Verwendung eigener Bewertungssterne auf einem Hotelportal ist irreführend

Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 19.04.2016, 3 U 1974/15

Verwendung eigener Bewertungssterne auf einem Hotelportal ist irreführend

1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.08.2015, Az. 4 HK O 6806/14, wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass im Urteilsausspruch unter Ziffer I. vor dem Satzteil „wenn dies geschieht wie nachfolgend….“ der Zusatz, „ohne, dass die Beklagte auf das von ihr verwendete Sterne-Bewertungssystem klar hinweist,“ eingefügt wird.

2.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 20.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger ist die Z. Er verlangt von der Beklagten, die ein Hotelbuchungsportal betreibt, die Unterlassung von Werbung für Hotels mit der Verwendung von Sternen zur Hotelklassifizierung. Er ist der Auffassung, die angefochtene Werbung sei irreführend, weil die Sternevergabe von der Beklagten selbst und nicht von einer objektiven neutralen Stelle vorgenommen worden sei. Hiervon gehe der angesprochene Verbraucher aber aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der gestellten Anträge wird gemäß § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die angegriffene Werbung verstoße gegen § 5 Abs. 1 UWG a. F.. Der Verbraucher erwarte bei einer Hotelbewertung mit Sternen, dass diese durch ein objektives Verfahren und eine neutrale Bewertungsstelle erfolgt sei. Das Bewertungsverfahren der Beklagten reiche hierfür nicht aus. Die Irreführungsgefahr könne nicht durch einen eingeblendeten Hinweis-Text auf der Internetseite, wonach die Sterne auf einer Selbsteinschätzung der Hotels sowie auf Erfahrungen von h. und h. Kunden beruhten, beseitigt werden, wenn dieser erst durch ein Popup Fenster oder eine Mouseover-Funktion erscheine.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie meint, bei ihrer Bewertung der Hotels handele es sich weder um unwahre noch zur Täuschung geeignete Angaben. Die Bewertung erfolge entsprechend den Vorgaben, die von der Rechtsprechung für Sternequalifizierungen aufgestellt worden seien. Entgegen der Auffassung des Landgerichts handele es sich bei dem Bewertungsverfahren der Beklagten um ein objektives Verfahren einer neutralen Stelle. Zwischen der Sternevergabe und den bei der Buchung erzielten Provisionen der Beklagten bestehe kein Zusammenhang. Anders als der DEHOGA-Verband erhalte die Beklagte kein Entgelt für die Klassifizierung. Das Landgericht sei nicht hinreichend auf das Klassifizierungsverfahren der Beklagten eingegangen. Die Bewertung beruhe nicht auf einer Selbsteinschätzung der Hotels. Vielmehr würden die Ergebnisse eines Fragenkatalogs zu harten Fakten (Ausstattung, Lage, Service etc.) ausgewertet. Dann würden Kundenbewertungen mit einbezogen und insbesondere bei Negativbewertungen die Angaben des Hotels überprüft. Dieses System sei der Bewertung durch den DEHOGA überlegen, weil es auch auf kritische Kundenbewertungen eingehe. Insofern bestünden Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen, da das Landgericht nicht auf die Klarstellung der Beklagten hinsichtlich des Begriffs „Selbsteinschätzung“ eingegangen sei. Zudem habe das Landgericht das Verbraucherverständnis falsch eingeschätzt. Der Verbraucher sei durch die Vielzahl von Sternebewertungen im Internet daran gewöhnt, dass diese nicht allein auf objektiven Testurteilen, sondern auf Kundenbewertungen beruhten ohne neutrales Prüfverfahren.

Die Beklagte beantragt daher, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das Ersturteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.

In der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2016 hat der Senat darauf hingewiesen, dass das vom Landgericht ausgesprochene und vom Kläger so beantragte Unterlassungsgebot möglicherweise zu weit gefasst sein könnte. Da hierunter auch die DEHOGA-Sterne fielen, die nach Auffassung des Klägers eine zulässige Klassifizierung beinhalteten.

Daraufhin hat der Kläger innerhalb nachgelassener Schriftsatzfrist erklärt, dass der klägerseits gestellte Unterlassungsantrag mit dem Zusatz ergänzt werde „ohne, dass die Beklagte auf das von ihr verwendete Sterne-Bewertungssystem klar hinweist“ und den Unterlassungsantrag mit dieser Ergänzung gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Anlagen Bezug genommen.

Eine Beweisaufnahme hat im Berufungsverfahren nicht stattgefunden.

Entscheidungsgründe

I.
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.

1.
Zu Recht hat das Landgericht dem Kläger einen Unterlassungsanspruch aus § 5 Abs. 1 UWG a. F. wegen der irreführenden Sterne-Werbung zuerkannt. Die zutreffende Begründung des Landgerichts macht sich der Senat zu in vollem Umfang zu eigen und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Lediglich ergänzend zum Berufungsvorbringen ist Folgendes auszuführen:

a)
Der im Urteilsausspruch angefügte Zusatz erfolgte zur Klarstellung des ausgesprochenen Verbots und bedeutet keine teilweise Klageabweisung. Auch liegt in dem mit nachgelassenem Schriftsatz vom 03.03.2016 gestellten Antrag keine teilweise Klagerücknahme.

Nach Auslegung des zuletzt gestellten Antrags ist die nun gewählte Formulierung nicht als Minus anzusehen, das eine Einschränkung des ursprünglichen Antrags beinhaltet. Zur Auslegung des Unterlassungsantrags ist nämlich der Sachvortrag des Klägers in der Klagebegründung heranzuziehen (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, etwa BGH WRP 2010, 1030 – Erinnerungswerbung im Internet). Danach bezieht sich das Unterlassungsbegehren des Klägers auf die Sternevergabe durch die Beklagte, nicht aber auf eine solche durch den DEHOGA. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von den Fallgestaltungen, die den von der Beklagten zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Az.: I ZR 61/14; I ZR 26/13; I ZR 50/01) zugrunde lagen. Denn anders als bei diesen ist das Klagevorbringen vorliegend nicht so zu verstehen, dass der Kläger zumindest die von ihm beanstandete konkrete Verletzungsform verboten haben will, aber auch ein hierüber hinausreichendes weitergehendes Unterlassungsgebot erstrebt, etwa ein solches, das auch eine Sternebewertung nach der DEHOGA-Klassifizierung umfassen würde. Vielmehr begehrt der Kläger ausschließlich das Verbot der Bewerbung, wenn als Grundlage das Sterne-Bewertungssystem der Beklagten nicht ersichtlich ist. Der Umformulierung des Antrags kommt deshalb nur klarstellende Bedeutung zu.

b)
Der Unterlassungsanspruch folgt aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG i. V. m. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 UWG.

aa)
Das zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung maßgebliche Recht ist mit Wirkung ab 10.12.2015 durch das zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb novelliert worden (BGBL I, S. 2158). § 5 UWG n. F. enthält jedoch gegenüber der vorausgehenden Bestimmung keine wesentlichen Änderungen sondern nur die Klarstellung, dass eine irreführende geschäftliche Handlung nur unlauter ist, wenn sie geeignet ist, den Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Sie wurde damit lediglich um die Relevanzklausel ergänzt.

bb)
Danach ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrkreise irrige Vorstellungen hervorzurufen und die zu treffende Markterschließung in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise zu beeinflussen. Dabei richtet sich die Beurteilung, ob eine Werbung irreführend ist, maßgeblich danach, wie der angesprochene Verkehr diese Werbung aufgrund ihres Gesamteindrucks versteht. In diesem Zusammenhang kommt es auf die Sichtweise eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers an, der einer Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (BGH, Urteil vom 05.11.2015, Az.: I ZR 182/14 – Durchgestrichener Preis II – juris).

(1)
Vorliegend wird der Adressat der Werbung, wie das Landgericht zutreffend ausführt, in der Verwendung der waagrecht angeordneten fünfzackigen Sterne neben der Geschäftsbezeichnung eines Hotels auf dem Portal der Beklagten die Behauptung sehen, dass diesen Sternen eine offizielle Klassifizierung einer neutralen Klassifizierungsstelle zugrunde liegt. Da die Senatsmitglieder selbst zu dem angesprochenen Adressatenkreis gehören, können sie die maßgebliche Verkehrsauffassung aus eigener Sachkunde beurteilen. Danach geht der Verkehr bei der Sternebewertung von Hotels wie bei einer Verwendung von Güte- und Qualitätszeichen davon aus, dass die Güte anhand objektiver Merkmale in Erfüllung von Mindestanforderungen bestimmt wird und dass dies durch eine neutrale unabhängige und außerhalb des gewerblichen Gewinns stehende Stelle überprüft und gewährleistet wird (Link in Ullmann, juris PK – UWG, 3. Aufl., § 5 UWG Rn. 375). Dabei lässt der Senat offen, ob die Klassifizierung und Vergabe der Sterne nur durch den DEHOGA oder auch von anderen Stellen vergeben werden kann. Denn entscheidend für den Verbraucher ist, dass die Sterneklassifizierung jedenfalls von einer neutralen unabhängigen Stelle nach objektiver Prüfung des Hotels und seiner Ausstattung erfolgt.

Entgegen der Auffassung der Berufung besteht diese Verbrauchererwartung fort. Auch wenn eine erhebliche Anzahl von Hotelbuchungen mittlerweile über das Internet erfolgt, wertet zumindest ein relevanter Teil der angesprochenen Verkehrskreise in diesen Fällen die Sterneangabe für Hotels weiterhin als von einer neutralen Klassifizierungsstelle stammend, sofern nicht auf ein anderes Bewertungssystem hingewiesen wird. Insoweit ist die beanstandete Werbung nicht mit den von der Beklagten in der Berufungsbegründung aufgezeigten Beispielen vergleichbar. Denn bei diesen wird jeweils deutlich gemacht, dass sie auf Kundenbewertungen beruhen. Auch unterscheidet sich die Sterneklassifizierung bei Hotels von Bewertungen in anderen Bereichen des E-Commerce dadurch, dass es sich bei ihr, wie die Beklagte selbst vorträgt, um ein seit 1996 eingeführtes allgemein bekanntes Klassifizierungssystem handelt, mit dem der Verbraucher seitdem eine objektive Qualitätsbeurteilung einer dritten Stelle verbindet und nicht eine solche, die auf der Wertung des Hotelanbieters beruht. Ein Unterschied zu einer Sternebewertung „auf einem Metallschild an der Hauswand eines Hotels“ besteht insoweit nicht.

(2)
Das Bewertungsverfahren der Beklagten kann jedoch nicht mit einem objektiven Prüfverfahren einer neutralen, unbeteiligten Stelle, die sich an transparenten Kriterien orientiert, gleichgesetzt werden. Es entspricht damit nicht der Verkehrserwartung und ist irreführend.

Die Beklagte ist schon nicht als neutrale Stelle anzusehen, da sie mit den Hotels, die sie über ihr Portal anbietet, vertragliche Beziehungen hat. Dies gilt unabhängig davon, ob sie direkt von der Sternevergabe profitiert oder für sie die Zufriedenheit der Kunden im Vordergrund steht. Jedenfalls erhält sie bei der Buchung Provisionszahlungen, die vom Preis der gebuchten Hotels abhängig sind.

Die Bewertungskriterien der Beklagten sind auch nicht transparent und objektiv nachprüfbar. Es ist nicht nachzuvollziehen, in welchem Umfang die Feststellungen, die die Beklagte hinsichtlich der Standards der jeweiligen Hotels trifft, auf der Beantwortung eines von ihr erstellten Fragenkatalogs durch die Hotels selbst (Selbsteinschätzung der Hotels), einzelner Kontrollbesuche der Hotels durch Mitarbeiter der Beklagten oder den Bewertungen von Hotelgästen beruhen. Insbesondere letztere sind subjektiv, anonym und weniger verlässlich. Dies ist auch dem von der Beklagten selbst eingeblendeten Hinweis-Text zu entnehmen. Danach beruhen die Sterne auf einer Selbsteinschätzung der Hotels sowie auf Erfahrungen von h. und h.-Kunden. Dort verweist sie zudem auf ihre AGB, in der sie in Ziffer 4.4 zwar auch auf das „H. -eigene Klassifizierungssystem“ Bezug nimmt, aber ebenfalls mitteilt, dass dieses vor allem auf den Erfahrungen und Bewertungen der Buchungskunden beruht ebenso wie alle Informationen zu den Hotels und die Beschreibung der Zimmer auf eigenen Angaben der Hotelbetreiber basieren und dass es sich bei der Klassifizierung somit nicht um einen verbindlichen Hinweis auf Standard und Ausstattung handelt.

cc)
Die Irreführunggefahr wird auch nicht durch genügend klarstellenden Hinweis auf das Bewertungssystem der Beklagten ausgeschlossen. Der Senat stimmt dem Landgericht darin zu, dass eine Mouseover-Funktion hierfür nicht ausreicht. Denn sie gewährleistet nicht, dass der Aufklärungshinweis auch tatsächlich vom Werbeadressaten wahrgenommen wird, da der Internetnutzer den Hinweis nur erkennt, wenn er den Curser über den als Link ausgestatteten Bestandteil der Website bewegt und nicht feststeht, ob er von dieser Funktion auch Gebrauch macht (OLG Frankfurt, Beschluss v. 23.02.2011, Az.: 6 W 111/10 – juris). Hinsichtlich des in der Unterlassungserklärung angesprochenen Popup-Fensters weist das Landgericht zutreffend darauf hin, dass nicht ersichtlich ist, wann dieses aufscheinen würde.

2.
Der Zahlungsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 12 Abs. 1 UWG. Die Abmahnung war begründet. Die Höhe der geltend gemachten Abmahnkosten wird nicht angegriffen.

II.
Nebenentscheidungen

1.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Wie oben unter Ziffer I.1.a) ausgeführt, handelt es sich bei dem zuletzt gestellten Antrag nicht um eine Einschränkung des ursprünglichen Antrags und damit nicht um eine teilweise Klagerücknahme, die zu einer anteiligen Kostentragungspflicht des Klägers führt.

2.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10,711,713 ZPO

3.
Der Senat sieht keinen Anlass für eine Zulassung der Revision nach Maßgabe des § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO.

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch gebietet die Fortbildung des Rechts eine Zulassung der Revision. Der Senat setzt sich nicht mit gefestigter Rechtsprechung oder Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte in Widerspruch. Entgegen dem Berufungsvorbringen nimmt der Senat nicht an, dass bei der Bewertung von Hotels im Internet mit Sternen in jeden Fall eine Kennzeichnung des Ursprungs der Bewertung zu erfolgen hat. Vielmehr geht er in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (etwa OLG München, Urteil v. 05.12.2013, Az.: 6 U 3624/13, Anlage K 7; OLG Celle, WRP 2014, 1216 ff.) von einem solchen Erfordernis nur dann aus, wenn die Sternevergabe nicht durch eine neutrale Stelle nach einem objektiven Bewertungsverfahren erfolgt. Ob die Vergabe nur durch den DEHOGA vorgenommen werden kann, lässt der Senat dabei offen; nicht aber die Frage, ob es sich bei der Beklagten um eine solch neutrale Stelle und bei ihrem Bewertungssystem um eine objektives Verfahren in diesem Sinne handelt. Beides hat der Senat, wie oben unter Ziffer I. 2. B) (2) ausgeführt, verneint.

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