OLG München, Urteil vom 12.12.2003 – 10 U 2345/03
Angesichts der Bewegungsabläufe beim Fahren mit Blades, der räumlichen Nähe der vielen Teilnehmer einer sog. Blade-Night unmittelbar vor dem Start und des vergleichsweise unsicheren Standes auf Blades, die nicht ohne weiteres auf der Stelle angehalten werden können, gibt es eine Vielzahl von Erklärungsmöglichkeiten für den Sturz eines Bladers in einer solchen Situation (Rn. 8).
Eine typische Fallgestaltung, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Schluss rechtfertigen würde, ein Blader habe schuldhaft gehandelt, wenn er einen anderen Teilnehmer zu Fall bringt, lässt sich unter diesen Umständen nicht feststellen (Rn. 11).
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des LG München I vom 6.2.2003 (Az. 19 O 1124/02) abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
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I. Wegen des Tatbestandes wird auf das Ersturteil mit der Maßgabe Bezug genommen, dass unter den Parteien Streit darüber besteht, ob sich der Kläger im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Unfall den Knöchel gebrochen hat.
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Das LG hat der Klage auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens unter Berufung auf einen für das Verschulden des Beklagten sprechenden, durch die Beweisaufnahme nicht erschütterten Anscheinsbeweis stattgegeben.
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Der Beklagte beantragt Aufhebung des Ersturteils und Klageabweisung, der Kläger Zurückweisung der Berufung.
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II. 1. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten führt unter Abänderung des Ersturteils zur Abweisung der Klage.
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Die Ansprüche des Klägers scheitern daran, dass er die Voraussetzungen einer schuldhaft vom Beklagten begangenen unerlaubten Handlung nicht beweisen konnte.
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Das erstinstanzielle Gericht hatte im Hinblick auf die Einlassung des Beklagten, er sei seinerseits durch einen Anstoß eines unbekannt gebliebenen Dritten aus dem Gleichgewicht gebracht worden und habe im Sturz den Kläger mitgerissen, zwei Zeuginnen vernommen. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde dahin gehend gewürdigt, dass nicht festzustellen sei, welche der beiden im Kernpunkt einander widersprechenden Aussagen nun richtig sei. Auf der Grundlage dieser auch für das Berufungsgericht bindenden Tatsachenfeststellungen (§ 529 Abs. 1 S. 1 ZPO) muss der Kläger als beweisfällig angesehen werden.
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Der vom LG angenommene, gegen ihn sprechende Anscheinsbeweis für ein anzunehmendes Verschulden existiert nämlich nicht. Ein Anscheinsbeweis setzt einen typischen Geschehensablauf voraus, d.h. einen Sachverhalt, bei dem eine ohne weiteres nahe liegende Erklärung nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu finden ist und angesichts des typischen Charakters die konkreten Umstände das Einzelfalles für die tatsächliche Beurteilung ohne Belang sind (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Aufl., Berlin 1997, § 16 StVG Rz. 363 m.zahlr.N.).
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Das LG hat ohne nähere Begründung den streitgegenständlichen Sachverhalt als einen typischen Geschehensablauf in diesem Sinne gewertet. Dem folgt der Senat unter Hinweis auf bereits höchstrichterlich und obergerichtlich entschiedene Fälle, denen Unfälle durchaus vergleichbarer Art beim Schlittschuhlaufen zugrunde lagen (BGH v. 13.7.1982 – VI ZR 148/80, MDR 1983, 219 = VersR 1982, 1004 f.; OLG Düsseldorf v. 9.6.1994 – 10 U 217/93, OLGReport Düsseldorf = MDR 1995, 51 = VersR 1994, 1484 f.), nicht. Angesichts der Bewegungsabläufe beim Fahren mit Blades, der räumlichen Nähe der vielen Teilnehmer einer Blade-Night unmittelbar vor dem Start und des vergleichsweise unsicheren Standes auf Blades, die nicht ohne weiteres auf der Stelle angehalten werden können, gibt es eine Vielzahl von Erklärungsmöglichkeiten für den Sturz eines Bladers in einer solchen Situation. Eine typische Fallgestaltung, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Schluss rechtfertigen würde, ein Blader habe schuldhaft gehandelt, wenn er einen anderen Blader zu Fall bringt, lässt sich unter diesen Umständen nicht feststellen.
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Da die Voraussetzungen einer schuldhaften Handlung des Beklagten somit nicht nachgewiesen sind, sind die Schadensersatzansprüche des Klägers schon dem Grunde nach nicht gegeben. Die Klage war deshalb unter Abänderung des Ersturteils abzuweisen.
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2. Nebenentscheidungen
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a) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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b) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713.
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c) Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht gegeben, da sich der Senat mit seiner Entscheidung, wie dargestellt, im Einklang mit der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung befindet.