AG Hamburg, Urteil vom 21.08.2013 – 8a C 386/12
Vereinbaren die Parteien nichts anderes, unterliegt der Vertrag dem Sitzrecht des beklagten Luftfahrtunternehmens.
Die Regelungen des Montrealer Übereinkommens über etwaige Ausschlussfristen sind im Bereich der Fluggastrechteverordnung weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger bleibt nachgelassen die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
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Die Kläger machen gegen die Beklagte Ausgleichsansprüche aus der Fluggastverordnung Nr. 261/2004 geltend.
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Die Kläger buchten bei der Beklagten eine Flugreise von Dakar in Senegal nach Hamburg mit einem Zwischenstopp in Brüssel/Belgien für den 12.08.2009. Dabei trat der Kläger zu 1) für seine minderjährigen Kinder, die Kläger zu 2) und 3), als gesetzlicher Vertreter auf.
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Der für den 12.08.2009 um 21.50 Uhr geplante Abflug verzögerte sich um über 30 Stunden auf den 14.08.2009 3.00 Uhr nachts. Die Ankunft und Weiterbeförderung verzögerte sich entsprechend.
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Bereits am 16.08.2009 machte der Kläger zu 1) entsprechende Ansprüche für die Kläger bei der Beklagten geltend.
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Die Kläger behaupten, sie hätten die Flugtickets über eine Agentur der Beklagten in Dakar am 29.07.2009 erworben, ohne dass eine Einbeziehung der AGB der Beklagten erfolgt sei. Die Kläger sind zudem der Auffassung, dass vorliegend deutsches Recht auf den Vertrag anwendbar sei, zudem stünde belgisches Recht selbst bei Anwendbarkeit desselben einer Verjährung nicht entgegen, da insoweit das nationale Verjährungsrecht Belgiens durch das vom Senegal und Belgien unterzeichnete Warschauer Abkommen ausgeschlossen sei. Zudem handele es sich bei den Ausgleichsansprüchen nicht um vertragliche Ansprüche.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) 600,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 sowie an den Kläger zu 1) und gemeinsam als gesetzliche Vertreter der minderjährigen Kläger zu 2) und 3) je 600,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, bei Vertragsschluss seien die AGB der Beklagten einbezogen worden. Hiernach sei auf den Beförderungsvertrag belgisches Recht anzuwenden. Gleiches ergebe sich auch unter dem Gesichtspunkt der Sachnähe, da die Beklagte ihren Sitz – unstreitig – in Belgien habe. Ferner ist die Beklagte der Auffassung, dass etwaige Ansprüche nach belgischem Recht verjährt seien, worauf sich die Beklagte ausdrücklich beruft. Die dortige Verjährungsfrist nach Art. 9 des Belgischen Code de Commerce belaufe sich bei Klagen auf Grundlage von Beförderungsverträgen auf ein Jahr bei internationalen Transporten.
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Ergänzend wird Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
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Das Amtsgericht Hamburg ist örtlich zuständig, da es sich um einen Flug nach Hamburg gehandelt hat. Auf den Zwischenstopp in Brüssel ist insoweit nicht abzustellen. Eine solche Klage ist nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. \ EuGVVO nach Wahl des Klägers das Gericht des Ortes des Abfluges oder das des Ortes der Ankunft des Flugzeuges entsprechend der Vereinbarung dieser Orte in dem Vertrag zuständig.
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Die Klage ist jedoch nicht begründet. Den Klägern stehen keine Ausgleichsansprüche nach Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 gegen die Beklagte zu. Die Ansprüche sind nach dem zugrunde zu legenden belgischen Recht verjährt.
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Ausgleichsansprüche aus der Verordnung Nr. 261/2004 unterliegen vorliegend ergänzend belgischem Recht. Vereinbaren die Parteien nichts anderes, unterliegt der Vertrag dem Sitzrecht des beklagten Luftfahrtunternehmens (vgl. BGH NJW 2011, 2056, Rn. 31 zitiert nach juris). Eine abweichende Rechtswahl ist von den Parteien vertraglich nicht getroffen worden. Nach Art. 9 des Belgischen Code de Commerce beträgt die Verjährungsfrist für Klagen, die aus einem Vertrag zur Beförderung von Personen entstehen bei internationalen Beförderungen ein Jahr. Zwar findet der geltend gemachte Anspruch seine Grundlage nicht unmittelbar in den im Beförderungsvertrag getroffenen vertraglichen Abreden, sondern ist Teil der von der Verordnung zuerkannten gesetzlichen Mindestrechte. Die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Fluggast und dem Luftbeförderungsunternehmen oder einem anderen Unternehmen sind nur Voraussetzung dafür, dass der Fluggast überhaupt die Mindestrechte nach der Verordnung beanspruchen kann (BGH NJW 2011, 2056, Rn. 33 zitiert nach juris). Soweit die Verordnung keine Regelungen enthält, wie dies etwa bei den Verjährungsregelungen aber auch einer etwaigen Verzinsung der Fall ist, ist auf das Vertragsrecht des jeweils maßgeblichen Rechtssystems abzustellen (vgl. BGH NJW 2011, 2056, Rn. 44 zitiert nach juris; EuGH RRa 2013, 17 ff). Die Verordnung Nr. 261/2004 ist entsprechend dahin auszulegen, dass sich die Frist, innerhalb derer Klagen auf Zahlung der in den Art. 5 bis 7 der Verordnung vorgesehenen Ausgleichsleistungen erhoben werden müssen, nach den Vorschriften der einzelnen Mitgliedsstaaten über die Klagverjährung bestimmt (EuGH a.a.O.). Das belgische Recht stellt insoweit auf Ansprüche ab, die aus Transportverträgen hergeleitet werden, dies entspricht jedenfalls der Übersetzung des Wortes “dérivant”. Dies entspricht dem Wortlaut nach einer umfassenden Verjährungsregel im Hinblick auf Ansprüche, die in einem Vertrag ihre Grundlage haben, wie dies bei den hier vorliegenden Ausgleichsansprüchen der Fall ist. Zudem ist nach der bereits zitierten Rechtsprechung aber auch selbst bei einer engeren Wortwahl der nationalen Regelung auf das jeweilige Vertragsrecht abzustellen.
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Letztlich kommt es auf die Differenzierung zwischen dem Vertragspartner und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen bei Ausgleichsansprüchen nach der Verordnung Nr. 261/2004 nicht an, da die Beklagte nicht nur Vertragspartnerin sondern darüber hinaus auch ausführendes Luftfahrtunternehmen gewesen ist.
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Die Kläger können dem nicht entgegenhalten, dass der BGH auf die allgemeinen Regelungen nach § 195 BGB in derartigen Fällen bei der Anwendbarkeit deutschen Sachrechts abstellt (vgl. BGH NJW 2010, 1526, Rn. 25 zitiert nach juris). Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass es keine spezielleren Regelungen insoweit gibt. Insbesondere das Luftverkehrsgesetz verweist in § 39 lediglich auf die Verjährungsvorschriften für unerlaubte Handlungen des Bürgerlichen Gesetzbuches. Darüber hinaus gibt es in § 49 a eine Ausschlussfrist, die jedoch auch keine Verjährungsfrist in diesem Sinne darstellt.
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Die Regelungen des Montrealer Übereinkommens über etwaige Ausschlussfristen sind im Bereich der Fluggastrechteverordnung weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar (BGH NJW 2010, 1526). Soweit die Kläger auf Art. 29 des Warschauer Abkommens abstellen, vermag sich eine anderweitige Beurteilung nicht zu ergeben. Danach kann die Klage auf Schadensersatz nur binnen einer Ausschlussfrist von zwei Jahren erhoben werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem das Flugzeug am Bestimmungsort angekommen ist oder an dem es hätte ankommen sollen oder an dem die Beförderung abgebrochen worden ist (Art. 29 Abs. 1 Warschauer Abkommen). Selbst bei Anwendung des Warschauer Abkommens wäre die erst am 19.11.2011 bei Gericht eingegangene Klage nicht mehr innerhalb der Klagfrist erfolgt. Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des EuGH davon auszugehen, dass Art. 29 des Warschauer Abkommens ebenso wie das Montrealer Übereinkommen nicht auf Ansprüche nach den Art. 5 bis 7 der Verordnung Nr. 261/2004 anwendbar sind (EuGH a.a.O., Rn. 29 zitiert nach juris).
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.