Amtsgericht München, Urteil vom 29.3.12 – 173 C 19258/09
Der Streit um Eiben und Thujen
Auch Pflanzen, die hinter einer Sichtschutzwand stehen, dürfen nicht unbegrenzt in die Höhe wachsen. Übersteigen sie die Wand in der Höhe nicht unerheblich und beeinträchtigen sie damit den Nachbarn, hat dieser einen Anspruch auf Rückschnitt, allerdings nur bis zur Höhe der Sichtschutzwand.
Zwischen den Grundstücken zweier Münchner Nachbarn steht seit vielen Jahren ein Sichtschutzzaun von 2 Metern Höhe, hinter dem von einem Nachbar Eiben und Thujen gepflanzt wurden. Diese wuchsen heran und überragten eines Tages den Zaun um mehr als 20 cm. Auch Wurzeln von Pflanzen drangen in das andere Grundstück ein.
Der Eigentümer dieses Grundstücks verlangte den Rückschnitt der Eiben und Thujen. Im rückwärtigen Bereich würden diese sein Grundstück massiv verschatten. Der Boden an der Grundstücksgrenze versauere auf Grund der herab fallenden Nadeln, so dass auch das Gras nicht mehr wachse. Gehwegplatten würden durch die Wurzeln angehoben, ein Betonstein der Einfassung der Einfahrt sei auch schon betroffen. Zwischen Gartentorsäule und Mauer habe sich ein tiefer Spalt gebildet. Außerdem wolle man eine weitere Terrasse errichten, was auf Grund der Wurzeln nicht möglich sei.
Der andere Nachbar weigerte sich. Schließlich stünden die Pflanzen hinter der Schutzwand. Es kam zu einem Schlichtungsverfahren, das jedoch erfolglos blieb. Anschließend kam die Angelegenheit zum Amtsgericht München.
Der zuständige Richter verurteilte den einen Nachbarn dazu, die Eiben und Thujen auf die Höhe des bestehenden Sichtschutzzaunes zurückzuschneiden und die eingedrungenen Wurzeln zu entfernen:
Der Kläger habe einen Anspruch auf Rückschnitt der Pflanzen. Zwar gelte der gesetzlich geregelte Mindestabstand zur Grundstücksgrenze von 50 cm bzw. von 2 m bei einer Pflanzenhöhe von über 2 m nicht, wenn sich die Pflanzen hinter einer Mauer oder dichten Einfriedung befänden. Dies gelte aber nur, wenn die Pflanzen die Sichtschutzwand nur unerheblich überragten. Die Frage, ab welchem Maß ein erhebliches Überschreiten angenommen werden müsse, sei nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift zu beantworten. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass von Pflanzen, die lediglich die gleiche Höhe wie die Einfriedung aufweisen, denknotwendig keine nennenswerten Beeinträchtigungen für das Nachbargrundstück ausgehen könnten. Ein unerhebliches Übersteigen sei daher dann anzunehmen, wenn infolge der größeren Höhe ebenfalls keine Beeinträchtigungen zu erwarten seien.
Vorliegend habe die Beweisaufnahme allerdings ergeben, dass die Pflanzen zum einen mehr als 20 cm höher als die Einfriedung seien. Der Sachverständige habe zudem auch dargelegt, dass mit Beeinträchtigungen, insbesondere mit Nadelbefall, der den Boden schädigen könne, zu rechnen sei. Es sei daher von einer erheblichen Überschreitung auszugehen.
Allerdings habe der Kläger nur einen Anspruch auf Rückschnitt bis zur Höhe der Sichtschutzwand.
Auch die Wurzeln seien zurückzuschneiden, da bereits Beeinträchtigungen wie zum Beispiel das Anheben von Platten festzustellen sei.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Im Übrigen:
Der ganze Rechtsstreit kostete einschließlich des Sachverständigengutachtens runde 4450 Euro. Eine gütliche Einigung wäre mit Sicherheit günstiger gekommen.
Quelle: Pressemitteilung 34/12 des AG München vom 16. Juli 2012