Personenhandelsgesellschaft kann Wohnraummietverhältnis nicht wegen Eigenbedarfs ihrer Gesellschafter kündigen

BGH, Urteil vom 15.12.2010 – VIII ZR 210/10

Eine Personenhandelsgesellschaft kann ein Wohnraummietverhältnis nicht wegen Eigenbedarfs ihrer Gesellschafter kündigen(Rn.8)(Rn.9)(Rn.11)(Rn.12)(Rn.13).

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 11 des Landgerichts Hamburg vom 30. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

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Der Beklagte ist seit 2001 Mieter einer 5-Zimmer-Wohnung der Klägerin in H. Bei der Klägerin handelt es sich um eine GmbH & Co. KG. Kommanditisten und Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind die Eheleute M.; der Ehemann ist gleichzeitig Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin.

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Mit Schreiben vom 30. April 2009 sprach die Klägerin die ordentliche Kündigung des Mietvertrags zum 31. Oktober 2009 aus. Zur Begründung ist in dem Kündigungsschreiben im Einzelnen ausgeführt, dass die beiden 69 und 74 Jahre alten Gesellschafter der Klägerin die Wohnung für sich selbst benötigten.

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Das Amtsgericht hat die Räumungsklage abgewiesen, das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Räumungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

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Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung nicht zu, weil die Kündigung vom 30. April 2009 das Mietverhältnis nicht beendet habe. Die Kündigung der Klägerin sei unwirksam, weil ihr als GmbH & Co. KG ein Eigenbedarf ihrer Gesellschafter nicht zugerechnet werden könne.

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Zwar sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Eigenbedarf ihrer Gesellschafter zuzurechnen, weil insoweit eine Gleichbehandlung mit den Mitgliedern einer Bruchteilsgemeinschaft geboten sei. Damit sei die Situation von Personenhandelsgesellschaften wie der offenen Handelsgesellschaft oder wie hier einer GmbH & Co. KG nicht vergleichbar. Anders als häufig bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts hänge es nicht vom Zufall ab, ob es sich bei der vermietenden Personenmehrheit um eine schlichte Gemeinschaft oder um eine offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft handele, denn eine Personenhandelsgesellschaft entstehe nicht zufällig, sondern durch zum Teil umfangreiches geschäftliches Tätigwerden ihrer Mitglieder von der Errichtung eines Gesellschaftsvertrages bis hin zur Eintragung im Handelsregister. Die Gefahr einer vom Zufall abhängenden Ungleichbehandlung der Personenmehrheit in Gestalt einer Gemeinschaft einerseits und derjenigen in Gestalt einer Personenhandelsgesellschaft sei daher von vornherein ausgeschlossen. Anders als bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gebe es daher bei der Personenhandelsgesellschaft keine Veranlassung, zur Vermeidung von Ungerechtigkeiten die Geltendmachung von Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter zu ermöglichen.

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Der von der Literatur vertretenen gegenteiligen Auffassung, einer Personengesellschaft sei – etwa im Hinblick auf die nähere persönliche Beziehung zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft und der persönlichen Haftung – der Eigenbedarf von Gesellschaftern generell zuzurechnen, könne nicht gefolgt werden. Die Rechtssicherheit gebiete es, die nur als besondere Ausnahme anzusehende Zurechnung des Eigenbedarfs der Gesellschafter bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf diese Gesellschaft zu begrenzen. Gerade bei einer GmbH & Co. KG bestehe die Gefahr, dass der Mieter einer unübersehbaren Zahl von Gesellschaftern gegenüberstehe; Kommanditgesellschaften hätten zudem häufig viele dem Mieter unbekannte Kommanditisten, bei denen die Kapitalbeteiligung im Vordergrund stehe und eine sachliche Berechtigung, gegebenenfalls Eigenbedarf geltend zu machen, nicht einsichtig sei.

II.

8

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass einer GmbH & Co. KG ein Eigenbedarf ihrer Gesellschafter nicht zugerechnet werden kann, so dass die von der Klägerin erklärte Kündigung unwirksam und das Räumungsbegehren der Klägerin unbegründet ist.

9

Allerdings darf nach der Rechtsprechung des Senats eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts – anders als eine Kapitalgesellschaft – grundsätzlich wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kündigen (Senatsurteile vom 27. Juni 2007 – VIII ZR 271/06, NJW 2007, 2845 Rn. 12, 15 ff.; vom 16. Juli 2009 – VIII ZR 231/08, NJW 2009, 2738 Rn. 13 f.). Diese Rechtsprechung lässt sich aber, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, nicht auf Personenhandelsgesellschaften und somit auch nicht auf die Klägerin als GmbH & Co. KG übertragen.

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1. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Gesellschaft bürgerlichen Rechts der Eigenbedarf eines Gesellschafters deshalb zuzurechnen, weil es im Ergebnis nicht gerechtfertigt wäre, Gesellschafter einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft insoweit schlechter zu stellen als die Mitglieder einer einfachen Vermietermehrheit. Sind mehrere natürliche Personen Vermieter, berechtigt der Eigenbedarf eines Vermieters die Gemeinschaft zur Kündigung des Mietvertrages; dies kann nicht anders zu beurteilen sein, wenn diese Personen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage einen gemeinsamen Zweck verfolgen und damit eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden, zumal es häufig nur vom Zufall abhängen wird, ob eine Personenmehrheit dem Mieter eine Wohnung als Gemeinschaft oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts vermietet (Senatsurteil vom 27. Juni 2007 – VIII ZR 271/06, aaO Rn. 15). Eine vergleichbare Situation besteht, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bei einer Personenhandelsgesellschaft als Vermieterin indes nicht.

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2. Die Gründung einer Kommanditgesellschaft oder offenen Handelsgesellschaft setzt regelmäßig eine umfangreiche organisatorische und rechtsgeschäftliche Tätigkeit bis hin zur Eintragung in das Handelsregister voraus; die Vermietung einer Wohnung durch eine offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft (beziehungsweise wie hier durch eine GmbH & Co. KG) statt durch eine schlichte Gemeinschaft erfolgt deshalb von vornherein nicht „zufällig“, sondern beruht auf einer bewussten Entscheidung aufgrund wirtschaftlicher, steuerrechtlicher und/oder haftungsrechtlicher Überlegungen. Von einer Vergleichbarkeit mit der Interessenlage bei der Vermietung einer Wohnung durch eine Bruchteilsgemeinschaft oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann daher keine Rede sein. Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision auch dann, wenn es sich – wie die Klägerin für sich in Anspruch nimmt – bei der Vermieterin um eine „personalistisch gebundene vermögensverwaltende Kommanditgesellschaft“ handelt, zu der sich Eheleute zusammengeschlossen haben.

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3. Entgegen der Auffassung der Revision führt auch der Umstand, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts inzwischen als teilrechtsfähig anerkannt ist, nicht dazu, dass bezüglich der Zurechnung von Eigenbedarf eines Gesellschafters eine Gleichbehandlung mit allen anderen Personengesellschaften geboten wäre und somit nur bei juristischen Personen eine Zurechnung des Eigenbedarfs von Gesellschaftern auszuscheiden hätte. Maßgeblich für die Zurechnung des Eigenbedarfs bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist nicht die bloße Teilrechtsfähigkeit (das Fehlen der Eigenschaft einer juristischen Person) oder ein im Vergleich zu Kapitalgesellschaften stärkerer personaler Bezug, sondern die Wertung, dass eine unterschiedliche Behandlung der Vermietung durch eine Bruchteilsgemeinschaft oder Erbengemeinschaft einerseits und durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts andererseits in vielen Konstellationen „willkürlich“ erscheint, weil es häufig vom Zufall abhängt, in welcher Rechtsform die Vermietung vorgenommen wird.

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4. Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus der vom Senat anerkannten Möglichkeit, dass ein berechtigtes Interesse einer Kommanditgesellschaft an der Beendigung eines Wohnraummietvertrags in der betrieblich bedingten Notwendigkeit liegen kann, die Wohnung einem Mitarbeiter oder Geschäftsführer zur Verfügung zu stellen (vgl. Senatsurteil vom 23. Mai 2007 – VIII ZR 122/06, NZM 2007, 639 Rn. 12). Damit ist lediglich ein „Betriebsbedarf“ als grundsätzlich berechtigtes Interesse im Sinne des § 573 Abs. 1 BGB anerkannt. Hieraus ergibt sich aber entgegen der Auffassung der Revision nicht, dass einer Kommanditgesellschaft der persönliche Nutzungswunsch ihrer Kommanditisten oder Gesellschafter oder Geschäftsführer der Komplementärin als Eigenbedarf zugerechnet werden kann.

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