OLG Celle, Beschluß vom 16.07.2007 – 13 W 77/07
Arrestgrund bei Verschleierung von Vollstreckungsmöglichkeiten
Die 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat am 16. Juli 2007 beschlossen:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 29. Juni 2007 abgeändert.
Wegen einer Forderung der Antragstellerin in Höhe von 750.000 EUR sowie einer Kostenpauschale von 28.000 EUR wird der dingliche Arrest in das Vermögen des Antragsgegners angeordnet. Durch Hinterlegung von 778.000 EUR wird die Vollziehung dieses Arrest gehemmt; der Antragsgegner ist dann berechtigt, die Aufhebung des vollzogenen Arrestes zu beantragen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 250.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Der dingliche Arrest in das Vermögen des Antragsgegners ist anzuordnen, weil die Antragstellerin Arrestanspruch und Arrestgrund glaubhaft gemacht hat, §§ 916, 917, 920 Abs. 2 ZPO.
1. Der Arrestanspruch ergibt sich aus §§ 826, 830 BGB.
Die Antragstellerin hat durch Vorlage einer Abschrift des Beteiligungsvertrages vom 9. März 1994, den auf Seiten der Antragstellerin neben ihrem damaligen Justiziar, Herrn Dr. V., auch ihr damaliger gemeinschaftlich vertretungsberechtigter Geschäftsführer, Herr Z., unterschrieben hat, glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin und der Antragsgegner sich über eine Erfolgsbeteiligung des Antragsgegners an dem den Gegenstand des Vertrages bildenden Vermögenswert in Höhe von 10 % geeinigt haben. Die Antragstellerin hat weiterhin in Ablichtung einen mit dem Briefkopf des Antragsgegners versehenen, ebenfalls auf den 9. März 1994 datierten, Vertrag zwischen den Parteien vorgelegt, der inhaltlich mit dem vorgenannten Vertrag weitestgehend identisch ist, jedoch zu diesem insoweit in Widerspruch steht, als hierin dem Antragsgegner eine Erfolgsbeteiligung von 15 % versprochen ist. Dieser zweite Vertrag ist nur von dem Antragsgegner und Herrn Z., nicht aber von dem damaligen Justiziar Dr. V. unterzeichnet worden. Die Antragstellerin hat ferner ein als „Zahlungsinstruktion“ bezeichnetes, von dem Antragsgegner unterzeichnetes Schreiben vom 18. Juni 1997 vorgelegt, mit dem die Auszahlung eines 15%igen Anteils an dem von der Antragstellerin realisierten Vermögenswert verlangt wird, und zwar in getrennten Anteilen von 10 % (9.773.000 DM) und 5 % (4.940.000 DM) auf zwei verschiedene Sch. Bankkonten. Durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der jetzigen Justiziarin der Antragstellerin, Frau W., hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass diese Beträge wie gefordert ausgezahlt worden sind. Die Antragstellerin hat weiterhin vorgetragen, dass sich aus einer Rechnung der XX S. AG, die Herr Z. mit einem Sch. Partner gegründet hat, ergibt, dass Inhaberin des Bankkontos, auf das die Auszahlung in Höhe von 4.940.000 DM erfolgt ist, die XX S. AG ist. Dass ein Anteil in dieser Höhe an dem von der Antragstellerin ausgezahlten Betrag an die XX S. AG gegangen ist, ergibt sich aus dem Tatbestand eines von der Antragstellerin vorgelegten Urteils des Finanzgerichts Berlin vom 19. März 2002 (9 K 9102/01), das die Frage der Steuerpflicht des Antragsgegners für den von der Antragstellerin ausgezahlten Betrag zum Gegenstand hat. Schließlich hat die Antragstellerin eine von dem Antragsgegner abgefasste Stellungnahme vom 4. Juli 2007 vorgelegt, in der der Antragsgegner das Zustandekommen des zweiten, ebenfalls auf den 9. März 2004 datierten Vertrages wie folgt erklärt:
„Zur Vorbereitung hatte ich 3 Versionen einer Vereinbarung bei mir mit einem Beteiligungsverhältnis über 10 %, 15 % und 20 %. … Zur Frage der prozentualen Höhe meiner Beteiligung erklärte Herr Z., dass er 10 % sofort unterschreiben könne, anderes müsse er erst in der Sch. abklären. Vereinbart wurden zunächst vorläufig 10 % und Herr Z. versprach, hinsichtlich höherer Prozente mit der M. Gespräche zu führen. Wir haben dann 2 Tage später nochmals telefoniert … und wir einigten uns auf 15 %. Herr Z. erschien dann gleich nach dem Wochenende in B. und brachte eine wortgetreu beibehaltene schriftliche Vereinbarung mit … die wir beide als endgültige Vereinbarung unterzeichneten“.
Demgegenüber hat der damalige Justiziar der Antragstellerin, Dr. V., in einer eidesstattlichen Versicherung vom 22. Juni 2007 angegeben, dass über die Beteiligungsquote des Antragsgegners in Höhe von 10 % bei Abschluss des Vertrages nicht gesprochen worden, diese vielmehr vom Antragsgegner vorgegeben gewesen sei.
Nach einer Gesamtabwägung dieser Umstände ergibt sich für den Senat mit einer für den Erlass eines Arrestes nach §§ 916 ff. ZPO erforderlichen Überzeugung, dass, wie von der Antragstellerin behauptet, der Antragsgegner im kollusiven Zusammenwirken mit Herrn Z. den zweiten Vertrag nachträglich aufgesetzt und rückdatiert hat, um Herrn Z. einen 5%igen Anteil an dem von der Antragstellerin realisierten Vermögenswert zu verschaffen, auf den dieser keinen Anspruch hatte. Diese Überzeugung zieht der Senat insbesondere daraus, dass sich aus den vorgelegten Dokumenten ergibt, dass ein 5%iger Anteil an dem von der Antragstellerin ausgezahlten Betrag an die XX S. AG gegangen ist, an der Herr Z. beteiligt ist. Dieser Umstand ist nicht anders als in dem von der Antragstellerin behaupteten Sinne zu erklären. Dieses Verhalten des Antragsgegners zusammen mit Herrn Z. erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 826, 830 BGB.
2. Der Arrestgrund ergibt sich § 917 Abs. 1 ZPO. Danach findet der Arrest statt, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Dazu ist nicht erforderlich, dass der Schuldner tatsächlich die Zwangsvollstreckung zu vereiteln beabsichtigt oder dass er rechtswidrig und schuldhaft handelt. Vielmehr genügt es, wenn seine Handlungen die objektive Besorgnis eines derartigen Verhaltens rechtfertigen (OLG Celle, Beschluss vom 11. Oktober 1995 – 11 W 51/95, NdsRpfl. 1996, 124).
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob ein Arrestgrund regelmäßig bereits dann anzunehmen ist, wenn das vorsätzliche vertragswidrige Verhalten des Antragsgegners mit einer gegen den Antragsteller gerichteten strafbaren Handlung zusammenfällt (so BGH, Beschluss vom 24. März 1983 – III ZR 116/82, WM 1983, 614; OLG Dresden, Beschluss vom 13. Februar 1998 – 9 B 197/98, MDR 1998, 795; OLG Celle, Beschluss vom 11. Oktober 1995 – 11 W 51/95, NdsRpfl. 1996, 124; Stein/JonasGrunsky, ZPO, 22. Aufl., § 917 Rn. 8) oder ob auch in derartigen Fällen die zusätzliche Glaubhaftmachung von Umständen erforderlich ist, die eine Vollstreckungsvereitelung oder erschwerung konkret befürchten lassen (OLG Hamm, Urteil vom 16. August 2006 – 20 U 84/06, NJWRR 2007, 388; OLG Koblenz, Beschluss vom 28. September 2001 – 5 W 665/01, NJWRR 2002, 575; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Oktober 1998 22 W 53/98, NJWRR 1999, 1592). Denn Umstände im zuletzt genannten Sinn hat die Antragstellerin vorliegend glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin hat eine anwaltliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten vorgelegt, in der dieser angegeben hat, am 19. April 2007 mit dem Antragsgegner über die streitgegenständliche Angelegenheit gesprochen zu haben. Im Verlaufe dieses Gesprächs habe der Antragsgegner auf die Frage nach dem Verbleib des von ihm vereinnahmten Geldes geantwortet, dass ihm nach Abzug von gezahlten Steuern und anderer Abzüge 3.000.000 DM verblieben seien, von denen er sich ein Haus gekauft habe, welches inzwischen auf seine Frau überschrieben sei. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin hat anwaltlich versichert, dass der Antragsgegner entgegen dieser Angabe im Grundbuch zur Hälfte als Miteigentümer des Grundstückes eingetragen sei. Diese damit wahrheitswidrige Äußerung des Antragsgegners ist nach Auffassung des Senats geeignet, bei einem objektiven Dritten den Eindruck entstehen zu lassen, dass der Antragsgegner bemüht ist, die Antragstellerin über seine Vermögensverhältnisse und damit über deren etwaigen Vollstreckungsmöglichkeiten zu täuschen. Jedenfalls dieses Verhalten des Antragsgegners rechtfertigt es, im Zusammenspiel mit dessen vorsätzlicher, das Vermögen der Antragstellerin schädigenden Handlung, einen Arrestgrund im Sinne von § 917 Abs. 1 ZPO anzunehmen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Den Beschwerdewert hat der Senat mit einem Drittel des Streitwertes des Hauptprozesses bewertet. Dabei hat es die Kostenpauschale nicht streitwerterhöhend berücksichtigt (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 3 Rn. 16 „Arrestverfahren“).