AG Düsseldorf, Urteil vom 07.08.2017 – 25 C 447/16
Wirksame Eigenbedarfskündigung nur bei hinreichender Angabe der Personen und deren Eigennutzungsinteresse
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Tatbestand
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Die Kläger begehren von der Beklagten aufgrund einer Eigenbedarfskündigung Räumung der von ihr gemieteten Wohnung.
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Die Beklagte mietete zum 01.10.2012 die im Haus L-Straße in E im 2. OG rechts gelegene Wohnung von der T Grundstücksgemeinschaft (Mietvertrag vom 10.09.2012, Anlage K1). Im Januar 2016 wurden die Kläger neue Eigentümer des Hauses in der L-Straße und traten in den bestehenden Mietvertrag als neue Vermieter ein. Das Haus besteht aus einem Keller, drei Vollgeschossen und einem Dachgeschoss und ist bislang für die Nutzung durch 7 Mietparteien ausgelegt.
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Mit Schreiben vom 15.03.2016 sprachen die Kläger gegenüber der Beklagten wegen Eigenbedarfs die Kündigung zum 30.11.2016 aus (Anlage K2). Als Kündigungsgrund gaben sie an:
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„Die Kündigung erfolgt gem. § 573 Abs. 2 Ziffer 2 BGB wegen Eigenbedarfs. Wie wir Ihnen bereits mündlich mitgeteilt haben, haben wir das Haus L-Straße, E gekauft, um im gesamten Haus mit unseren Kindern und der Mutter von O, I, zu wohnen und zu arbeiten. Hierzu wird das gesamte Haus umgebaut.
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Nach dem Umbau, dessen Beginn für Januar 2017 geplant ist, wird das gesamte 2. OG – also auch die von Ihnen bewohnte Wohnung – zu Schlafzimmern und Badezimmer für uns und unsere Kinder.“
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Mit Schreiben vom 03.08.2016 widersprach die Beklagte der Kündigung. Mit anwaltlichem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 19.10.2016 und 27.10.2016 gab die Beklagte an, dass sie von einem vorgeschobenen Eigenbedarf ausgehe.
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Die Kläger behaupten, dass sie das gesamte Haus in der L-Straße benötigen würden, um dort mit ihren drei Kindern und der Mutter des Klägers wohnen und ihrer freiberuflichen Tätigkeit nachgehen zu können. Sie würden beabsichtigen, zu diesem Zweck das gesamte Haus umzubauen. Für die drei gemeinsamen Kinder der beiden Kläger würde jeweils ein eigenes Zimmer benötigt. Zudem würde für die ältere Tochter des Klägers ein Gästezimmer benötigt, da diese zwar nicht dort einziehen solle, aber häufig zu Besuch käme. Es sei geplant, dass aus der Wohnung der Beklagten die Schlafzimmer der Kläger und der ihrer drei Kinder sowie ein Bad entstehen sollen. Für die Mutter des Klägers werde eine eigene Wohnung benötigt, die sich über einen Teil des Erdgeschosses und des 1. OG erstrecken solle.
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Die Kläger behaupten weiter, den einzelnen Mietern nach Erwerb des Hauses mitgeteilt zu haben, dass sie alle Mietverträge aufgrund von Eigenbedarf kündigen müssten, weil sie mit ihrer Familie in das Haus einziehen und arbeiten wollten. Sie hätten allen Mietern die Möglichkeit eingeräumt, sämtliche Umbaupläne des Hauses einzusehen.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung in der L-Straße, E im 2. OG rechts, bestehend aus 2 Zimmern, 1 Küche, 1 Diele, 1 eingerichtetes Bad/WC, sowie einem zugehörigen Kellerraum zu räumen und an sie herauszugeben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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I.
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Den Klägern steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus §§ 546 Abs. 1, 985 BGB zu. Denn die von ihnen ausgesprochene Kündigung wegen Eigenbedarfs vom 15.03.2016 ist formell unwirksam und hat das Mietverhältnis nicht beendet.
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Nach § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB sind die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Dieser formellen Anforderung, die bei einer ordentlichen Kündigung des Vermieters Wirksamkeitsvoraussetzung ist, wird das Kündigungsschreiben der Kläger nicht hinreichend gerecht.
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Der Zweck des Begründungserfordernisses besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (BGH, Urteil vom 15.03.2017, Az. VIII ZR 270/15, Rz. 15 m.w.N. – zitiert nach juris). Diesem Zweck wird nach höchstrichterlicher Rechtsprechung im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Denn eine solche Konkretisierung ermöglicht es dem Mieter, der die Kündigung nicht hinnehmen will, seine Verteidigung auf den angegebenen Kündigungsgrund auszurichten, dessen Auswechselung dem Vermieter durch das Begründungserfordernis gerade verwehrt werden soll. Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs sind grundsätzlich (1.) die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und (2.) die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, erforderlich und ausreichend (st. Rspr. BGH, Urteil vom 15.03.2017, Az. VIII ZR 270/15, Rz. 15; Urteil vom 17.03.2010, Az. VIII ZR 70/09, Rz. 8; Urteil vom 27.06.2007, Az. VIII ZR 271/06 – jeweils m.w.N. und zitiert nach juris). Vorliegend haben die Kläger weder die Bedarfspersonen vollständig angegeben noch deren jeweiligen Bedarfsgrund hinreichend mitgeteilt.
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1. Unvollständige Angabe der Bedarfspersonen
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Die Kläger geben in ihrem Schreiben vom 15.03.2016 an, dass sie das Haus für sich, ihre Kinder und die Mutter des Klägers benötigen würden. Insoweit fehlt bereits die Angabe zu der Anzahl der Kinder, die mit in das Haus einziehen sollen. Diese ist insoweit bedeutsam, als das Haus bislang für die Nutzung durch 7 Mietparteien ausgelegt ist. Ohne Angabe der konkreten, vollständigen Personenanzahl kann von der Beklagten daher nicht eingeschätzt werden, ob nicht etwa ein rechtsmissbräuchlich überhöhter Wohnbedarf geltend gemacht wird. Diese Angabe erscheint für die Kläger auch zumutbar und überspannt nicht die Anforderungen an ein Kündigungsschreiben.
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2. Nicht hinreichende Angabe des Bedarfsgrundes
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Die Kläger haben außerdem verabsäumt, in ihrem Schreiben vom 15.03.2016 hinreichende Angaben zu ihrem Eigennutzungsinteresse zu machen.
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Sofern die Kläger sich auf die Angabe beschränken, dass sie beabsichtigen, „im gesamten Haus mit unseren Kindern und der Mutter von O, I, zu wohnen und zu arbeiten“, ist dies aus Sicht des erkennenden Gerichts nicht ausreichend. Vielmehr muss der Wunsch des Vermieters (auf materiell-rechtlicher Ebene) von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen werden und sind diese Gründe daher (auf formeller Ebene) im Kündigungsschreiben – wenn auch nicht bis ins Detail – anzugeben (vgl. Blank/Börstinghaus, Miete, 5. Auflage 2017, § 573 Rn. 210 m.w.N.). Dabei dürfen keine überspannten Anforderungen an die Begründung nach § 573 Abs. 3 BGB gestellt werden. So ist der Vermieter nicht etwa gehalten, die Bedarfstatsachen so umfassend mitzuteilen, dass der Mieter schon alleine aufgrund der Kündigungserklärung in der Lage ist, die Erfolgsaussichten der Kündigung in einem Prozess überschlägig prüfen zu können. Denn der Zweck der Vorschrift erfordert nur die Information des Mieters, nicht aber eine dem Räumungsprozess vorbehaltene Substantiierung der Gründe nebst Beweisführung (vgl. Milger, Die Kündigung des Vermieters wegen Eigenbedarfs, in: NZM 2014, 769 [778]). Der Vermieter muss jedoch die Kernthese des geltend gemachten Grundes – die sogenannten Kerntatsachen – im Kündigungsschreiben selbst angeben (Blank/Börstinghaus, a.a.O., § 573 Rn. 207 m.zahlr.w.N.). Bei der Eigenbedarfskündigung gehören hierzu beispielsweise Angaben wie: „Fehlende anderweitige Unterbringung am Ort“, „bisherige Wohnung wurde vom Vermieter gekündigt“, „bisherige Wohnung zu klein oder zu groß“, „gesundheitliche oder Altersgründe“, „berufliche oder schulische Gründe“, „statt zur Miete im Eigentum wohnen“ oder „vermietete Wohnung für Zwecke des Vermieters besser geeignet als bisherige Wohnung“ (Blank/Börstinghaus, a.a.O., § 573 Rn. 207; vgl. Milger, NZM 2014, 769 [773]).
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Eine derartige Begründung lässt das Kündigungsschreiben der Kläger vermissen. Aus diesem lässt sich nicht entnehmen, inwieweit sich die aktuelle Wohn- und Arbeitssituation der Kläger durch den Einzug in das Haus in der L-Straße verbessern bzw. überhaupt verändern würde. Ebenso fehlt jede Begründung für das Einzugsinteresse der Mutter des Klägers, deren geplante Wohnung sich bei 4 Obergeschossen immerhin über das gesamte 1. OG und einen Teil des Erdgeschosses erstrecken soll. Die Vernünftigkeit und Nachvollziehbarkeit der geltend gemachten Eigennutzung kann damit von der Beklagten auf Grundlage des Schreibens vom 15.03.2016 nicht geprüft werden.
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3. Erfolglose Berufung der Kläger auf (vermeintliche) mündliche Mitteilungen
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Soweit sich die Kläger darauf berufen, der Beklagten mündlich ihre Motivation für den Einzug in das Haus geschildert zu haben und hierauf auch in ihrem Kündigungsschreiben Bezug nehmen, führt dies nicht zu einer Erleichterung ihrer Begründungsobliegenheit. Denn der vorliegende Verweis „Wie wir Ihnen bereits mündlich mitgeteilt haben (…)“ ist hierfür schlicht zu pauschal (Milger, NZM 2014, 769 [778]). Anhand des Kündigungsschreibens lässt sich nicht eingrenzen, in welchem Gespräch der Beklagten was mitgeteilt worden sein soll.
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Soweit der Bundesgerichtshof eine Wiederholung der Eigenbedarfsgründe in der Kündigung selbst für nicht erforderlich und für eine „sinnlose und durch berechtigte Interessen des Mieters nicht zu rechtfertigende Förmelei“ gehalten hat, handelte es sich um Fälle, in denen dem Mieter ein entsprechendes, früheres Schreiben zugegangen war und nicht um bloße vorangegangene mündliche Erörterungen (BGH, Urteil vom 06.07.2011, Az. VIII ZR 317/10 m.w.N. – zitiert nach juris).
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Es mag dem Mieter im Einzelfall mit Rücksicht auf Treu und Glauben nach § 242 BGB verwehrt sein, sich darauf zu berufen, dass der ihm wohlbekannte Kündigungsgrund nicht explizit im Kündigungsschreiben wiederholt wurde. Dass der Beklagten die Eigenbedarfsgründe genauestens bekannt waren, tragen die Kläger aber schon selbst nicht vor. Vielmehr geben sie an, dass die Beklagte von dem Angebot, die Umbaupläne einzusehen, keinen Gebrauch gemacht habe. Zudem haben die Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass die Beklagte jeden Kontakt abgelehnt hätte. Vor diesem Hintergrund hätten sie sich nicht darauf beschränken dürfen, in ihrem Kündigungsschreiben auf eine mündliche Mitteilung zu verweisen und die Begründung im Übrigen derart knapp zu halten.
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II.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 7, 711 ZPO.
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III.
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Der Streitwert wird auf 6.840,00 EUR festgesetzt.
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Rechtsbehelfsbelehrung:
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Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
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1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
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2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
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Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
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Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Düsseldorf zu begründen.
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Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
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Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.