Kfz-Werkstatt ist nicht verpflichtet, Fahrzeuge nur auf umzäunten Gelände zu verwahren

AG Nürnberg, Urteil vom 10.07.2012 – 13 C 1821/12

Es gibt nach der Verkehrssitte keine Pflicht einer Kfz-Werkstatt, Fahrzeuge nur auf umzäunten Gelände zu verwahren. Der Kunde muss sich sein Wissen zurechnen lassen, dass die Werkstatt über kein eingezäuntes Betriebsgelände verfügt  (Rn. 17)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.774,00 € festgesetzt.

Tatbestand
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Die Parteien streiten um die Verletzung von Nebenpflichten aus einem Werkvertrag.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Kraftfahrzeuges der Marke Ford Galaxy. Am 30.5.2011 war die Ehefrau des Klägers mit dem genannten Fahrzeug unterwegs. Wegen des Aufleuchtens einer Warmlampe ließ sie das Fahrzeug zur Beklagten schleppen. Ein Mitarbeiter der Beklagten nahm das Fahrzeug in Empfang und stellte es auf dem Hofgelände ab. Die Ehefrau des Klägers überließ dem Mitarbeiter der Beklagten die Fahrzeugschlüssel und erteilte den Auftrag, die Schadensursache festzustellen. Das Betriebsgelände der Beklagten ist nicht umzäunt. Es gibt keine Zugangssperre. Eine Videoüberwachung findet nicht statt.

3

Das Fahrzeug des Klägers wurde in der Nacht vom 30.5. zum 31.5.2011 vom Gelände der Beklagten gestohlen. Anschließend erlangte der Kläger Kenntnis darüber, dass bereits im Frühjahr 2011 ein Pkw der Marke Ford Galaxy vom Betriebsgelände der Beklagten entwendet worden war. Die Beklagte unterhielt bei der … Versicherung eine Diebstahlversicherung für Kundenfahrzeuge abgeschlossen.

4

Wegen Differenzen mit der … Versicherung regulierte der Kläger einen Teil seines Schaden über seine eigene Vollkaskoversicherung.

5

Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadenersatz hinsichtlich der Kosten zustehe, welche seine Vollkaskoversicherung nicht abgedeckt habe. Die Beklagte habe ihre vertraglichen Obhutspflichten verletzt, nachdem das Gelände nicht umzäunt gewesen sei, obwohl bereits einmal ein Diebstahl stattgefunden habe. Der Kläger könne daher von der Beklagten insbesondere Nutzungsausfall, eine Unkostenpauschale, Ummeldekosten, den Wert des im Tank verbliebenen Treibstoffs sowie den Wertersatz für diverse im Fahrzeug liegen gebliebenen Gegenstände verlangen.

6

Der Kläger beantragt zuletzt:

7

Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.741,10 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-punkten hieraus seit dem 7.10.2011 sowie vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 402,82 EUR zu bezahlen.

8

Die Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Die Beklagte behauptet, dass der Pkw wegen eines Getriebeschadens gar nicht mehr fahrbereit gewesen sei. Der Mitarbeiter der Beklagten habe das Fahrzeug auch ordnungsgemäß abgestellt, versperrt und den Schlüssel sicher verwahrt. In der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 2011 sei das Gelände der Beklagten zweimal vom Personal der Wach- und Schließgesellschaft überwacht worden.

11

Die Beklagte ist der Auffassung, dass keine Nebenpflichtverletzung begangen worden sei, wenn dem Kunden der Werkstatt die örtlichen Verhältnisse bekannt seien und der Unternehmer zugunsten des Kunden eine Diebstahlversicherung abgeschlossen habe.

12

Die Klage war mit Schriftsatz vom 14.5.2012 in Höhe von 32,90 EUR zurückgenommen worden.

13

Wegen des weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

14

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einvernahme des Zeugen … . Auf das Protokoll der Hauptverhandlung wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
15

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte hat keine Obhuts- und Verwahrungspflichten verletzt, die sich als Nebenpflichten aus dem Werkvertrag ergeben.

16

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Personenkraftwagen des Klägers vom Personal der Beklagten ordnungsgemäß verschlossen worden. Die Feststellungen konnte das Gericht mit Hilfe des Zeugen … treffen. Dieser bestätigte, dass die Fenster des Fahrzeuges geschlossen waren, die Handbremse angezogen, die Automatik auf P gestellt und der Fahrzeugtür verschlossen worden war. Der Schlüssel war im Meisterbüro der Werkstätte verwahrt worden. Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass die Angaben des Zeugen … der Wahrheit entsprechen. Weiterhin hatte die Beklagte unstreitig zugunsten ihrer Kunden eine Diebstahlversicherung abgeschlossen. Sie hat damit unter Berücksichtigung von Treu und Glauben unter Verkehrssitte ihren Verwahrungs- und Sicherungspflichten genügt (OLG Hamm, Urteil vom 17.1.1996, Az. 25 U 44/95, OLG München, Urteil vom 31.1.1995, Az. 13 U 4950/94).

17

Es ist insbesondere keine Obhutspflichtverletzung darin zu sehen, dass das Gelände der Beklagten nicht umzäunt oder mit einem Tor verschlossen war. Das Fehlen solcher Maßnahmen ist für sich genommen keine Obhutspflichtverletzung. Es gibt nach der Verkehrssitte keine Pflicht des Werkunternehmers, Fahrzeuge nur auf umzäunten Gelände zu verwahren. Hinzu kommt, dass das Fehlen von Zaun oder Tor ohne weiteres erkennbar war. Der Ehefrau des Klägers, die in seinem Namen den Werkvertrag mit der Beklagten abgeschlossen hatte, war bekannt, dass das Gelände der Beklagten nicht umzäunt war und über kein Hoftor verfügte.

18

Die Beklagte trafen auch keine gesteigerten Obhuts- und Verwahrungspflichten aufgrund der Tatsache, dass es im Frühjahr 2011 bereits einmal zu einem Diebstahl gekommen war. Denn dieser Diebstahl war der Erste innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren. Damit ist es für das erkennende Gericht nachvollziehbar, dass der Diebstahl im Frühjahr 2011 von der Beklagten zunächst als ein Ausnahmefall betrachtet wurde, der keinen Anlass gab, Das Gelände weiter abzusichern. Es ist dabei zu bedenken, dass eine Absicherung des Betriebsgeländes durch einen Zaun und ein Tor mit erheblichen Kosten verbunden ist. Zugleich lässt sich ein solches Hindernis im Zweifelsfall auch sehr umgehen, wenn hinter dem Diebstahl des Fahrzeugs genügend kriminelle Energie steckt. Ein Zaun würde nur geringen Schutz gegen entschlossene Diebe bieten.

19

Schließlich ist zu bedenken, dass es trotz der relativen Häufigkeit von Diebstählen von Kraftfahrzeugen sozial üblich ist, ein Kraftfahrzeug ordnungsgemäß verschlossen über Nacht auf einer frei zugänglichen Fläche abzustellen. Es verhält sich keineswegs so, dass sich über Nacht sämtliche Kraftfahrzeuge in Garagen oder von Zäunen und Toren eingefriedeten Stellplätzen befinden. Unter diesen Umständen können auch die Anforderungen an Obhuts- und Verwahrungspflichten einer Kfz-Werkstatt nicht überspannt werden.

20

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.

21

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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