der ganz überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung. Lediglich Baumgärtel (Handbuch der Beweislast, 2. Aufl., 1991, Anhang zu § 282 Rn. 93) verlangt als Voraussetzung für diese Beweislastverteilung, daß in dem entsprechenden Bewachungsvertrag die Verhinderung von Diebstählen oder Beschädigungen garantiert wird, also ein Sicherungserfolg. Daran fehlt es nach dieser Ansicht, wenn lediglich Sicherungsvorkehrungen versprochen worden sind. Überwiegend wird jedoch angenommen, daß es sich bei der Verpflichtung aus einem Bewachungsvertrag um eine erfolgsbezogene Pflicht handelt, welche bei Verletzung die Beweislastverteilung gemäß § 282 BGB nach sich zieht (vgl. OLG München, MDR 1960, 224, Staudinger/Löwisch (2001) § 282 Rn. 20, Palandt/Heinrichs, 60. Aufl., § 282 Rn. 12). Auch der Senat sieht in der im vorliegenden Fall seitens der Beklagten übernommenen Vertragsverpflichtung eine erfolgsbezogene Pflicht. Die Erfolgsbezogenheit setzt nicht voraus, daß die Verhinderung von Diebstählen oder Beschädigungen seitens des Bewachungsunternehmens garantiert wird.

6
Der Senat folgt demgemäß auch nicht der Begründung des Landgerichts, wonach die festgestellte Pflichtverletzung deshalb nicht ursächlich geworden sein soll, weil eine Fahrt von der Niederlassung der Beklagten zu den Ladenräumen der Firma E wenigstens 30 Minuten in Anspruch genommen hätte und somit nur noch der vollendete Einbruchdiebstahl habe festgestellt werden können. Die Klägerin hat dies bestritten. Es ist unklar, wie lange sich der oder die Einbrecher in dem Ladenlokal aufgehalten haben. Die rechtlichen Nachteile, welche sich aus dieser Unklarheit ergeben, hat die Beklagte gemäß den obigen Ausführungen zu tragen.

7
Zur Höhe des entstandenen Schadens hat die Klägerin im einzelnen plausibel vorgetragen. Die Beklagte ist dem nicht hinreichend substantiiert und mit entsprechenden Beweisantritten entgegengetreten. Die Beklagte haftet auch für den am Gebäude durch den Einbruch entstandenen Schaden. Zwar war dieser Schaden bei Auflaufen der Alarmmeldung Technikstörung nicht mehr zu verhindern. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß bei einem vertragsgemäßen Reagieren der Beklagten der oder die Täter noch hätten ergriffen und entsprechende Schadensersatzforderungen gegen sie hätten durchgesetzt werden können.

8
Eine Herabsetzung der Schadensersatzforderung kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens der Firma E in Betracht. Die unterlassene Scharfstellung der Alarmanlage hat sich in diesem Fall nicht ausgewirkt. Wie im einzelnen dargestellt, war die Beklagte aufgrund der getroffenen Vereinbarung bei Vorliegen der Alarmgruppe Störung Technik zum Handeln entsprechend der Vereinbarung zum Alarmplan verpflichtet. Eine Ursächlichkeit des Verhaltens der Firma E für den Schadenseintritt ist nicht erkennbar.

9
Der Hilfsantrag der Beklagten gemäß Schriftsatz vom 24.10.2001 ist nicht begründet. Selbst wenn die Klägerin zur Regulierung des Schadens bei der Firma E nach dem insoweit bestehenden Versicherungsvertrag nicht verpflichtet gewesen wäre, kann die Beklagte von der Klägerin nicht die Abtretung eines etwa bestehenden Rückzahlungsanspruchs gegen E verlangen. Dafür ist eine Anspruchsgrundlage nicht ersichtlich. Wenn die Klägerin einen solchen Anspruch gegen E durchsetzen würde, lägen allerdings die Voraussetzungen des gesetzlichen Forderungsübergangs gemäß § 67 VVG nicht mehr vor, weil die Klägerin den Schaden der Firma E nicht mehr ersetzt hätte. Daraus ergibt sich jedoch nicht eine Anspruchsgrundlage auf Abtretung des auf seiten der Klägerin möglicherweise gegen E bestehenden Rückzahlungsanspruchs.

10
Die Zinsforderung ist begründet nach § 288 Abs. 1 BGB.

11
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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