Kein Arbeitsunfall des sich selbst verletzenden Angreifers

LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.11.2017 – L 1 U 1504/17

Kein Arbeitsunfall des sich selbst verletzenden Angreifers

Das LSG Stuttgart hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der Kollegen tätlich angreift und sich dabei selbst verletzt, nicht den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung für sich beanspruchen kann.

Im November 2015 kam es am Arbeitsplatz, ein Warenlager eines mittelständischen Betriebes, zu einer hitzigen Diskussion über die Arbeitsabläufe zwischen dem Kläger und einem Kollegen. Etwa eine halbe Stunde später eskalierte die Situation erneut. Es kam zu wechselseitigen Beschimpfungen und provozierenden Gesten. Der Kläger verließ seinen Arbeitsplatz, rannte mit gesenktem Kopf auf den Kollegen zu und stieß diesem absichtlich seinen Kopf mit großer Wucht in den Rumpf, worauf beide zu Boden gingen. Der Angreifer zog sich bei dem Kopfstoß und anschließendem Sturz einen Halswirbelbruch zu; der Kollege eine Rippenprellung. Der Kläger, der den Angriff ausgeführt hatte, wollte von der beklagten Berufsgenossenschaft die Anerkennung eines Arbeitsunfalles erreichen. Die Berufsgenossenschaft lehnte dies ab. Im Klageverfahren behauptete der Kläger zunächst, erst nachdem die Auseinandersetzung mit dem Kollegen bereits beendet gewesen sei, sei er über eine Palette gestürzt und habe sich dabei verletzt. Zuletzt erklärte er das Verlassen des Arbeitsplatzes damit, er habe den Kollegen nur aufsuchen wollen, um den Inhalt eines nicht verstandenen Zurufes zu klären. Zeugenaussagen anderer Kollegen widerlegten jedoch diese Angaben.
Das SG Karlsruhe hatte der Klage stattgegeben und einen betrieblichen Zusammenhang zwischen der Auseinandersetzung und der Verletzung bejaht. Der Kläger habe sich im Wesentlichen wegen betrieblicher Gründe von seinem Arbeitsplatz entfernt und so sei es zu dem Unfallereignis gekommen.

Das LSG Stuttgart hat das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und der Berufsgenossenschaft Recht gegeben.

Nach Auffassung des Landessozialgerichts lassen sich die Verletzungen nach ärztlicher Einschätzung nur durch den mit Wucht ausgeführten Kopfstoß erklären, weshalb der Vortrag des Klägers nicht glaubhaft ist. Indem der Kläger seinen Arbeitsplatz verlassen habe, um den Angriff auf den Kollegen auszuführen, habe er den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung verlassen. Zwar könne die Klärung eines Disputes bzw. das Austragen eines über betriebliche Pflichten und betriebliches Verhalten bestehenden Konfliktes durchaus auch im betrieblichen Interesse liegen. Hier sei es dem Kläger aber gar nicht mehr wesentlich um die Klärung des ca. 30 Minuten zurückliegenden Konfliktes um die Arbeitsabläufe gegangen, sondern nur noch darum, dem Kollegen den Kopf in den Bauch zu rammen, um ihn so umzuwerfen. Ein solches Verhalten könne selbst dann, wenn im Warenlager ein „rauer Ton“ geherrscht habe und wechselseitige Beleidigungen zwischen dem Kläger und dem Kollegen immer wieder vorgekommen seien, nicht mehr als betriebsdienlich angesehen werden. Eine körperliche Attacke vermöge das kollegiale Verhältnis so zu stören, dass eine künftige Zusammenarbeit nicht mehr möglich sei, außerdem sei mögliche Folge solchen Handelns eine Arbeitsunfähigkeit des Opfers, die ebenfalls in keinster Weise im betrieblichen Interesse liege.

Quelle: Pressemitteilung des LSG Stuttgart v. 08.12.2017

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