Oberlandesgericht Hamm, Hinweisbeschluss vom 08.01.2016 – 9 U 125/15
1. Bei Verlassen des durch eine durchgehend weiße Linie von der Fahrbahn abgeteilten Radweges in Richtung Fahrbahn sind die erhöhten Sorgfaltspflichten des § 10 S. 1 StVO zu beachten.
2. Das Überqueren dieser Linie entgegen § 2 Abs. 4 S. 2 StVO unter Missachtung der sich aus § 10 S. 1 StVO ergebenden Sorgfaltspflichten, um unmittelbar anschließend unter Missachtung der weiteren sich auf § 9 Abs. 1 und 4 StVO ergebenden Pflichten zwecks Linksabbiegens zur Straßenmitte zu lenken, rechtfertigt die Alleinhaftung des Radfahrers im Falle der Kollision mit dem nachfolgenden Verkehr.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor:
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich; die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 – 4 ZPO.
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Gründe:
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I.
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Der Kläger verlangt von den Beklagten Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens und begehrt Feststellung eines umfassenden Vorbehalts für zukünftige Schäden aus einem Verkehrsunfall vom xx.xx.2014 gegen 13:45 h in I. Der am xx.xx.1933 geborene Kläger befuhr mit seinem Pedelec den durch eine durchgehende Linie von der Fahrbahn der S-Straße abgetrennten kombinierten Geh- und Radweg (Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO, Zeichen 295 und 241) in Fahrtrichtung S1. Die zulässige Geschwindigkeit ist in diesem Bereich auf 50 km/h beschränkt. An der Kreuzung mit der von rechts einmündenden Straße M beabsichtigte der Kläger, nach links in die zunächst zu den Häusern S-Straße xxx bis xxx c führende und sodann dem Verlauf des X-E–Kanals folgende Zuwegung abzubiegen. Zu diesem Zweck überfuhr er die durchgezogene Linie in Richtung Fahrbahnmitte. Unmittelbar vor der Kreuzung berührte die von hinten herannahende Beklagte zu 1) mit der rechten Ecke des vorderen Stoßfängers ihres auf ihren Ehemann zugelassenen und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeugs O N das Hinterrad des Pedelecs. Der Kläger stürzte und zog sich hierdurch – ausgewiesen durch den Ärztlichen Bericht der Frau Dr. L2 v. 01.09.2014 – neben diffusen Prellungen eine Fraktur der linken Hüftpfanne und eine beiderseitige Sitzbeinfraktur zu. Im Rahmen der stationären Behandlung wurde bei dem Kläger aufgrund röntgenologisch sichtbarer Osteolyten in anderen Bereichen des Hüftknochens ein Plasmazellmyelom diagnostiziert, das einen sich unmittelbar anschließenden stationären internistischen Krankenhausaufenthalt erforderlich machte.
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Der Kläger hat mit der Klageschrift behauptet, er habe mindestens 50 Meter vor der Abzweigung den Abbiegevorgang eingeleitet, indem er nach Rückschau und Handzeichen zunächst den Radweg unter Überfahren der durchgezogenen Linie verlassen habe. Am rechten Fahrbahnrand habe er sich erneut umgeschaut und nochmals seine Abbiegeabsicht durch Handzeichen angekündigt. Dann habe er sein Fahrrad zur Fahrbahnmitte hin gelenkt, wo es zur Berührung mit dem Fahrzeug der Beklagten gekommen sei. Die Verletzungen seien nicht folgenlos verheilt. Noch heute könne er, der bis zum Unfall besonders sportlich gewesen sei, nur unter Schmerzen sitzen. Die Beweglichkeit sei eingeschränkt, er sei auf eine Gehstütze angewiesen. Der Kläger verlangt ein angemessenes Schmerzensgeld, wobei er sich einen Betrag von 20.000,- € vorstellt. Daneben verlangt er Ersatz der Reparaturkosten für das beschädigte Pedelec iHv 422,12 €, 100,40 € für Zuzahlungen zu Heilmitteln und Fahrtkosten, sowie eine Unkostenpauschale iHv 25,- €. Neben der Feststellung eines umfassenden Vorbehalts begehrt er Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten iHv 1.474,89 €.
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Der Kläger hat beantragt,
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1.
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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2.
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festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm jedweden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der aus dem Verkehrsunfall am xx.xx.2014 gegen 13:45 h auf der S Straße in xxxxx I am See resultiert, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen,
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3.
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 522,52 € nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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4.
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten iHv 1.474,89 € zu zahlen.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Kläger habe sein Pedelec unmittelbar vor der von hinten sich nähernden Beklagten zu 1) ohne Rückschau und ohne Handzeichen zur Fahrbahnmitte hin gelenkt. Die Beklagte zu 1) habe sofort eine Vollbremsung eingeleitet und ihr Fahrzeug nach links
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hin gelenkt. Eine Berührung des Hinterrades des Pedelcs habe sie nicht vermeiden können. Sie bestreiten die ausschließliche Unfallbedingtheit der Frakturen.
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Durch das angefochtene Urteil, auf das gem. § 540 ZPO Bezug genommen wird, soweit sich aus dem Folgenden nichts anderes ergibt, hat das Landgericht nach Beiziehung der Akten 46 Js 1358/14 StA Essen, der Anhörung des Klägers und der Beklagten zu 1) sowie der Vernehmung der Zeugin L die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte zu 1) treffe kein Verschulden an dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls. Soweit die Beklagte zu 2) für die Haftung des Fahrzeughalters nach § 115 VVG einzustehen habe, bestünden Ansprüche deshalb nicht, weil die verbleibende Betriebsgefahr hinter dem erheblichen Verschulden des Klägers zurücktrete. Der Kläger habe entgegen der Vorschrift des § 2 Abs. 4 S. 2 StVO die Fahrbahn der S Straße benutzt und die ihn gem. § 10 StVO beim Verlassen des Radwegs treffenden besonderen Sorgfaltspflichten nicht beachtet, wofür ein Anscheinsbeweis streite. Den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis habe der Kläger nicht entkräften können. Den Angaben der Zeugin, die sogar eine dreifache Umschau und Handzeichen geschildert habe, könne nicht gefolgt werden. Ein Verschulden der Beklagten zu 1) nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO könne angesichts dessen nicht festgestellt werden.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der dieser seine erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt.
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Der Kläger rügt die Beweiswürdigung des Landgerichts. Da vorliegend ein Auffahren der Beklagten zu 1) auf das Pedelec feststehe, spreche der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden der Beklagten zu 1). Diese habe den Entlastungsbeweis nicht geführt. Selbst wenn man einmal davon ausginge, dass den Kläger unter dem Gesichtspunkt des § 10 StVO Sorgfaltspflichten träfen, so hätte das Landgericht auf der Grundlage der Aussage der Zeugin jedenfalls davon ausgehen müssen, dass der Kläger der doppelten Rückschaupflicht nachgekommen sei und auch Handzeichen gegeben habe.
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Die Einholung eines nunmehr erstmals beantragten unfallanalytischen Gutachtens werde ergeben, dass unter Berücksichtigung der üblichen Dauer eines Spurwechsels von 4 bis 7 Sekunden die Beklagte zu 1) den Unfall hätte vermeiden können. In diesem Zusammenhang komme sogar ein Verschulden der Beklagten zu 1) auch gegen § 3 Abs. 2a StVO in Betracht, weil der Kläger auf den ersten Blick wegen seines weißen Haupthaares als besonders schutzbedürftige ältere Person erkennbar sei, die Beklagte zu 1) darauf aber nicht entsprechend, nämlich durch eine Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft bei Annäherung, reagiert habe.
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Die Akten 46 Js 1358/14 StA Essen lagen vor.
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II.
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Die Berufung des Klägers ist nach dem einstimmigen Votum im Senat offensichtlich unbegründet.
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Dem Kläger stehen gegen die Beklagten die auf §§ 7 Abs. 1, 11, 18 Abs. 1 StVG, §§ 253 S. 2, 823 Abs. 1 BGB, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG gestützten geltend gemachten Ansprüche nicht zu.
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Die grundsätzliche Haftung der Beklagten zu 2) für den hier nicht in Anspruch genommenen Halter des O N und die Beklagte zu 1) als Fahrerin ergibt sich aus § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i.V.m § 7 Abs 1, bzw. § 18 Abs. 1 StVG. Der durch den Kontakt mit dem Fahrzeug ausgelöste Sturz des Klägers geschah bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs iSd § 7 Abs. 1 StVG. Die Ersatzpflicht ist auch nicht durch höhere Gewalt iSd § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, was auch die Beklagten zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht haben. Auch greift hier kein Anspruchsausschluss nach § 17 Abs. 3 StVG wegen Vorliegens eines unabwendbaren Ereignisses ein. Gegenüber einem Geschädigten, der selbst nicht als Kfz-Halter für die Betriebsgefahr eines unfallbeteiligten Kfz einzustehen hat, ist § 17 StVG nicht anwendbar (Senat, Urteil vom 17.07.2012 – 9 U 200/11 -, juris).
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Indes trifft den Kläger ein derart erhebliches Eigenverschulden an dem Zustandekommen des Unfalls, dass eine Haftung der Beklagten nach § 9 StVG iVm. § 254 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist.
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Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge können nur solche Umstände zu Lasten eines Beteiligten berücksichtigt werden, die unstreitig oder bewiesen sind und die sich ursächlich auf die Entstehung des Schadens ausgewirkt haben (Palandt/Grüneberg, 74. Aufl., § 254 BGB Rn. 62 m. w. N.). Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung auf Grund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben. Hierbei kann die Abwägung zum vollständigen Ausschluss des Ersatzanspruchs führen, wenn das Verschulden des Geschädigten – wie hier – derart überwiegt, dass die vom Schädiger ausgehende Ursache völlig zurücktritt.
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Der Unfall beruht maßgeblich auf dem Verschulden des Klägers.
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Dieser hat zunächst gegen § 10 S. 1 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift darf ein Verkehrsteilnehmer von anderen Straßenteilen auf die Straße, also auf die Fahrbahn nur einfahren, wenn die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Das Verlassen des Radwegs entspricht dem Verlassen eines derartigen Straßenteils mit der Folge, dass § 10 StVO zu beachten ist (vgl. KG, Urteil vom 12.09.2002 – 12 U 9590/00 -, juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 13.02.2014, – 4 U 59/13 -, juris). Dieses Einbiegen ist besonders gefährlich, weil es die anderen Verkehrsteilnehmer oft überrascht. Ist ein Radweg vorhanden, dann darf sich ein Kraftfahrer darauf einrichten, dass der Radfahrer nur an einleuchtenden Stellen den Radweg verlassen wird, also nicht zuvor den Kraftfahrer gefährdet. Nur dann wenn kein Radweg vorhanden ist, muss ein Kraftfahrer dagegen von vornherein darauf achten, ob sich rechts neben seinem Fahrzeug Radfahrer aufhalten. Hiervon ausgehend musste der Kläger gem. § 10 StVO jede Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließen. Denn der Kläger befuhr zunächst einen durch eine durchgehende Linie und durch das Zeichen Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO, Zeichen 295 und 241 als kombinierten Geh- und Radweg ausgewiesenen Seitenstreifen, der ausschließlich dem Fußgänger- und Radfahrerverkehr vorbehalten und von diesen Verkehrsteilnehmern zwingend zu benutzen war. Sodann wechselte er unter Verstoß gegen § 2 Abs. 4 S. 2 StVO durch Überfahren der durchgehenden weißen Linie vom Radweg auf die Fahrbahn. Den Linksabbiegevorgang hätte der Kläger aber – wie es seine Ehefrau, die Zeugin L, ihren Angaben zufolge stets praktizierte – in der Weise durchführen müssen, indem er mit seinem Pedelec bis zum Einmündungsbereich der Straße M fuhr, um dort über die unterbrochene Linie sein Pedelec schiebend oder wie ein aus der Straße M kommender Verkehrsteilnehmer fahrend im rechten Winkel überquerte.
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§ 10 S. 1 StVO legt dem aus einem anderen Straßenteil auf die Straße Einfahrenden gesteigerte Pflichten auf (BGH NJW-RR 2012, 157, 158); denn das Gesetz verlangt, dass der Verkehrsteilnehmer sich beim Einfahren so zu verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Die Verletzung des Vorfahrtsrechts durch den in die Straße Einfahrenden indiziert sein Verschulden (BGH NJW-RR 1991, 536). Wahrt der Einfahrende das Vorfahrtsrecht des fließenden Verkehrs nicht und kommt es deshalb in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Einfahren in die Fahrbahn zu einem Unfall, hat er in der Regel, wenn keine Besonderheiten vorliegen, in vollem Umfang oder doch zum größten Teil für die Unfallfolgen zu haften (BGH NJW-RR 1991, 536). Demgegenüber darf der sich im fließenden Verkehr bewegende Vorfahrtsberechtigte, sofern nicht Anzeichen für eine bestehende Vorfahrtsverletzung sprechen, darauf vertrauen, dass der Einbiegende sein Vorrecht beachten werde (BGH NJW-RR 2012, 157, 158).
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Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger gegen die gesteigerte Sorgfaltspflicht aus § 10 S. 1 StVO verstoßen, indem er von dem Radweg als einem anderen Straßenteil auf die Fahrbahn einfuhr, obgleich die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht nur nicht ausgeschlossen war, sondern nahe lag.
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Die erforderliche zeitliche und räumliche Nähe des Einfahrvorgangs zu dem Unfallgeschehen, die die Anwendung von Anscheinsbeweisgrundsätzen voraussetzt, steht aufgrund der eigenen Unfallschilderung des Klägers fest. Zwar hat der Kläger in der Klageschrift noch vorgetragen, er habe den Abbiegevorgang mindestens 50 m vor der Zuwegung eingeleitet. Diese Angaben hat der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht jedoch nicht aufrechterhalten, sondern in entscheidender Weise modifiziert. Dort hat der Kläger auf einer Luftbildaufnahme der Örtlichkeiten seine Fahrstrecke selbst dargestellt. Danach ist es so, dass der Kläger – was sich anhand einer Entfernungsmessung über google maps abgreifen lässt – erst ca. 7 m vor der späteren Kollisionsstelle und ca.15 m vor der Kreuzungsmitte vom Radweg auf die Fahrbahn gewechselt ist und innerhalb dieser Fahrstrecke von 7 m in Schrägfahrt bis zur Kollisionsstelle in Höhe der Fahrbahnmitte gelangt ist. Den erforderlichen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Einfahren in die Fahrbahn und der Kollision hat auch die Zeugin L bestätigt. Denn sie hat ausgesagt, sie habe sich etwa 10 bis 15 m hinter dem vorausfahrenden Kläger befunden. In dem Moment, in dem der Kläger vom Radweg nach links gefahren sei, sei sie von der Beklagten zu 1) überholt worden.
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Angesichts dessen oblag es nunmehr dem Kläger, den Anschein durch einen Gegenbeweis zu erschüttern. Hierzu hätte der Kläger die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Ablaufs darlegen und beweisen müssen. Die Tatsachen, aus denen eine solche Möglichkeit abgeleitet werden soll, bedürfen allerdings des vollen Beweises (BGH NJW 1991, 230 (231)), das heißt, der Senat muss auf Grund gesonderter Beweiswürdigung zur vollen Überzeugung von der ernsthaften Möglichkeit eines atypischen Ablaufs gelangen. Hiervon ausgehend hat der Kläger den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis nicht entkräften können.
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Nach der bereits oben wiedergegebenen Aussage der Zeugin L wechselte der Kläger zu einem Zeitpunkt vom Radweg auf die Fahrbahn der Straße, als die Beklagte zu 1) sich ca. 15 m dahinter befand. Mit welcher Geschwindigkeit sich die Beklagte zu 1) bewegte, lässt sich der Akte nicht entnehmen. Nach ihren unbestrittenen Angaben sei sie mit verkehrsangepasster Geschwindigkeit gefahren, so dass angesichts des geringen Verkehrsaufkommens von einer Geschwindigkeit im Bereich der vor Ort höchstzulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h auszugehen ist. Bei dieser Sachlage war die sich von hinten herannähernde Beklagte zu 1) für den Kläger beim Verlassen des Radwegs durch eine Rückschau nicht zu übersehen. Denn die Sicht nach hinten betrug nicht, wie der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung gemutmaßt hat, lediglich 15 m, sondern, wie eine Entfernungsmessung anhand eines Luftbildes über google maps ergibt, ca. 200 m. Der Umstand, dass der Kläger, unterstellt, er hat Rückschau vor dem Verlassen des Radwegs gehalten, die Beklagte zu 1) hierbei nicht bemerkt hat, lässt nur den Schluss zu, dass der Kläger seiner Rückschaupflicht nicht sorgfältig nachgekommen ist. Dabei kann dahin gestellt bleiben, wie oft der Kläger Rückschau gehalten hat. Denn die von dem Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung beim Landgericht demonstrierte Umschaubewegung offenbarte, dass der Kläger möglicherweise aufgrund krankheitsbedingter Einschränkung keine effektive Rückschau gehalten hat. Das Landgericht hat im Protokoll festgehalten, dass der Kläger in der seitlichen Drehbewegung seines Kopfes die Linie des Kinns nicht erreichte. Eine ggfs. bestehende körperliche Einschränkung der Drehbewegungsmöglichkeiten des Kopfes entbindet den Kläger nicht von der sich für ihn aus § 10 StVO ergebenden Pflicht, beim Einfahren in die Fahrbahn besondere Sorgfalt walten zu lassen. Eventuelle Einschränkungen hätte der Kläger durch technische Hilfsmittel – wie einen Rückspiegel – und besonders sorgfältige Beobachtung des übrigen Verkehrs – ggfs. – durch ein Anhalten und Absteigen vom Rad kompensieren müssen.
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In diesem Zusammenhang kann auch dahin gestellt bleiben, ob und ggfs. wie oft der Kläger vor oder bei Verlassen des Radwegs Handzeichen gegeben hat. Denn allein hierdurch wäre der Kläger seiner Pflicht zur Beachtung höchster Sorgfalt beim Einfahren in die Fahrbahn vom abgetrennten Radweg aus nicht nachgekommen. Er hätte sich sorgfältig vergewissern müssen, ob seine – an dieser Stelle unzulässige – Absicht, den Radweg in Richtung Fahrbahn zu verlassen, von den übrigen Verkehrsteilnehmern erkannt worden war. Daran fehlt es.
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Dem Kläger fällt weiterhin ein schuldhafter unfallursächlicher Verstoß gegen § 9 Abs. 1 S. 1 und 4 StVO zur Last.
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Die besondere und anhaltende Gefährlichkeit des Fahrmanövers des Klägers ergibt sich vorliegend daraus, dass er vom getrennten Radweg in die Fahrbahn eingefahren ist, um unmittelbar danach nach links abzubiegen (vgl. für einen ähnlichen Fall, in dem der aus einem Grundstück auf die Fahrbahn Einbiegende beabsichtigt, unmittelbar danach nach links in eine Straße abzubiegen, Senat, Urteil vom 07. März 2014 – 9 U 210/13 , juris).
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Fährt ein Verkehrsteilnehmer von einem anderen Straßenteil in die Fahrbahn ein, um sogleich nach links abzubiegen, unterliegt dieser Vorgang sowohl den Regeln des Einfahrens gemäß § 10 S. 1 StVO als auch denjenigen des Abbiegens gemäß § 9 Abs. 1 StVO (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 13.02.2014, – 4 U 59/13 -, juris). Für Radfahrer gelten beim Abbiegen im fließenden Verkehr im Grundsatz keine anderen verkehrsrechtlichen Verhaltensregeln als für andere Fahrzeugführer. Auch dem Radfahrer ist es grundsätzlich gestattet, aus dem fließenden Verkehr heraus von der Fahrbahn wie ein Kraftfahrzeugführer nach links abzubiegen. Entscheidet sich der Radfahrer für ein Abbiegen aus der Fahrbahn heraus – auf die er hier nur unter Verstoß gegen § 2 Abs. 4 S. 2 StVO und § 10 StVO gelangt ist -, ist er gemäß § 9 Abs. 1 StVO wie ein Kraftfahrer gehalten, seinen Abbiegevorgang rechtzeitig und deutlich anzukündigen. Überdies hat er sich rechtzeitig bis zur Mitte der Fahrbahn einzuordnen. Vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen hat er im Sinne der doppelten Rückschaupflicht auf den nachfolgenden Verkehr zu achten (OLG Saarbrücken, Urteil vom 13.02.2014, – 4 U 59/13 -, juris).
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Hiervon ausgehend hat der Kläger vor dem Einordnen sich nicht gem. § 9 Abs. 1 S. 1 und 4 StVO verhalten. Ebenso wie das Landgericht hat der Senat erhebliche Bedenken, ob der Aussage der Zeugin L in dem Punkt gefolgt werden kann, dass der Kläger seine Absicht, den Radweg im Bereich der durchgezogenen Linie in Richtung der Fahrbahn zu verlassen, überhaupt durch Handzeichen angekündigt hat. Denn es ist nicht aus den Augen zu verlieren, dass die Zeugin am Unfallort von den Polizeibeamten befragt, angegeben hat, sie könne nur sagen, dass es plötzlich geknallt habe, als die Beklagte zu 1) auf das Pedelec des Klägers aufgefahren sei. Die bei ihrer Vernehmung abgegebene Erklärung nach Vorhalt ihrer Angaben im Ermittlungsverfahren, die Angaben seien zwar richtig wiedergegeben, sie habe damals aber nichts sagen wollen, weil sie sie sich um ihren Mann habe kümmern müssen, der bei Eintreffen der Polizeibeamten auf dem stadtauswärts linken Seitenstreifen gesessen hat, vermag den Senat nicht zu überzeugen. Im Ergebnis kommt es darauf nicht an. Jedenfalls steht nach den weiteren Angaben der Zeugin fest, dass der Kläger das Handzeichen zum Verlassen des Radweges und auch das Handzeichen zur Anzeige der Linksabbiegeabsicht nicht so frühzeitig gegeben hat, dass sich der nachfolgende Verkehr darauf rechtzeitig hätte einstellen können. Der in anderem Zusammenhang oben wiedergegebenen Schilderung der Zeugin L zufolge erfolgten das Handzeichen, das Wechseln vom Radweg auf die Straße, das erneute Handzeichen, das Einschwenken zur Fahrbahnmitte und das erneute Handzeichen – jeweils von einem geschilderten Umschauen begleitet – in einem Zuge. Dabei war die Beklagte zu 1) bei Beginn des Fahrvorgangs des Klägers etwa von diesem im Rückraum etwa 15 m entfernt. Bei diesen Entfernungsangaben und Zeitabläufen liegt es auf der Hand, dass die Ankündigung des Wechselns auf die Straße und unmittelbar danach zur Fahrbahnmitte hin nicht rechtzeitig genug waren, damit sich die Beklagte zu 1) im nachfolgenden Verkehr darauf einstellen konnte.
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Es steht zur Überzeugung des Senats auch fest, dass sich der Kläger nach Erreichen der Fahrbahn unmittelbar vor dem Einordnen zur Fahrbahnmitte hin erneut nicht über den nachfolgenden Verkehr vergewissert hat. Denn die von dem Kläger geschilderte und von der Zeugin bestätigte Rückschau des Klägers konnte nicht die erforderliche Gewissheit bringen, weil sie nur unzureichend ausgeführt worden ist. Hätte der Kläger im erforderlichen Umfang vor dem Einordnen zur Fahrbahnmitte hin Rückschau gehalten, hätte er die unmittelbar hinter ihm befindliche und bis auf wenige Meter herangekommene Beklagte zu 1) nicht übersehen können.
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Einen weiteren Verstoß des Klägers gegen § 9 Abs. 5 StVO verneint der Senat aus rechtlichen Gründen. Nach der vorgenannten Vorschrift muss derjenige, der in ein Grundstück abbiegt, sich über die Vorschrift des § 9 Abs. 1 StVO hinaus dabei so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Ob es sich bei der Zufahrt, in die ein Verkehrsteilnehmer abbiegt, um ein Grundstück iSd § 9 Abs. 5 StVO handelt, bestimmt sich danach, ob das Fahrzeug den fließenden Verkehr verlässt. Die Einsichtnahme in google maps hat ergeben, dass die Zuwegung, in die der Kläger abbiegen wollte, zunächst zwar zu den Grundstücken S-Straße xxx bis xxx c führt. Sie setzt sich aber als ausgebauter Radwanderweg entlang des X-E-Kanals fort, dient also nicht nur der Erschließung der Häuser S-Straße xxx bis xxx c. Vorliegend spricht einiges dafür, diesen Radwanderweg wie einen Fels- bzw. Waldweg zu behandeln, die keine Grundstücke iSd § 9 Abs. 5 StVO sind (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 9 Rn. 45).
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Auf Seiten der Beklagten ist kein schuldhafter Verkehrsverstoß der Beklagten zu 1) als Fahrerin des unfallbeteiligten Fahrzeugs festzustellen:
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Ein unfallursächlicher Verstoß der Beklagten zu 1) gegen das Rücksichtnahmegebot gem. § 1 Abs. 2 StVO ist nicht nachzuweisen. Eine solcher Verstoß wäre nur dann anzunehmen, wenn sie infolge Unaufmerksamkeit nicht rechtzeitig auf den Kläger reagiert hätte und durch rechtzeitiges Abbremsen bzw. Ausweichen den Unfall hätte vermeiden oder seine Folgen hätte verringern können. Die Beklagte zu 1) hat den Kläger zwar vor der Kollision wahrgenommen, aber auf die Beachtung des Vorfahrtrechts durch diesen vertraut. Dieses Vertrauen war auch berechtigt. Angesichts dessen, dass der Radweg erkennbar von der übrigen Fahrbahn getrennt war, durfte sie davon ausgehen, dass der Kläger ihre Bevorrechtigung als Verkehrsteilnehmerin im fließenden Verkehr auf der Fahrbahn berücksichtigen würde. Nach den im Termin bei seiner Anhörung von dem Kläger berichtigten und insoweit von der Zeugin L bestätigten Angaben ist der Kläger etwa 15 m vor der von hinten herannahenden Beklagten zu 1) auf die Fahrbahn eingefahren und hat sein Pedelec zügig zur Fahrbahnmitte hin gelenkt. Angesichts dieser Weg- Zeitabläufe und allein unter Berücksichtigung einer Reaktionszeit der Beklagten zu 1) von 1 Sekunde lässt sich ein schuldhaftes Reaktionsversagen der Beklagten zu 1) nach den vielfachen in Unfallverkehrssachen durch den sachverständig beratenen Senat gewonnenen Erkenntnissen nicht nachweisen. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der erstmals mit der Berufungsbegründung zum Zwecke des Nachweises eines Verschuldens der Beklagten zu 1) erfolgte Beweisantritt auf Einholung eines verkehrsanalytischen Sachverständigengutachtens gem. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO nicht berücksichtigt werden kann. Umstände, warum dieser Beweisantritt erst jetzt erfolgt ist, hat der Kläger nicht vorgetragen.
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Ein Verstoß der Beklagten zu 1) gegen § 3 Abs. 2 a StVO, wie vom Kläger auch erstmals mit der Berufung geltend gemacht, liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift müssen sich Fahrzeugführer gegenüber Kindern, Hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Der besondere Schutz des § 3 Abs. 2 a StVO greift ein, wenn der ältere Mensch bzw. eine andere Person aus dem geschützten Personenkreis sich in einer Verkehrssituation befindet, in der erfahrungsgemäß damit gerechnet werden muss, dass er aufgrund seines Alters das Geschehen nicht mehr voll werde übersehen und meistern können, wobei es konkreter Anhaltspunkte für eine Verkehrsunsicherheit nicht bedarf. Für die Pflicht zu erhöhter Rücksichtnahme kommt es auf die konkrete Verkehrssituation an (BGH NJW 1994, 2829). Nach dem Schutzzweck des § 3 Abs. 2 a StVO muss jedenfalls die Annäherung der geschützten Person an die Fahrbahn bzw. die Gefahrensituation erkennbar sein. Der BGH hat daher hinsichtlich des Schutzes von Kindern nur dann von dem Kraftfahrer verlangt, besondere Vorkehrungen (z. B. Verringerung der Fahrgeschwindigkeit oder Einnehmen der Bremsbereitschaft) zur Abwendung der Gefahr zu treffen, wenn ihr Verhalten oder die Situation, in der sie sich befinden, Auffälligkeiten zeigen, die zu Gefährdungen führen könnten (vgl. (BGH NZV 2002, 365; OLG Hamm, Urteil vom 19. Juni 2012 – 9 U 175/11 –, juris).
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Befindet sich eine ältere Person in einer Lage, in der für sie nach der Lebenserfahrung aber keine Gefährdung zu erwarten ist, so braucht ein Kraftfahrer nicht allein schon wegen ihres höheren Alters ein Höchstmaß an Sorgfalt einzuhalten (BGH NJW 1994, 2829). Nicht jede im Blickfeld des Kraftfahrers erscheinende Person der in § 3 Abs. 2 a StVO genannten Gruppen erfordert also in jedem Fall sofortige Verlangsamung, ohne dass Gefahr für verkehrswidriges Verhalten voraussehbar ist (König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 3 StVO Rn. 29b).
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In der hier gegebenen Verkehrssituation, nämlich der Annäherung der Beklagten zu 1) von hinten an einen auf einem abgeteilten und ausreichend breiten Radweg fahrenden Radfahrer mit weißem Haupthaar musste nicht damit gerechnet werden, dass dieser allein wegen seines Alters das Geschehen nicht mehr vollständig übersehen und beherrschen konnte. Es geht nicht darum, dass der Kläger etwa mit der durch die Benutzung des Radwegs geknüpften Verkehrssituation altersbedingt überfordert gewesen wäre, sondern allein darum, den nachfolgenden Verkehr und den Gegenverkehr sorgfältig vor dem beabsichtigten Linksabbiegen zu beobachten. Dass er aufgrund seines Alters diese konkrete Verkehrssituation nicht gefahrlos hätte beherrschen können, also den Linksabbiegevorgang insbesondere unter Berücksichtigung des nachfolgenden bevorrechtigten Verkehrs beachten konnte, hat der Kläger nicht nachvollziehbar dargetan. Vielmehr hat er sich im vorliegenden Verfahren als erfahrener Radfahrer mit einer Jahresfahrleistung von 4.000 km und als sportiver Mensch bezeichnet, der aktiver (Hochsee-)Segler und Tänzer sei. Da der Kläger auch als Autofahrer am Straßenverkehr teilnimmt, ist er verkehrsgewohnt. Dass bei ihm verkehrswesentliche gesundheitliche Einschränkungen vorhanden seien, hat der Kläger nicht behauptet. Es handelt sich vor diesem Hintergrund bei dem unachtsamen Verlassen des Radwegs und der Umsetzung des Linksabbiegevorgangs ohne hinreichende Beachtung des nachfolgenden Verkehrs durch den Kläger um ein Augenblicksversagen, zu dem es unabhängig von seinem Alter gekommen ist und das auch einer jüngeren Person unterlaufen kann.
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Ein Verschulden der Beklagten zu 1), welches der Kläger nach Anscheinsbeweisgrundsätzen daraus herleitet, dass die Beklagte zu 1) auf sein Pedelec aufgefahren sei, liegt nicht vor. Es fehlt hier bereits an der Typizität eines Auffahrunfalls im gleichgerichteten fließenden Verkehr. Denn es steht fest, dass der Kläger erst unmittelbar vor der Kollision verbotswidrig vom Radweg auf die Fahrbahn eingefahren ist und sowohl bei diesem Fahrmanöver, als auch bei dem sich unmittelbar anschließenden Linksabbiegen die geforderte Sorgfalt gegenüber dem Verkehr auf der Straße nicht beachtet hat.
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Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 1) die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten hat (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO) und sich dies unfallursächlich ausgewirkt hat, bestehen nicht. Ein dahingehender Vorwurf wird von dem Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) auch nicht erhoben.
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Die Beklagten müssen sich daher im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge nur die einfache vom Fahrzeug der Beklagten zu 1) ausgehende Betriebsgefahr entgegenhalten lassen. Die danach vorzunehmende Abwägung ergibt, dass das grobe Mitverschulden des Klägers (§§ 9 StVG, 254 BGB) so weit überwiegt, dass die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten zu 1) dahinter vollständig zurücktritt.
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Den Gesetzesmaterialien zur Reform des § 7 Abs. 2 StVG (BT-Drucks. 14/7752, S. 30) zufolge sollte der Haftungsausschluss nur bei höherer Gewalt statt zuvor im Falle eines unabwendbaren Ereignisses vor allem den nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern zugutekommen. Wie den Materialien (aaO) weiter zu entnehmen ist, sollte die Ersetzung des Entlastungsgrundes „unabwendbares Ereignis“ durch „höhere Gewalt“ auch für Unfälle gelten, an denen nur motorisierte Verkehrsteilnehmer beteiligt sind. Sofern der Unfall allerdings durch das grob verkehrswidrige Verhalten eines motorisierten Verkehrsteilnehmers verursacht sei, sollte dem anderen motorisierten Verkehrsteilnehmer, der sich verkehrsgerecht verhalten habe, durch den Wegfall des „unabwendbaren Ereignisses“ jedoch kein Nachteil dergestalt entstehen, dass ihm zukünftig die eigene Betriebsgefahr angerechnet werde. Dies könne, so die Gesetzesbegründung weiter, über eine Anwendung der §§ 9 StVG, 254 BGB sichergestellt werden, die auch eine Reduzierung des Mitverschuldens bis auf Null erlaubten (BT-Drucks. 14/7752, S. 30). Dieser Gesetzesbegründung ist jedenfalls im Blick auf Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Kraftfahrzeugen und erwachsenen, nicht hilfsbedürftigen Radfahrern zu entnehmen, dass ein vollständiger Haftungsausschluss nur noch in besonderen Einzelfällen möglich sein sollte, insbesondere dann, wenn der einfachen Betriebsgefahr des Kraftfahrzeughalters ein grob verkehrswidriges Verhalten des Radfahrers gegenübersteht (OLG Saarbrücken NJW 2012, 3245, 3247; Urteil vom 04.07.2013 – 4 U 65/12 –, juris). Die im Vordergrund stehende Schadensursache muss also ein grob verkehrswidriges Verhalten des Geschädigten darstellen (BGH VersR 2014, 80, 81). Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes persönliches Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einhergeht. Vielmehr ist ein solcher Vorwurf nur dann gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet (BGH NJW 2009, 1482 zum Unfall eines in Deutschland Ansässigen bei Mietwagenfahrt im südafrikanischen Linksverkehr). Grobes Fehlverhalten in diesem Sinne ist z. B. ohne Weiteres gegeben, wenn ein wartepflichtiger Radfahrer blindlings und ohne Halt aus einem Feldweg auf eine Landstraße einbiegt (OLG Saarbrücken NJW 2012, 3245, 3247; Urteil vom 04.07.2013 – 4 U 65/12 –, juris).
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So liegt der Fall hier.
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Der Kläger hat die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet gelassen, was vorliegend jedem verständigen Verkehrsteilnehmer hätte einleuchten müssen. Der Kläger hat versucht, gleichsam blindlings von dem rechts von der Fahrbahn verlaufenden Radweg über die gesamte Breite der stadtauswärts führenden Fahrspur der S Straße hinweg in die gegenüberliegende Zufahrt zu den Häusern S-Straße xxx bis xxx c einzubiegen. Dabei hat er seine entsprechende Absicht weder rechtzeitig angekündigt, noch an der für ihn übersichtlichen Unfallstelle auf den hinter seinem Rücken herannahenden Verkehr geachtet, der sich auf der angrenzenden rechten Fahrbahn näherte. Die vom Kläger unvermittelt eingeleitete Schrägfahrt führte zudem dazu, dass das Fahrrad auf der Straße in Sekundenbruchteilen ein breites, gefährliches Hindernis bildete. Gegenüber diesem groben Fehlverhalten tritt die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs zurück (so auch für einen vergleichbaren Fall OLG Saarbrücken, Urteil vom 13.02.2014, – 4 U 59/13 -, juris).
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Der objektiv grobe Pflichtverstoß des Klägers ist auch subjektiv schlechthin nicht entschuldbar. Die elementare Verkehrsregeln verletzende Fahrweise des Klägers musste sich diesem ohne Weiteres aufdrängen.
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Der Kläger erhält Gelegenheit, zu dem vorstehenden Hinweis innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen.