BGH, Urteil vom 21.06.1994 – VI ZR 215/93
1. Der Subunternehmer, der vom Bauunternehmer zur Durchführung der ihm vom Bauherrn übertragenen Arbeiten eingeschaltet wird, ist im allgemeinen kein Verrichtungsgehilfe des Bauunternehmers iSv BGB § 831.
2. Dem Geschädigten obliegt im Rahmen des BGB § 831 der Beweis dafür, daß ihm der geltend gemachte Schaden von einem Verrichtungsgehilfen des Beklagten zugefügt worden ist.
(Leitsatz des Gerichts)
Tatbestand
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Die B. AG hatte den Beklagten, der ein Baugeschäft betrieb, damit beauftragt, auf der Baustelle F.-Straße in B. Außenputz abzuschlagen und den anfallenden Schutt zu beseitigen. Am 10. April 1990 fiel der Kläger, der bei der B. AG als Bauarbeiter beschäftigt war, bei dem Versuch, das Schutzdach des auf der Baustelle befindlichen Gerüstes zu begehen, durch die von Bauarbeitern verschobenen Bohlen auf den Gehweg und verletzte sich schwer. Der Kläger hat geltend gemacht, Arbeiter des Beklagten hätten nach Beendigung ihrer Arbeiten die beiseite geschobenen Bohlen des Schutzdachs nicht wieder ordnungsgemäß befestigt.
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Das Landgericht hat dem Kläger antragsgemäß für die Zeit vom 10. April 1990 bis 30. April 1991 ein Schmerzensgeld von 10.000 DM sowie Verdienstausfall in Höhe von 10.353,48 DM für die Zeit von Juni 1990 bis April 1991 zugesprochen. Im übrigen hat es festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auch den Verdienstausfall ab Mai 1991 zu erstatten. Das Kammergericht hat die Klage unter Aufhebung eines gegen den Kläger in erster Instanz ergangenen Versäumnisurteils abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der landgerichtlichen Urteile.
Entscheidungsgründe
I.
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Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Beklagte nicht nach § 831 BGB für den Unfall des Klägers einzustehen, weil der insoweit beweisbelastete Kläger nicht den Nachweis erbracht habe, daß Arbeitnehmer des Beklagten auf der Baustelle zum Abschlagen des Putzes eingesetzt gewesen seien, die Bohlen des Schutzdachs gelöst und pflichtwidrig nicht wieder befestigt hätten. Das Beweisergebnis spreche vielmehr dafür, daß der Zeuge P. als Subunternehmer im Auftrag des Beklagten mit den Abbrucharbeiten beschäftigt gewesen sei und daher dessen Arbeitnehmer und nicht solche des Beklagten vor dem Unfall auf der Baustelle tätig gewesen seien.
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Ebensowenig haftet der Beklagte nach Auffassung des Berufungsgerichts unmittelbar aus § 823 Abs. 1 BGB, weil er seine Kontroll- und Überwachungspflichten gegenüber dem in seinem Auftrag tätigen Subunternehmer nicht verletzt habe. Ohne besondere Anlässe habe er sich weder bei Beginn noch später von der ordnungsmäßigen Durchführung der Arbeiten, die sich an sich durch keine besondere Gefährlichkeit auszeichneten, zu vergewissern brauchen.
II.
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Die Abweisung der Klage durch das Berufungsgericht hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
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1. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß der Beklagte nach § 831 BGB für den durch den Unfall verursachten Schaden des Klägers haftungsrechtlich nur einzustehen hat, wenn es sich bei den an der Baustelle tätigen Arbeitern, die die Bohlen verschoben und nicht wieder ordnungsgemäß befestigt haben, um Verrichtungsgehilfen des Beklagten gehandelt hat. An dieser Haftungsvoraussetzung fehlt es, wenn – wie es das Berufungsgericht für möglich hält – der Zeuge P. von dem Beklagten als Subunternehmer mit dem Abschlagen des Putzes beauftragt war und dessen Arbeitnehmer an der Baustelle tätig waren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind selbständige Handwerker und Unternehmer in der Regel keine Verrichtungsgehilfen des Bauherrn (Senatsurteile vom 24. Juni 1953 – VI ZR 322/52 – VersR 1953, 358 = LM BGB § 823 (E) Nr. 6 – und vom 23. Oktober 1973 – VI ZR 162/72 – VersR 1974, 243 f.; BGH, Urteil vom 4. Juni 1956 – III ZR 238/54 – VersR 1956, 504, 505; vgl. auch BGHZ 26, 152, 159).
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Das gilt in der Regel auch für den Subunternehmer, der von einem Bauunternehmer zur Durchführung der diesem vom Bauherrn übertragenen Arbeiten eingeschaltet wird, denn auch er ist als selbständiger Unternehmer im allgemeinen nicht in dem Maße den Weisungen des Hauptunternehmers unterworfen, daß er als dessen Hilfsperson angesehen werden müßte. Anhaltspunkte dafür, daß die auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmer nicht den Weisungen des Zeugen P., sondern denen des Beklagten, insbesondere im Hinblick auf Zeit und Umfang ihrer Tätigkeit, unterworfen waren, sind nach den Ausführungen des Berufungsgerichts nicht ersichtlich. Bei den von dem Subunternehmer eingesetzten Arbeitnehmern handelt es sich demzufolge um dessen Verrichtungsgehilfen und nicht um solche des Hauptunternehmers.
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2. Mit Recht nimmt das Berufungsgericht ferner an, daß dem Kläger der Beweis dafür obliegt, daß ihm der geltend gemachte Schaden von einem Verrichtungsgehilfen des Beklagten zugefügt wurde (vgl. RGZ 159, 283, 290). Der Kläger muß demgemäß beweisen, daß es sich bei den an der Baustelle tätigen Arbeitern um Arbeitnehmer des Beklagten und nicht um solche des Zeugen P. handelte. Die Tatsache, daß der Beklagte von der B. AG mit dem Abschlagen des Außenputzes beauftragt war, begründet entgegen der Revision keinen Beweis des ersten Anscheins dafür, daß es Arbeitnehmer des Beklagten waren, die den Putz abschlugen und dabei die Bohlen verschoben. Für einen dahingehenden Anscheinsbeweis fehlt es an der erforderlichen Typizität eines derartigen Geschehens.
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3. Verfahrensfehlerhaft ist das Berufungsgericht hingegen zu der Auffassung gelangt, die Beweisaufnahme habe nicht den Nachweis erbracht, daß Arbeitnehmer des Beklagten auf der Baustelle zum Abschlagen des Außenputzes eingesetzt waren. Die Revision rügt zu Recht, daß sich das Berufungsgericht dabei allein auf die Aussagen der vom Beklagten benannten Zeugen stützt, Beweisangebote des Klägers dagegen übergangen habe. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz den Zeugen R. für die Behauptung benannt, daß niemand anders als der Beklagte selbst an der Baustelle aufgetreten sei, Arbeiten in Auftrag genommen und diese auch durch seine Mitarbeiter habe durchführen lassen. Diesem Beweisantrag hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen, denn damit hat der Kläger der Sache nach die Behauptung des Beklagten bestritten, zur Unfallzeit seien an der Baustelle Arbeitnehmer des Zeugen P. tätig gewesen. Da insoweit der Kläger beweispflichtig ist, durfte sich das Berufungsgericht nicht damit begnügen, lediglich die vom Beklagten benannten Zeugen zu vernehmen.
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Desgleichen hätte das Berufungsgericht das Vorstandsmitglied der B. AG W. als Zeugen vernehmen müssen. Der Kläger hat diesen Zeugen für die Behauptung benannt, der Beklagte habe selbst auf der Baustelle die Arbeiten geleitet, sei ständig dort erschienen und habe Anweisungen gegeben; er sei auch gar nicht dazu berechtigt gewesen, Subunternehmer zu beschäftigen. Auch diese Behauptung ist geeignet, die Geschäftsherrneigenschaft des Beklagten im Sinne des § 831 BGB zu beweisen.
III.
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Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der neuen Entscheidung wird das Berufungsgericht für den Fall, daß eine deliktische Haftung des Beklagten nach § 831 BGB nicht zum Zuge kommt, zu prüfen haben, ob dem Kläger gegen den Beklagten aus dem mit der B. AG geschlossenen Werkvertrag Ansprüche auf Ersatz seiner materiellen Schäden nach § 328 BGB zustehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Arbeitnehmer des Bestellers jedenfalls dann, wenn sie wie hier mit der Begehung der Baustelle befaßt sind, in den Schutzbereich der dem Unternehmer nach dem Werkvertrag obliegenden Pflichten einbezogen (BGHZ 33, 247, 249; 55, 11, 18). In einem solchen Fall muß sich der Beklagte das Verschulden eines von ihm eingeschalteten Subunternehmers nach § 278 BGB zurechnen lassen.