Vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit kann Grund zur fristlosen Kündigung sein

Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 16.11.2011 – 10 Sa 884/11

In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass das Vortäuschen einer in Wirklichkeit nicht bestehender Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben. Ein Arbeitnehmer, der das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit lediglich vortäuscht, verstößt regelmäßig gegen seine Arbeitspflicht und kann bei einem entsprechenden Nachweis je nach den Umständen des Einzelfalles auch wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung fristlos entlassen werden (Rn.76).

In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet ist, wenn er dem Arbeitnehmer eine nur ausreichende oder noch schlechtere Bewertung zukommen lassen will (Rn.95).

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 16.03.2011 – 1 Ca 4131/09 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch eine fristlose Kündigung der Beklagten, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, die Abgeltung von Urlaub, die Berichtigung eines Zeugnisses und im Wege der Widerklage über die Rückerstattung von Ausbildungskosten.

2

Die am 15.12.1984 geborene, ledige Klägerin war seit dem 01.04.2009 aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.04.2009 (Bl. 3 ff. d.A.) als Vertriebsassistentin zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 1.800,00 € bei der Beklagten tätig. In § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages war eine sechsmonatige Probezeit mit einer Kündigungsfrist von 14 Tagen vereinbart.

3

In der Zeit ab dem 08.06.2009 nahm die Klägerin über einen sogenannten Bildungsscheck an einem IHK-Kurs „Fachkraft Marketing und Vertrieb“ teil. Das Land NRW bezuschusste die Klägerin für diesen Kurs mit 50 % des Gesamtlehrgangsentgelts in Höhe von 467,50 €. Die weiteren 50 % in Höhe von 467,50 € zahlte die Beklagte.

4

Für die Teilnahme an dieser Fortbildung von insgesamt über 150 Stunden hatte die Klägerin am 05.06.2009 folgende Bestätigung (Bl. 23 d. A.) unterschrieben:

5

„Zusage zur Teilnahme an Fortbildung

6

Hiermit bestätige ich die Teilnahme an oben genannter Fortbildung.

7

Ebenso bestätige ich, die unternehmensanteiligen Kosten der Fortbildung zu selbst zu tragen, sofern ich mehr als 15 % der Unterrichtseinheiten der Fortbildung ohne ersichtlichen Grund (beispielsweise belegt durch ein ärztliches Attest) fern bleibe.“

8

Am 28.07.2009 sandte die Klägerin ihrer Arbeitskollegin, der Zeugin E2, eine E-Mail (Bl. 15 d. A.) mit folgendem Inhalt:

9

„Guten Morgen liebe B1

10

ich werde gleich erstmal zum Arzt. (Ich habe die Woche zwei Gespräche ;o)
11

Die Krankmeldung werde ich einreichen, ich werde Dich später auch noch anrufen. Nur damit Du Bescheid weißt, bzw. das an I1 weitergeleitet wird.

12

Fühl Dich gedrückt“

13

Im Anschluss an diese E-Mail kam es zu einem Telefonat zwischen der Klägerin und der Zeugin E2. Die Einzelheiten dieses Telefonats sind zwischen den Parteien streitig, insbesondere streiten die Parteien darüber, in welcher Form über die Erkrankung der Klägerin gesprochen wurde.

14

Am 28.07.2009 reichte die Klägerin der Beklagten eine von dem Zeugen Dr. H2 ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 28.07.2009 bis zum 31.07.2009 bei der Beklagten ein (Bl. 16 d. A.), anschließend eine Folgebescheinigung für die Zeit vom 03.08.2009 bis zum 07.08.2009 (Bl. 17 d. A.).

15

Ob die Klägerin in der Zeit vom 28.07.2009 bis zum 07.08.2009 tatsächlich arbeitsunfähig gewesen ist, ist zwischen den Parteien streitig.

16

Mit Schreiben vom 31.07.2009 (Bl. 18 d. A.) kündigte die Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis fristlos „wegen Vortäuschen von Arbeitsunfähigkeit.“ Das Kündigungsschreiben wurde von der Beklagten mit Einwurfeinschreiben am 31.07.2009 um 17.24 Uhr zur Post gegeben (Bl. 19 d. A.). Wann das Kündigungsschreiben vom 31.07.2009 der Klägerin zugegangen ist, am 04.08.2009, so die Beklagte oder am 06.08.2009, so die Klägerin, ist zwischen den Parteien streitig.

17

Für die Zeit ab 01.08.2009 zahlte die Beklagte an die Klägerin keine Vergütung mehr. Ab 08.08.2009 erhielt die Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von 21,22 € täglich.

18

Mit der am 25.08.2009 beim Arbeitsgericht erhobenen Klage machte die Klägerin die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 31.07.2009 geltend und verlangte den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 19.08.2009.

19

Unter dem 31.07.2009 hatte die Beklagte der Klägerin ein Zeugnis (Bl. 42 d. A.) erteilt, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

20

Mit Klageerweiterung vom 13.10.2009 begehrte die Klägerin ferner die Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von 450,00 € für sechs Urlaubstage.

21

Mit der weiteren Klageerweiterung vom 30.11.2009 machte die Klägerin die Zahlung ihrer Arbeitsvergütung für die Zeit vom 01.08.2009 bis zum 19.08.2009 abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes sowie die Erteilung eines berichtigten Zeugnisses geltend.

22

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung vom 31.07.2009 sei unwirksam. Ein wichtiger Grund hierfür sei nicht vorhanden. Sie habe ihre Arbeitsunfähigkeit nicht vorgetäuscht, sondern sei, wie sie behauptet hat, in der Zeit vom 28.07.2009 bis zum 07.08.2009 tatsächlich arbeitsunfähig gewesen. Aus der E-Mail vom 28.07.2009 ergebe sich nichts anderes. Im Telefonat mit der Zeugin E2 habe sie lediglich auf ein bestehendes Rückenleiden hingewiesen. Tatsächlich habe sie erklärt, aufgrund eines Rückenleidens für den Rest der Woche auszufallen. Zwar habe sie zwei Vorstellungsgespräche vereinbart, diese habe sie aber beide krankheitsbedingt absagen müssen.

23

Die Klägerin hat ferner behauptet, das Kündigungsschreiben erst am 06.08.2009 erhalten zu haben. Aus diesem Grunde bestehe das Arbeitsverhältnis bis zum 19.08.2009 fort.

24

Ihr stehe ferner Urlaubsabgeltung für sechs Urlaubstage in Höhe von 450,00 € zu. Ferner müsse die Beklagte das Arbeitsentgelt für die Zeit bis zum 19.08.2009 abzüglich des ihr gewährten Arbeitslosengeldes zahlen.

25

Sie habe auch einen Anspruch auf Berichtigung des ihr von der Beklagten erteilten Zeugnisses.

26

Die Klägerin hat beantragt,

27

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31.07.2009 – zugegangen am 06.08.2009 – nicht aufgelöst und das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den Kündigungszeitpunkt hinaus bis zum 19.08.2009 unverändert fortbestanden hat,

28

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 450,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem Bruttobetrag seit dem 20.08.2009 zu zahlen,

29

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.103,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, abzüglich des ab 08.08.2009 kalendertäglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 21,22 € zu zahlen,

30

4. die Beklagte zu verurteilen, den 3. Absatz des ihr erteilten Arbeitszeugnisses wie folgt neu zu fassen:

31

„Frau P1 führte die o.g. Arbeiten stets zu unserer Zufriedenheit aus.“

32

den 4. Absatz des Zeugnisses vom 31.07.2009 wie folgt neu zu fassen:

33

„Das Verhalten von Frau P1 gegenüber Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kunden war stets höflich und korrekt.“

34

den 3. Aufzählungspunkt am Satzende ebenfalls mit einem Punkt zu versehen.

35

Die Beklagte hat beantragt,

36

die Klage abzuweisen,

37

widerklagend die Klägerin zu verurteilen, an sie 317,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen.

38

Sie hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung sei wirksam. Hierzu hat sie behauptet, die Klägerin habe ihre Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht. In Wahrheit sei sie nicht arbeitsunfähig gewesen. Die Klägerin habe am 28.07.2009 kurz nach dem Absenden der E-Mail die Zeugin E2 angerufen. Diese habe sie gefragt, was es mit der E-Mail auf sich habe und was es für Termine seien. Die Klägerin habe darauf mitgeteilt, dass sie am Donnerstag und am Freitag der Woche, am 30. und 31.07.2009, je ein Vorstellungsgespräch für eine andere Arbeitsstelle habe; wenn sie sich dann erst krankschreiben lassen würde, würde es ja auffallen. Die Zeugin habe die Klägerin daraufhin gefragt, was sie denn habe, an welcher Krankheit sie leide. Die Klägerin habe darauf erwidert: „Sagen wir mal, ich habs im Rücken. Herr Dr. H2 sei ja einer ihrer Ex-Freunde, mit der Krankschreibung gebe es keine Probleme.“

39

Bereits aus der E-Mail vom 28.07.2009 ergebe sich, dass die Klägerin sich nur habe krankschreiben lassen, um die zwei Vorstellungsgespräche durchführen zu können. Das Zeichen „;o)“ stelle ein zugekniffenes Auge dar und bedeute in der Computersprache: „Du weißt schon, wie ich das meine.“

40

Insgesamt habe die Klägerin damit ihre Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht und einen Lohnbetrug versucht.

41

Die Beklagte hat ferner behauptet, die Klägerin habe das Kündigungsschreiben vom 31.07.2009 spätestens am 04.08.2009 erhalten. Das Einwurfschreiben sei am 31.07.2009 zur Post gegeben. Dies ergebe sich aus dem Einlieferungsbeleg (Bl. 19 d. A.).

42

Der Klägerin stehe auch kein Zeugnisberichtigungsanspruch zu. Das unter dem 31.07.2009 erteilte Zeugnis sei richtig. Nach dem Weggang der Klägerin habe man im Rahmen der Datenüberprüfung umfangreichen E-Mail-Verkehr der Klägerin gefunden (Bl. 105 ff. d. A.). Daraus ergebe sich, dass die von der Klägerin angestrebte Zeugnisbewertung nicht angemessen sei.

43

Gegen die von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsansprüche hat die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit der Widerklageforderung erklärt. Mit der Widerklage macht die Beklagte die Rückzahlung der an die Klägerin gezahlten Kurskosten geltend. Hierzu hat sie behauptet, die Klägerin habe in der Zeit vom 01.07.2009 bis zum 09.09.2009 häufig unentschuldigt gefehlt und an den Kursterminen nicht teilgenommen (Bl. 25 d. A.).

44

Die Klägerin hat beantragt,

45

die Widerklage abzuweisen.

46

Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagten stehe kein Rückzahlungsanspruch zu. Sie habe an den einzelnen Kursterminen nicht unentschuldigt gefehlt. Ein Rückzahlungsanspruch für die Beklagte ergebe sich schon deshalb nicht, weil die Beklagte bereits am 31.07.2009 das Arbeitsverhältnis fristlos beendet habe.

47

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin E2 und des Zeugen Dr. H2. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, so wie es in den Sitzungsniederschriften des Arbeitsgerichts vom 03.09.2010 (Bl. 154 ff. d. A. und vom 16.03.2011 (Bl. 190 ff. d. A.) niedergelegt ist, wird Bezug genommen.

48

Durch Urteil vom 16.03.2009 hat das Arbeitsgericht sodann der Klage in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die außerordentliche Kündigung sei unwirksam. Die Beklagte habe nicht nachweisen können, dass die Klägerin eine Arbeitsunfähigkeit in dem Zeitraum vom 28.07.2009 bis zum 07.08.2009 lediglich vorgetäuscht habe. Zwar seien die Zweifel der Beklagten an der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin berechtigt gewesen. Durch die durchgeführte Beweisaufnahme, insbesondere durch die Aussage des die Klägerin behandelnden Arztes Dr. H2 sei aber erwiesen, dass die Klägerin tatsächlich arbeitsunfähig gewesen sei. Dies führe zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 31.07.2009. Da das Kündigungsschreiben der Klägerin erst am 06.08.2009 zugegangen sei, bestehe das Arbeitsverhältnis bis zum 19.08.2009 fort. Einen früheren Zugang des Kündigungsschreibens habe die Beklagte nicht bewiesen. Auch die Zahlungsansprüche der Klägerin seien begründet. Die Klägerin habe einen Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 5 BUrlG in der unstreitig geltend gemachten Höhe. Ferner stehe der Klägerin das Arbeitsentgelt bis zum 19.08.2009 zu. Auch der Zeugnisberichtigungsanspruch sei begründet. Die Beklagte habe nicht substantiiert dargelegt, dass der Klägerin lediglich eine unterdurchschnittliche Leistungsbewertung zustehe. Schließlich sei die Widerklage der Beklagten unbegründet. Die Klägerin habe an den einzelnen Kursterminen nicht unentschuldigt gefehlt, sie sei zum Teil arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Darüber hinaus lägen Fehlzeiten in Höhe von 17 % nicht vor.

49

Gegen das der Beklagten am 03.05.2011 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 30.05.2011 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am Montag, den 04.07.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

50

Die Beklagte ist nach wie vor der Auffassung, die außerordentliche Kündigung sei wirksam, weil die Klägerin ihre Arbeitsunfähigkeit lediglich vorgetäuscht habe. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Würdigung nicht berücksichtigt, dass die Klägerin zu dem zweiten von ihr beabsichtigten Vorstellungsgespräch am 31.07.2009 keine Stellungnahme abgegeben habe. Wenn die Klägerin ernsthaft krank gewesen wäre, hätte sie der Zeugin E2 mitgeteilt, sie hätte aufgrund ihres Umzugs Kisten getragen und sich dabei verhoben. Demgegenüber habe sie aber gegenüber der Zeugin E2 ausdrücklich geäußert: „… sagen wir mal, ich habs im Rücken“.

51

Das Vorbringen der Klägerin und die Aussage des Zeugen Dr. H2 seien auch widersprüchlich. Während die Klägerin vorgetragen habe, sie sei am 28.07.2009 zur Untersuchung bei Herrn Dr. H2 gewesen, habe dieser bei seiner Aussage als Zeuge bekundet, er habe die Klägerin auf deren Anruf hin aufgesucht und einen Hausbesuch durchgeführt.

52

Das Arbeitsgericht habe bei seiner Würdigung auch nicht genügend berücksichtigt, dass die Klägerin und der Zeuge Dr. H2 in der Vergangenheit „ein Paar“ gewesen und auch nach der Beendigung der Beziehung weiterhin gut miteinander befreundet seien. Insoweit ergebe sich der Verdacht eines Gefälligkeitsattestes. Auffällig sei auch, dass die Klägerin sich immerhin erst zwei bis drei Stunden nach dem Telefonat mit der Zeugin E2 fernmündlich mit Herrn Dr. H2 in Verbindung gesetzt habe.

53

Der Zeuge Dr. H2 habe zwar in seiner Vernehmung klar und deutlich die Symptome von Rückenbeschwerden beschrieben. Dies hätte man aber auch genau so in einem medizinischen Lehrbuch nachlesen können.

54

Es sei auch außergewöhnlich, dass ein Arzt, der eigentlich Urlaub habe, während dieses Urlaubs zwei Hausbesuche bei einer Patientin mache und die Patientin ihn über Handy erreichen könne. Wenig nachvollziehbar sei auch, dass dieser Arzt die Beschwerden in allen Einzelheiten nach über anderthalb Jahren noch im Detail beschreiben könne. Insoweit gehe die Beklagte davon aus, dass der Zeuge Dr. H2 als praktizierender Arzt in der Lage sei, ein Krankheitsbild auch unabhängig davon, ob es tatsächlich vorliege, fundiert zu beschreiben.

55

Soweit das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil davon ausgegangen sei, dass die Klägerin vor der Kollegin mit der Bekanntschaft zum Zeugen hätte prahlen wollen, aber gleichwohl tatsächlich Beschwerden gehabt habe, unterstelle das Arbeitsgericht zu Gunsten der Klägerin etwas, was diese selbst niemals so vorgetragen habe. Die Klägerin habe in der Sitzung des Arbeitsgerichts vom 16.04.2010 selbst geäußert, dass sie im Gespräch mit der Zeugin E2 hierzu keine Äußerungen gemacht habe.

56

Auch das Zeichen „;o)“ am Ende der E-Mail der Klägerin vom 28.07.2009 weise nach, dass die Klägerin eine Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum der Vorstellungsgespräche habe vortäuschen wollen und von Anfang an geplant habe, zum Zeitpunkt der Vorstellungsgespräche krank zu werden.

57

Das Arbeitsgericht habe auch zu Unrecht dem Zeugnisberichtigungsantrag der Klägerin stattgegeben. Aus dem vorgelegten E-Mail-Schriftverkehr der Klägerin sei zu entnehmen, dass das Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kunden gerade nicht stets korrekt gewesen sei.

58

Auch die von der Beklagten erhobene Widerklage sei begründet. Die Klägerin habe bis zum 09.09.2009 mehr als 15 % unentschuldigt gefehlt. Bis Dezember 2009 seien 150 Unterrichtsstunden angesetzt gewesen. Bis zum 09.09.2009 habe die Klägerin insgesamt an 36 Unterrichtseinheiten nicht teilgenommen. Das seien mehr als 15 %.

59

Die Beklagte beantragt,

60

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Dortmund vom 16.03.2011 – 1 Ca 4131/09 – die Klage abzuweisen und

61

die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 317,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen.

62

Die Klägerin beantragt,

63

die Berufung zurückzuweisen.

64

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist nach wie vor der Auffassung, sie habe ihre Arbeitsunfähigkeit ordnungsgemäß durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung en nachgewiesen. Sie sei tatsächlich arbeitsunfähig gewesen. Der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei auch nicht erschüttert. Bei den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die der Zeuge Dr. H2 ausgestellt habe, handele es sich nicht um Gefälligkeitsatteste. Herr Dr. H2 habe als Zeuge bei seiner Vernehmung vor dem Arbeitsgericht im Einzelnen nachvollziehbar geschildert, aus welchen Gründen es zu den jeweils gestellten Diagnosen gekommen sei. Dass der Zeuge Dr. H2 wissentlich falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt habe, sei nicht bewiesen. Auch die Vorerkrankungen der Klägerin hätten für die Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ab dem 28.07.2009 gesprochen. Dass Herr Dr. H2 die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin so ausführlich beschrieben habe, habe daran gelegen, dass Herr Dr. H2 als Zeuge beim Arbeitsgericht vom 16.03.2011 seine Arztunterlagen dabei gehabt habe.

65

Die Klägerin habe aus Krankheitsgründen nicht nur das Vorstellungsgespräch vom 30.07.2009 abgesagt, sondern auch das zweite Vorstellungsgespräch, das für den 31.07.2009 geplant gewesen sei.

66

Zu Recht habe das Arbeitsgericht auch den weiteren Ansprüchen der Klägerin stattgegeben und die Widerklage der Beklagten abgewiesen. Die Beklagte übersehe insoweit, dass das Arbeitsverhältnis von der Beklagten am 31.07.2009 unwirksam fristlos gekündigt worden sei. Bereits aus diesem Grunde liege ein unentschuldigtes Fehlen an den einzelnen Kursterminen seit dem 28.07.2009 nicht vor.

67

Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

68

Die Berufung der Beklagten ist zum Teil unzulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet.

69

I. Die Berufung ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Urlaubsabgeltung in Höhe von 450,– € wendet. Insoweit liegt keine ordnungsgemäße Berufungsbegründung im Sinne des § 520 ZPO vor.

70

Bezieht sich eine Berufung auf mehrere Ansprüche im prozessualen Sinn, muss zu dem Anspruch eine ausreichende Berufungsbegründung gegeben werden. Fehlen Ausführungen zu einem Anspruch, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig (BAG 16.04.1997 – 4 AZR 653/95AP ArbGG 1979 § 72 Nr. 35; BAG 16.03.2004 – 9 AZR 323/03 – AP TzBfG § 8 Nr. 10). Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn die Begründetheit des einen Anspruchs denknotwendig von der des anderen abhängt (BAG 09.04.1991 – 1 AZR 488/90AP BetrVG 1972 § 18 Nr. 8; BAG 16.03.2004 – 9 AZR 323/03 – AP TzBfG § 8 Nr. 10). Dies gilt etwa für den Fall der Erhebung einer Kündigungsfeststellungsklage und der Klage auf Zahlung des Verzugslohnes und/oder der Klage auf Weiterbeschäftigung (BAG 24.03.1977 – 3 AZR 232/76 – AP BGB § 630 Nr. 12; BAG 02.04.1987 – 2 AZR 418/86 – AP BGB § 626 Nr. 96; BAG 21.05.1992 – 2 AZR 551/91NZA 1992, 1028). Es genügt dann eine Auseinandersetzung mit der „Hauptbegründung“.

71

Da die Berufungsbegründung der Beklagten sich lediglich zu der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 31.07.2009, dem Zeugnisberichtigungsanspruch und der Abweisung der Widerklage verhält, kann eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung lediglich für die Verurteilung der Beklagten auch zur Zahlung des Arbeitsentgelts der Klägerin ab dem 01.08.2009 angenommen werden. Zu der Verurteilung der Urlaubsabgeltung in Höhe von 450,– € verhält sich die Berufung mit keinem Wort. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist auch nicht von der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 31.07.2009 abhängig.

72

II. Soweit die Berufung der Beklagten zulässig ist, ist sie unbegründet.

73

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht den Anträgen der Klägerin stattgegeben und die Widerklage der Beklagten abgewiesen.

74

1. Der zulässige Feststellungsantrag der Klägerin ist begründet.

75

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 31.07.2009 nicht aufgelöst worden, sondern hat aufgrund ordentlicher Kündigung erst mit Ablauf des 19.08.2009 sein Ende gefunden. Für die außerordentliche Kündigung vom 31.07.2009 lag ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB nicht vor.

76

a) In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist zwar anerkannt, dass das Vortäuschen einer in Wirklichkeit nicht bestehender Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben. Ein Arbeitnehmer, der das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit lediglich vortäuscht, verstößt regelmäßig gegen seine Arbeitspflicht und kann bei einem entsprechenden Nachweis je nach den Umständen des Einzelfalles auch wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung fristlos entlassen werden (BAG 26.08.1993 – 2 AZR 154/93 – AP BGB § 626 Nr. 112; BAG 17.06.2003 – 2 AZR 123/02 – AP ZPO 1977 § 543 Nr. 13; BAG 23.06.2009 – 2 AZR 532/08NZA-RR 2009, 622; LAG Köln 23.08.1996 – 11 Sa 495/96 – NZA-RR 1997, 339; LAG Berlin 03.08.1998 – 9 TaBV 4/98 – NZA-RR1999, 523; LAG München 03.11.2000 – 10 Sa 1037/99 – LAGE BGB § 626 Nr. 131; LAG Hamm 10.09.2003 – 18 Sa 721/03NZA-RR 2004, 292; LAG Hamm 19.04.2007 – 15 Sa 1885/06 – EEK 3325; KR/Fischermeier, 9. Aufl., § 626 BGB Rn. 428; ErfK/Müller-Glöge, 12. Aufl., § 626 BGB Rn. 156; APS/Dörner, 3. Aufl., § 626 BGB Rn. 245 m.w.N.).

77

b) Ein Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit durch die Klägerin kommt als außerordentlicher Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB jedoch schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte den Nachweis, dass die Klägerin in der Zeit vom 28.07.2009 bis zum 07.08.2009 tatsächlich nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen ist, nicht erbracht hat. Dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend erkannt.

78

aa) Zwar kann davon ausgegangen werden, dass der Beweiswert der von der Klägerin vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Zeitraum vom 28.07.2009 bis zum 07.08.2009 aufgrund der E-Mail der Klägerin vom 28.07.2009 und des an diesem Tage mit der Zeugin E2 geführten Telefonats erschüttert gewesen ist. Aufgrund der E-Mail der Klägerin vom 28.07.2009 und des Inhalts des mit der Zeugin E2 geführten Telefonats, so wie diese es bei ihrer Vernehmung vor dem Arbeitsgericht am 03.09.2010 geschildert hat, lagen konkrete Tatsachen vor, die objektive Zweifel an der Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen begründeten (BAG 11.08.1976 – 5 AZR 422/75 – AP LohnFG § 3 Nr. 2; BAG 15.07.1992 – 5 AZR 312/91 – AP LohnFG § 1 Nr. 98; BAG 19.02.1997 – 5 AZR 83/96NZA 1997, 652; ErfK/Dörner, § 5 EntgeltFG Rn. 14 m.w.N.).

79

bb) Diese Zweifel an der Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Zeitraum vom 28.07.2009 bis zum 07.08.2009 sind aber durch die Vernehmung des Arztes Dr. H2 als Zeugen ausgeräumt worden. Dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt.

80

Der Zeuge Dr. H2 hat nämlich bei seiner Vernehmung vor dem Arbeitsgericht einen unmittelbar von ihm erhobenen Befund und die damit verbundene Arbeitsunfähigkeit bestätigt. Die bei der Klägerin festgestellte Diagnose hat er präzise geschildert. Dabei hat er sich nicht nur auf die Angaben der Klägerin verlassen, sondern fachlich fundiert und nachvollziehbar eine körperliche Untersuchung der Klägerin durchgeführt und daraufhin die bei seiner Aussage wiedergegebenen Befunde festgestellt. Die hiernach vorliegende Arbeitsunfähigkeit war auch bis zum 31.07.2009 nicht behoben. Die Folgebescheinigung vom 03.08.2009 ist erst aufgrund einer erneuten Untersuchung durch den Zeugen Dr. H2 ausgestellt worden.

81

Hiernach ist das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin in der Zeit vom 28.07.2009 bis zum 07.08.2009 arbeitsunfähig erkrankt gewesen ist. Die Berufungskammer schließt sich der Würdigung durch das Arbeitsgericht in vollem Umfange an. Das Berufungsvorbringen ergibt nichts anderes. Die Klägerin hat nämlich nicht nur das Vorstellungsgespräch vom 30.07.2009 aus Krankheitsgründen abgesagt, sondern – wie sie im Termin vor der Berufungskammer vom 16.11.2011 unwidersprochen vorgetragen hat – auch das zweite für den 31.07.2009 geplante Vorstellungsgespräch. Gerade die Absage dieser beiden Vorstellungsgespräche spricht dafür, dass die Klägerin tatsächlich erkrankt gewesen ist und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom Zeugen Dr. H2 zu Recht ausgestellt worden sind.

82

Aus der früheren Verbindung zwischen der Klägerin und dem Zeugen Dr. H2 ergibt sich nicht zwingend, dass der Zeuge Gefälligkeitsbescheinigungen ausgestellt hat. Dieser von der Beklagten auch weiterhin geäußerte Verdacht beruht auf bloßen Vermutungen und Mutmaßungen. Durch die vom Arbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme ist nämlich erwiesen, dass der Zeuge die Klägerin am 28.07.2009 und am 03.08.2009 jeweils körperlich untersucht hat und erst daraufhin seine Diagnosen gestellt hat. Dass Herr Dr. H2 die Klägerin in ihrer Wohnung zwecks Untersuchung aufgesucht hat lag allein daran, dass der Zeuge Dr. H2 sich zu diesem Zeitpunkt jeweils im Urlaub befunden hat. Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz einwendet, dass die Klägerin erst zwei bis drei Stunden nach dem Telefonat mit der Zeugin E2 vom Zeugen Dr. H2 untersucht worden ist, spricht ebenfalls nicht gegen die Ausstellung eines Gefälligkeitsattestes.

83

Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt auch kein Widerspruch zwischen der Aussage der Klägerin, wie sie sie zu Protokoll der Sitzung des Arbeitsgerichts am 16.04.2010 gegeben hat, und der Wertung des Arbeitsgerichts, die Klägerin habe vor ihrer Arbeitskollegin mit der Bekanntschaft zum Zeugen Dr. H2 prahlen wollen, gleichwohl aber tatsächlich Beschwerden gehabt. Das Arbeitsgericht hat nämlich die Äußerungen der Zeugin E2, die sie bei ihrer Aussage am 03.09.2010 vor dem Arbeitsgericht gemacht hat, als wahr unterstellt; gleichwohl ist es keineswegs ausgeschlossen, dass die Klägerin tatsächlich an Rückenschmerzen gelitten hat, wie dies der Zeuge Dr. H2 bei seiner Vernehmung vor dem Arbeitsgericht anschaulich und überzeugend geschildert hat.

84

Die Beklagte kann auch nicht einwenden, dass der Zeuge Dr. H2 die Klägerin während seines Urlaubs zu Hause aufgesucht und die angeblichen Beschwerden der Klägerin noch nach anderthalb Jahren ausführlich bei seiner Vernehmung beim Arbeitsgericht beschrieben habe. Dass der Zeuge Dr. H2 die Klägerin auf deren Anruf hin zu Hause aufgesucht hat, hat offensichtlich seine Ursache darin, dass die Klägerin und der Zeuge in der Vergangenheit in einer Beziehung zueinander gestanden haben und zum Zeitpunkt der Erkrankung der Klägerin noch freundschaftlich verbunden waren. Die fundierte Beschreibung des Krankheitsbildes der Klägerin durch den Zeugen Dr. H2 bei seiner Vernehmung vor dem Arbeitsgericht, die genaue Beschreibung der durchgeführten Untersuchungen und der gestellten Diagnosen ergeben sich daraus, dass der Zeuge Dr. H2, wie von der Klägerin in der Berufungsinstanz unwidersprochen vorgetragen, als Zeuge beim Arbeitsgericht seine Arztunterlagen dabei gehabt hat.

85

Nach alledem ist auch zur Überzeugung der Berufungskammer von der Beklagten nicht nachgewiesen worden, dass die Klägerin in der Zeit vom 28.07.2009 bis zum 07.08.2009 tatsächlich nicht arbeitsunfähig gewesen ist und die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht war. Den Nachweis der vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit hat die Beklagte, die insoweit beweispflichtig ist, nicht erbracht.

86

Die Berufungskammer hatte auch keine Veranlassung, den Angaben der vom Arbeitsgericht vernommenen Zeugen E2 und Dr. H2 keinen Glauben zu schenken. Die Überlegungen, die das Arbeitsgericht veranlasst haben, von der Richtigkeit der Angaben der vernommenen Zeugen auszugehen, sind in jeder Hinsicht nachvollziehbar. Aus diesem Grunde hat die Berufungskammer keine Veranlassung gesehen, die Beweisaufnahme zu wiederholen. Nach § 398 ZPO ist das Berufungsgericht nur dann zu einer erneuten Vernehmung verpflichtet, wenn es die Glaubwürdigkeit der erstinstanzlich gehörten Zeugen anders als das Gericht erster Instanz beurteilt und dies die Tatsachenfeststellung beeinflusst. Die Berufungskammer folgt insoweit der ausführlichen und zutreffenden Würdigung durch das Arbeitsgericht (vgl. zuletzt: BGH 10.03.1998 – VI ZR 30/97NJW 1998, 2222; BGH 02.06.1999 – VIII ZR 112/98NJW 1999, 2972; BGH 14.07.2009 – VIII ZR 3/09MDR 2009, 1126; BAG 15.03.1990 – 2 AZR 440/89 – AP GemO NW § 101 Nr. 1; BAG 18.11.1999 – 2 AZR 852/98 – AP BGB § 626 Nr. 160; BAG 06.12.2001 – 2 AZR 396/00 – AP ZPO § 286 Nr. 33; BAG 17.06.2003 – 2 AZR 123/02 – AP ZPO 1977 § 543 Nr. 13 m.w.N.). Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachengrundlagen des Arbeitsgerichts aufgrund falscher Glaubwürdigkeitsbeurteilung sind weder vorgetragen noch vorhanden. Aus dem Berufungsvorbringen der Beklagten ergibt sich kein begründeter Anlass, die vom Arbeitsgericht vernommenen Zeugen erneut zu vernehmen.

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c) Aufgrund der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 31.07.2009 bestand das Arbeitsverhältnis der Parteien, das sich noch in der Probezeit befand, unter Berücksichtigung der vereinbarten 14tägigen Kündigungsfrist bis zum 19.08.2009 fort. Nach dem Vorbringen der Klägerin ist das Kündigungsschreiben ihr nämlich erst am 06.08.2009 zugegangen. Einen früheren Zugang des Kündigungsschreibens vom 31.07.2009 bei der Klägerin hat die Beklagte nicht bewiesen. Auch dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend erkannt. Die Übersendung eines Einwurfeinschreibens begründet keine tatsächliche Vermutung für dessen Zugang, wenn sein Eingang beim Empfangspostamt durch Auslieferungsbeleg bewiesen ist. Die Beklagte hat lediglich einen Auslieferungsbeleg vorgelegt. Der Zugang von ordnungsgemäß aufgegebenen Postsendungen stellt keinen typischen Geschehensablauf dar, nachdem jedes Jahr eine gewisse, wenn auch prozentual geringe Anzahl von Postsendungen verloren geht. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn anhand des Auslieferungsbelegs festgestellt werden kann, dass die zuzustellende Postsendung jedenfalls die für die Zustellung an den Adressaten verantwortliche Poststelle erreicht hat (LAG Köln 14.08.2009 – 10 Sa 84/09AuA 2010, 732; LG Potsdam 27.07.2000 – 11 S 233/99NJW 2000, 3722).

88

2. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Beklagte auch zur Zahlung von 1.103,22 € abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 233,42 € verurteilt. Der Klägerin steht nämlich für die Zeit vom 01.08. bis zum 19.08.2009 das entsprechende Arbeitsentgelt zu.

89

a) Für den Zeitraum vom 01.08. bis zum 07.08.2009 ergibt sich dieser Anspruch aus § 3 Abs. 1 EntgeltFG. Die Klägerin war in diesem Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt.

90

Auch wenn die Beklagte die Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs bestritten hat, hat die Klägerin die Richtigkeit der vom Zeugen Dr. H2 ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 28.07.2009 und 03.08.2009 nachgewiesen. Der Klägerin ist, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, der ihr obliegende Beweis der Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Vernehmung des Zeugen Dr. H2 letztlich gelungen. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

91

b) Für den Zeitraum vom 08.08. bis zum 19.08.2009 steht der Klägerin das Arbeitsentgelt gemäß § 615 BGB zu. Die Beklagte befand sich in Annahmeverzug. Zwischen den Parteien bestand in der bis zum 19.08.2009 aufgrund der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 31.07.2009 ein erfüllbares Arbeitsverhältnis. Zwar hat die Klägerin in der Zeit ab 08.08.2009 bis zum 19.08.2009 keine Arbeitsleistung mehr für die Beklagte erbracht. Es fehlt aber an einer Mitwirkungshandlung der Beklagten nach § 293 BGB. Die Beklagte hat es nämlich unterlassen, der Klägerin für den Zeitraum bis zum 19.08.2009 eine zumutbare Arbeit zuzuweisen. Durch den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung hat sie vielmehr ausdrücklich die Arbeitsleistung der Klägerin abgelehnt, § 295 Satz 1 BGB.

92

Der Annahmeverzug der Beklagten ist auch nicht nach § 297 BGB wegen fehlenden Leistungsvermögens oder fehlender Leistungsbereitschaft der Klägerin ausgeschlossen.

93

Das im Anspruchszeitraum bezogene Arbeitslosengeld hat sich die Klägerin nach § 615 Satz 2 BGB anrechnen lassen.

94

Der zugesprochene Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 BGB.

95

3. Zu Recht hat auch das Arbeitsgericht dem Zeugnisberichtigungsanspruch der Klägerin entsprochen. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Berichtigung ihres Zeugnisses zu, weil sie lediglich eine durchschnittliche Bewertung ihrer Führung und Leistung verlangt. In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist nämlich anerkannt, dass der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet ist, wenn er dem Arbeitnehmer eine nur ausreichende oder noch schlechtere Bewertung zukommen lassen will (BAG 24.03.1977 – 3 AZR 232/76 – AP BGB § 630 Nr. 12; LAG Köln 26.04.1996 – 11 (13) Sa 1231/95NZA-RR 1997, 84; ErfK/Müller-Glöge, aaO., § 109 GewO Rn. 87 m.w.N.). Mit dem der Klägerin unter dem 31.07.2009 erteilten Zeugnis hat die Beklagte der Kläger unterdurchschnittliche Leistungen bescheinigt. In diesem Zeugnis ist u.a. ausgeführt, dass die Klägerin „bemüht“ gewesen ist, sich in das Vertriebsteam und die Unternehmensstrukturen zu integrieren, und sie sich „stets bemüht“ habe, die ihr übertragenen Aufgaben zur Zufriedenheit zu erledigen. Dass diese unterdurchschnittliche Bewertung der Richtigkeit entspricht, hat die Beklagte weder dargelegt noch nachgewiesen. Allein der Umstand, dass die Klägerin in erheblichem Umfang private E-Mails dienstlich versandt hat, ergibt nicht zwingend, dass die Klägerin unterdurchschnittliche Leistungen erbracht hat. Auch ein schlechtes Verhältnis zu Vorgesetzten und Mitarbeitern ergibt sich hieraus nicht. An weiterem Vorbringen der Beklagten fehlt es.

96

4. Zu Recht hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil auch die von der Beklagten erhobene Widerklage abgewiesen. Der Beklagten steht kein Rückzahlungsanspruch in der eingeklagten Höhe zu. Insbesondere kann die Beklagte sich nicht darauf berufen, die Klägerin habe an verschiedenen Kursterminen nicht teilgenommen und unentschuldigt gefehlt.

97

Zwar hat die Klägerin in der Bescheinigung vom 05.06.2009 bestätigt, dass sie die Fortbildungskosten selbst zu tragen hat, soweit sie mehr als 15 % der Unterrichtseinheiten ohne ersichtlichen Grund fernbleibt. Die Voraussetzungen für einen Rückzahlungsanspruch der Beklagten liegen jedoch nicht vor. Die Klägerin ist nicht ohne Grund den Unterrichtseinheiten fern geblieben. Soweit die Klägerin in der Zeit vom 28.07.2009 bis zum 07.08.2009 nicht an den entsprechenden Unterrichtseinheiten teilgenommen hat, war ihr Fernbleiben entschuldigt. Die Klägerin war nämlich in diesem Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt und deshalb an der Teilnahme an den Unterrichtseinheiten gehindert. Auch darüber hinaus kann nicht von einem grundlosen Fernbleiben der Klägerin an den Unterrichtseinheiten ausgegangen werden. Soweit die Klägerin seit dem 31.07.2009 den Unterrichtseinheiten ferngeblieben ist, hat dies seine Ursache in der grundlosen außerordentlichen Kündigung der Beklagten. In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass eine Rückzahlungspflicht auch bei arbeitgeberseitiger Kündigung innerhalb der Probezeit nicht besteht, wenn nicht ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers vorliegt (BAG 24.06.2004 – 6 AZR 383/03 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 34; ErfK/Preis, aaO., § 611 BGB Rn. 445). Aufgrund der unwirksamen außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 31.07.2009 ist das Fehlen der Klägerin an den Unterrichtseinheiten nicht durch ihr Verhalten, sondern durch die grundlose und unwirksame außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 31.07.2009 veranlasst worden.

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III. Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

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