SG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 13. Januar 2022 – S 9 AS 84/22 ER
1. Leistungen für den Bedarf für Heizung setzen nicht zwingend das Vorhandensein einer Unterkunft voraus (hier: Heizbeihilfe für einen Obdachlosen). (Rn.10)
2. Ein Zelt kann eine Unterkunft im Sinne von § 22 Abs 1 S 1 SGB II darstellen. (Rn.14)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vom 1.1.2022 bis zum 31.3.2022 vorläufig Leistungen für Heizkosten in Höhe von höchstens 50,00 € monatlich Zug um Zug gegen den Nachweis der tatsächlichen Kosten für die Beschaffung von Heizmaterial zu erbringen.
2. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
3. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
Gründe
I.
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Die Beteiligten streiten über Heizkostenbeihilfe für den wohnungslosen Antragsteller.
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Der am XXX geborene alleinstehende Antragsteller ist wohnungslos und lebt in einem Zelt im Wald bei XXX. Er bezieht vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) in Form von Tagessätzen.Seit 2016 bewilligte der Antragsgegner ihm für die Wintermonate Oktober bis März gegen Vorlage von Kaufbelegen auch monatliche Beihilfen für die Beheizung seines Zelts, zuletzt bis zu einer Höchstgrenze von monatlich 46 € und gegen Nachweis der tatsächlichen Anschaffungskosten für Heizmaterial. Mit Schreiben vom 14.10.2021 beantragte der Antragsteller Brennkostenbeihilfe für die Heizperiode 2021/2022. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 16.11.2021 ab und bestätigte diese Entscheidung auf den Widerspruch des Antragstellers vom 18.11.2021 mit Widerspruchsbescheid vom 9.12.2021. Zur Begründung führte er aus, gemäß § 22 SGB II könnten zwar Bedarfe für Heizung grundsätzlich als einmalige Beihilfe gewährt werden. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass es sich bei der Wohnstätte um eine Unterkunft im Sinne des § 22 SGB II handele. Unter einer Unterkunft im Sinne des SGB II sei jede Einrichtung oder Anlage zu verstehen, die geeignet ist, vor den Unbilden des Wetters bzw. der Witterung zu schützen und die eine gewisse Privatsphäre gewährleiste, einschließlich der Möglichkeit, private Gegenstände zu verwahren (BSG, Urt. v. 17.6.2010, Az. B 14 AS 79/09 R, <juris>). Hierunter könnten beispielsweise auch Wohnwagen oder Wohnmobile fallen. Die vom BSG geforderte gewisse Privatsphäre könne jedoch nicht in hinreichendem Umfang in einem Zelt gewährleistet werden. Wichtige Aspekte der Privatsphäre wie Hygiene oder ungestörter Kleidungswechsel sowie ein gewisses Maß an Komfort seien dort mangels Ausstattung und Platzes (z.B. mangels Möglichkeit zum Stehen) nicht einmal annähernd wie in einer Wohnung möglich. Diese Auslegung stütze sich außerdem auf die Annahme, dass nicht jeder Mensch eine Unterkunft haben müsse, es also auch obdachlose Menschen gebe, obgleich sich eine Vielzahl der Obdachlosen besonders in der kalten Jahreshälfte regelmäßig nachts in einem einigermaßen geschützten Bereich bzw. an einem Schlafplatz aufhalten werde, ohne dass hiermit sogleich eine Unterkunft im Sinne von § 22 SGB II anzunehmen sei. Bereits aus diesem Grund könnten die hiermit verbundenen Aufwendungen nicht als Bedarfe für Unterkunft und Heizung anerkannt werden. Den Unterkunftscharakter hätten z.B. für einen VW-Bus mit Schlafstätte auch das LSG Rheinland-Pfalz (Beschl. v. 7.3.2013, Az. L 3 AS 69/13 B ER) und ausdrücklich für ein Zelt der VGH Baden-Württemberg (Beschl. v. 16.12.1994, Az. 6 S 1323/93) abgelehnt. Der Antragsgegner verwies insoweit auch auf Kommentierungen von Berlit (LPK-SGB II, 5. Auflage, § 22 Rn. 19) und Luik (Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 22 Rn. 37).
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Am 7.1.2022 erhob der Antragsteller dagegen Klage zum Sozialgericht Freiburg und beantragte, den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihm weiterhin, also ab 1.10.2021, Heizkosten gemäß § 22 SGB II zu gewähren. Er trägt vor, er benötige die Unterstützung, da ihm bei Nichtgewährung Gefahr für Leib und Leben drohe, weil er sein Zelt nicht weiter beheizen könne. Die in den Bescheiden des Antragsgegners aufgeführten Urteile seien bereits 10 Jahre alt und hätten bisher den Leistungen nicht entgegengestanden.
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Der Antragsgegner beantragt, den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückzuweisen. Aus den Gründen des angefochtenen Bescheides bestehe bereits kein Anordnungsanspruch. Der Antragsteller könne sich auch nicht auf Wahrung des Besitzstandes berufen, da die bisher erfolgte Gewährung von Beihilfen zur Beschaffung von Heizkosten zu Unrecht erfolgt sei.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verfahrensakte des Gerichts Bezug genommen.
II.
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Der Antrag ist zulässig und teilweise begründet.
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Der Antragsteller begehrt die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zu Leistungen. Daher ist die einstweilige Rechtsschutzform der Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt die – grundsätzlich lediglich summarisch zu prüfende – Erfolgsaussicht in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsgrund) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung <ZPO>).Beides sind gleichberechtigte Voraussetzungen, die ein bewegliches System darstellen: Je wahrscheinlicher der Erfolg in der Hauptsache, desto geringer können die Anforderungen an den Anordnungsgrund sein und umgekehrt. Völlig fehlen darf aber keine der beiden Voraussetzungen. Auch sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbundenen Belastungen – insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz – wiegen. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind wegen des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebotes der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Ist eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich – etwa weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedürfte -, ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dann auf der Grundlage einer Folgenabwägung erfolgt. Übernimmt das einstweilige Rechtsschutzverfahren allerdings vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens und droht eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung der Beteiligten, müssen die Gerichte dem bei den Anforderungen an die Glaubhaftmachung zur Begründung von Leistungen zur Existenzsicherung in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Rechnung tragen. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung haben sich am Rechtsschutzziel zu orientieren, das mit dem jeweiligen Rechtsschutzbegehren verfolgt wird (BVerfG, Beschl. v. 6.8.2014, Az. 1 BvR 1453/12, <juris>).
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Streitgegenstand ist hier der Bedarf für Heizung und damit ein elementarer Bestandteil des physischen Existenzminimums, das zur verfassungsrechtlich gebotenen Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens unabdingbar ist (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, vgl. BVerfG, Urt. v. 9.2.2010, Az. 1 BvL 1/09 u.a., <juris>, Rn. 135). Es handelt sich mithin um einen Bedarf von erheblichem grundrechtlichen Gewicht. Er ist aufgrund seines Wesens unaufschiebbar, dauernd zu befriedigen und nicht substituierbar (Berlit in: Berlit/Conradis/Pattar, Existenzsicherungsrecht, 3. Auflage 2019, Kap. 28, Rn. 1, für den Unterkunftsbedarf). Dies gilt zum einen, weil der Bedarf selbst vorübergehend und unwiederholbar ist, weil er von veränderlichen äußeren Bedingungen – nämlich den typischerweise niedrigen Temperaturen während der Heizperiode – abhängt; zum anderen, weil die mit einer fehlenden Bedarfsdeckung einhergehende Grundrechtsbeeinträchtigung in Form eines der Menschenwürde widersprechenden und das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) gefährdenden schutzlosen Ausgesetztseins gegenüber Kälte für davon betroffenen Zeitraum irreversibel ist. Es droht daher eine auch im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache nicht mehr vollständig kompensierbare Grundrechtsverletzung. Die grundrechtliche Bedeutung des Begehrens des Antragstellers sowie die Irreversibilität der drohenden Grundrechtsverletzung gebieten es, hier keine überzogenen Anforderungen an die Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zu stellen, sondern insoweit eine gewisse Wahrscheinlichkeit ausreichend zu lassen. Ausgehend hiervon erachtet das Gericht Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund für die Zeit ab Antragstellung beim Sozialgericht als glaubhaft gemacht.
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Rechtliche Grundlage des Anspruchs ist § 19 Abs. 1 S. 1 und 3 i.V.m. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Danach hat der – unstreitig im Übrigen leistungsberechtigte – Antragsteller Anspruch auf Leistungen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen.
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Der Prämisse des Antragsgegners, Leistungen für den Bedarf für Heizung würden das Vorhandensein einer Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II voraussetzen, folgt das Gericht nicht. Zwar wird in der Kommentarliteratur teilweise als selbstverständlich unterstellt, dass die Heizkosten „zusätzlich zu den Kosten der Unterkunft“ entstehen müssten (Karen Krauß in: Hauck/Noftz SGB II, § 22 Rn. 227) oder dass es sich um Heizkosten „für die Unterkunft“ handeln müsse (Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, Werkstand: 83. EL August 2021, § 22 Rn. 24). Dabei dürfte es sich jedoch um vom „Normalfall“ des Wohnungsmieters oder -eigentümers ausgehende, die besondere Problematik Wohnungsloser nicht berücksichtigende Formulierungen handeln. Aus dem Gesetzeswortlaut lässt sich ungeachtet der Konjunktion „und“ nicht ableiten, dass die Bedarfe für Unterkunft und Heizung als Leistungsvoraussetzungen kumulativ vorliegen müssen. Das „und“ bringt lediglich zum Ausdruck, dass beide Bedarfe, soweit sie vorliegen, durch denselben Träger mit einer einheitlichen Leistung gedeckt werden, über die auch grundsätzlich einheitlich zu entscheiden ist (BSG, Urt. v. 7.11.2006, Az. B 7b AS 8/06 R, <juris>). Anders als Formulierungen wie z.B. „Unterkunft nebst Heizung“ oder „Unterkunft und deren Heizung“, drückt alleine das „und“ nicht zwingend ein kumulatives Vorliegen beider Bedarfe oder gar einen kausal-finalen Zusammenhang aus. Würde man dies anders sehen, wäre auch umgekehrt die Erbringung von Leistungen für Kosten der Unterkunft ohne gleichzeitigen Heizungsbedarf ausgeschlossen; und § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II würde es wegen der wiederholten Verwendung der Konjunktion „und“ ausschließen, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren, wenn nicht kumulativ Anspruch auf „Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung“ bestünde. Eine solche Auslegung wäre ersichtlich unsinnig.
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Der Begriff Heizung in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ist vielmehr vorrangig nach Zweck und grundrechtlicher Funktion der Norm auszulegen. Diese besteht in der Gewährleistung des unmittelbaren verfassungsrechtlichen Anspruchs auf ein menschenwürdiges Dasein, der insbesondere das physische Existenzminimum beinhaltet, zu dem das BVerfG Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit zählt (BVerfG a.a.O.). Die Zuordnung u.a. des Heizungsbedarfs zum physischen Existenzminimum macht deutlich, dass es dabei um das elementare menschliche Bedürfnis geht, sich durch eine künstliche Wärmequelle vor einer gesundheits- oder gar lebensgefährdenden Unterkühlung des Körpers zu schützen. § 22 Abs. 1 SGB II stellt „die Übernahme angemessener Kosten für die Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher“ (BVerfG a.a.O., Rn. 148). Die Betonung des individuellen Bedarfs durch das BVerfG macht deutlich, dass sich die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 22 Abs. 1 SGB II nicht pauschal an einer „bürgerlichen Normalexistenz“ orientieren darf, sondern den existenziellen Heizungsbedarf auch desjenigen sicherstellen muss, der in davon abweichenden Verhältnissen lebt. Daher darf auch Wohnungslosen, denen es an einer Unterkunft im Sinne der Vorschrift fehlt, Heizung als weiteres Element des physischen Existenzminimums nicht versagt werden. Andernfalls würden ausgerechnet denjenigen, die im Hinblick auf die von § 22 Abs. 1 SGB II zu gewährleistenden elementaren Bedarfe besonders schutzbedürftig sind – nämlich (freiwillig oder unfreiwillig) unterkunftslosen Personen – Leistungen zur Deckung des existenziellen Heizungsbedarfs gerade aufgrund ihrer Unterkunftslosigkeit vorenthalten. Es liefe aber der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip geradezu diametral zuwider, wenn demjenigen, der bereits „kein Dach über dem Kopf“ hat, gerade deswegen auch noch die Mittel vorenthalten würden, sich wenigstens zu wärmen.
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Auch die Gesetzgebungsgeschichte spricht dagegen, Unterkunft und Heizung als kumulative Leistungsvoraussetzungen zu fordern. § 12 Abs. 1 S. 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), mit dem zum 1.6.1962 erstmals eine ausdrückliche fürsorge- bzw. sozialhilferechtliche Regelung für Heizkosten getroffen wurde, bestimmte, dass der notwendige Lebensunterhalt „besonders Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens“ umfasst. Weder waren Unterkunft und Heizung in dieser Aufzählung durch die Konjunktion „und“ miteinander verbunden, noch standen sie auch nur nebeneinander. In der Gesetzesbegründung wird die Heizung ohne erkennbaren Bezug zur Unterkunft erst nach dem Hausrat als im Vergleich zu den bis dahin geltenden Reichsgrundsätzen über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge (RGr) neu aufgenommener Bedarf erwähnt (BT-Drs. 1799, S. 40). Die aufgrund von § 19 Abs. 2 S. 1 BSHG erlassene Regelsatzverordnung (RegelsatzV) konkretisierte in § 3 Abs. 1 (Unterkunft) bzw. Abs. 2 (Heizung) die Leistungen für Unterkunft und Heizung zwar inhaltlich gleich (in tatsächlicher Höhe, soweit angemessen), systematisch aber getrennt. All dies erhellt, dass Gesetz- und Verordnungsgeber seit jeher Unterkunft und Heizung als die zwei unterschiedlichen Bedarfe ansah, die sie objektiv sind – ungeachtet der Tatsache, dass sich der Heizungsbedarf aufgrund der Wohnverhältnisse der Mehrheit tatsächlich in der Regel (aber eben nicht zwingend) auf die Erwärmung der Unterkunft bezieht.
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Bei dem vom Antragsteller geltend gemachten Bedarf – Kosten für die Beschaffung von Heizmaterial für sein Zelt während des Winters – handelt es sich offenkundig um Aufwendungen für die Heizung im Sinne der oben ausgeführten grundrechtsorientierten Auslegung, da er das Material zum Schutz seines Körpers vor witterungsbedingter Unterkühlung zu verwenden beabsichtigt.
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Auch wenn man aber entgegen der oben dargelegten Rechtsauffassung eine Unterkunft als Voraussetzung der Heizbeihilfe verlangt, besteht ein Anordnungsanspruch, weil der Antragsteller über eine Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verfügt:
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Wie vom Antragsgegner zutreffend ausgeführt, ist nach der Rechtsprechung des BSG unter einer Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II jede Einrichtung oder Anlage zu verstehen, die geeignet ist, vor den Unbilden des Wetters bzw. der Witterung zu schützen und eine gewisse Privatsphäre (einschließlich der Möglichkeit, private Gegenstände zu verwahren) gewährleistet (Urt. v. 17.6.2010, Az. B 14 AS 79/09 R, <juris>, Rn. 10; die von Berlit in Münder/Geiger, SGB II, 7. Auflage 2021, § 22 Rn. 23 behauptete Beschränkung auf „bauliche“ Anlagen findet sich in den Entscheidungsgründen des BSG nicht). Zwar hat das BSG im konkret entschiedenen Fall aufgrund dieser Auslegung lediglich Wohnwagen und Wohnmobile ausdrücklich unter den Begriff der Unterkunft subsumiert. Dies schließt jedoch die Anwendung auf andere Formen einer Obdach nicht aus, sofern sie nur die beiden Mindestvoraussetzungen des BSG – Wetterschutz und gewisse Privatsphäre – erfüllen.
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Dies folgt erstens daraus, dass der Gesetzgeber in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht den Begriff Wohnung verwendet, sondern den bereits seinem Wortsinn nach weiteren Begriff Unterkunft. Eine solche dient im allgemeinen Sprachgebrauch dem „Unterkommen“, setzt also lediglich ein „Dach über dem Kopf“ voraus (Karen Krauß in: Hauck/Noftz SGB II, § 22, Rn. 40; Luik, in:Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 22 Rn. 39). Diese Auslegung wird durch systematische Überlegungen gestützt (a.a.O.): So differenziert der Gesetzgeber in § 42a SGB XII zwischen (sonstigen) Unterkünften und Wohnungen; hinsichtlich der erstgenannten nennt die Gesetzesbegründung – lediglich beispielsweise! – Zimmer in Pensionen, Ferienwohnungen, Wohnwagen auf Campingplätzen und Notquartiere (BT-Drucks. 18/9984, 94). Hieraus folgt, dass es für den Begriff der Unterkunft im Sinne des SGB II weder darauf ankommt, ob der Leistungsberechtigte die Unterkunft voraussichtlich dauerhaft und rechtmäßig nutzt, noch darauf, ob diese ein menschenwürdiges Wohnen erlaubt (Karen Krauß, a.a.O. Rn. 41f. und Luik a.a.O. Rn. 39). Lediglich seien bei fehlender Rechtmäßigkeit (oder gar bereits erfolgter behördlicher Nutzungsuntersagung) die Rechtswirksamkeit der Kostenverpflichtung für die Unterkunft und bei atypischen Unterkünften wie Kraftfahrzeugen oder Booten die Zuordnung der Kosten zur Nutzung der Unterkunft näher überprüfungsbedürftig (a.a.O.). Beides ist hier jedoch unproblematisch, da der Antragsteller überhaupt keine Kosten der Unterkunft begehrt, sondern lediglich solche der Heizung.
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Zweitens steht der Rechtsbegriff Unterkunft in enger Beziehung zu den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 13 GG (so auch Luik, a.a.O. Rn. 40 m.w.N.). Die Beschränkung des Grundrechtsschutzes von Art. 13 GG auf „privat“ bewohnbare Räume (Luik a.a.O.) mag die weitere Voraussetzung des BSG rechtfertigen, dass eine Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II eine gewisse Privatsphäre gewährleisten muss. Zugleich verbietet es aber der aus diesen Grundrechten resultierende Grundsatz, dass Leistungsberechtigte zuvörderst selbst entscheiden dürfen, wo und auf welche Weise sie das Grundbedürfnis nach Unterkunft decken (a.a.O.), hiervon bestimmte Formen der Obdach – wie etwa ein Zelt – pauschal auszunehmen. Entscheidend kann vielmehr nur sein, ob nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die beiden Grundvoraussetzungen Witterungsschutz und „gewisse Privatsphäre“ erfüllt werden. Das hängt aber nicht zwingend mit der Art der Anlage oder Einrichtung zusammen, sondern mit den konkreten Umständen im Einzelfall. So bietet ein intaktes Zelt besseren Wetter- und Privatsphäreschutz als ein Wohnwagen mit defektem Dach und ohne Vorhänge. Auch dürfen diese beiden Voraussetzungen nach Überzeugung des Gerichts zur Gewährleistung des Grundrechts auf eine menschenwürdige Existenz und aus sozialstaatlichen Erwägungen nicht überspannt werden, da andernfalls die Qualität der Obdach in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zu der Wahrscheinlichkeit stünde, hierfür Grundsicherungsleistungen zu erhalten: Je niedriger der Standard des „Dachs über dem Kopf“, desto wahrscheinlicher würde ihm der Charakter einer Unterkunft abgesprochen. Hierdurch würden aber gerade Menschen benachteiligt, die aus wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen keine qualitativ bessere Obdach erlangen könnten. Dies würde dem Grundrecht auf menschenwürdige Existenz und dem Sozialstaatsgedanken diametral widersprechen.
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Das vom Antragsteller bewohnte Zelt entspricht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den so zu definierenden Anforderungen an eine Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Dass ein Zelt objektiv geeignet ist, seinen Bewohner vor den Unbilden des Wetters zu schützen, ist offensichtlich, handelt es sich dabei doch um den primären Zweck eines Zelts. Ein Zelt gewährleistet darüber hinaus durch seine Blickdichtheit und die Möglichkeit, es zu verschließen, eine gewisse Privatsphäre. Namentlich die vom BSG ausdrücklich genannte Möglichkeit, private Gegenstände zu verwahren, ist in einem Zelt regelmäßig gegeben. Auch ein „ungestörter Kleidungswechsel“ ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners darin ohne weiteres möglich, selbst wenn das Zelt zum aufrechten Stehen zu niedrig sein sollte. Der Unterzeichner kann aus eigener (Camping-)Erfahrung versichern, dass ein vollständiges Umkleiden im Sitzen bzw. Liegen selbst in handelsüblichen Ein- und Zweipersonenzelten ohne weiteres möglich (und insbesondere bei Niederschlag auch ratsam) ist.
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Die weiteren vom Antragsgegner aufgestellten Voraussetzungen finden im Gesetz keine Stütze. So bedarf es entgegen dem Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz vom 7.3.2013 (Az. L 3 AS 69/13 B ER, <juris>) keiner eigenen Hygieneeinrichtungen wie etwa eines Badezimmers oder einer Toilette, denn sonst würde eine Vielzahl typischer „sonstiger Unterkünfte“ ausscheiden, wie etwa Schlafplätze in Not- oder Gemeinschaftsunterkünften, Gartenlauben, Bauwagen (vgl. LSG Hessen, Beschl. v. 28.10.2009, Az. L 7 AS 326/09 B ER, <juris>) oder gewerbliche Räume (LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.1.2015, Az. L 1 AS 5292/14 ER-B, <juris>). Auch birgt dieses Kriterium wiederum die Gefahr, dass unzureichend wohnraumversorgte Menschen von Leistungen für Unterkunft und Heizung in grundrechts- und sozialstaatswidriger Weise gerade deshalb ausgeschlossen werden, weil sie diesem Qualitätsstandard genügende Unterkünfte nicht erlangen können; dasselbe gilt aber auch für Personen, die von ihren Grundrechten zulässigerweise Gebrauch machen, indem sie auf derlei Komfort freiwillig verzichten (wie z.B. sogenannte Wagenburgbewohner).
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Ein (nicht näher definiertes) „gewisses Maß an Komfort oder Platz“ ist nach der Definition des BSG (a.a.O.) für eine Unterkunft im Sinne des SGB II nicht vorauszusetzen. Auch durch derart unbestimmte und an Qualitätsmerkmalen orientierte Kriterien droht eine dem Gesetzeszweck und dem Grundrechtsschutz zuwiderlaufende leistungsrechtliche Exklusion unzureichend wohnraumversorgter Menschen, sie sind daher abzulehnen. Der vom Antragsgegner zitierten Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (Beschl. v. 16.12.1994, Az. 6 S 1323/93, <juris>) zum Bundessozialhilfegesetz <BSHG> ist schließlich ebenfalls nicht zu folgen. Denn sie stellte maßgeblich auf die angebliche Menschenunwürdigkeit und Rechtswidrigkeit des dauernden Zeltens im Walde ab (a.a.O. Rn. 13). Beide Kriterien sind aber, wie oben ausgeführt, nach der Rechtsprechung des BSG für die Anwendung von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II unbeachtlich.
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Der Anordnungsgrund beruht auf dem existenziellen Charakter des streitgegenständlichen Bedarfs sowie den gegenwärtigen, voraussichtlich bis mindestens Ende März andauernden winterlichen Temperaturen.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist lediglich unbegründet, soweit er sich auf die im Zeitpunkt der Antragstellung beim Sozialgericht bereits verstrichenen Monate Oktober bis Dezember 2021 bezieht.Für zurückliegende Zeiträume wird vorläufiger Rechtsschutz nämlich mangels Anordnungsgrundes nicht gewährt, wenn kein Nachholbedarf glaubhaft gemacht ist, der geeignet ist, die Sicherung des laufenden Unterhalts unmittelbar zu gefährden (LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 5.12.2005, Az. L 8 AS 3441/05 ER-B, <juris>). Derartiges hat der Antragsteller hier nicht vorgetragen und ist für das Gericht auch sonst nicht ersichtlich.
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Sind nach Überzeugung des Gerichts Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Anordnungszwecks erforderlich sind (§ 938 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG). Es kann insbesondere die einstweilige Anordnung von einer Sicherheitsleistung oder sonstigen Mitwirkungshandlungen des Antragstellers zur Vermeidung dem Antragsgegner drohender Nachteile abhängig machen (§ 921 ZPO in entsprechender Anwendung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG). In Anwendung dieser Grundsätze hat das Gericht bestimmt, dass die Leistungen für Heizkosten ab dem Antragsmonat Januar 2022 bis zum voraussichtlichen Ende der Heizperiode mit Ablauf des Monats März 2022 bis zu einem Höchstbetrag von 50 € monatlich und Zug um Zug gegen den Nachweis der Beschaffung von Heizmaterial vorläufig zu erbringen sind. Dies beruht auf der vom Kammervorsitzenden am 12.1.2022 eingeholten Auskunft der Wohnungslosenhilfe im Landkreis Emmendingen, wonach der Antragsgegner in den vergangenen Jahren Brennstoffbeihilfe bis einschließlich März zu bewilligen und nach Vorlage der Kaufbelege bis zu einer Höchstgrenze von 46 € pro Monat auszuzahlen pflegte, wobei die Abwicklung über die Wohnungslosenhilfe erfolgte. Der Aufschlag von 4 € auf den damaligen Höchstbetrag erscheint wegen eventueller Preissteigerungen seit dem Vorjahr geboten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG), da beide Beteiligte durch diese Entscheidung mit weniger als 750 € beschwert sind.