Keine Pflicht zur Arbeitssuchendmeldung bei Aussicht auf Folgearbeitsverhältnis

SG Chemnitz, Urteil vom 14.11.2011 – S 26 AL 377/10

Eine Pflicht zur Meldung als arbeitsuchend nach § 38 SGB 3 wird nicht begründet, wenn der Arbeitnehmer bereits ein Anschlussarbeitsverhältnis in objektiv feststellbarer Aussicht hat. Tritt daher eine Sanktion nach § 144 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 3 wegen Arbeitsaufgabe aus diesem Grunde nicht ein, obwohl das Folgearbeitsverhältnis unvorhergesehen erst später angetreten werden kann, scheidet auch eine Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung nach § 144 Abs 1 S 2 Nr 7 SGB 3 aus. (Rn.36)

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Sperrzeitbescheides vom 18.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.3.2010 und des Bescheides vom 14.11.2011 verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld I für die Zeit vom 1.1.2010 bis 7.1.2010 nach näherer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand

1 Die Klägerin wendet sich gegen eine Sperrzeit von einer Woche wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – SGB III).

2 Die 1964 geborene Klägerin war vom 1.1.2004 bis zum 31.12.2009 zuletzt in leitender Funktion als Kosmetikerin in dem Schönheitssalon namens B. beschäftigt. Im Laufe des Jahres 2009 suchte die Klägerin wegen Schwierigkeiten mit ihrem Arbeitgeber einen neuen und besser bezahlten Arbeitsplatz. Über den Unternehmensberater der M. GmbH C. kam sie mit dieser in Kontakt. Das Unternehmen beabsichtigte, Anfang Januar 2010 einen Schönheitssalon zu eröffnen und suchte hierfür das passende Personal. Die Klägerin erhielt vom Geschäftsführer der M. GmbH C. U.G., dem geladenen Zeugen, die Zusage, ab dem 4.1.2010 als Kosmetikerin im Schönheitssalon des Unternehmens zu arbeiten.

3 Darauf hin kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis mit Kündigungsschreiben vom 30.11.2009 zum 31.12.2009.

4 Am 4.1.2010 wollte die Klägerin ihre Arbeit antreten. Sie erfuhr nunmehr, dass sich die Arbeiten zur Fertigstellung der Salonräumlichkeiten unvorhergesehen verzögert hätten und sich die Einstellung um einen Monat verschieben werde.

5 Darauf hin meldete sich die Klägerin bei der Beklagten noch am 4.1.2010 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Dazu legte sie eine Bestätigung der M. GmbH C. vom 4.1.2010 vor. Darin hieß es, dass die M. GmbH beabsichtigte, die Klägerin – sofern sich keine betriebsbedingten Änderungen ergäben – ab dem 1.2.2010 in ihrem Unternehmen zu beschäftigen. Eine endgültige Entscheidung falle in den nächsten Tagen.

6 Im Rahmen der Vorsprache am 4.1.2010 wurde die Klägerin zugleich zum Eintritt einer Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung angehört. In den Anhörungsbogen der Beklagten trug die Klägerin ein:

7 „…Ich habe im Dezember 2009 ein Vorstellungsgespräch mit einer mündlichen Zusage für den 4.1.2010 bekommen. Auf Rückfrage am 4.1.2010 wurde mir mitgeteilt, dass ich erst ab Anfang Februar 2010 eingestellt werden kann, da bei meinem zukünftigen Arbeitsplatz noch bauliche Veränderungen vorgenommen werden müssen. Anbei die Zusage des neuen Arbeitgebers..“

8 Das Bestätigungsschreiben vom 4.1.2010 wurde von der Mitarbeiterin A.S. der M. GmbH C. unterzeichnet. Mit dieser Mitarbeiterin führte eine Beklagten-Mitarbeiterin am 13.1.2010 ein Telefonat und fertigte darüber den folgenden Vermerk:

9 „..telf. Rücksprache mit AG Fr. S.

Anfrage an Fr. S., ob eine Einstellungszusage für den 1.1.2010 oder früher vorgelegen hat.

Fr. S. erklärt, dass keine Einstellungszusage ab dem 1.1.2010 vorgelegen hat..“

10 Im Fragebogen der Beklagten, die Arbeitslose nach eigener Kündigung oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages auszufüllen haben, gab die Klägerin im Wesentlichen an: Sie habe sich durch die Geschäftsleitung ihres ehemaligen Arbeitgebers gemobbt gefühlt. Auch ein Gespräch mit der Geschäftsleitung, das Mitte November geführt worden sei, habe keine Besserung erbracht. Zugleich verwies die Klägerin nochmals auf die Einstellungszusage ihres neuen Arbeitgebers.

11 Mit Bescheid vom 18.1.2010 stellte die Beklagte fest, dass vom 1.1.2010 bis zum 25.3.2010 eine Sperrzeit eingetreten sei. Während dieser Zeit ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis bei der B. durch eigene Kündigung selbst gelöst. Sie habe voraussehen müssen, dass sie dadurch arbeitslos werde, denn sie habe keine konkreten Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz gehabt. Die Sperrzeit dauere zwölf Wochen, sie mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 90 Tage.

12 Zugleich stellte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 18.1.2010 den Eintritt einer Sperrzeit vom 26.3.2010 bis zum 1.4.2010 wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung fest. Die Klägerin sei ihrer Pflicht nicht nachgekommen, sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis von der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses arbeitsuchend zu melden.

13 Gegen die Sperrzeitbescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 24.1.2010 Widerspruch ein. Sie wiederholte ihr Vorbringen, wonach sie eine mündliche Zusage von ihrem neuen Arbeitgeber erhalten habe, ab dem 1.1.2010 bei ihm anfangen zu können. Die Verschiebung der Einstellung habe mit verzögerten Umbaumaßnahmen zusammen gehängt. Dafür könne sie nichts. Die Unterstellung, sie habe keine konkreten Aussichten auf einen Folgearbeitsplatz gehabt, sei anmaßend. Ab dem 1.2.2010 nehme sie ihr neues Arbeitsverhältnis im Salon W. auf.

14 Mit Widerspruchsbescheid vom 31.3.2010 – W xxx/10 – wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe zurück. Zur Begründung hieß es ergänzend: Eine Rückfrage bei der M. GmbH habe erbracht, dass die Klägerin erstmals mit Schreiben vom 4.1.2010 über die Absicht einer Einstellung zum 1.2.2010 informiert worden sei, sofern sich keine betriebsbedingten Änderungen ergäben. Aber auch mit diesem Schreiben sei noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden. Die Arbeitslosigkeit sei damit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden. Ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar.

15 Mit weiterem Widerspruch vom 31.3.2010 – W xxx/10 – wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen die Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung zurück. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug genommen.

16 Am 28.4.2010 hat die Klägerin zwei Klagen gegen die Sperrzeiten erhoben – 26 AL 376/10 (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe) und 26 AL 377/10 (Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung). Zur Begründung vertieft die Klägerin ihren Vortrag, wonach ihr in den Räumen der Unternehmensberatung D. am 16.11.2009 vom Geschäftsführer der Fa. M. GmbH U. G. eine Beschäftigung ab dem 1.1.2010 als Geschäftsführerin der F.-GmbH, Z.- Straße 000 in C., zugesagt worden sei. Unter Berücksichtigung dieser Beschäftigungsaussicht sei sie angehalten gewesen, das bestehende Beschäftigungsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 31.12.2009 zu beenden. Sie habe damit eine konkrete Aussicht auf eine besser bezahlte Beschäftigung gehabt. Lediglich aufgrund verzögerter Baumaßnahmen sei die Einstellung letztlich am 5.2.2010 vorgenommen worden. Diese Verzögerung habe die Klägerin nicht zu vertreten. Sie habe daher einen Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1.1.2010 bis zum 4.2.2010.

17 Die Klägerin hat im Verfahren 26 AL 376/10 beantragt,

18 die Beklagte unter Aufhebung des Sperrzeitbescheides vom 18.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.3.2010 – W 267/10 – zu verurteilen, der Klägerin vom 1.1.2010 bis 4.2.2010 Arbeitslosengeld nach näherer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen Arbeitslosengeld zu gewähren.

19 Sie verweist nochmals darauf, dass die Klägerin das Vorliegen einer Einstellungszusage nicht habe nachweisen können.

20 Die Klägerin hat im Verfahren 26 AL 377/10 zunächst beantragt,

21 den Sperrzeitbescheid vom 18.1.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.3.2010 – W xxx/10 – aufzuheben.

22 Am 14.11.2011 hat die mündliche Verhandlung der beiden zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Verfahren 26 AL 376/10 und 26 AL 377/10 stattgefunden. In der mündlichen Verhandlung wurde als Zeuge der Geschäftsführer der M. GmbH U. G. vernommen. Auf die über die mündliche Verhandlung und die Zeugenvernehmung gefertigte Niederschrift wird wegen der näheren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand Bezug genommen.

23 Der Beklagten-Vertreter hat auf die Zeugenvernehmung den Sperrzeitbescheid bezüglich der Arbeitsaufgabe aufgehoben. Der Rechtsstreit 26 AL 376/10 ist daraufhin von den Beteiligten in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden.

24 Den weiteren Sperrzeitbescheid änderte der Beklagten-Vertreter dahin gehend, dass die Sperrzeit wegen der verspäteten Arbeitssuchendmeldung im Zeitraum vom 1.1.2010 bis 7.1.2010 eingetreten sei. Die Pflicht zur Arbeitssuchendmeldung nach § 38 SGB III habe unabhängig von der Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz bestanden.

25 Die Klägerin beantragt nunmehr im Verfahren 26 AL 377/10,

26 den Sperrzeitbescheid vom 18.1.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.3.2010 – W xxx/10 – und des Änderungsbescheides vom 17.11.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 1.1.2010 bis 7.1.2010 nach näherer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

27 Die Beklagte beantragt,

28 die Klage abzuweisen.

29 Sie vertritt die Auffassung, dass trotz Wegfalls der Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III die Voraussetzungen für eine Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III weiter vorlägen.

30 Im Übrigen wird wegen der näheren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand auf den Inhalt der Gerichtsakten zu den beiden verhandelten Verfahren sowie der beigezogenen Behördenakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der sich daran anschließenden Kammerberatung waren.

Entscheidungsgründe

31 Trotz des von den Beteiligten-Vertretern in der mündlichen Verhandlung erklärten Verzichts auf die schriftlichen Entscheidungsgründe, mussten diese abgesetzt werden. Die Vorschrift des § 136 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG – verlangt für die Möglichkeit des Verzichts auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe im schriftlichen Urteil zusätzlich einen Rechtsmittelverzicht. Einen solchen haben die Beteiligten hier nicht erklärt.

32 Die in der mündlichen Verhandlung vom Beklagten-Vertreter zu Protokoll erklärte Feststellung der Verschiebung der einwöchigen Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III ist ein neuer Verwaltungsakt, der nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist.

33 Die zulässige Klage ist begründet.

34 Der Sperrzeitbescheid vom 18.1.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.3.2010 – W xxx/10 – sowie des Änderungsbescheides vom 14.11.2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat Anspruch auf die Bewilligung von Arbeitslosengeld auch für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis 7.1.2010.

35 Die Voraussetzungen einer Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III liegen nicht vor. Eine Sperrzeit ist nicht dadurch eingetreten, dass sich die Klägerin nicht innerhalb von drei Tagen nach der Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses bei der B. bei der Beklagten arbeitsuchend gemeldet hat. Eine diesbezügliche Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 Satz 2 SGB III bestand nicht. Die Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 Satz 2 SGB III ist hier erst entstanden, nachdem die Klägerin aufgrund von Verzögerungen, die in der Sphäre ihres künftigen Arbeitgebers lagen, nicht wie vorgesehen, bereits zum 4.1.2010, sondern schließlich erst am 5.2.2010 ihre neue Arbeitsstelle antreten konnte. Dieser Meldepflicht ist die Klägerin mit ihrer unverzüglichen Meldung am 4.1.2010 nachgekommen.

36 Eine Pflicht zur Meldung als arbeitsuchend nach § 38 SGB III wird nicht begründet, wenn der Arbeitnehmer bereits ein Anschlussarbeitsverhältnis in objektiv feststellbarer Aussicht hat (vgl. Brand in Niesel/Brand, SGB III, Kommentar, 5. Auflage 2010, § 38 RdNr. 5). Zum Zeitpunkt der Eigenkündigung hatte die Klägerin die konkrete Aussicht auf ein Anschlussarbeitsverhältnis, wie die Zeugenvernehmung des Geschäftsführers der M. GmbH im Parallelverfahren 26 AL 376/10 ergeben hat. Die Klägerin hatte von diesem eine feste Zusage für ein Anschlussarbeitsverhältnis ab dem ersten Werktag des Jahres 2010, dem 4.1.2010, erhalten und kündigte danach ihr bestehendes Arbeitsverhältnis. Damit ist die Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses nicht sperrzeitbewehrt nach der Nr. 1 des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGB III. Folgerichtig hob der Beklagten-Vertreter die Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nach Vernehmung des Zeugen G. in der mündlichen Verhandlung auf. Mit der Aufrechterhaltung der Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung wäre nunmehr aber ein unauflösbarer Wertungswiderspruch – Stichwort: Einheit der Rechtsordnung – verbunden, wenn das erheblich geringere sozialwidrige Verhalten, nämlich das der verspäteten Arbeitsuchendmeldung, sperrzeitbewehrt wäre. Überdies erscheint diese Verpflichtung bezogen auf die vorliegende Fallkonstellation überobligatorisch. Man kann von niemandem verlangen, sich als arbeitsuchend zu melden, obgleich derjenige der Überzeugung sein kann, wegen des vorhandenen Anschlussarbeitsverhältnisses eben nicht arbeitsuchend zu sein. Eine Meldepflicht sozusagen auf Verdacht, weil sich Umstände auch ändern könnten, führt zu weit. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses an einer möglichst frühzeitigen Vermittlung „Arbeitsuchender“ mit den persönlichen Interessen des Betroffenen ist es ausreichend, dass sich der Arbeitnehmer erst dann als arbeitsuchend melden muss, wenn sich die Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz durch hinzutretende Umstände nicht erfüllt oder die neue Arbeitstelle – wie hier – nur nach einer Verzögerung angetreten werden kann. Insofern ist die Vorschrift des § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB II nach der Systematik der Nummern 1 und 7 des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGB II für die vorliegende Fallkonstellation im Wege der gesetzeskonformen Auslegung einschränkend auszulegen.

37 Darüber hinaus verkennt die Beklagte, dass auch der Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III ein Element der Vorwerfbarkeit des Pflichtenverstoßes inne wohnt (vgl. Brand aaO, RdNr. 7 – 11). An einer solchen fehlt es hier unter folgenden Gesichtspunkten: Nach dem Wortlaut der Vorschrift, wie er auch in den Merkblättern der Beklagten wieder zu finden ist, richtet sich die Verpflichtung nach § 38 SGB III ausdrücklich an diejenigen, die arbeitsuchend sind. Nach allgemeinem Sprachverständnis besteht aber für denjenigen, der bereits einen Anschlussarbeitsplatz konkret in Aussicht hat oder dem – wie hier – sogar einen Anschlussarbeitsstelle bereits ausdrücklich zugesagt wurde, gerade kein Anlass, eine weitere Arbeitsstelle zu suchen. Für eine subjektive Vorwerfbarkeit eines Pflichtenverstoßes als notwendige Sanktionsvoraussetzung wäre es daher erforderlich, dass der Normadressat, d.h. hier die Klägerin, weiß oder zumindest vorwerfbar nicht weiß, dass er zwar tatsächlich keine Arbeit sucht, er aber rechtlich weiter als arbeitsuchend gilt. Nur in einem solchen Falle kann er sein Verhalten darauf einrichten.

38 Hier hatte die Klägerin keine positive Kenntnis davon, dass sie trotz der Zusage des Zeugen G. weiterhin als arbeitsuchend im Sinne des § 38 SGB galt. Und dass sie es nicht wusste, ist ihr nicht vorwerfbar. Entsprechende Informationsquellen standen der Klägerin nicht zur Verfügung. So enthält insbesondere das Merkblatt 1 für Arbeitslose für den Fall, dass bei Kündigung des alten Arbeitsplatzes eine konkrete Aussicht auf einen Folgearbeitsplatz besteht, keine Hinweise über das Fortbestehen der Verpflichtung. Dass die Klägerin sonst nach ihren persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten zu einer solchen rechtlichen Wertung in der Lage gewesen wäre, kann schwerlich angenommen werden.

39 Der Klage war mithin stattzugeben.

40 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Beklagte trägt als unterlegene Streitpartei die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

41 Die Berufungssumme nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG von 750,00 EUR ist hier nicht erreicht, so dass die Berufung einer Zulassung bedarf. Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

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