OLG München, Beschluss vom 21.03.2011 – 31 Wx 80/11
1. Die Übergabe der Niederschrift über einen Gesellschafterbeschluss der herrschenden Gesellschaft betreffend die Kündigung eines Unternehmensvertrages an den Geschäftsführer der beherrschten Gesellschaft wahrt die Schriftform nicht.
2. Die außerordentliche Kündigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages kann nur innerhalb angemessener Frist nach Kenntnis des Kündigungsgrundes erfolgen; das ist bei einer erst nach zehn Monaten abgegebenen Erklärung nicht der Fall.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts München – Registergericht – vom 25. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Zur Eintragung in das Handelsregister der beteiligten W. GmbH wurde die Beendigung des am 1.1.2005 in Kraft getretenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit der F. GmbH & Co. KG als herrschender Gesellschaft angemeldet. Die herrschende Gesellschaft wurde durch Aufspaltung aufgelöst; diese wurde im Handelsregister am 16.11.2009 eingetragen. Rechtsnachfolger sind die X. Consult GmbH und die Y. Grundstücks GmbH.
Die Anmeldung lautet:
„Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der F. GmbH & Co. KG ist durch Kündigungserklärung nebst Zustimmungsbeschluss der beherrschten Gesellschaft – Gesellschafterbeschlüsse vom 27.9.2010 – mit Wirkung zum 31.12.2010 gekündigt worden. Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ist somit mit Wirkung zum 31.12.2010 beendet. Beigefügt wird die Niederschrift über die Gesellschafterbeschlüsse vom 27.9.2010.“
In der „Niederschrift über die Gesellschafterbeschlüsse der X. Consult GmbH und der Y. Grundstücks GmbH als Rechtsnachfolger der durch Spaltung (Realteilung) erloschenen F. GmbH & Co. KG“ ist festgehalten:
„Dies vorausgeschickt beschließen wir was folgt:
Der zwischen der F. GmbH & Co. KG als Organträgerin und der W. GmbH abgeschlossene Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag wird zum Ablauf des 31. Dezember 2010 gekündigt. Damit ist letztmalig das Ergebnis des Geschäftsjahres 2010 (Geschäftsjahr vom 1.1. bis 31.12.2010) an die Rechtsnachfolger der F. GmbH & Co. KG abzuführen bzw. von ihr zu übernehmen.“
Nach den Unterschriften ist angefügt:
„Wir, die aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag berechtigte und verpflichtete W. GmbH, vertreten durch den allein vertretungsberechtigten Geschäftsführer … nehmen den Beschluss der Rechtsnachfolger der Organträgerin zur Kenntnis und stimmen der Beendigung des Gewinnabführungsvertrages zum Ablauf des 31. Dezember 2010 zu“.
Mit Beschluss vom 25.1.2011 wies das Registergericht die Anmeldung zurück. Eine Gesamtrechtsnachfolge bei der herrschenden Gesellschaft berechtige diese bzw. ihre Rechtsnachfolger nicht zur fristlosen Kündigung. Bei einer ordentlichen Kündigung durch die herrschenden Gesellschaften sei die vertraglich festgelegte 6-Monatsfrist zu beachten. Im übrigen sei nur ein Beschluss hinsichtlich einer noch auszusprechenden Kündigung gefasst. Eine fristlose Kündigung durch die beherrschte Gesellschaft, die jedenfalls in Bezug auf den Beherrschungsteil zulässig sei, liege nicht vor. Eine Umdeutung in eine einvernehmliche Vertragsaufhebung sei nicht möglich, denn das für die W. GmbH erklärte Einverständnis mit der Kündigung – im Übrigen auch nur hinsichtlich der Gewinnabführung – sei nicht gleichzusetzen mit dem Willen zur Aufhebung des Vertrages, der außerdem wegen § 9 hierzu einen Sonderbeschluss der außenstehenden Gesellschafter erfordere.
Die Beschwerde wendet ein, der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag sei bereits aufgrund der Realteilung des herrschenden Unternehmens beendet worden. Unabhängig davon liege eine übereinstimmende Willenserklärung vor, wonach sämtliche Beteiligte mit der Auflösung des Beherrschungsvertrages zum Ablauf des 31.12.2010 einverstanden seien.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Registergericht hat es zu Recht abgelehnt, die angemeldete Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zum 31.12.2010 in das Handelsregister einzutragen.
1. Die Beendigung eines Unternehmensvertrages ist unter Angabe des Grundes und des Zeitpunkts in das Handelsregister einzutragen. Die Eintragung der Beendigung hat – im Gegensatz zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit einer GmbH als beherrschter Gesellschaft – nur deklaratorische Bedeutung (h.M., vgl. MünchKommGmbHG/ Liebscher Anh § 13 Rn. 952; Baumbach/Hueck/Zöllner GmbHG 19. Aufl. SchlAnhKonzernR Rn. 75; Roth/Altmeppen GmbHG 6. Aufl. Anh § 13 Rn. 102; MünchKommAktG/Altmeppen AktG 3. Aufl. § 298 Rn. 3; Vetter ZIP 1995, 345/353). Das ändert nichts am Umfang der Prüfung des Registergerichts, dessen Pflicht es ist, unrichtige Eintragungen in das Handelsregister zu vermeiden. Das Registergericht hat deshalb bei Anhaltspunkten für die Unwirksamkeit der angemeldeten Kündigung in die materielle Prüfung einzutreten (OLG München AG 2009, 675 m.w.N.).
2. Das Registergericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Gesellschaft vorgelegten Unterlagen nicht geeignet sind, eine wirksame Beendigung des Unternehmensvertrages zum 31.12.2010 zu belegen. Dabei kann dahinstehen, ob auch die Rechtsnachfolger der durch Aufspaltung aufgelösten herrschenden Gesellschaft zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages berechtigt sind (ablehnend MünchKommAktG/Altmeppen § 297 Rn. 128; Fichtelmann GmbHR 2010, 576/582; Widmann/Mayer Umwandlungsrecht § 126 UmwG Rn. 232, die in einem solchen Fall nur der Organgesellschaft ein außerordentliches Kündigungsrecht zubilligen), denn hier ist die Kündigung weder form- noch fristgerecht erklärt.
a) Die Kündigung eines Unternehmensvertrages bedarf entsprechend § 297 Abs. 3 AktG aus Gründen der Rechtssicherheit der Schriftform, was hier außerdem in § 13 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 19.6.2003 ausdrücklich vereinbart ist. Das bedeutet, dass die Kündigungserklärung selbst schriftlich abgefasst und vom Erklärenden eigenhändig unterzeichnet sein muss (vgl. § 126 Abs. 1 BGB). Kündigung ist die an den anderen Vertragspartner gerichtete Erklärung einer Vertragspartei, dass das Vertragsverhältnis für die Zukunft beendet werden soll. Eine schriftliche Erklärung dieses Inhalts von den beiden herrschenden Gesellschaften gegenüber der beherrschten Gesellschaft liegt hier nicht vor, denn der schriftlich niedergelegte Beschluss der jeweiligen Gesellschafter der beiden Rechtsnachfolgerinnen der Organträgerin vom 27.9.2010 stellt keine Kündigungserklärung gegenüber der beherrschten Gesellschaft dar.
Ein Gesellschafterbeschluss ist als Ergebnis der Willensbildung der Gesellschafter ein gesellschaftsinterner Akt und stellt keine Willenserklärung im Rechtsverkehr dar. Wenn also der Beschluss rechtsgeschäftliches Handeln gegenüber Dritten betrifft, sind in Ausführung des Gesellschafterbeschlusses durch den Geschäftsführer (§ 35 Abs. 1 GmbHG) die entsprechenden Willenserklärungen abzugeben (vgl. Roth/ Altmeppen § 47 Rn. 2, 2a; Baumbach/Hueck/Zöllner § 47 Rn. 9 f.). Zwar kann bei einem auf rechtsgeschäftliches Handeln gerichteten Beschluss – wenn (wie hier) Geschäftsführer und Vertragspartner anwesend sind – grundsätzlich angenommen werden, dass der Beschluss mit seinem Zustandekommen gleichzeitig mit Außenwirkung umgesetzt wird (BGH ZIP 2003, 1293/1294 für ein konkludent mögliches deklaratorisches Schuldanerkenntnis). Besondere Formerfordernisse für im Rahmen des Vollzugs des Gesellschafterbeschlusses abzugebende Erklärungen – wie hier die Schriftform der Kündigungserklärung – werden bei dieser Vorgehensweise jedoch nicht gewahrt.
b) Eine ordentliche Kündigung des Vertrages zum 31.12.2010 konnte am 27.9.2010 nicht mehr fristwahrend erklärt werden. Nach § 7 Abs. 3 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 19.6.2003 beträgt die Dauer des Vertrages mindestens fünf Jahre ab Inkrafttreten und verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn keine Kündigung ausgesprochen wird; die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate.
c) Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund entsprechend § 297 Abs. 1 AktG kann nach § 314 Abs. 3 BGB nur innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntnis des Kündigungsgrundes ausgesprochen werden (MünchKommAktG/ Altmeppen § 297 Rn. 50 a.E.; Fichtelmann GmbHR 2010, 576/579; Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 297 Rn. 18, 26). Hier ist weder in der Anmeldung noch in dem beigefügten Gesellschafterbeschluss ausdrücklich ein Kündigungsgrund genannt. Soweit die Aufspaltung der F. GmbH & Co. KG den außerordentlichen Grund für die Kündigung darstellen soll, war die angemessene Frist Ende September 2010 – über zehn Monate nach der im November 2009 erfolgten Eintragung der Aufspaltung im Handelsregister – jedenfalls verstrichen.
3. Aus der vorgelegten „Niederschrift über die Gesellschafterbeschlüsse“ mit dem vom Geschäftsführer der beherrschten Gesellschaft unterzeichneten Zusatz lässt sich auch keine einvernehmliche Aufhebung des gesamten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages entnehmen. Wie das Registergericht zutreffend hervorgehoben hat, ist das Hinnehmen einer Kündigung des anderen Vertragsteils nicht gleich bedeutend mit einer einvernehmlichen Aufhebung des Vertrages. Darüber hinaus bezieht sich die Zustimmung der beteiligten Gesellschaft nur auf die Beendigung des Gewinnabführungsvertrages, nicht aber auf die Beendigung des Beherrschungsvertrages.
Soweit die Beschwerde meint – wie teilweise in der Literatur vertreten (vgl. Lutter/Teichmann UmwG 4. Aufl. § 131 Rn. 57; a.A. Emmerich/Habersack § 297 Rn. 46; MünchKommAktG/ Altmeppen § 297 Rn. 127 ff.; Fichtelmann GmbHR 2010, 576/579) -, der Unternehmensvertrag sei bereits durch die Aufspaltung der herrschenden Gesellschaft beendet worden, steht das im Widerspruch zum Inhalt der vorliegenden Anmeldung, nach der die Beendigung des Unternehmensvertrages zum 31.1.2010 aufgrund Kündigung im Handelsregister eingetragen werden soll.
III.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.