Kein Versicherungsschutz für Fußgänger mit BAK von 2,67 Promille

OLG Köln, Beschluss vom 20.09.2005 – 5 W 111/05

Eine den Unfallversicherungsschutz ausschließende alkoholbedingte Bewusstseinsstörung liegt vor, wenn die Aufnahme- oder Reaktionsfähigkeit durch den Alkohol so gestört ist, dass der Geschädigte den Anforderungen der konkreten Gefahrenlage nicht mehr gewachsen ist. In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass etwa für die Teilnahme am Straßenverkehr eine leistungsausschließende Bewusstseinsstörung für Kraftfahrer bei 1,1 Promille liegt, für Fahrradfahrer bei etwa 1,7 Promille und für Fußgänger etwa bei 2,0 Promille. Bei diesen Werten ist die Möglichkeit des Gegenbeweises ausgeschlossen (Rn.2).

Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung und stellt einen typischen Lebenssachverhalt dar, dass eine Blutalkoholkonzentration von 2,67 Promille und höher die Fähigkeit eines Menschen drastisch reduziert, die Gefährlichkeit einer Situation (hier insbesondere eines Abgrundes) zuverlässig einzuschätzen, und seine Bewegungen so zu kontrollieren, dass ein Absturz vermieden wird. Wenn ein Volltrunkener sich an einer lebensgefährlichen Stelle aufhält und sich dafür – wie auch immer – hinter ein Absperrgitter begeben hat, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass dies ebenso wie der sich anschließende Absturz auf die Alkoholisierung zurückzuführen ist.

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Aachen vom 29.3.32005 3.5.2005 (9 O 211/05) wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat Bezug nimmt, Prozesskostenhilfe verweigert. Das Vorbringen des Antragstellers im Rahmen der Beschwerdebegründung rechtfertigt keine andere Beurteilung.

2

Nach Ziffer 5.1.1. der AUB 2000 besteht kein Versicherungsschutz für Unfälle der versicherten Person durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit sie auf Trunkenheit beruhen. Unstreitig war der Antragsteller zum Unfallzeitpunkt im Zustand der Trunkenheit. Er wies zwei Stunden nach dem Unfall noch eine Blutalkoholkonzentration von 2,67 Promille auf. Da er nach seinem Sturz nicht mehr nachgetrunken haben kann (er behauptet es auch nicht), bedeutet dies angesichts eines Abbauwertes von mindestens 0,1 Promille/Stunde abzüglich einer zweistündigen Anflutungsphase bei allerdings unbekanntem Zeitpunkt des letzten Alkoholkonsums, dass die BAK zum Unfallzeitpunkt eher höher als 2,67 Promille gewesen dürfte, keinesfalls aber niedriger gewesen sein kann. Dass bei einem solchen BAK-Wert ein Zustand der Bewusstseinsstörung anzunehmen ist, steht fest und bedarf keiner gesonderten einzelfallbezogenen Aufklärung. Eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung liegt vor, wenn die Aufnahme- oder Reaktionsfähigkeit durch den Alkohol so gestört ist, dass der Geschädigte den Anforderungen der konkreten Gefahrenlage nicht mehr gewachsen ist (so schon RGZ 164, 49; BGH VersR 1962, 461; BGH VersR 2000, 1090). In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass etwa für die Teilnahme am Straßenverkehr eine leistungsausschließende Bewusstseinsstörung für Kraftfahrer bei 1,1 Promille liegt, für Fahrradfahrer bei etwa 1,7 Promille und für Fußgänger etwa bei 2,0 Promille (zahlreiche Nachweise bei Knappmann in Prölss/Martin § 2 AUB 94 Rn. 11). Bei diesen Werten ist die Möglichkeit des Gegenbeweises ausgeschlossen. Auch wenn diese Werte nicht auf andere Lebens- und Gefahrensituationen ohne weiteres übertragbar sind, so spricht doch nichts dagegen, sie als Richtwerte zu übernehmen. Es ist jedenfalls aus Sicht des Senats nicht zweifelhaft, dass der für Fußgänger angenommene Wert für eine absolute Verkehrsuntauglichkeit auch für die Fähigkeit eines Fußgängers heranzuziehen ist, einen unstreitig nicht ungefährlichen (nach eigenem Vortrag des Klägers glatten und schmalen), körperliches Geschick und geistige Aufmerksamkeit erfordernden Klettersteig im Elbsandsteingebirge zu meistern. Hier kommt hinzu, dass die tatsächlich vorliegende Blutalkoholkonzentration beim Kläger den kritischen Wert von 2,0 Promille noch einmal in ganz beträchtlicher Weise überschritt. Nur bei einem sehr alkoholgewöhnten Menschen ist bei einem derart hohen Wert überhaupt noch von irgendeiner Sinnestätigkeit auszugehen. Dass die Aufnahme-, Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit bezogen auf die konkrete Gefahrensituation aber sogar in keiner Weise beeinträchtigt gewesen soll, wie der Kläger offenbar behaupten will, ist abwegig und auszuschließen.

3

Die Bewusstseinsstörung hat den Unfall auch zumindest mitverursacht. Mitursächlichkeit ist ausreichend, um zum Ausschluss der Ziffer 5.1.1. zu führen (vgl. schon BGH VersR 1957, 509). Auch insoweit bedarf es keines gesonderten Nachweises durch eine Vernehmung von Zeugen, durch Augenscheineinnahme oder durch Sachverständigengutachten. Es ist vielmehr, worauf die Kammer zu Recht hingewiesen hat, im Wege des Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass die vorhandene Bewusstseinsstörung den Unfall (mit-)verursacht hat. Der Anscheinsbeweis ist anwendbar (BGHZ 18, 311; BGH NJW 1962, 1108). Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung und stellt einen typischen Lebenssachverhalt dar, dass eine Blutalkoholkonzentration von 2,67 Promille und höher die Fähigkeit eines Menschen drastisch reduziert, die Gefährlichkeit einer Situation (hier insbesondere eines Abgrundes) zuverlässig einzuschätzen, und seine Bewegungen so zu kontrollieren, dass ein Absturz vermieden wird. Wenn ein Volltrunkener sich an einer lebensgefährlichen Stelle aufhält und sich dafür – wie auch immer – hinter ein Absperrgitter begeben hat, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass dies ebenso wie der sich anschließende Absturz auf die Alkoholisierung zurückzuführen ist. Dem Kläger hätte es demnach oblegen, die ernsthafte konkrete (nicht bloß theoretische) Möglichkeit eines Ablaufes aufzuzeigen und zu beweisen, der vom Alkoholkonsum gänzlich unabhängig gewesen ist.

4

Die Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

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