LG Hamburg, Urteil vom 03. Juli 2020 – 412 HKO 74/19
Zu den Folgen der nachträglicher Genehmigung einer Falschablieferung von transportiertem Holz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin erhebt Schadensansprüche im Zusammenhang mit einer Seebeförderung.
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Die Klägerin ist ein rumänisches Unternehmen, welches mit Holz handelt. Am 19.08.2018 übergab sie an die Beklagte, eine Reederei, zehn 40’ High Cube Container mit Holz, die nach B. / Südkorea gebracht werden sollten, für die Kundin T. G. Co. Ltd. 1. J.- R., G.- M., C.- G., G.- D., B.. In dem Kaufvertrag zwischen der Klägerin und ihrer Kundin war eine Lieferung zu den Bedingungen „Cost and Freight“ gemäß INCOTERMS 2010 sowie als Zahlungsmethode „Cash against documents“ mit einem Vorschuss von 30% des Warenwerts vereinbart. Insgesamt sollte ein Preis von 260 USD pro m3 Holz und damit ein Gesamtpreis von 130.000,00 USD von der Empfängerin an die Klägerin gezahlt werden (Anlage K2). Am 10.09.2018 forderte die Klägerin die Original-Konnossemente von der Agentin der Beklagten an, in denen der Kunde als Empfänger (“Consignee“) der Waren eingetragen war,. Diese erhielt sie am 11.09.2019. Am 20.09.2018 schickte die Klägerin die Original-Konnossemente wieder zurück an die Agentin der Beklagten mit der Weisung, die Container in B. nicht freizugeben, sondern auf weitere Anweisungen durch die Klägerin bzw. ein „Telex-Release“ zu warten. Den Erhalt der Konnossemente bestätigte die Agentin der Beklagten mit E-Mail vom 21.09.2018.
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Die Ladung traf am 26.09.2018 in B. ein und lagerte im Hafen, wobei Demurrage- und Detention . Kosten anfielen. Am 17.10.2018 teilte die Agentin der Beklagten der Klägerin mit, dass der Container mit der Nummer F. am 16.10.2018 durch den Kunden abgeholt worden sei. Eine Freigabe der Ware durch die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt.
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In der Folgezeit kam es zu einer Verständigung zwischen der Klägerin und ihrer Kundin. Danach wurden auch die weiteren neun Container an die Empfängerin ausgeliefert und diese zahlte für die Lieferung einen herabgesetzten Preis.
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Die Klägerin erhebt Schadensersatzansprüche aus dem Konnossement und dem Seefrachtvertrag. Ihrer Behauptung nach habe die koreanische Empfängerin bereits während des laufenden Transports alle möglichen Gründe vorgeschoben, um die geschuldete Zahlung zu mindern. Die Klägerin habe daher erwogen, die Ware ggf. an einen anderen Empfänger auszuliefern oder die Ware an einen anderen Ort umzuleiten. Deswegen habe sie auch die auf den Namen ihrer Kundin lautenden Rekta-Konnosemente an die Agentin der Beklagten zurückgesandt. Die Empfänger habe ihr Verhalten auch nach dem Eintreffen der Ware fortgesetzt und dazu auch die unwahre Behauptung aufgestellt, die Ware sei von Insekten befallen und müsse einer Begasungsbehandlung unterzogen werden.
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Nachdem die Beklagte dann ohne jede Berechtigung einen der Container an die Empfängerin ausgeliefert habe, habe sie ihr die Möglichkeit eröffnet, die Ware zu inspizieren und hiernach verschiedene subjektive Gründe zu wählen, um den höchsten Rabatt im Hinblick auf die gesamte Frachtmenge (10 Container) zu fordern und zu erhalten. Dies sei möglich geworden, da nach der Erteilung der Delivery Order auch nur eines im streitgegenständlichen Konnossement aufgeführten Containers gemäß den geltenden Zollbestimmungen die Übertragung des Eigentums an der Ware als erfolgt gelte, sobald der Kunde die unbezahlte Lieferung von der Reederei erhalten habe. Wenn die Klägerin unter diesen Umständen die Sendung an einen anderen Bestimmungsort hätte umleiten wollen, hätte die Klägerin implizit ein Ablehnungsschreiben des Erstkunden (hier: der Empfängerin) oder dessen Zustimmung benötigt, dass die Klägerin die Waren wieder vom Hafen abholen könne.
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Nach der Auslieferung des einen Containers habe die Klägerin daher nach koreanischen Zollrecht keine Möglichkeit mehr gehabt, ohne Mitwirkung des unberechtigten Empfängers über die im Hafen lagernde Ware anderweitig zu verfügen, wie auch eine entsprechende E-Mail der Agentin der Beklagten vom 18.10.2018 (Anlage K 8) bestätige.
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Diese Situation habe die Empfängerin in eine günstige Position gebracht, um aus einer Position der Stärke zu verhandeln.
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Nur auf dieser Grundlage habe die Empfängerin der Klägerin mit E-Mail vom 17.10.2018 (Anlage K 11) folgende alternative Vorschläge unterbreiten können:
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1. Total Ship back to you while repayment of the 30% advance payment.
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2. Partial collection of 4 containers at revised price down to USD180/M3. Remaining 6 containers are to ship back.
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3. Total collection of 10 containers at revised price down to USD 180/M3. Calculations are from trimming cost of USD40/M3 + cut loss from 95mm to 80mm.
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4. New orders are to be discussed later after fixing this matter.”
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Die Klägerin habe keine Wahl gehabt, als den Vorschlag 3 anzunehmen und die damit verbundene erhebliche Reduzierung des Kaufpreises hinzunehmen.
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Der entstandene Schaden belaufe sich damit nicht nur auf den Wert des Inhalts des einen ausgelieferten Containers (13.000 USD), sondern auf die erzielte Preisminderung und die Demurrage / Detention – Kosten für sämtliche Container, insgesamt USD 46.693,49.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 46.693,49 USD nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.01.2019 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt.
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte verweist darauf, dass die Empfängerin die Ware zunächst nicht abgenommen habe. Dies beruhe vermutlich auf Zwistigkeiten zwischen der Empfängerin und der Klägerin, über deren Ursache die Beklagte gleichfalls nur Vermutungen äußern könne. Die Beklagte habe der Empfängerin, nach einer angeblichen Abstimmung zwischen der Empfängerin und der Klägerin, den streitgegenständlichen Container zu Inspektionszwecken überlassen. Allem Anschein nach seien danach weitere Gespräche zwischen der Klägerin und der Empfängerin geführt worden, als deren Ergebnis dann die Weisung an die Beklagte erging, auch die restlichen Container an die Empfängerin auszuliefern. Damit sei die beanstandete Auslieferung des ersten Containers genehmigt worden. Wenn die Klägerin der Empfängerin aufgrund des Zustands der Ware einen Rabatt gegeben habe, sei dies nicht Sache der Beklagten. Da im Übrigen der Wert der Ladung des möglicherweise zunächst zu Unrecht ausgelieferten Containers lediglich USD 13.000,00 betragen habe, sei nicht einzusehen, dass die Klägerin einen höheren Schadensersatz verlangen könne.
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Für den weiteren Vortrag der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Soweit die Klägerin ihren Anspruch wegen der unberechtigten Auslieferung eines Containers auf das Konnossement stützt, also auf § 521 Absatz 4 HGB, entfallen etwaige Ansprüche mit der Genehmigung der Auslieferung an die Empfängerin. Hierzu ist auf die überzeugenden Ausführungen von Ramming, RdTW 2015, 85 zu verweisen. Ramming legt überzeugend dar, dass nach der Auslieferung des Sendungsguts an einen Nicht-Berechtigten die Genehmigung durch den Berechtigten dazu führe, dass die Auslieferung nachträglich befreiende Wirkung erlange. Damit entfielen auch die Ansprüche des Berechtigten aus den §§ 498 ff HGB wegen Verlusts des Gutes und nach § 521 IV HGB. Dem schließt sich das Gericht an.
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Auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten ergibt sich hier nichts anderes, insbesondere kein Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB. Die Besonderheit dieses Falles soll nach dem klägerischen Vortrag darin liegen, dass die fehlerhafte Auslieferung eines Containers aufgrund der koreanischen zollrechtlichen Bestimmungen dazu geführt habe, dass die Klägerin ihre Dispositionsmöglichkeit auch über die übrige Ware verloren habe. Die gesamte Charge, also auch die noch im Hafen lagernden neun weiteren Container, habe die Klägerin ohne Mitwirkung des unberechtigten Empfängers nicht mehr bewegen können. Es hätte damit die Gefahr bestanden, dass sie auf unbestimmte Zeit erhebliche Lagergebühren sowie Demurrage und Detention – Kosten zu tragen gehabt hätte. Das Fehlverhalten der Beklagten habe sie demnach dazu gezwungen, den für sie sehr unvorteilhaften Bedingungen des Empfängers und der Auslieferung der gesamten Charge an diesen notgedrungen zuzustimmen.
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Dieser Vortrag ist als streitig zu betrachten, da er einem nachgelassenen Schriftsatz entstammt, ohne dass die Beklagte dazu Stellung nehmen konnte. Doch auch wenn es als richtig unterstellt wird, dass weitere Warenbewegungen einer Einverständniserklärung des (unberechtigten) Empfängers bedurft hätten, begründet dies keinen weiteren Schadensersatzanspruch. Zum einen ist schon nicht ersichtlich, dass der unberechtigte Empfänger nicht bereit war, den gelieferten Container mit der beanstandeten Ware wieder herauszugeben bzw. die für die Bewegung der Ware erforderlichen Erklärungen abzugeben. Da er kein Recht an der Ware hatte, war er dazu verpflichtet, und die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sie ihn zur Herausgabe bzw. Mitwirkung aufgefordert hätte. Im Gegenteil hat die Klägerin als Anlage K 11 einen Text vorgelegt, von dem sie behauptet, er entstamme einer E-Mail der Empfängerin an die Klägerin vom 17.10.2018 (das wird hier deswegen so zurückhaltend dargestellt, weil die Absende- und Empfangsadressen nicht wiedergegeben wurden). Wird dies gleichfalls als richtig unterstellt, zeigt sich, dass die Empfängerin der Klägerin drei Alternativen aufgezeigt hatte, wie weiter zu verfahren sei, nämlich (1) die Klägerin erstattet den Vorschuss und nimmt die ganze Lieferung zurück; (2) die Empfängerin nimmt vier Container zu einem reduzierten Preis und die Klägerin nimmt sechs Container zurück; (3) die Empfängerin übernimmt alle zehn Container gegen Abzüge vom ursprünglichen Preis. Ergänzend (4) stellt die Empfängerin in Aussicht, über weitere Bestellungen zu verhandeln, wenn die Sache geklärt wäre. Diese durch die Klägerin vorgelegte E-Mail – Kommunikation widerspricht ihren Vortrag, die Empfängerin habe sie mit den auflaufenden Kosten erpresst, sodass sie gezwungen gewesen wäre, alle Container an die Empfängerin auszuliefern und dafür erhebliche Preisabzüge in Kauf nehmen. Zumindest ist ihr diesbezüglicher Vortrag unter Berücksichtigung dieser von ihr vorgetragenen E-Mail in sich so widersprüchlich, dass er einer Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden kann. Da folglich die angenommene Grundlage etwaiger Schadensersatzansprüche entfällt, dass der Klägerin eine Disposition über die Ware infolge der Fehlauslieferung nicht mehr möglich war, lässt sich der Schaden durch einen etwaigen Mindererlös der Beklagten auch nicht zurechnen.
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Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen ist aber auch nicht erkennbar, dass ein Schaden in Höhe des der Klägerin durch die Empfängerin vom vereinbarten Preis abgezogenen Betrages eingetreten ist. Die Klägerin hat nämlich nicht dargelegt, dass sie einen diese Differenz ausgleichenden Erlös anderweitig hätte erzielen können. Dieser Betrag wäre nur dann gemäß § 252 BGB ersatzfähig, wenn ein entsprechender Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Das aber war für diese Partie nicht der Fall. Von einem anderen Käufer in Korea, der genau diese Waren, genau in dieser Menge benötigte, ist nichts bekannt. Bei einer etwaigen Verschiffung der Waren wohin auch immer, zu wem auch immer ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin die Differenz unter Berücksichtigung der zu erwartenden zusätzlichen Kosten hätte vereinnahmen können.
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Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Empfängerin ohne die Fehlauslieferung bereit gewesen wäre, die gesamte Ware zum Ursprungspreis abzunehmen. Dass diese Empfängerin als nicht vertragstreu anzusehen war und den Ausgangsvertrag nicht erfüllen wollte, hat die Klägerin selbst ausführlich dargelegt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.