AG Berlin-Mitte, Urteil vom 21.06.2011 – 25 C 7/11
Beim Abschleppen eines falsch parkenden Fahrzeuges sind allein die reinen Abschleppkosten ersatzfähig. Die weiteren im Rahmenvertrag genannten Kosten für andere Tätigkeiten, wie Überprüfung, Kontrolle die Objekte, Zuordnung des Fahrzeugs zu einer Fahrzeugkategorie, Kontrolle des Fahrzeugs, visuelle äußere Sichtung auf Schäden und deren Protokollierung, technische Sichtung/Messung des Fahrzeugs bis hin zur Anforderung eines geeigneten Lade- und Transportmittels, sind hingegen nicht ersatzfähig, denn hierbei handelt es sich um Kosten, die mit der Beseitigung der Besitzstörung selbst nichts zu tun haben (Rn. 13, 14).
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 110 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.12.2010 sowie 46,41 € gerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger ist Eigentümer eines Fahrzeugs, das am 25. November 2010 auf dem Parkplatz eines Kaufzentrums abgestellt gewesen ist. Er überschritt die von der Grundstückseigentümerin erlaubte Höchstparkdauer. Daraufhin ließ die Beklagte, die mit der Grundstückseigentümerin einen entsprechenden Vertrag geschlossen hat, das Fahrzeug abschleppen. Wegen des Inhalts des zwischen der Grundstückseigentümerin und der Beklagten geschlossenen Vertrages wird auf die eingereichte Kopie verwiesen.
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Der Kläger konnte den Standort seines Fahrzeugs nur gegen Zahlung von 219,50 € erfahren.
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Der Kläger meint, dass der von ihm gezahlte Betrag um 109,50 € überhöht sei. Er behauptet, dass die Beklagte mit dem Abschleppen eine Firma beauftragt, die pro abgeschleppten Wagen 50 € gegenüber der Beklagten berechnet.
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Der Kläger beantragt,
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was erkannt worden ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte meint, dass der von ihr verlangte Betrag den erstattungsfähigen Schaden darstelle.
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Wegen des näheren Vortrags der Parteien wird auf die eingereichte Schriftsätze nebst Anlagen Bezug.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet.
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Die klagende Partei hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus ungerechtfertigter Bereicherung aus § 812 BGB, denn die Grundstückseigentümerin, die ihre Ansprüche an die Beklagte abgetreten hat, hatte gegen die klagende Partei lediglich ein Anspruch auf Ersatz eines Schadens in Höhe von maximal 110 €.
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Die Grundstückseigentümerin war hier zwar berechtigt, das Fahrzeug der klagenden Partei abschleppen zu lassen und die dadurch entstandenen Kosten ersetzt zu verlangen. Mit dem unbefugten Abstellen des Fahrzeugs auf dem Parkplatz beging die klagende Partei eine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 Abs. 1 BGB. Die Grundstückseigentümerin war daher im Wege der Selbsthilfe nach § 259 BGB berechtigt, das Fahrzeug der klagenden Partei abschleppen zu lassen. Jedoch stehen nicht alle von der Beklagten geltend gemachten Kosten in einem adäquaten Zusammenhang mit der von der klagenden Partei vorliegenden verbotenen Eigenmacht.
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Die Kosten des Abschleppen sind jedoch nur in Höhe von maximal 110 € erstattungsfähig. Es kann nämlich nur für solche Schadensfolgen Ersatz verlangt werden, die innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm liegen; es muss sich um Folgen handeln, die in den Bereich der Gefahren fallen, die durch die Rechtsnorm geschützt werden sollen, und es muss ein innerer Zusammenhang zwischen der Pflicht- oder Normverletzung und dem Schaden, nicht nur eine mehr oder weniger zufällige äußere Verbindung bestehen (BGH, 05.06.09, NJW 2009, 2530; juris). Danach kann der Besitzer nur die Kosten der Schadensbeseitigung, nicht aber die Kosten der Bearbeitung und außergerichtlichen Abwicklung des Schadensersatzanspruches ersetzt verlangen (BGH, a.a.O.). Ersatzfähig sind daher allein die reinen Abschleppkosten.
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Die weiteren im Rahmenvertrag genannten Kosten für andere Tätigkeiten, wie Überprüfung, Kontrolle die Objekte, Zuordnung des Fahrzeugs zu einer Fahrzeugkategorie, Kontrolle des Fahrzeugs, visuelle äußere Sichtung auf Schäden und deren Protokollierung, technische Sichtung/Messung des Fahrzeugs bis hin zur Anforderung eines geeigneten Lade- und Transportmittels, sind hingegen nicht ersatzfähig, denn hierbei handelt es sich um Kosten, die mit der Beseitigung der Besitzstörung selbst nichts zu tun haben. Hierbei handelt es sich um Kosten der allgemeinen Mühewaltung, die im allgemeinen Schadensersatzrecht nicht zu dem zu ersetzenden Schaden gehören, ebenso wie der Aufwand, der im Vorfeld für die Schadenverhütung oder sodann für die Schadensminderung und für die Abwehr etwaiger Ansprüche des Fahrzeugeigentümers entsteht. Entgegen der Ansicht der Beklagten geht es hierbei nicht um die Frage, ob die geltend gemachten Kosten unbillig erscheinen oder als sittenwidrig anzusehen sind. Es geht vielmehr um die dogmatische Frage, ob die Kosten für solche Arbeiten überhaupt dem Grunde nach zu den erstattungsfähigen Schäden gehören. Grundsätzlich sind die Kosten für die Mehrarbeit, die die Ermittlung und Abwicklung des Schadens verursachen, nicht erstattungsfähig (so BGH, 06.11.79, NJW 1980, 119 -Fangprämie, a.A. offenbar KG, 07.01.11, 13 U 31/10). Diese Kosten stellen weder dann einen erstattungsfähigen Schaden dar, wenn der Geschädigte diese durch eigenes Personal erledigen lässt (so BGH, a.a.O.), noch wenn er diese Aufgaben – wie hierauf – auf einen Dritten überträgt.
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Soweit sich die Beklagte hier auf die Entscheidung des BGH vom 05.06.09 (a.a.O.) bezieht, ergibt sich daraus nichts anders, denn dort ging es nicht um die Höhe des erstattungsfähigen Schadens, der durch die Revision dort gar nicht angegriffen war.
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Soweit sich die Beklagte hierbei auf eine Entscheidung des BGH (29.06.04; juris) bezieht, betrifft diese einen anderen Sachverhalt, nämlich die Frage der Ersatzpflicht der Kosten eines Transports in einem Rettungswagen von einem bei einem Verkehrsunfall Verletzten. Hier umfasst die Erstattungspflicht nach §§ 7, 17, 18 StVG, § 115 VVG, § 823, § 249 BGB ohnehin sämtliche durch den Unfall adäquat verursachten Kosten. Darum geht es hier jedoch nicht.
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Das Gericht schätzt die Kosten allein für ein Abschleppen für den hier betreffenden Raum und das hier betreffende Fahrzeug auf nicht mehr als auf maximal 110,-€. Der Kläger hat hier unbestritten im Schriftsatz vom 11.03.11 vorgetragen, dass die von der Beklagten beauftragte Firma pro Abschleppfahrt 50,-€ gegenüber der Beklagten berechnet. Die Beklagte ist dem nicht entgegen getreten.
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Der Kläger kann daher sowohl die zuviel gezahlten 110,-€ zurückverlangen und die darauf entfallenden Zinsen sowie die vorprozessualen Anwaltskosten ersetzt verlangen.
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