Grob fahrlässig handelt, wer sich mit einer brennenden Zigarette zum Schlafen ins Bett begibt und während des Rauchens einschläft.

Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 01.02.2012 – 3 U 53/11

1. Ein Hausratversicherer, der dem Versicherungsnehmer nach einem Brandschaden den Schaden ersetzt hat, kann vom Schädiger Ersatz verlangen, wenn dieser den Schaden durch grob fahrlässigen Umgang mit einer brennenden Zigarette beim Rauchen im Bett verursacht hat.

2. Grob fahrlässig in diesem Sinne handelt, wer sich mit einer brennenden Zigarette zum Schlafen ins Bett begibt und während des Rauchens einschläft.

3. Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entfällt nicht dadurch, dass der Schädiger nach Inbrandsetzung der Matratze den Brand bemerkt und einen untauglichen Löschversuch vornimmt, dadurch die Ausbreitung des Brandes auf die Wohnung aber nicht verhindert.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten aus den auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens für zutreffend gehaltenen Gründen der angefochtenen Entscheidung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte erhält gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf € 28.054,17 festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin macht übergegangene Schadensersatzansprüche wegen eines Brandereignisses gegen die Beklagte geltend.

2

Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Schadensfalles Hausratversicherer für das Wohnhaus […] in […]. Versicherungsnehmer war der geschiedene Ehemann der Beklagten. Im Zeitpunkt des Schadenseintritts wohnte die Beklagte noch in dem Haus und war dort allein. Am 30.11.2009 legte sie sich mit einer brennenden Zigarette ins Bett und schlief ein. Als sie gegen 1:00 Uhr aufwachte, bemerkte sie, dass sich auf der Matratze ein Schmorbrand entwickelte. Sie versuchte den Brand mit Cola zu löschen, legte die Matratze in die Badewanne und ging wieder schlafen. Die Matratze schmorte jedoch weiter und verursachte schließlich einen Brand des Wohnhauses, bei dem erheblicher Sachschaden entstand. Nach dem von der Klägerin eingeholten Gutachten des Sachverständigen H. vom 03.09.2010 betrug der Neuwertschaden € 36.871‚00. Der Zeitwertschaden wurde mit € 24.273,00 beziffert. Für das Gutachten stellte der Sachverständige € 3.781‚17 in Rechnung. Die Klägerin zahlte an den Versicherungsnehmer € 29.000,00.

3

Die Klägerin macht gegen die Beklagte den Zeitwertschaden geltend. Sie hat dazu behauptet, dass bei der Schadenermittlung nur die geschädigten Gegenstände des Versicherungsnehmers erfasst worden seien. Für diesen Schaden sei die Beklagte verantwortlich, weil sie den Brand grob fahrlässig herbeigeführt habe.

4

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie € 28.054,17 nebst näher bezifferter Zinsen zu zahlen.

5

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

6

Sie hat das Bestehen einer Ersatzpflicht bestritten. Es liege schon keine schuldhafte Handlung vor, weil sie unter dem Einfluss ärztlich verordneter Medikamente gestanden habe, die ihre Schuldfähigkeit aufgehoben hätten. Zudem sei der Brand nicht durch das Rauchen entstanden, sondern dadurch, dass nicht erkannt worden sei, dass sich in der Matratze Glutnester befunden hätten. Sie habe auch davon ausgehen können, dass ihr Löschversuch erfolgreich sein würde. Die von der Klägerin behauptete Höhe des Schadens hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten.

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Durch Urteil vom 18.11.2011 hat das Landgericht der Klage statt gegeben. Die Beklagte habe den Brand grob fahrlässig verursacht, weil sie ins Bett gegangen sei, um zu schlafen, dabei geraucht habe und mit der brennenden Zigarette eingeschlafen sei. Der misslungene Löschungsversuch führe nicht zu einer beachtlichen Unterbrechung des Kausalverlaufs. Anhaltspunkte für einen geringeren Verschuldensgrad lägen nicht vor. Das Bestreiten der Höhe des geltend gemachten Schadens mit Nichtwissen sei unsubstantiiert.

8

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Unzutreffend sei das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass sie, die Beklagte, grob fahrlässig gehandelt habe. Dabei sei nicht beachtet worden, dass die Matratze als Brandherd zwischenzeitlich in einen anderen Raum verbracht worden, wo es erst 6 Stunden später zu dem Brand gekommen sei. Aus welchem Grunde hier noch grobe Fahrlässigkeit anzunehmen sein solle, lasse sich der Entscheidung nicht entnehmen. Das Landgericht berücksichtige zudem nicht, dass in derartigen Fällen nach der Rechtsprechung regelmäßig von einem Regressverzicht des Versicherers auszugehen sei. Weiterhin sei das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie, die Beklagte, die Höhe des Schadens nicht lediglich mit Nichtwissen habe bestreiten dürfen.

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Die Beklagte beantragt,

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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen sowie ihr für die Berufungsinstanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

11

Die Klägerin beantragt unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils,

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die Berufung zurückzuweisen.

II.

13

Die zulässige Berufung hat nach der Überzeugung des Senats keine Aussicht auf Erfolg. Das Gericht folgt den Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist hier nicht der Fall, denn zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin gemäß § 86 Abs. 1 VVG i.V.m. § 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. §§ 306a, 306d StGB ein Anspruch auf Zahlung von € 28.054,17 nebst der ausgeurteilten Zinsen zusteht.

14

1. Der Brand ist von der Beklagten grob fahrlässig verursacht worden. Wie der Senat bereits in dem Beschluss zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Beklagten gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe in der ersten Instanz vom 10.11.2011 (Az. 3 W 26/11) ausgeführt hat, liegt grobe Fahrlässigkeit bei der Verursachung eines Brandes jedenfalls dann vor, wenn der Brand während der Zeit ausbricht, in der die rauchende Person in dem Raum schläft, in dem sie zuvor geraucht hat. Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit beruht in einem solchen Fall darauf, dass jemand, der sich rauchend zu Bett begibt, um zu schlafen, damit rechnen muss, mit brennender Zigarette einzuschlafen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 22.08.2000, 9 U 117/99; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.05.1999, 24 U 77/98; OLG Hamm, Beschluss vom 20.06.1989, 20 W 31/89, jeweils m.w.N.). Diesen Haftungsmaßstab greift die Beklagte auch nicht an. Sie meint jedoch, dass hier deshalb eine grobe Fahrlässigkeit zu verneinen sei, weil sie zwischenzeitlich einen Löschungsversuch mit Cola unternommen und die Matratze als Brandherd in einen anderen Raum geschafft habe, in dem der Brand schließlich zu einem späteren Zeitpunkt ausgebrochen sei. Bei dieser Argumentation übersieht die Beklagte jedoch, dass ihre grob fahrlässige Brandverursachung durch das Einschlafen mit der brennenden Zigarette im Bett fortgewirkt hat und weiterhin ursächlich für den Eintritt des Brandes geblieben ist. Es liegt auch keine Unterbrechung des zurechenbaren Kausalverlaufs vor, denn auch für den Ausbruch des Brandes in der Badewanne ist das Inbrandsetzen der Matratze durch die Zigarette ursächlich geblieben. Dass die Beklagte einen untauglichen Löschungsversuch mit dem Übergießen der Matratze mit Cola vorgenommen und nach dem fehlgeschlagenen Löschungsversuch nicht realisiert hat, dass der Brand tatsächlich nicht gelöscht war, könnte gegebenenfalls neue Fahrlässigkeitsvorwürfe begründen, ist für die einmal eingetretene und fortwirkende grob fahrlässige Verursachung des Brandes aber ohne Belang.

15

2. Die Beklagte kann sich nicht auf einen konkludenten Regressverzicht der Klägerin berufen. Zwar ist nach der Rechtsprechung in bestimmten Konstellationen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung von einem konkludenten Regressverzicht des Sachversicherers auszugehen, z.B. wenn der Versicherungsnehmer eine Wohnung nicht selbst bewohnt und der Brandverursacher der Mieter oder eine ihm nahestehende Person ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.03.2007, 8 U 13/06). Dieser konkludente Regressverzicht ist aber nur dann anzunehmen, wenn der Brandschaden vom Mieter durch leichte Fahrlässigkeit verursacht worden ist (ausführlich zur Begründung: OLG Stuttgart, Urteil vom 30.12.2003, 7 U 165/03; vgl. auch OLG Karlsruhe, a.a.O., OLG Düsseldorf, a.a.O., jeweils m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Wie unter Ziff. II. 1 ausgeführt, hat die Beklagte den Brand grob fahrlässig verursacht.

16

3. Zutreffend ist das Landgericht auch zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beklagte die geltend gemachte Höhe des Schadens nicht lediglich mit Nichtwissen bestreiten konnte. Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Parteien noch Gegenstand ihrer Wahrnehmungen gewesen sind, z.B. weil sich der Vorgang außerhalb ihrer Wahrnehmung abgespielt hat. Ansonsten wird die Erklärung mit Nichtwissen wie Nichtbestreiten gewertet (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. § 138 Rn. 13 f. m.w.N.). Hier hat die Beklagte selbst in der betreffenden Wohnung gewohnt, bevor es zu dem Brandschaden gekommen ist. Sie wusste also, welche – auch dem Versicherungsnehmer gehörenden – Gegenstände sich in der Wohnung befunden haben. In dem von der Klägerin eingeholten Privatgutachten sind alle nach der Behauptung der Klägerin beschädigten und zerstörten Gegenstände mit entsprechendem Neuwert und Versicherungswert detailliert angegeben. Die Beklagte hätte deshalb substantiiert vortragen müssen, welche Gegenstände nach Ihrer Auffassung nicht durch den Brand beschädigt oder zerstört worden sind bzw. für welche Gegenstände die Klägerin einen falschen Neuwert oder Versicherungswert in Ansatz gebracht hat. Das hat sie jedoch nicht getan. Ein pauschales Bestreiten mit Nichtwissen war hier nicht ausreichend.

III.

17

Insgesamt hat die Berufung auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Da die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat, eine Entscheidung des Berufungsgerichts weder zur Rechtsfortbildung noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, wird die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen sein.

IV.

18

Den Parteien wird Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der im Tenor genannten Frist gegeben. Es wird darauf hingewiesen, dass bei Rücknahme der Berufung Gerichtsgebühren gespart werden können (Ermäßigung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen gemäß Nr. 1220, 1222 KV von 4,0 auf 2,0).

V.

19

Mangels bestehender Erfolgssausicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zurückzuweisen (§ 114 Satz 1 ZPO).

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