AG Düsseldorf, Urteil vom 18.10.2011 – 230 C 2126/11
Sonnenstudios sind haftbar bei Nutzung durch Minderjährige
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 503,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.08.2010 sowie weitere 83,54 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.04.2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Zwangsvollstreckung durch den jeweiligen Gegner gegen Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht dieser zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf bis 2.000,– Euro festgesetzt.
Tatbestand
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Die am 13.07.1994 geborene Klägerin besuchte mit ihrer Freundin, der Zeugin L, am 12.07.2010 das vom Beklagten betriebene Sonnenstudio. Dort nutzte sie ohne dass sie oder ihre Freundin nach dem Alter gefragt wurden, eine unstreitig leistungsstarke Sonnenbank für die Dauer von etwa bis zu 30 Minuten. Im Anschluss wurden noch am selben Tag gemäß Entlassungsbericht des Evangelischen Krankenhauses vom 19.07.2010 (Bl. 6 d.A.) bei der Klägerin Verbrennungen 1. Grades im Bereich von mehr als 20 % der Körperoberfläche attestiert. Bis zum 13.07.2010 wurde sie bei mutmaßlich auf Dehydrierung zurückzuführenden Zustand nach Synkope und Kollaps stationär behandelt. Die anschließende kinderärztliche Behandlung wurde gemäß Attest vom 30.07.2010 (Bl. 8 d.A.) am 28.07. abgeschlossen. Nach Angaben des Behandlers gegenüber dem Haftpflichtversicherer ergaben sich keine dauerhaften Verletzungsfolgen (Bl. 28 d.A.).
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Den geltend gemachten Schadensersatz in Höhe von Attestkosten und Schmerzensgeld leistete der Beklagte auch nach anwaltlicher Mahnung mit Fristsetzung zum 17.08.2010 nicht.
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Die Klägerin begehrt mit der Klage weiterhin Schadensersatz und Schmerzensgeld unter Berufung auf die Regelungen des § 4 NiSG. Sie behauptet hierzu, der angestellte Mitarbeiter des Beklagten habe die Nutzung der Sonnenbank durch die erkennbar minderjährige Klägerin und ihre Freundin beobachtet und pflichtwidrig zugelassen. Die Klägerin habe unter erheblichen Schmerzen und gestörtem Schlaf gelitten, ferner sei erschwerend zu berücksichtigen, dass eine Sommerferienreise verletzungsbedingt nicht stattfinden konnte. Mit Rücksicht auf den Schutzzweck der Regelungen des NiSG komme kein Mitverschulden in Betracht und sei ein Schmerzensgeld von 1.800,– Euro angemessen.
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Sie beantragt mit der am 12.04.2011 zugestellten Klage,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 10,– Euro nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2010,
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ein Schmerzensgeld dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, aber einen Betrag von 1.800,– Euro nicht unterschreiten sollte nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2010,
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sowie schließlich vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 229,55 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung
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zu zahlen
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er behauptet, sein Mitarbeiter, der Zeuge E, habe die Zeugin L vor der bezahlten Dauer von 30 Minuten auf der fraglichen Bank gewarnt. Die Zeugin L habe erklärt, die Klägerin selbst wolle die Sonnenbank nicht in Anspruch nehmen. Während der Mitarbeiter des Beklagten im Kundengespräch gewesen sei, hätten sich die Klägerin mit der Zeugin L in die Sonnenbank geschlichen. Beide Mädchen hätten sich überdies über ein unstreitig erkennbares und vorhandenes Verbotsschild für unter 18-Jährige bewusst hinweggesetzt.
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Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 20.09.2011 durch Vernehmung der Zeugen L und E. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nach Maßgabe des Tenors begründet.
I.
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Der Klägerin steht gegen den Beklagten dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 4 NiSG zu.
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1. Aufgrund des klaren Schutzzweckes des § 4 NiSG kann nicht ernsthaft zweifelhaft sein, dass es sich bei dieser Vorschrift auch um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt.
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Nach dem klaren Wortlaut des § 4 NiSG, der ein „Nutzungsverbot“ statuiert, welches sich an die Betreiber „…darf…nicht gestattet werden“ ist davon auszugehen, dass sich für den Betreiber eines Sonnenstudios entsprechende Pflichten ergeben, sicherzustellen, dass eine Nutzung durch Minderjährige nicht erfolgt.
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Dafür reicht es nach Auffassung des Gerichts nicht aus, die Nutzung von Sonnenbänken durch Minderjährige allein dadurch unterbinden zu wollen, dass ein entsprechendes Hinweisschild am Eingang angebracht wird. Insoweit ist unter Berücksichtigung eines typischerweise obstinaten Verhaltens von Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren neben einem solchen Hinweis auch sicherzustellen, dass durch geeignete Maßnahmen die Einhaltung des durch den Hinweis ausgesprochenen Verbotes sichergestellt wird. Dies hat zur Folge, dass der Beklagte bzw. seine Mitarbeiter entweder darauf achten, dass keine unter 18-jährigen überhaupt das Sonnenstudio betreten oder, wenn sie dieses Betreten schon zulassen, durch gesteigerte Beobachtung sicherstellen, dass die Minderjährigen jedenfalls keine Sonnenbank nutzen.
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Der besondere Schutzzweck unter Berücksichtigung des typischerweise leichtsinnigen Verhaltens von Teenagern gebietet es ferner, dem Betreiber von Sonnenbänken im Rahmen seiner Schutzpflichten aufzuerlegen bereits geeignete Alterskontrollen durchzuführen. Gänzlich unzureichend ist dabei eine Frage nach dem Alter. Nur von zweifelhaftem Wert ist auch die Vorlage eines Schülerausweises, dessen Manipulierung erfahrungsgemäß Gang und Gäbe ist. In Zweifelsfällen ist vielmehr auf eine Vorlage eines gültigen Personalausweises oder sonstigen Ausweispapieres zu bestehen. Unstreitig ist vorliegend nicht einmal nach dem Alter gefragt worden.
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Für die Einhaltung dieser Pflichten durch seine Mitarbeiter haftet im konkreten Fall der Beklagte nach den Regelungen des § 831 BGB.
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2. Nach dem unstreitigen Minimalsachverhalt sowie nach dem im Anschluss an die Beweisaufnahme feststellbaren Sachverhalt steht zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts eine Pflichtverletzung des Beklagten bzw. des Zeugen E fest.
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Unstreitig hat der Zeuge E das Betreten und den Aufenthalt der Klägerin und ihrer Freundin nicht verhindert und auch keinerlei Alterskontrolle durchgeführt.
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Das Gericht konnte sich im Termin durch davon überzeugen, dass die Zeugin und erst recht die Klägerin jedenfalls dem äußeren Anschein nach noch so jung erscheinen, dass nicht auf erste Sicht sichergestellt ist, dass sie bereits über 18 Jahre sind.
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Wie dargestellt löst es auf Seiten des Sonnenstudios besondere Beaufsichtigungspflichten aus, wenn Minderjährige oder dem äußeren Anschein mögliche Minderjährige überhaupt Einlass in das Studio erhalten. Denn selbstverständlich und für jeden Betreiber eines Sonnenstudios auch erkennbar liegt es auf der Hand, dass minderjährige Teenager versuchen sich über Verbote hinwegzusetzen um ihr Bedürfnis nach künstlicher Bräune zu befriedigen (oder mit der bildhaften Sprache der Zeugin: „Ich geh Solarium, weil alle meine Freunde gehen auch Solarium“).
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Auch in der konkreten vom Zeugen E beschriebenen Situation musste sich diese Möglichkeit für ihn ernsthaft aufdrängen. Dass die Zeugin L erklärt habe, die Klägerin wolle nur zuschauen oder sie begleiten und sich selber nicht bräunen, nimmt das Gericht dem Zeugen nicht ab. Entsprechende Erklärungen haben die Klägerin und die Zeugin L nicht bestätigt.
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Abgesehen davon hatte der Zeuge – seine eigenen Bekundungen zu seinen Beobachtungen als richtig unterstellt – gleichwohl zu kontrollieren, ob sich nicht die minderjährige Klägerin mit in die Sonnenbank geschlichen hatte, nachdem er wahrgenommen hatte, dass diese für ihn nicht mehr sichtbar war. Dass die Klägerin das Ladenlokal verlassen hat, war nicht wahrscheinlicher als der Umstand, dass sie sich auf die Sonnenbank „geschlichen“ hat.
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Das Gericht vermag nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, dass der Zeuge E die Klägerin beim Betreten der Sonnenbank beobachtet hat. Mit Rücksicht auf die widersprechenden Aussagen kann nicht ausgeschlossen werden, dass er durch weiteren Kundenverkehr abgelenkt war.
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Das Gericht hat keinen Anlass, dem einen oder anderen Zeugen mehr oder weniger Glauben zu schenken, da bei beiden ein Eigeninteresse nicht von der Hand zu weisen ist und andererseits beide wie auch die Klägerin offen Fehlverhalten einräumten nämlich die Klägerin und die Zeugin, sich über das Verbotsschild hinweggesetzt zu haben, der Zeuge E, im konkreten Fall nicht das Alter zuverlässig kontrolliert zu haben.
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Das Gericht geht daher vor dem Hintergrund des feststellbaren Sachverhalts von einer deliktischen Pflichtverletzung aus. Den Verschuldensgrad beurteilt das Gericht vorbehaltlich des noch zu erörternden Mitverschuldens der Klägerin als nur durchschnittlich, zumal nicht auszuschließen ist, dass sich die Klägerin bewusst unbemerkt in die Sonnenkabine hineingeschlichen hat.
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Demgegenüber geht das Gericht von einem erheblichen Mitverschuldensanteil der seinerzeit knapp 16-jährigen Klägerin aus. Unstreitig war ihr bekannt, dass die Benutzung der Sonnenbank unter 18 untersagt war schon allein aufgrund des bekannten Hinweisschildes. Sie hat mithin vorsätzlich diesem Verbot zuwider gehandelt.
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Dass die Benutzung einer Sonnenbank bei erstmaligem Gebrauch das Risiko von Hautverbrennungen trägt, erschließt sich auch bereits einem 16-jährigen Mädchen, ebenso der Umstand, dass die von der unstreitig stärker gebräunten Zeugin gewählte Stärke und Dauer schwerlich auch für die noch ungebräunte Klägerin geeignet sein konnte.
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Mit Rücksicht darauf, dass sich die Klägerin bewusst über von ihr erkannte bzw. erkennbare Verbotsanordnungen hinweggesetzt hat und ferner die möglichen Gefahren durchaus erkennbar waren, erachtet das Gericht einen Mitverschuldensanteil von etwa 2/3 für angemessen gegenüber der bloß einfachen Fahrlässigkeit auf Beklagtenseite.
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3. Die vorstehende Haftungsquote reduziert die Attestkosten auf 1/3 mithin 3,33 Euro.
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Als Schmerzensgeld erachtet das Gericht unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verschuldensanteile einen Betrag von 500,00 € für angemessen.
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Ohne Rücksicht auf ein Mitverschulden hält das Gericht bei einer festgestellten einfachen Fahrlässigkeit auf Beklagtenseite für die belegten Verletzungen ein Schmerzensgeld von 1.500,– Euro für angemessen.
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Dies entspricht immerhin 100,– Euro pro Tag der etwa zweiwöchigen Behandlungszeit. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Verbrennungen 1. Grades auf mehr als 20 % der Körperoberfläche durchaus schmerzhaft und unangenehm sind und sicher auch erholsamen Schlaf in den ersten Tagen beeinträchtigen.
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Soweit klägerseits ein zweitägiger Krankenhausaufenthalt geltend gemacht wird, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass letztlich nur eine Übernachtung im Krankenhaus stattgefunden hat Zum anderen kann davon ausgegangen werden, dass der stationäre Aufenthalt wohl nicht auf die Hautverbrennungen sondern wie im Entlassungsbericht beschrieben auf eine Synkope mit kurzem Kollaps zurückzuführen ist und Ursache hierfür nicht die Nutzung der Sonnenbank sondern am ehesten eine Dehydrierung war, die von der Klägerin im Rahmen der Anamnese auch selbst mitgeteilt worden war.
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Dauerfolgeschäden werden von dem als Zeugen benannten Arzt ausdrücklich im Attest gegenüber dem Haftpflichtversicherer verneint, so dass auch diese nicht festgestellt werden können. Gründe, warum der benannte Arzt im Rahmen einer Zeugenvernehmung von seinen schriftlichen Erklärungen abweichende Erklärungen tätigen sollte, sind nicht dargetan, so dass das Beweisangebot ersichtlich untauglich ist. Schließlich sieht das Gericht keinen Anlass, eine angeblich verpasste Urlaubsreise für eine Erhöhung eines Schmerzensgeldes zu berücksichtigen. Da ausweislich des Entlassungsberichts lediglich direkte Sonneneinstrahlung zu vermeiden war, demnach ein Aufenthalt im Schatten und/oder entsprechend durch Kleidung bedeckt möglich war, bestand kein ausreichender Grund eine Urlaubsreise abzusagen war, so dass es bereits an der Kausalität fehlt.
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Berücksichtigt man das oben näher ausgeführte Eigenverschulden, so erscheint ein Schmerzensgeld von 500,– Euro erforderlich aber auch ausreichend. Generalpräventive Erwägungen haben mit Rücksicht auf die Bußgeldvorschriften des § 8 NiSG außer Betracht zu bleiben.
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Die Nebenforderungen finden ihre Rechtsgrundlage in den Verzugsregelungen gemäß §§ 280 Abs. 2, 286, 288, 291 BGB.
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Nach allem war wie erkannt zu entscheiden.
II.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
43
Ein Anlass, die Berufung für den Beklagten zuzulassen, besteht nicht, weil eine in rechtlicher Hinsicht grundsätzlich mögliche Haftung unproblematisch ist und die Sache aufgrund der den Haftungstatbestand ausfüllenden Einzelfallentscheidung keine besondere Bedeutung hat, die eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern würde.