Keine Einigungsgebühr durch Abgabe einer Unterlassungserklärung im Prozess

OLG München, Beschluss vom 29. Januar 2019 – 11 W 54/19

Keine Einigungsgebühr durch Abgabe einer Unterlassungserklärung im Prozess

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert beträgt 778,80 €.

Gründe
I.

1
Der Kläger machte mit seiner Klage Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte geltend. In der Klageerwiderung gab die Beklagte eine Unterlassungserklärung ab. Daraufhin erklärte der Kläger die Annahme der Unterlassungserklärung und den Klageanspruch für erledigt. Die Beklagte schloss sich der Erledigterklärung an. Am 18.09.2018 erging Beschluss des Landgerichts München I nach § 91a ZPO, in dem der Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden und der Streitwert auf 6.000,00 € festgesetzt wurde.

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Mit Kostenfestsetzungsantrag machte der Kläger unter anderem eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG in Höhe von 424,80€ und eine 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG in Höhe von 354,00 € geltend. Die Beklagte wandte sich gegen die Festsetzung einer Termins- und Einigungsgebühr.

3
Am 08.11.2018 erging Kostenfestsetzungsbeschluss, mit dem die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 975,20 € nebst Zinsen festgesetzt wurden. Die Rechtspflegerin lehnte die Festsetzung der beantragten Einigungs- sowie Terminsgebühr ab mit der Begründung, ein Vergleich sei nicht geschlossen worden, auch die übereinstimmende Erledigterklärung stelle keinen Fall der Einigung dar. Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde dem Kläger am 23.11.2018 zugestellt.

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Mit Schriftsatz vom 23.11.2018, eingegangen beim Landgericht München I am selben Tag, legte der Kläger sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ein. Zur Begründung führt er aus, mit der Abgabe der Unterlassungserklärung und deren Annahme sei ein Vergleich geschlossen worden, weil mit diesen Erklärungen der Streit vertraglich beigelegt worden sei. Weil hier über das Anerkennen des Unterlassungsanspruchs hinaus eine Vertragsstrafe versprochen werde, liege auch kein reines Anerkenntnis vor.

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Die Rechtspflegerin half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 15.01.2019 nicht ab und legte die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor.

II.

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Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte, sofortige Beschwerde (§§ 104 Abs. 3 S. 1, 567, 569 ZPO) hat in der Sache keinen Erfolg. Die Rechtspflegerin hat die Festsetzung einer 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG und einer 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG zu Recht abgelehnt.

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1. Die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Einigungsgebühr liegen nicht vor.

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a) Nach Nr. 1000 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG entsteht die Gebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Die Einigungsgebühr setzt keinen protokollierten Vergleich voraus, sondern nur eine Einigung über materielle Ansprüche (BGH, NJW 2007, 2187; Senat Beschl. v. 20.06.2007 – 11 W 1724/07; Beschl. v. 29.07.2009 – 11 W 1864/09; OLG Nürnberg, MDR 2011, 455). Der Vertrag kann auch stillschweigend geschlossen werden und ist nicht formbedürftig, sofern dies materiell-rechtlich nicht besonders vorgeschrieben ist (s. BGH NJW 2007, 2187; FamRZ 2009, 43 jew. m.w.N.; OLG Düsseldorf, JurBüro 2009, 25 m.w.N.). Eine materiell-rechtliche Regelung, mit der der Streit oder die Ungewissheit beseitigt wird, führt zu einer Einigungsgebühr, beispielsweise, wenn sich die Parteien über den eingeklagten Kaufpreis einigen (s. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., Nr. 1000 VV Rz. 126).

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b) Eine einseitige prozessuale Gestaltungserklärung wie eine Klagerücknahme oder Erledigterklärung und die ggf. erforderliche Zustimmung des Prozessgegners hierzu beinhalten als solche keine Vereinbarung in diesem Sinne und führen damit grundsätzlich nicht zur Entstehung einer Einigungsgebühr für die beteiligten Prozessbevollmächtigten. Etwas anderes gilt dann, wenn die Parteien über die Klagerücknahme und die Zustimmung der beklagten Partei oder einen Verzicht der Beklagten auf einen Kostenantrag eine Vereinbarung treffen, also einen Vertrag schließen (Senat JurBüro 1992, 322; OLG Koblenz JurBüro 2006, 638; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Rz. 41, 42). Der Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis im Sinne der Nr. 1000 VV RVG beseitigt wird, kann jedoch nur dann angenommen werden, wenn inhaltlich etwas anderes als ein bloßes Anerkenntnis oder ein bloßer Verzicht durch eine der Parteien vereinbart wird (Senat, Beschl. v. 12.01.2015 – 11 W 2496/14). Liegt hinsichtlich des streitgegenständlichen Anspruchs materiell-rechtlich lediglich ein bloßes Anerkenntnis oder ein bloßer Verzicht vor, erfolgt dies aber in Form eines Vergleichs, entsteht keine Einigungsgebühr, es bleibt inhaltlich ein bloßes Anerkenntnis (ThürLSG AGS 2012, 72; Hartmann, KostG, 48. Aufl., W RVG 1000 Rz. 20; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Rz. 194).

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c) Eine Einigung im Sinne von Nr. 1000 VV RVG, durch die der Streit oder die Ungewissheit über den geltend gemachten Unterlassungsanspruch beseitigt wird, kommt auch bei der Abgabe einer Unterlassungserklärung durch den Beklagten im Prozess nicht zustande. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wird bereits mit Abgabe der Unterlassungserklärung unbegründet, weil diese die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen lässt, unabhängig davon, ob der Gläubiger die Unterlassungserklärung annimmt (BGH GRUR 1996, 290, 292 – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; GRUR 1988, 459 – Teilzahlungsankündigung; GRUR 1990, 1051 – Vertragsstrafe ohne Obergrenze; a.A. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. § 12 Rz. 1.138, der annimmt, die Wiederholungsgefahr entfalle erst mit Zustandekommen des Unterlassungsvertrages). Der gesetzliche Unterlassungsanspruch ist mit Zugang der Unterlassungserklärung beim Gläubiger bereits erledigt, an seine Stelle tritt erst später mit der Annahme der Unterlassungserklärung der neu geschaffene vertragliche Unterlassungsanspruch (vgl. BGH GRUR 1995, 678 – kurze Verjährungsfrist). Der Streit oder die Ungewissheit über das Bestehen des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wird im Falle der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung im Prozess nicht erst durch den Unterlassungsvertrag, sondern bereits davor durch eine einseitige Handlung des Unterlassungsschuldners, nämlich die Abgabe der Unterlassungserklärung ausgeräumt. Der Unterlassungsschuldner prüft lediglich, ob der geltend gemachte Unterlassungsanspruch begründet ist und in welchem Umfang er eine Unterlassungserklärung abgeben muss, um den Anspruch einseitig zu Fall zu bringen. Hierin liegt kein Vergleichsangebot an den Unterlassungsgläubiger, die Situation ist vielmehr vergleichbar mit der bloßen Zahlung des Beklagten auf einen klageweise geltend gemachten Zahlungsanspruch. In beiden Fällen muss der Gläubiger eine Erledigterklärung gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO abgeben, um die Abweisung seines Klageanspruchs als unbegründet mit negativer Kostenfolge zu vermeiden. Die Annahme der Unterlassungserklärung durch den Gläubiger erfolgt nicht mit dem Zweck, eine Einigung der Parteien über den Prozessgegenstand herbeizuführen, sondern zu dem Zweck, bei einer späteren Zuwiderhandlung des Schuldners gegen die Unterlassungserklärung die versprochene Vertragsstrafe geltend machen zu können.

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d) Aber auch wenn mit der Abgabe der Unterlassungserklärung ein Unterlassungsvertrag zustande kommt, weil der Unterlassungsgläubiger mit einer vorformulierten Unterlassungserklärung ein Angebot auf Abschluss eines Unterlassungsvertrages gemacht hat, das der Unterlassungsschuldner nur noch anzunehmen brauchte, fällt eine Einigungsgebühr nicht an. Zwar handelt es sich bei dem gesetzlichen Unterlassungsanspruch und dem vertraglichen Unterlassungsanspruch um unterschiedliche Ansprüche (Vollstreckung des gesetzlichen Anspruchs nach § 890 ZPO, Vertragsstrafeversprechen hinsichtlich des vertraglichen Unterlassungsanspruchs), und liegt deshalb in der abgegebenen Unterlassungserklärung prozessual auch kein Anerkenntnis des klageweise geltend gemachten Unterlassungsanspruchs. Wenn jedoch die Unterlassungsverpflichtung dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch materiellrechtlich mit Ausnahme des Vertragesstrafeversprechens/der Ordnungsmittelandrohung vollumfänglich entspricht (anders könnte ja auch die Wiederholungsgefahr nicht vollständig entfallen), kommt sie inhaltlich einem Anerkenntnis gleich. Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Senats kann daher auch in diesem Fall eine Einigungsgebühr nicht anfallen (ebenso OLG Nürnberg, MDR 2011, 455). Die vom Kläger zitierten Entscheidungen OLG Stuttgart 8 W 183/14, LG Hanau 3 T 8/15 und LG Essen 7 T 305/15 betreffen Beratungshilfeverfahren, in denen jeweils Unterlassungserklärungen abgegeben wurden, die von den von den Unterlassungsgläubigern geforderten Unterlassungserklärungen erheblich abwichen, so dass mit ihrer Annahme durch den Unterlassungsgläubiger materiellrechtlich eine Einigung und kein Anerkenntnis vorlag.

12
e) Im Streitfall hatte die Beklagte ohne ein entsprechendes Vertragsangebot des Klägers im Schriftsatz vom 28.03.2018 eine Unterlassungserklärung abgegeben. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch war daher ohne eine dahingehende Einigung der Parteien erledigt, eine Einigung im Sinne von Nr. 1000 VV RVG liegt nicht vor.

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2. Die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG liegen ebenfalls nicht vor.

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a) Nach Nr. 3104 Abs. 1 Ziff. 1 VV RVG entsteht eine 1,2 Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder gemäß § 307 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden wird oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Keine dieser Alternativen ist hier einschlägig. Eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ist nicht erfolgt, die Parteien haben keinen schriftlichen Vergleich in einem solchen Verfahren geschlossen, ebenso ist ein Anerkenntnisurteil nach § 307 ZPO nicht ergangen. Das Ergehen eines solchen Urteils ist Voraussetzung für die Entstehung der Gebühr (OLG Hamburg OLGR 2000,412), auch eine Einigung der Parteien, die einem Anerkenntnis gleichkommt, wäre hierzu nicht ausreichend.

III.

15
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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