OLG Frankfurt am Main, 25.01.2018 – 1 U 7/17
1.
Lehrer müssen Schülern die erforderliche und zumutbare Erste Hilfe als Amtspflicht leisten.
2.
Eine Beweislastumkehr wegen grober Verletzung der Pflicht, Erste Hilfe zu leisten, findet nicht statt.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 30.11.2016 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des jeweiligen Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Der Kläger nimmt das beklagte Land (nachfolgend: Beklagter) wegen behaupteter Amtspflichtverletzungen des Lehrpersonals auf Ersatz immateriellen und materiellen Schadens in Anspruch.
Der damals 1xjährige Kläger erlitt am …201x als Schüler der Jahrgangsstufe … der X-Schule in Stadt1 während der Teilnahme am Sportunterricht, den die Lehrperson Z1 leitete, einen körperlichen Zusammenbruch, dessen Ursache unbekannt ist und der zu einem irreversiblen Hirnschaden geführt hat.
Ca. 5 Minuten nach Beginn des Aufwärmtrainings hörte der Kläger zu laufen auf, stellte sich an die rechte Seite des Garagentors der Sporthalle und erklärte, er habe Kopfschmerzen. Er fasste sich an den Kopf und rutschte sodann an der Wand entlang in eine Sitzposition. Die Zeugin Z1 befand sich zu diesem Zeitpunkt auf der linken Seite des Garagentors.
Um 15.27 Uhr ging der von der Zeugin Z1 ausgelöste Notruf bei der Notrufzentrale ein. Sie wurde gefragt, ob der Kläger noch atme, und erhielt sodann die Anweisung, den Kläger in die stabile Seitenlage zu verbringen. Um 15.32 Uhr traf der Rettungswagen und um 15.35 Uhr der Notarzt ein. Die Sanitäter begannen sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen, die ca. 45 Minuten dauerten. Der Notarzt verbrachte den Kläger in die Klinik. Im Aufnahmebericht vom …201x (Anlage K4, Anlagenband) ist u.a. vermerkt: „Beim Eintreffen des Notarztes bereits eine 8-minütige Bewusstlosigkeit ohne jegliche Laienreanimation“.
Der Kläger, der seit dem …201x als Schwerbehinderter anerkannt ist, verlangt von dem beklagten Land Ersatz immateriellen und materiellen Schadens mit der Behauptung, sein gesundheitlicher Zustand sei eine unmittelbare Folge des erlittenen hypoxischen Hirnschadens bei mangelnder Sauerstoffversorgung infolge einer unterlassenen Reanimation durch die Lehrkräfte. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung zweier Mitschülerinnen des Klägers, der Zeuginnen Z2 und Z3, und der beiden Lehrkräfte – Z1 und Z4 – abgewiesen mit der Begründung, es habe aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nicht festzustellen vermocht, dass es bereits vor dem Erscheinen der Rettungskräfte zu einem Aussetzen der Atmung des Klägers gekommen sei und deshalb für die Zeugen Z1 und Z4 Anlass zu Wiederbelebungsmaßnahmen bestanden hätte, bzw. ob und wann die Atmung vor dem Eintreffen der Rettungskräfte ausgesetzt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Er rügt eine Rechtsverletzung und macht geltend, das Landgericht habe auf der Basis der durchgeführten Beweisaufnahme zu Unrecht angenommen, eine schuldhafte Amtspflichtverletzung der Zeugen Z1 und Z4 könne nicht festgestellt werden. Bereits der unstreitige Sachverhalt belege eine objektive Amtspflichtverletzung der Lehrer bei der notfallmäßigen Erste-Hilfe-Versorgung des Klägers, weil sie beim Kläger keine Atemkontrolle durchgeführt hätten, so dass es nicht darauf ankomme, ob der Kläger beim Eintreffen der Rettungskräfte noch geatmet habe. Es könne nicht richtig sein, dass die Lehrer objektiv keine ordnungsgemäße Erste Hilfe geleistet hätten und der bewusstlose Kläger dann beweisen müsse, dass er bereits aufgehört gehabt habe, zu atmen, als es für die Lehrer zumutbar gewesen sei, Wiederbelebungsmaßnahmen in Form einer Herz-Lungen-Massage zu leisten. Sofern eine objektive Amtspflichtverletzung feststehe, habe der in Anspruch Genommene nachzuweisen, dass Umstände vorlägen, unter denen die Amtspflichtverletzung nicht schuldhaft wäre. Anstatt hier dem Beklagten die weitere Beweislast aufzuerlegen, habe das Landgericht vermeintliche Widersprüche in den Aussagen der den Kläger allein betreuenden Mitschülerinnen und Zeuginnen Z2 und Z3 konstruiert, wonach diese sich nicht sicher gewesen seien, ob der Kläger noch geatmet habe und wann die Atmung ausgesetzt habe. Das zu prüfen und zu kontrollieren sei aber nicht Aufgabe der Schülerinnen, sondern objektive Amtspflicht der beteiligten Lehrkräfte gewesen.
Die Zeugin Z1 habe auch ausdrücklich eingeräumt, sich auf andere verlassen zu haben, anstatt selbst die Vitalfunktionen des Klägers bis zum Eintreffen der Rettungskräfte zu überwachen. Sie hätte die Vitalfunktion des Klägers engmaschig bis zum Eintreffen der Rettungskräfte überwachen und gegebenenfalls die einstudierten Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen müssen, um den Kläger genau vor den Schäden zu bewahren, die nun durch die massive Sauerstoffunterversorgung bis zum Eintreffen der Rettungskräfte eingetreten seien. Darauf, ob die Zeugin Z1 etwaige Aussagen der Zeuginnen Z2 und Z3 missverstanden haben könnte oder nicht, komme es nicht an.
Auch der Zeuge Z4 habe eingeräumt, sich nicht an ein eigenes Kontrollieren der Atmung des Klägers erinnern zu können. Er habe an die Atmung überhaupt nicht gedacht, sondern den Puls kontrolliert, wobei er auf Nachfrage nicht habe angeben können, wie er den Puls gemessen und wie viele Pulsschläge er gezählt haben will.
Das Landgericht habe bei der Feststellung einer objektiven Pflichtverletzung die Beweislastverteilung verkannt. Es habe verkannt, dass bereits nach dem unstreitigen Sachverhalt eine objektive Amtspflichtverletzung der verantwortlichen Lehrer vorliege und letztlich sie die Beweislast dafür zu tragen hätten, warum diese Amtspflichtverletzung nicht verschuldet gewesen sei oder dass der Kläger auch bei ordnungsgemäßer Erster Hilfe den eingetretenen Schaden erlitten hätte.
Der Kläger meint, es sei außerdem unrichtig, dass es das Landgericht nicht für nötig gehalten habe, zur Dauer der Sauerstoffunterversorgung weiter Beweis durch Einvernahme des Notarztes und dann gegebenenfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben. Der Notarzt habe angegeben, dass der Kläger bei seinem Eintreffen 8 Minuten bewusstlos und ohne jegliche Laienreanimation gewesen sei. Damit seien auch ausreichende Anknüpfungstatsachen für eine weitere Beweisaufnahme vorhanden. Hätte der Kläger noch bis unmittelbar vor Eintreffen der Rettungskräfte geatmet, dann hätten die vom Notarzt sofort eingeleiteten Wiederbelebungsmaßnahmen nicht insgesamt einen Zeitraum von 45 Minuten erfordert (Beweis: Sachverständigengutachten). Wegen der weiteren Einzelheiten seines Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 06.02.2017 sowie auf den Schriftsatz vom 18.12.2017 verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 18.12.2017 beruft sich der Kläger außerdem auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwendung des § 832 BGB im Bereich der Amtshaftung (Urteil vom 13. Dezember 2012 – III ZR 226/12 -, BGHZ 196, 35-45) und macht geltend, dadurch, dass die Zeugen Z1 und Z4 der Pflicht zur Atemkontrolle nicht nachgekommen seien, sei die Beweisführung des Klägers zur Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden nicht möglich, so dass in Anwendung des § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB analog eine Beweislastumkehr zu seinen Gunsten zwingend geboten sei.
Der Kläger beantragt,
wie folgt zu erkennen:
1.
Das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 26.11.2016 zu Az. 5 O 201/15 wird aufgehoben.
2.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und den Betrag von 500.000 € nicht unterschreiten sollte.
3.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 102.999,68 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
4.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine vierteljährlich im Voraus zu zahlende monatliche Mehrbedarfsrente von 3.078 € zu zahlen.
5.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Schadensereignis vom 16.01.2013 noch entsteht, soweit der Anspruch nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder übergeht.
Hilfsweise beantragt der Kläger,
das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 26.11.2016 zu Az. 5 O 201/15 aufzuheben und die Sache gemäß § 538 Absatz 2 Nr. 1 ZPO an das Gericht des ersten Rechtszuges zurück zu verweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und meint, der Schriftsatz des Klägers vom 18.12.2017 sei schon deshalb unbeachtlich, weil er nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangen sei.
B.
I.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist hier nicht der Fall. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz aus dem – allein in Betracht kommenden – rechtlichen Gesichtspunkt einer Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG) zu. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass sich etwaige Pflichtverletzungen des Lehrpersonals im Rahmen der Hilfeleistung kausal auf den Gesundheitszustand des Klägers ausgewirkt haben.
1. Die Tätigkeit des Lehrpersonals in allgemeinbildenden Schulen und die Wahrnehmung der Aufsicht über Schüler durch Lehrkräfte stellt eine hoheitliche Betätigung gegenüber Dritten dar (vgl. Senat, Urteil vom 18. Januar 2010 – 1 U 185/08 -, Rn. 3, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28. April 2009 – 2 U 40/05 -, Rn. 16, juris; OLG Celle, Urteil vom 08. Oktober 1985 – 16 U 35/85 -, Rn. 29; MüKoBGB/Papier/Shirvani, 7. Aufl. 2017, § 839 Rn. 168). Für Pflichtverletzungen im Rahmen dieser Tätigkeiten wird die Verantwortlichkeit und Haftung auf den Hoheitsträger gem. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG übergeleitet (vgl. MüKoBGB/Papier/Shirvani, a.a.O., § 839 Rn. 119 ff.).
2. Im Rahmen ihrer Amtspflicht haben Lehrer nicht nur für die geistige, körperliche und charakterliche Erziehung der Schüler zu sorgen; die hoheitliche Aufsichtspflicht umfasst vielmehr auch die Pflicht, die ihnen anvertrauten Schüler im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren vor Schäden zu bewahren (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1965 – III ZR 35/64 -, BGHZ 44, 103-107, juris Rn. 7; Urteil vom 27. Juni 1963 – III ZR 5/62 -, Rn. 8, juris; Staudinger/Heinz Wöstmann (2013) BGB § 839, Rn. 779).
§ 3 der zum Zeitpunkt des Vorfalls geltenden Verordnung über die Aufsicht über Schülerinnen und Schüler vom 28.03.1985 in der Fassung vom 20.12.2005 (nachfolgend AufsVO aF), der die Aufsichtspflicht regelt, enthält zwar keine ausdrückliche Bestimmung hinsichtlich der Pflicht zum Ergreifen von Erste-Hilfe-Maßnahmen. Eine solche Pflicht ist erst in der – nach dem hier streitgegenständlichen Vorfall in Kraft getretenen – Verordnung über die Aufsicht über Schülerinnen und Schüler vom 11. Dezember 2013 (nachfolgend: AufsVO nF) in § 5 Abs. 1 ausdrücklich aufgeführt, der bestimmt, dass, wenn eine Schülerin oder ein Schüler verletzt oder spontan erkrankt ist, Erste Hilfe zu leisten ist; Abs. 4 dieser Regelung bestimmt zudem, dass u.a. zur Aufsicht verpflichtete Personen, die Sportunterricht erteilen, als Ersthelferin oder Ersthelfer ausgebildet sein müssen. Da die hoheitliche Aufsichtspflicht aber – wie ausgeführt – auch die Pflicht umfasst, Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren vor Schäden zu bewahren, bestand auch vor Inkrafttreten der neuen Verordnung außer der Pflicht, Schülerinnen und Schüler im Schulsport nicht in einer die Gesundheit gefährdenden Weise zu belasten, die Pflicht, etwa erforderliche und zumutbare Erste Hilfe rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise zu leisten, als Amtspflicht (vgl. auch Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28. April 2009 – 2 U 40/05 -, Rn. 16, juris).
3. Ob nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme eine Verletzung dieser Amtspflicht darin begründet sein könnte, dass den Lehrkräften bei der Hilfeleistung Versäumnisse unterlaufen sind, bedarf letztlich keiner Entscheidung. Denn nach dem Beweisergebnis lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass sich ein Unterlassen einer ausreichenden Kontrolle der Vitalfunktion und etwa bis zum Eintreffen der Rettungskräfte gebotener Reanimationsmaßnahmen kausal auf den Gesundheitszustand des Klägers ausgewirkt haben.
a) Zwar mag der den Sportunterricht leitenden Zeugin Z1 vorzuwerfen sein, dass sie – anstatt selbst die Vitalfunktionen des Klägers bis zum Eintreffen der Rettungskräfte zu kontrollieren bzw. zu überwachen – zwei Schülerinnen die Kontrolle der Vitalfunktionen überlassen hat. Auch der Zeuge Z4 hat keine Atemkontrolle durchgeführt, sondern sich darauf beschränkt, den Puls des Klägers zu fühlen. Dementsprechend konnten weder die Zeugin Z1 noch der Zeuge Z4 Angaben dazu machen, wann die Atmung des Klägers ausgesetzt hat.
b) Es lässt sich aber nicht feststellen, dass ein möglicherweise fehlerhaftes Vorgehen der Zeugen Z1 und Z4 kausal für den Gesundheitsschaden des Klägers geworden ist bzw. dass die Schäden „durch die massive Sauerstoffunterversorgung bis zum Eintreffen der Rettungskräfte eingetreten sind“, wie dies der Kläger behauptet. Insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Atmung des Klägers erst kurz vor dem Eintreffen der Rettungskräfte ausgesetzt hat oder dass selbst bei Durchführung einer bereits vorher gebotenen Reanimation der Kläger heute in gleicher Weise gesundheitlich beeinträchtigt wäre.
aa) Besteht die Amtspflichtverletzung in einem Unterlassen, kann ein Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nur bejaht werden, wenn der Schadenseintritt bei pflichtgemäßem Handeln mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre. Eine bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügen nicht (BGH, Urteil vom 27. Januar 1994 – III ZR 109/92 -, Rn. 33, juris; OLG München, Urteil vom 05. Juni 2003 – 1 U 3877/02 -, Rn. 232, juris).
bb) An die Feststellung des Landgerichts, wonach schon nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Atmung des Klägers erst kurz vor dem Eintreffen der Rettungskräfte ausgesetzt hat, ist der Senat gebunden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Diese Würdigung des Landgerichts begegnet im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
(1) Zwar ist die Beweiswürdigung des Landgerichts, wonach zwischen den Aussagen der Zeuginnen Z2 und Z3 einerseits und denjenigen der Zeugen Z1 und Z4 andererseits „nicht auflösbare Widersprüche“ bestünden, wenig überzeugend. Die Zeuginnen Z2 und Z3 haben im Rahmen ihrer Vernehmung übereinstimmend angegeben, dass der Kläger „blau angelaufen“ gewesen sei. So hat die Zeugin Z2 bekundet, der Kläger sei „auf jeden Fall blau angelaufen im Gesicht“, und sie hat auf Nachfrage erklärt, dies sei jedenfalls so gewesen, als er in die stabile Seitenlage gebracht worden sei. Auf nochmalige Nachfrage hat sie bekräftigt, dass sie gesehen habe, dass der Kläger im Gesicht blau angelaufen gewesen sei, als er in die Seitenlage gedreht worden sei (Prot. S. 8). Auch die Zeugin Z3 hat bestätigt, dass der Kläger im Gesicht blau angelaufen gewesen sei, als der Zeuge Z4 aufgetaucht sei, und sie hat auf Nachfrage erklärt, dass sie dies gesehen habe. Die Aussagen der Zeugen Z1 und Z4 stehen entgegen der Wertung des Landgerichts nicht in einem unauflösbaren Widerspruch zu den Bekundungen der Zeuginnen Z2 und Z3. Vielmehr sind die Bekundungen dieser Zeugen nicht geeignet, die Richtigkeit der Angaben der Zeuginnen Z2 und Z3 zu widerlegen. Denn dass die Zeugin Z1 „zu keinem Zeitpunkt“ gesehen haben will, dass der Kläger im Gesicht blau angelaufen gewesen sei, bedeutet nicht, dass dies tatsächlich nicht der Fall war, zumal die Zeugin – anders als die Zeuginnen Z2 und Z3 – nicht die ganze Zeit in unmittelbarer Nähe des Klägers war; sie konnte noch nicht einmal sagen, von wem während ihres Telefonat mit dem Notdienst die Aussage gekommen sei, dass der Kläger noch atme.
Auch die Aussage des Zeugen Z4 ist bereits nicht ergiebig. Er hat auf Vorhalt der Aussagen der Zeuginnen Z2 und Z3, wonach der Kläger blau angelaufen und dies der Anlass gewesen sei, ihn – den Zeugen – anzusprechen, ob und wie wiederbelebt werden solle, erklärt, sich an einen solchen Dialog nicht zu erinnern; er erinnere sich, dass der Kläger blass gewesen sei und eine Gänsehaut gehabt habe.
(2) Letztlich ist aber die Wertung des Landgerichts, wonach sich auch bei Zugrundelegung der Aussagen der Zeuginnen Z2 und Z3 der Zeitpunkt, zu dem der Kläger aufgehört hat, zu atmen, nicht verlässlich festlegen lässt, und dass auch nicht festgestellt werden kann, ab wann Wiederbelebungsmaßnahmen geboten gewesen sein könnten, nicht zu beanstanden. Insbesondere ist dem Landgericht kein Übergehen von Beweisangeboten vorzuwerfen.
Eine Einvernahme des Notarztes als Zeugen, wie vom Kläger beantragt, hat das Landgericht zu Recht abgelehnt. Denn dem Beweisantrag auf Einvernahme der erst- oder weiterbehandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen ist nicht nachzukommen. Die Feststellungen der erstbehandelnden Ärzte sind zwar eine wichtige Erkenntnisquelle, genügen aber nicht zur Beweisführung für die hier auch entscheidende Frage des Kausalzusammenhangs (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 1999 – VI ZR 257/98 -, Rn. 7, juris; OLG München, Urteil vom 29. Juni 2007 – 10 U 4379/01 -, Rn. 66, juris).
Abgesehen davon lässt der im Aufnahmebericht vom …201x niederlegte Vermerk, dass beim Eintreffen des Notarztes bereits eine 8-minütige Bewusstlosigkeit ohne jegliche Laienreanimation vorgelegen habe, auch nicht den Schluss zu, eine solche Reanimation sei schon vor dem Eintreffen der Rettungskräfte erforderlich gewesen. Denn eine Bewusstlosigkeit ist nicht mit einem Atem- oder Herzstillstand gleichzusetzen.
Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens fehlen auch nach Ansicht des Senats die erforderlichen Anknüpfungstatsachen. Die Frage, ob der Kläger bei einer Atemkontrolle durch die Lehrkräfte oder Reanimationsbemühungen bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes nicht oder nicht in dem Ausmaß unter den Folgen eines hypoxischen Hirnschadens leiden würde, könnte durch ein Sachverständigengutachten nur dann geklärt werden, wenn bekannt wäre, ob und gegebenenfalls wie lange der Kläger bis zum Eintreffen der Rettungskräfte unter Sauerstoffmangel gelitten hat.
4. Zutreffend hat das Landgericht auch angenommen, dass dieses Beweisergebnis zu Lasten des Klägers geht. Ohne Erfolg rügt der Kläger, das Landgericht habe die Beweislast verkannt.
a) Hinsichtlich der hier in Rede stehenden, auf § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gestützten Amtshaftungsansprüche trägt der Geschädigte grundsätzlich die volle Darlegungs- und Beweislast für alle anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale, d.h., er trägt auch die Beweislast für die Kausalität zwischen fehlerhafter Vorgehensweise bzw. Unterlassen der gebotenen Maßnahmen und dem eingetretenen Schaden (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 13. August 2013 – 2 BvR 2660/06 -, Rn. 64, juris; BGH, Urteil vom 11. Mai 2017 – III ZR 92/16 -, Rn. 22, juris).
b) Dieser Beweisgrundsatz hat auch im Streitfall Geltung. Die Voraussetzungen für eine Beweislastumkehr liegen nicht vor.
aa) Die im Zuge des Arzthaftungsrechtes entwickelten Grundsätze zur Beweislastverteilung sind vorliegend nicht anwendbar.
(1) Im Arzthaftungsrecht führt ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, regelmäßig zur Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2017 – III ZR 60/16 -, Rn. 23, juris). Wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlage sind die im Arzthaftungsrecht geltenden Grundsätze zur Beweislastverteilung auch anwendbar bei grober Verletzung sonstiger Berufs- oder Organisationspflichten, sofern diese, ähnlich wie beim Arztberuf, dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer dienen. Denn wer eine besondere Berufs- oder Organisationspflicht, andere vor Gefahren für Körper und Gesundheit zu bewahren, grob vernachlässigt hat, kann nach Treu und Glauben die Folgen der Ungewissheit, ob der Schaden abwendbar war, nicht dem Geschädigten aufbürden. In derartigen Fällen kann die regelmäßige Beweislastverteilung dem Geschädigten nicht zugemutet werden. Der seine Pflichten grob Vernachlässigende muss daher die Nichtursächlichkeit festgestellter Fehler beweisen, die allgemein als geeignet anzusehen sind, einen Schaden nach Art des eingetretenen herbeizuführen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2017 – III ZR 60/16 -, Rn. 24, juris; Urteil vom 11. Mai 2017 – III ZR 92/16 -, Rn. 24, juris, m.w.N.).
(2) Der Senat kann offen lassen, ob das Unterlassen der Atemkontrolle überhaupt als grobe Pflichtverletzung anzusehen wäre; immerhin hat der Zeuge Z4 eigenen Bekundungen zufolge den Puls des Klägers kontrolliert und bekundet, er hätte mit Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen, wenn der Pulsschlag aufgehört hätte.
Im Streitfall fehlt jedenfalls die für die Anwendbarkeit der speziellen Beweislastregeln des Arzthaftungsrechtes erforderliche Vergleichbarkeit der Interessenlage. Eben so wenig wie bei in Notsituationen zur Hilfeleistung verpflichteten beliebigen Dritten sind Versäumnisse der Lehrkräfte bei der Erste-Hilfeleistung mit ärztlichen Pflichtverstößen in Form grober Behandlungs- oder Diagnosefehler bzw. schwerwiegenden Verstößen gegen die Regeln der ärztlichen Kunst vergleichbar. Allein die Tatsache, dass den Lehrkräften die Pflicht, Schülern in Notsituationen Erste Hilfe zu leisten, zu der auch jeder Dritte verpflichtet wäre, als Amtspflicht obliegt, rechtfertigt keine unterschiedliche Ausgestaltung der Beweislast. Eine solche Anknüpfung der Beweislastregeln nur an die Amtspflicht von Lehrern ließe unberücksichtigt, dass auch eine Lehrkraft überraschend mit einer Notsituation oder einem Unglücksfall konfrontiert wird und die ihr zur Verfügung stehenden Hilfsmöglichkeiten vom individuellen Stand ihres medizinischen Wissens und ihrer Erfahrung abhängig sind. Selbst wenn die Lehrkraft über keine Ersthelferausbildung verfügt – zum Vorfallszeitpunkt war eine solche selbst für Sportlehrer noch nicht vorgeschrieben – oder nicht in der Lage ist, die zur Beherrschung einer aktuellen Notsituation erforderlichen Kenntnisse auch richtig anzuwenden, darf sie sich in einer Notsituation eines Schülers – wie jeder Bürger – der Hilfeleistung nicht entziehen. Unterlaufen ihr dann bei dieser Hilfeleistung Versäumnisse, die aus medizinischer Sicht schwerwiegend sein mögen, ist keine Beweislastumkehr geboten, die sich an den Fällen orientiert, in denen ein Arzt im Rahmen eines von ihm bewusst und gewollt übernommenen Behandlungsverhältnisses mit der Versorgung eines Patienten befasst ist und bei seiner freiwillig übernommenen Behandlungsaufgabe den medizinischen Standard zu gewährleisten hat (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Dezember 2007 – I-8 U 27/07 -, juris Rn. 27 ff, für den zufällig in einer Notsituation anwesenden Arzt).
bb) Auch die Beweislastregel des § 832 BGB findet im Streitfall keine Anwendung.
§ 832 BGB begründet unter der Voraussetzung, dass ein Aufsichtsbedürftiger, für den eine Aufsichtspflicht besteht, einem Dritten widerrechtlich Schaden zugefügt hat, die Vermutung, dass der Aufsichtspflichtige seine Aufsichtspflicht schuldhaft verletzt hat, indem er die im konkreten Fall erforderlichen Handlungen ganz oder teilweise unterlassen hat, und darüber hinaus, dass zwischen der Verletzung der Aufsichtspflicht und dem entstandenen Schaden ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 832 BGB auch im Bereich der öffentlich-rechtlichen Aufsichtsverhältnisse bzw. der Amtshaftung nach § 839 BGB anwendbar, weil kein überzeugender Grund für eine unterschiedliche Ausgestaltung der Beweislast danach ersichtlich ist, ob die (im Übrigen inhaltsgleiche) Aufsichtspflicht dem Betreffenden als Amtspflicht oder als privatrechtliche Pflicht obliegt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 – III ZR 226/12 -, BGHZ 196, 35-45, juris Rn. 28).
Im Streitfall geht es jedoch nicht um die Verletzung von Aufsichtspflichten, die der Vermeidung von Schäden dienen, die ein Aufsichtsbedürftiger einem Dritten widerrechtlich zufügt und die eine besondere Ausprägung der Verkehrssicherungspflichten darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 – III ZR 226/12 -, BGHZ 196, 35-45, juris Rn. 24). Schäden des Aufsichtsbedürftigen selbst werden nicht durch § 832 erfasst (vgl. BeckOK BGB/Spindler, Stand: 01.02.2017, § 832 Rn. 3; MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl. 2017, § 832 Rn 9; Staudinger/Belling, BGB 2012, § 832 Rn. 169 ff.).
5. Der – nicht nachgelassene – Schriftsatz vom 18.12.2017 bietet keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO). Zwingende Gründe im Sinne des § 156 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Soweit sich der Kläger in diesem Schriftsatz auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Dezember 2012 – III ZR 226/12 – (BGHZ 196, 35-45) beruft und geltend macht, in Anwendung des § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB analog sei eine Beweislastumkehr zu seinen Gunsten zwingend geboten, teilt der Senat diese Ansicht aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht. Ob „elementar auch die Atemkontrolle des Verletzten“ zu einer fachgerechten Ersten Hilfe gehört, wie dies der Kläger in diesem Schriftsatz unter Beweisantritt behauptet, bedarf keiner Entscheidung; der Senat kann – wie ausgeführt – die Frage, ob das Unterlassen der Atemkontrolle als grobe Pflichtverletzung anzusehen wäre, offen lassen.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.