OLG Bamberg, Beschluss vom 11.01.2007 – 3 Ss OWi 1796/06
Das Fahren ohne bzw. ohne geeignetes Schuhwerk ist jedenfalls bei einer nicht dem Anwendungsbereich des § 209 SGB VII unterfallenden privaten Fahrt derzeit weder nach § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO noch nach anderweitigen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts bußgeldbewehrt (Rn. 3).
Tenor
I. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Cham, Zweigstelle Furth im Wald, vom 31. Juli 2006 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die tateinheitliche Verurteilung des Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Fahrzeugs ohne vorschriftsmäßige Besetzung entfällt und die Geldbuße auf 500 Euro festgesetzt wird.
II. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last; jedoch wird die Gebühr um ein Viertel ermäßigt. Die dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen werden in Höhe eines Viertels der Staatskasse auferlegt; im übrigen hat der Betroffene seine Auslagen selbst zu tragen.
Gründe
I.
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Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat einen Teilerfolg lediglich insoweit, als der (tateinheitliche) Schuldspruch wegen fahrlässigen Führens eines Fahrzeugs ohne vorschriftsmäßige Besetzung gemäß §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO keinen Bestand hat und die verwirkte Geldbuße dementsprechend auf 500 Euro festzusetzen war. Die Nachprüfung des Urteils deckt im Übrigen, insbesondere hinsichtlich Schuldspruch wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs mit einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l oder mehr geführt hat (§ 24 a Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StVG), und hinsichtlich der Anordnung eines Fahrverbots für die Dauer von 3 Monaten, keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf, weshalb das Rechtsmittel insoweit – entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht vom 18.12.2006 – gemäß § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG als unbegründet zu verwerfen war.
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Die Gegenerklärung des Verteidigers des Betroffenen vom 04.01.2007 lag dem Senat bei seiner Entscheidung vor.
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1. Der Teilerfolg des Rechtsmittels beruht darauf, das das Fahren ohne bzw. ohne geeignetes Schuhwerk jedenfalls bei einer – wie hier – nicht dem Anwendungsbereich des § 209 SGB VII unterfallenden Fahrt derzeit weder nach § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO noch nach anderweitigen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts bußgeldbewehrt ist (vgl. OLG Bamberg, Beschluss v. 15.11.2006 – 2 Ss OWi 577/06 sowie zuletzt Senatsbeschlüsse v. 27.12.2006 – 3 Ss OWi 1306/06 und 3 Ss OWi 582/06, jeweils m.w.N.).
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Hieran ändert nichts, dass es mit den Pflichten eines sorgfältigen Kraftfahrzeugführers in der Tat unvereinbar erscheint, ein Kraftfahrzeug ohne oder mit hierfür ungeeignetem Schuhwerk zu führen. Wird hierdurch – etwa durch eine Fehlbedienung der Pedalen oder durch ein Abrutschen des Fußes vom Pedal – ein Dritter geschädigt, gefährdet oder auch nur belästigt (§ 1 Abs. 2 StVO), kann der Fahrzeugführer zwar über die zivilrechtliche Haftung für einen dadurch verursachten Schaden hinaus auch strafrechtlich oder bußgeldrechtlich verantwortlich sein. Ist ein solcher Erfolg jedoch – wie hier – nicht eingetreten, wird das schlichte Führen eines Kraftfahrzeugs ohne oder mit hierfür ungeeignetem Schuhwerk derzeit von keiner Bußgeldbewehrung des Straßenverkehrsrechts (StVG, StVO, StVZO, FeV) erfasst.
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a) Insbesondere scheidet – wie auch die Verteidigung zutreffend vorträgt – die Bestimmung des § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO insoweit als Verurteilungsgrundlage aus.
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Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO hat der Fahrzeugführer „dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug, der Zug, das Gespann sowie die Ladung und die Besetzung vorschriftsmäßig sind und dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung oder die Besetzung nicht leidet“. Nachdem Fahrzeugausrüstung und Bekleidung des Fahrers schon begrifflich nicht zur Ladung zählen, könnte der Tatbestand nur noch dann erfüllt sein, wenn man den Betroffenen als Fahrer zur „Besetzung“ des Fahrzeugs zählt. Dies ist rechtsfehlerhaft.
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Soweit § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO dem Fahrzeugführer die Verantwortlichkeit für die „Besetzung“ des Fahrzeugs auferlegt, können damit nämlich nur Personen gemeint sein, die sich außer dem Fahrer noch im Fahrzeug befinden (BayObLG DAR 79, 45; Hentschel Straßenverkehrsrecht 38. Aufl. § 23 StVO Rn. 22; OLG Bamberg, jeweils a.a.O.). Das gleiche Resultat kann im Übrigen auch § 31 Abs. 2 StVZO entnommen werden, der für den Fahrzeughalter klar zwischen seiner Verantwortung für die Eignung des Fahrzeugführers einerseits und die Ladung und Besetzung andererseits differenziert. Dementsprechend wird im Rahmen des § 23 Abs. 1 StVO die Besetzung insbesondere in den Fällen als nicht vorschriftsmäßig angesehen, in denen sie den Bestimmungen des § 21 StVO nicht entspricht und dadurch die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird (Hentschel aaO § 23 StVO Rn. 22; Janiszewski/Jagow/Burmann Straßenverkehrsrecht 19. Aufl. § 23 StVO Rn. 16). § 21 StVO wiederum regelt die Sorgfaltspflichten des Fahrers bei der Mitnahme anderer Personen. Die hier allenfalls eine Bußgeldbewehrung rechtfertigende Fallgestaltung eines eigenen, die Verkehrssicherheit beeinträchtigenden Verhaltens des Fahrers, das sich weder auf die Ladung noch auf die Besetzung des geführten Fahrzeugs bezieht, wird von § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO damit gerade nicht umfasst.
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b) Das Fahren ohne bzw. ohne geeignetes Schuhwerk ist auch nicht über § 2 Abs. 1 Satz 1 FeV i.V.m. § 75 Nr. 1 FeV bußgeldbewehrt. Denn § 2 Abs. 1 Satz 1 FeV bezieht sich nur auf Fälle, in denen ein „körperlicher oder geistiger Mangel“ zur Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit beim Führen eines Kraftfahrzeugs führen kann. Fehlendes oder ungeeignetes Schuhwerk stellt schon begrifflich keinen derartigen Mangel dar.
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c) Nachdem von einer Privatfahrt des Betroffenen auszugehen ist, kommt wegen des Tragens unzureichenden Schuhwerks auch eine Verurteilung gemäß §§ 209 Abs. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 SGB VII i.V.m. §§ 44 Abs. 2, 58 und 32 der Unfallverhütungsvorschriften „Fahrzeuge“ BGV D29 (v. 1.10.1990 in der Fassung vom 1.1.1997, aktualisierte Fassung 2000) nicht in Betracht. Zwar bestimmt § 44 Abs. 2 der als autonomes Recht der Unfallversicherungsträger erlassenen Unfallverhütungsvorschriften „Fahrzeuge“ BGV D29 im Gegensatz zur Straßenverkehrsordnung ausdrücklich, dass der Fahrzeugführer zum sicheren Führen des Fahrzeugs „den Fuß umschließendes Schuhwerk tragen“ muss. Als Unfallverhütungsvorschrift kann § 44 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschriften „Fahrzeuge“ BGV D29 allerdings nur im Rahmen eines Versicherungsverhältnisses nach dem SGB VII Geltung beanspruchen. Dementsprechend richtet sich der Bußgeldtatbestand des § 58 der Unfallverhütungsvorschriften „Fahrzeuge“ BGV D29 im hier maßgeblichen Regelungsbereich über die Verweisung auf § 32 der Unfallverhütungsvorschriften „Fahrzeuge“ BGV D29 nur an Unternehmer und Versicherte als Normadressaten (vgl. Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht SGB VII § 15 Rn. 7, § 209 Rn. 6). Notwendig wäre daher, dass der Betroffene die Fahrt als Unternehmer oder Versicherter durchgeführt hätte.
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d) Schließlich scheidet auch eine entsprechende Anwendung der abgehandelten Tatbestände des Straßenverkehrsrechts oder der §§ 209 Abs. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 SGB VII i.V.m. §§ 44 Abs. 2, 58 und 32 der Unfallverhütungsvorschriften „Fahrzeuge“ BGV D29 auf den vorliegenden Fall aus. Denn eine entsprechende Anwendung der einschlägigen Bußgeldbewehrungen auf das festgestellte Verhalten des Betroffenen liefe auf eine mit Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. auch § 3 OWiG) unvereinbare Analogie zu Lasten des Betroffenen hinaus (OLG Bamberg jeweils a.a.O. m. zahl. weit. Nachw.).
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2. Aufgrund des Wegfalls des (tateinheitlichen) Schuldspruchs wegen fahrlässigen Führens eines Fahrzeugs ohne vorschriftsmäßige Besetzung war die Geldbuße auf 500 Euro zu ermäßigen. Gründe dafür, die Geldbuße für die fahrlässige Ordnungswidrigkeit gemäß § 24 a Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StVG über die Regelbuße von 500 Euro (vgl. Nr. 241.1 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV) hinaus weiter zu reduzieren, sind nicht ersichtlich; entsprechendes gilt für die vom Amtsgericht angeordnete Fahrverbotsdauer von drei Monaten.
II.
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Der Senat kann – wie aus der Beschlussformel ersichtlich – selbst entscheiden (§ 79 Abs. 6 OWiG).
III.
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Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.
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Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.