OLG Bamberg, Beschluss vom 18.04.2011 – 2 Ss OWi 243/11
Liegt die Vertretungsvollmacht des Rechtsvertreters des in der Hauptverhandlung nicht erschienenen Betroffenen dem Gericht nicht schriftlich bei der Hauptverhandlung vor, beginnt die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde bzw. des Zulassungsantrags gegen ein Urteil in Abwesenheit des Betroffenen erst mit der Zustellung des Urteils, nicht schon mit seiner Verkündung.
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Pfaffenhofen a.d. Ilm vom 08. November 2010 wird aufgehoben.
Gründe
1
Der gemäß § 346 Abs. 2 StPO i.V.m. §§ 80 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 2, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG zulässige Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts hinsichtlich des Beschlusses des Amtsgerichts Pfaffenhofen a.d.Ilm vom 08.11.2010, mit dem die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Pfaffenhofen a.d.Ilm vom 11.12.2009 (gemeint: der Antrag, gegen das Urteil die Rechtsbeschwerde zuzulassen; vgl. Göhler OWiG 15. Aufl. § 80 Rn. 20), als unzulässig verworfen wurde, ist begründet.
2
Die Frist zur Einlegung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 80 Abs. 3 S. 1, 79 Abs. 4 OWiG) ist noch nicht in Lauf gesetzt worden.
3
Die Frist begann nicht mit der Verkündung des Urteils in der Hauptverhandlung vom 11.12.2009. Der Termin wurde in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt. Für ihn trat Rechtsanwalt A. in Untervollmacht für den Verteidiger H. auf. Zwar verfügte der Unterbevollmächtigte über eine schriftliche Untervollmacht (s. Anlage zu Bl. 40-43 d.A.); allerdings lag dem Gericht damals eine gemäß § 73 Abs. 3 OWiG erforderliche, zur Vertretung berechtigende schriftliche Vollmacht für Rechtsanwalt H. nicht vor. Sie wurde erst mit Eingang am 04.01.2011 an das Amtsgericht Pfaffenhofen a.d.Ilm übersandt (Bl. 78 f. d.A.). Die schriftliche Vertretungsvollmacht muss dem Gericht aber bei der Hauptverhandlung vorliegen. Ansonsten beginnt die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde bzw. des Zulassungsantrags gegen ein Urteil in Abwesenheit des Betroffenen, wie im vorliegenden Fall, mit der Zustellung des Urteils (Thüringer OLG VRS 111, 200 f.). Dass die Vertretungsvollmacht für Rechtsanwalt H. bereits vom 16.04.2009 datiert, ändert hieran nichts, da ihre Vorlage erst im Lauf des Rechtsbeschwerdeverfahrens erfolgt ist.
4
Das bisher lediglich im Protokoll vom 11.12.2009 befindliche, nicht mit Gründen versehene Urteil des Amtsgerichts ist auch in der Folgezeit nicht wirksam an den Verteidiger zugestellt worden, selbst wenn es ihm, wie dem Verteidigerschriftsatz vom 24.03.2010 zu entnehmen ist (s. Bl. 50 d.A.), offenbar, von wem auch immer, übersandt wurde. Dieser Übersendung liegt nämlich, wie der dienstlichen Stellungnahme der Direktorin des Amtsgerichts Pfaffenhofen a.d. Ilm vom 28.03.2011 zu entnehmen ist, eine richterliche Anordnung nicht zugrunde. Eine ohne richterliche Anordnung, etwa durch die Geschäftsstelle veranlasste Zustellung ist unwirksam (vgl. BGH bei Holtz MDR 1976, 814; OLG Hamm MDR 1976, 66 f.; OLG Stuttgart MDR 1976, 245).
5
Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Pfaffenhofen a.d. Ilm vom 08.11.2010 war deshalb – ohne diesbezügliche Kostenentscheidung (vgl. Meyer-Goßner StPO 53. Auflage § 346 Rdnr. 12 m.w.N.) – aufzuheben.
6
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht erforderlich und hat nicht zu erfolgen, da die Rechtsbeschwerdefrist bzw. die Frist zur Einlegung des Zulassungsantrags noch nicht in Lauf gesetzt wurde (Rebmann/Roth/Hermann OWiG 3. Aufl. § 79 Rdnr. 16 und 34).