Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch die Vereitelung des Zugangs zu den bei einem Application Service Provider von einem Dienstleister lizenzierten Accounts durch den Provider

LG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 19.12.2017 – 11 O 179/17

Es stellt sich als rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines Dienstleisters dar, wenn der Application Service Provider, der dem Dienstleister die Nutzung seiner Software auf seinen Servern ermöglicht, den Zugang zu den auf seiner Plattform für den Dienstleister lizenzierten Accounts dadurch vereitelt, dass er die Accounts in neue Accounts kopiert, auf die der Dienstleister keinen Zugriff hat, die ursprünglichen Accounts dann löscht und dem Dienstleister als Ersatz leere Accounts zur Verfügung stellt.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass Ansprüche der Beklagten, denen sie sich im Rahmen eines Abmahnungsbegehrens gegenüber der Klägerin berühmt hat, nicht bestehen.

2
Die Klägerin stellt auf ihren Servern Software zur Verfügung, mit der Kunden E-Mails gestalten, den Newsletter Versand auswerten und die Newsletter von den Servern der Klägerin aus versenden können. Bei der von der Klägerin bereitgestellten Software handelt es sich um eine sogenannte ASP-Software, d.h. die Software ist nicht auf Computern des Kunden, sondern auf den Servern der Klägerin installiert. Der Kunde kann über seinen Browser auf alle Funktion der Software zugreifen, also insbesondere E-Mails gestalten, die Empfänger der E-Mails bestimmen und den Erfolg seiner E-Mail Kampagne auswerten. Die Abrechnung gegenüber dem Endkunden erfolgt in erster Linie auf Grundlage der Anzahl der über die Software versenden E-Mails.

3
Die Beklagte betreibt eine auf die Werbung mit Newslettern spezialisierte Agentur. Sie plant Werbekampagnen per Newsletter, gestaltet die Newsletter und organisiert den Versand mittels der Software der Klägerin. Die Beklagte ermöglicht wiederum ihren Endkunden, die Software der Klägerin entsprechend des vereinbarten Funktionsumfang direkt, also ohne jeweilige Beteiligung der Beklagten, zu nutzen. Dazu bietet sie Schulungen für den Umgang mit der Software an, betreut die Endkunden bei der Nutzung und erstellt für sie Vorlagen (Templates).

4
Zwischen den Parteien bestand eine jahrelange Geschäftsbeziehung. Die Beklagte bezieht die von ihr genutzten Zugangsrechte zu der Software der Klägerin mittlerweile nicht mehr direkt von der Klägerin, sondern von ein zwischengeschalteten Händler (der B GmbH). Von dort hat sie das Nutzungsrecht über 700 Accounts bei der Klägerin erworben. Zwischen den Parteien selbst besteht heute keine direkte Vertragsbeziehung mehr.

5
Die Leistungen der Beklagten werden auch von der Klägerin angeboten. Die Parteien stehen insoweit in einem Wettbewerbsverhältnis. Im Jahre 2017 wechselten verschiedene Kunden der Beklagten zur Klägerin, sie kündigten die Verträge mit der Beklagten und bestellten die Zugangsrechte zu der Software direkt bei der Klägerin.

6
Die Klägerin als technische Systemadministratorin kopierte die Daten der von der Beklagten verwalteten Accounts ihrer Kunden in einen neuen Account und löschte den bisherigen Account. Der Beklagten wurde so der Zugriff zu den Daten des jeweiligen Accounts versperrt. Dadurch konnte die Beklagte auch nicht mehr auf die Daten des Accounts, die zur Abrechnung ihrer Leistungen gegenüber ihren Endkunden benötigt wurden, zugreifen. Ihr wurde von der Klägerin nach der Löschung der Accounts jeweils ein leerer Account zur Verfügung gestellt. Zu keinem Zeitpunkt hat die Beklagte in die Kündigung und/oder die Löschung dieser Accounts eingewilligt.

7
Mit Schreiben vom 07.07.2017 hat die Beklagte u.a. ausgeführt (Anl. K1):

8
„Obschon ausgesprochene Kündigungen zu den unten aufgelisteten Kunden weder rechtmäßig sind, noch die nachfolgenden Verträge wirksam beendet sind, haben sie die elektronischen Konten nachfolgender Kunden unserer Mandantin gelöscht, so dass diese auf diese Konten nicht mehr zugreifen kann.

9
Insbesondere handelt es sich um folgende Kundenkonten:

10
1. Kundenkonto: Bi GmbH am 19.06.2017
2. Kundenkonto: He GmbH am 03.07.2017
3. Kundenkonto: An GmbH am 22.06.2017
4. Kundenkonto: De am 29.06.2017
5. Kundenkonto: wh am 22.06.2017
6. Kundenkonto: GE GmbH am 04.07.2017
7. Kundenkonto: St GmbH am 19.06.2017
8. Kundenkonto: Sa GmbH am 15.05.2017
9. Kundenkonto: Sa AG am 01.06.2017

11
wir fordern sie hiermit auf, den diesbezüglichen Kunden Vorgang zu den jeweils oben genannten Kunden rückgängig zu machen binnen einer Frist bis zum

12
11.07.2017, 12:00 Uhr

13
und das ursprüngliche Konto zur Verfügung zu stellen.“

14
Mit Schreiben vom 12.07.2017 setzte die Klägerin der Beklagten Frist auf den 18.07.2017 zur Rücknahme der gegenüber der Klägerin vorgebrachten Ansprüche (Anl. K2). Nachdem die Beklagte diese Frist ohne Rückmeldung hat verstreichen lassen, hat die Klägerin negative Feststellungsklage erhoben.

15
Die Klägerin behauptet, dass die Endkunden der Beklagten die Klägerin angewiesen hätten, den Zugang der Beklagten zu den von ihnen genutzten Accounts zu unterbinden.

16
Die Klägerin ist der Meinung, dass zwischen den Parteien keine direkten Vertragsbeziehungen bestünden und etwaige vertragliche Erfüllungsansprüche der Beklagten ausschließlich an die B GmbH als Vertragspartner der Beklagten zu richten seien. Außerdem habe der jeweilige Endkunde die Konten gemäß dem Standard-Vertrag der Beklagten „erworben“ und damit die volle Verfügungsberechtigung über die Konten. Rechte hinsichtlich der Konten können daher allenfalls die Endkunden als Kontoinhaber und Eigentümer der in den Konten gespeicherten Daten geltend machen. Die Beklagte habe mangels entsprechender vertraglicher Regelungen auch gegenüber den Endkunden selbst keinen Anspruch auf Zugang zu den Konten.

17
Das Feststellungsinteresse der Klägerin folge bereits aus der rechtsgrundlosen Inanspruchnahme durch die Beklagte im Rahmen des Schreibens der Beklagten vom 07.07.2017.

18
Die Klägerin beantragt,

19
festzustellen, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin keinen Anspruch hat auf

20
a) die Rückgängigmachung der Löschung von elektronischen Konten (Accounts) von Kunden oder ehemaligen Kunden der Beklagten, die die Software „M.“ von der Klägerin direkt beziehen,

21
b) die Einräumung des Zugangs zu elektronischen Konten (Accounts) von Kunden oder ehemaligen Kunden der Beklagten, die die Software „M.“ von der Klägerin direkt beziehen.

22
Die Beklagte beantragt,

23
die Klage abzuweisen.

24
Sie ist der Meinung, dass die Kündigungen der im Schreiben vom 07.07.2017 genannten Kunden sämtlich unzulässig gewesen seien. Der Inhalt der Daten in den streitgegenständlichen Accounts seien urheberrechtliche Werke der Beklagten, Datenbankwerke der Beklagten, welche diese selbst erstellt habe, sowie Abrechnungsdaten der Beklagten. Die Accounts stünden außerdem der Beklagten zu, die auch das Master-Passwort innehabe, während ihre Kunden keine volle Verfügungsberechtigung über den Account hätten. Ein Anspruch der Beklagten lasse sich über eine analoge Anwendung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnis konstruieren, da eigentumsgleiche Rechte an Daten anzuerkennen seien. Die Klägerin habe insoweit der Beklagten als Eigentümerin der Daten den Besitz, das heißt die Zugriffsmöglichkeit auf die Daten, entzogen. Außerdem ergebe sich ein Anspruch aus § 97 UrhG analog.

25
Das Gericht hat die Parteien informatorisch angehört. Für ihre Angaben wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
26
Die Klage ist nur teilweise zulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet.

I.

27
Die Klage ist nur insoweit zulässig, als die Feststellung begehrt wird, ein Anspruch der Beklagten auf eine Rückgängigmachung der Löschung und die Wiedereinräumung des Zugangs zu den im Tatbestand benannten neun Kundenkonten bestehe nicht. Im Übrigen fehlt der Klage das Feststellungsinteresse.

28
Ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO besteht grundsätzlich nur, wenn dem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte es ernstlich bestreitet oder sich eines Rechts gegen den Kläger berühmt, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2017, § 256 ZPO, Rn. 7).

29
Die Klägerin begehrt mit ihrem Antrag die Feststellung, dass die Beklagte generell keinen Anspruch auf Rückgängigmachung der Löschung von Accounts ihrer Kunden und die Wiedereinräumung des Zugangs zu diesen Accounts habe. Eines so weitgehenden Anspruchs hat sich die Beklagte indes nie berühmt. Sie hat in ihrem Anspruchsschreiben vom 07.07.2017 (Anl. K1) diese Ansprüche lediglich in Hinblick auf die genannten Kunden geltend gemacht und dabei ausgeführt, dass das Vertragsverhältnis der Beklagten zu diesen Kunden bisher nicht wirksam gekündigt bzw. noch nicht beendet sei. Nur insoweit macht die Beklagte Ansprüche geltend. Die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die Konten anderer Kunden gelöscht bzw. unter Ausschluss des Zugriffs der Beklagten in neue Accounts umgewandelt werden dürfen, ist bisher von der Beklagten nicht aufgeworfen worden.

II.

30
Die Klage ist im Umfang ihrer Zulässigkeit unbegründet.

31
Der Beklagten steht ein Anspruch auf Wiedereinräumung des Zugangs zu den von ihr genannten neun Accounts aus § 823 Abs. 1 BGB zu, weil sich das Verhalten der Klägerin als rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Beklagten darstellt.

32
1. Ein Anspruch wegen Verletzung des als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs kommt in Betracht, wenn spezielle Schutzvorschriften zugunsten eines Unternehmens nicht durchgreifen (BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 – I ZR 26/02, GRUR 2004, 877, 880 = WRP 2004, 1272 – Werbeblocker; Urteil vom 24. Januar 2006 – XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 93). Der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB wird gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährt, wenn die Störung einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb von der Rechtsprechung gewährten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben. Die Verletzungshandlung muss sich gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über die bloße Belästigung oder eine sozial übliche Behinderung hinausgehen. Unmittelbare Eingriffe in das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb, gegen die § 823 Abs. 1 BGB Schutz gewährt, sind nur diejenigen, die gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen sind und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen (BGH, Urteil vom 06. Februar 2014 – I ZR 75/13 -, Rn. 12, juris; BGH, Urteil vom 28. Februar 2013 – I ZR 237/11, GRUR 2013, 917 Rn. 16 = WRP 2013, 1196 – Vorbeugende Unterwerfungserklärung, m.w.N.). Es kann genügen, wenn wesentliche geschäftliche Aktivitäten unmittelbar beeinträchtigt oder verhindert werden (Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl. 2017, § 823 Rn. 135).

33
a. Andere Schutzvorschriften gegen die Verhinderung des Zugangs zu den Accounts der Beklagten durch die Klägerin sind nicht erkennbar. Insbesondere ein Schutz des Zugriffs auf Daten entsprechend des Eigentumsschutzes scheidet nach geltender Rechtslage aus. Teil des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes und damit Gegenstand seines Schutzes sind auch betriebsbezogene gespeicherte Daten (Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl. 2017, § 823 Rn. 134). Hier ist der Betrieb der Beklagten vollständig auf die technische Infrastruktur der Klägerin und ihren Zugriff auf die dort bestehenden Datenbestände angewiesen. Entfällt dieser, kann sie ihre Dienstleistungen nicht mehr erbringen.

34
b. Der Eingriff der Klägerin ist auch betriebsbezogen. Durch die Zugangsvereitelung wird unmittelbar in den gewerblichen Tätigkeitsbereich der Beklagten eingegriffen. Die Beklagte kann etwaigen Verpflichtungen ihren Kunden gegenüber nicht mehr nachkommen und kann ihre Leistungen nicht mehr abrechnen. Es handelt sich auch nicht um eine bloß mittelbare Wirkung einer Handlung der Klägerin. Das Ziel der Klägerin ist es durch dieses Vorgehen ja gerade, die Beklagte von einer weiteren Leistungserbringung auszuschließen und diese Leistungen nach einem Wechsel der Kunden der Beklagten zur Klägerin deren Leistungen selbst zu erbringen.

35
2. Die Zugangsvereitelung der Klägerin zu den Accounts der Beklagten ist unter Abwägung der betroffenen Interessen als rechtswidrig anzusehen.

36
Das Recht am Gewerbebetrieb ist ein offener Tatbestand, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit den konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben (BGH, GRUR 2013, 917 Rn. 18 – Vorbeugende Unterwerfungserklärung, mwN). Die Behinderung der Erwerbstätigkeit ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, Urteil vom 15. Mai 2012 – VI ZR 117/11, BGHZ 193, 227 Rn. 27; BGH, Urteil vom 06. Februar 2014 – I ZR 75/13 -, Rn. 15, juris).

37
Hier ergibt die Abwägung, dass das Schutzinteresse der Beklagten überwiegt. Dabei sind folgende Umstände von Bedeutung:

38
a. Die Beklagte hat, abgeleitet vom Recht der B GmbH, einen Anspruch gegen die Klägerin auf Nutzung der Application Service Providing-Lösung M. der Klägerin (§§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 des ASP-Software Lizenz- und Servicevertrages der B GmbH und der Klägerin, Anl. B17). Diese Softwarelösung der Klägerin läuft auf der von ihr betriebenen Hardware. Auf sie kann durch einen Web-Client zugegriffen werden. Die Nutzung erfolgt im Rahmen von Accounts, die jeweils eine abgeschlossene Programmumgebung bieten, in der das gesamte Leistungsspektrum der Software verfügbar ist. Die Accounts können von der Beklagten selbständig eingerichtet und konfiguriert werden. Das betrifft insbesondere den Leistungsumfang und die Zugangsrechte Dritter. Zwar stellt die Klägerin die Accounts zur Verfügung und hat als technischer Administrator weitgehende Zugriffsmöglichkeiten. Die Nutzung des Accounts und der bereitgestellten Software ist aber den Vertragspartnern – hier B GmbH und der Beklagten – zugewiesen (s. § 2 Abs. 4 d. ASP-Software Lizenz- und Servicevertrages). Im Verhältnis zur Klägerin ist die Beklagte durch die von B GmbH erteilte Sublizenz damit Inhaberin der Accounts. Die Nutzung erfolgt auch vollkommen unabhängig von der Klägerin. Zwar erhalten die Endkunden (beschränkte) Zugriffsmöglichkeiten auf diese Accounts. Die Beklagte kann die Accounts aber jederzeit selbst nutzen, um z.B. Aufträge der Kunden auszuführen. Die Endkunden können auch von der Beklagten in der Nutzung beschränkt werden. Der Beklagten stehen außerdem alle Nutzungsdaten der Accounts zur Verfügung. Die Verfügungsgewalt über die Accounts liegt daher bei der Beklagten. Die Klägerin als allein technischer Administrator ist von einer eigenen Verfügung oder einer Einflussnahme auf die Nutzung der spezifischen Accounts ausgeschlossen. Damit können aber auch die Endkunden nicht über die Accounts verfügen. Zwar sind sie – vorbehaltlich urheberrechtlicher Beschränkungen – berechtigt ihre Daten zu kopieren und anderweitig zu nutzen. Auch besteht u.U. ein Anspruch auf Freigabe des Accounts durch die Beklagte zur Fortführung durch Dritte. Die Endkunden sind aber nicht berechtigt, die Beklagte vom Zugriff auf den Account auszuschließen.

39
Dass die Klägerin selbst von einer Zuordnung der Konten an die Beklagten und nicht an die Endkunden ausgegangen ist, zeigt sich darin, dass der Beklagten für jeden Account, der ihrem Zugriff entzogen wurde, ein Leeraccount angeboten wurde. Wären die Accounts tatsächlich den Endkunden zugeordnet, hätte die Beklagte also nur für die Endkunden die Accounts eingerichtet, die quasi „auf deren Namen“ gelaufen wären, hätte es eines Ausgleiches nicht bedurft, denn die Beklagte hätte nichts verloren, weil sie von Anfang an keine Rechte am Account gehabt hätte.

40
Zwischen der Beklagten und ihren Kunden besteht ein Dauerschuldverhältnis über die (beschränkte) Nutzungsmöglichkeit von bestimmten Leistungen der Accounts und die Betreuung und Unterstützung dabei. Neben dem dafür fälligen Grundbetrag werden die von den Endkunden in Anspruch genommenen Leistungen (Anzahl der versandten Emails) monatlich abgerechnet. Außerdem erbringt die Beklagte werkvertragliche Leistungen (Erstellung von Templates) und erfüllt mit der Schulung ihrer Kunden auch dienstvertragliche Pflichten. Die Verhinderung des Zugangs zu den Accounts durch die Klägerin stellt einen Eingriff in das Vertragsverhältnis der Beklagten und ihrer Endkunden dar. Der Beklagten wird eine etwaige Leistungserbringung und -abrechnung unmöglich gemacht. Es handelt sich damit um einen schwerwiegenden und dauerhaften Eingriff in den Gewerbebetrieb der Beklagten.

41
b. Dagegen sind kein erheblichen schutzwürdigen Belange der Klägerin erkennbar. Eine Verhinderung der weiteren Nutzung der Accounts durch die Beklagte durch eine schlichte einseitige Übertragung der Accounts unter Ausschluss der Beklagten und ohne deren Beteiligung ist weder technisch notwendig noch rechtlich geboten. Soweit die Klägerin Vertragsverhältnisse mit aktuellen oder früheren Kunden der Beklagten eingeht, ist die Möglichkeit der Weiterführung der Accounts durch die Klägerin Sache der Beklagten und ihrer Endkunden. Besteht Streit über den Umfang der Übertragungspflicht oder die Wirksamkeit einer Kündigung, ist diese Frage vorgängig zwischen der Beklagten und deren Kunden zu klären. Einen solchen Streit abzuwarten, beeinträchtigt auch die Rechte der Klägerin nicht. Sie erhält weiterhin die für die Account-Nutzung fällige Gebühr.

III.

42
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 2 ZPO.

Dieser Beitrag wurde unter IT-Recht veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.