Angebote zu Traningsmaßnahmen sind nicht als Verwaltungsakte anzusehen

Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.11.2010 – L 12 AL 45/09

Das BSG hat entschieden, dass Angebote, an einer Trainingmaßnahme teilzunehmen, nicht als Verwaltungsakte anzusehen sind. Dieses Urteil ist auf einhellige Zustimmung gestoßen (Rn. 30).

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 25.09.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Der Klägerin werden Verschuldenskosten von 300,00 EUR auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Umstritten ist, ob es sich bei einem Angebot zur Teilnahme an einer Maßnahme der Eignungsfeststellung um einen Verwaltungsakt handelt.

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Vom 14.11.2008 bis 28.11.2008 hatte die Klägerin an einer Trainingsmaßnahme „Fitmachen durch Trainingsmaßnahmen“ teilgenommen. Mit Schreiben vom 21.12.2008 machte die Beklagte der Klägerin ein Angebot zur Teilnahme an einer Maßnahme der Eignungsfeststellung für die Zeit vom 12.01. bis 06.03.2009. Mit Schreiben vom 23.01.2009 folgte ein weiteres Angebot für die Zeit vom 16.02. bis 09.04.2009. Die Maßnahmen lauteten jeweils: „Fitmachen durch Trainingsmaßnahme!“. In beiden Schreiben waren Hinweise und Rechtsfolgenbelehrung beigefügt. Die Klägerin legte gegen diese Schreiben Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2009 verwarf die Beklagte die Widersprüche als unzulässig. Die Beklagte legte u.a. dar, bei den Schreiben handele es sich nicht um Verwaltungsakte, gegen die ein Widerspruch zulässig sei. Die Beklagte bezog sich auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19.01.2009 – B 11 a /11 AL 39/04 R -.

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Am 06.04.2009 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Münster erhoben. Sie hat geltend gemacht, ihr sei die Teilnahme an den Trainingsmaßnahmen „aufoktroyiert“ worden. Sie habe sich form- und fristgerecht im Rahmen des von ihr eingelegten Widerspruchs gegen diese „Trainingsmaßnahmen“ gewandt, da diese nicht geeignet gewesen seien, festzustellen, in welche berufliche Tätigkeit sie zu vermitteln sei und ihr die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Nunmehr weise die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, es handele sich bei dem Schreiben um keinen Verwaltungsakt. Das Schreiben vom 21.12.2008 stelle einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB III dar, da er die Verfügung einer Behörde beinhalte zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtes mit Rechtswirkung nach außen. Der Bescheid vom 21.12.2008 enthalte einen ausdrücklichen Hinweis auf die Rechtsfolgenbelehrung, welche sich auf Seite 2 befinde. Insbesondere ergebe sich die Verwaltungsaktqualität des Maßnahmeangebotes aus der Tatsache, dass zugleich die Zusage enthalten sei, „während der Teilnahme dieser Maßnahme wird Arbeitslosenhilfe weiter gewährt, soweit sie eine dieser Leistung erhalten oder beanspruchen können“. Hieraus folge, dass das Maßnahmeangebot Charakter eines Verwaltungsaktes haben müsse.

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Das Sozialgericht ist von dem Antrag der Klägerin ausgegangen,

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den Bescheid der Beklagten vom 21.12.2008 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2009 aufzuheben.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat an ihren Ausführungen im Widerspruchsbescheid festgehalten.

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Das Sozialgericht Münster hat dessen Akte mit dem Aktenzeichen S 5 AL 77/09 beigezogen. Dort geht es um einen Bescheid der Beklagten vom 03.04.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2009, mit dem die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 17.02.2009 bis 09.03.2009 festgestellt und die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufgehoben hat mit der Begründung, die Klägerin habe ohne wichtigen Grund an der ihr am 23.01.2009 angebotenen Maßnahme der beruflichen Weiterbildung nicht teilgenommen. Dieses Verfahren war bis zum Tage der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat nicht entschieden.

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Mit Gerichtsbescheid vom 25.09.2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung wörtlich ausgeführt:

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„Die zulässige Klage ist nicht begründet.

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Die Klägerin wird durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 4. März 2009 nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 SGG).

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Zu Recht hat die Beklagte unter anderem mit dem angefochtenen Widerspruchsbescheid den Widerspruch der Klägerin gegen das Maßnahmeangebot vom 21. Dezember 2008 als unzulässig verworfen. Zur Begründung wird zunächst Bezug genommen auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Diesen schließlich das Gericht nach eigener Überprüfung an.

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Das Gericht hält die von der Klägerin vertretene Rechtsauffassung, es handele sich bei dem Maßnahmeangebot um einen Verwaltungsakt, für unzutreffend. Weder nach dem Inhalt des Schreibens noch nach der äußeren Form lässt dieses den Schluss zu, hierbei handele es sich um einen Verwaltungsakt und sei auch nach dem Willen der Beklagten als Verwaltungsakt gewollt und geregelt worden.

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Ausdrücklich überschrieben im Fettdruck ist das Schreiben vom 21.12.2008 mit „Angebot einer Maßnahme der Eignungsfeststellung/Trainingsmaßnahme“. Inhaltlich schlägt die Beklagte der Klägerin die Teilnahme an der Maßnahme „Fitmachen durch Trainingsmaßnahme!“ vor. Die Beklagte weist am Ende von Seite eins des Schreibens auf die umseitigen Hinweisen und „die Rechtsfolgenbelehrung“ hin. Dem Wortlaut nach handelt es sich um einen Vorschlag, keineswegs um eine verbindliche endgültige Regelung der Teilnahme der Klägerin an der Maßnahme. Soweit die Klägerin die Voraussetzungen eines Verwaltungsakts aufzählt und diese vorliegend für gegeben erachtet, übersieht die Klägerin, dass nach der Legaldefinition des § 31 S. 1 SGB X ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme ist, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbarer Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Dass es sich bei einem Verwaltungsakt um eine Regelung mit „unmittelbarer“ Rechtswirkung nach außen handeln muss, berücksichtigt die Klägerin nicht. Eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen ist mit dem Angebotsschreiben keineswegs verbunden, sondern die Beklagte weist ausdrücklich darauf hin, welche Rechtsfolgen erst eintreten werden, wenn die Klägerin der Teilnahme an einer solchen Maßnahme ohne wichtigen Grund nicht nachkommen wird. Allein dieses zeigt schon, dass unmittelbare Konsequenzen mit dem Angebotsschreiben nicht verbunden sind. Vielmehr ist im Falle der Nichtteilnahme von der Beklagten erst zu prüfen, ob diese mit oder ohne wichtigen Grund erfolgte, mithin die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit gegeben sind. Erst der Eintritt einer Sperrzeit hätte rechtliche Konsequenzen für die Klägerin, also erst dann treten unmittelbare Rechtswirkungen nach außen auf, wenn die Beklagte durch Bescheid einen Sperrzeittatbestand für gegeben erachtet. Dies belegt auch das anhängige Klageverfahren, mit dem sich die Klägerin gegen den Eintritt einer Sperrzeit wendet.

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Die Klägerin übersieht zudem, dass das Angebotsschreiben keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält. Ganz offensichtlich unterscheidet die Klägerin nicht zwischen den Begriffen einer Rechtsfolgenbelehrung – wie sie dem Angebotsschreiben beigefügt war – und andererseits einer Rechtsbehelfsbelehrung, wie sie regelmäßig einem Verwaltungsakt beigefügt ist. Inhaltlich handelt es sich um zwei verschiedene Belehrungen, durch die einerseits, wie oben ausgeführt, auf die Folgen einer Nichtteilnahme hingewiesen wird – Rechtsfolgenbelehrung – und andererseits ein Verwaltungsaktadressat darauf hingewiesen wird, dass und wie er gegen einen Verwaltungsakt Widerspruch einlegen kann.

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Selbst wenn es sich bei den Ausführungen der Beklagten, während der Teilnahme an der Maßnahme werde der Klägerin Arbeitslosengeld weiter gewährt, soweit diese eine dieser Leistungen erhalte oder beanspruchen könne, um eine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X handeln sollte, würde eine solche nicht dazu führen, dass die Ausführungen im Angebotsschreiben im Übrigen ebenfalls Verwaltungsaktqualität erhalten würden. Ohnehin wurde der Klägerin entgegen ihren Ausführungen im Angebotsschreiben keineswegs die Weitergewährung von Arbeitslosenhilfe zugesagt. Einen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe gibt es bereits seit dem 1.1.2005 nicht mehr.

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Die rechtlichen Ausführungen des Bundessozialgerichts in der Entscheidung, auf die auch die Beklagte bereits Bezug genommen hatte, gelten in vollem Umfang auch für das vorliegende Streitverfahren.

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Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass § 48 SGB III zu Beginn dieses Jahres außer Kraft getreten ist. Die Vorschrift des ab 1.1.2009 geltenden § 46 SGB III regelt ebenfalls Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung. Unabhängig davon wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage ausschließlich gegen das Angebotsschreiben vom 21.12.2008, also gegen ein Schreiben, das noch erging während der Gültigkeitsdauer des § 48 SGB III.

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Schließlich ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus der Neufassung des § 39 SGB II nicht, dass Maßnahmeangebote im Bereich der Leistungsgewährung nach dem SGB III als Verwaltungsakt rechtlich zu werten sind. Zwar regelt § 39 SGB II unter anderem, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt keine aufschiebende Wirkung haben, der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit regelt. Durch den Gesetzeswortlaut zeigt sich, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, die Regelungen von Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Arbeit seien als Verwaltungsakt anzusehen. Dieses setzt jedoch zum einen eine Regelung voraus und erklärt sich zwanglos durch die übrigen Vorschriften im Bereich des SGB II, wonach der SGB II-Träger unter anderem berechtigt ist, Regelungen nach § 15 Abs. 1 S. 2 SGB II durch Verwaltungsakt vorzunehmen, sofern eine Eingliederungsvereinbarung im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 2 SGB II nicht zustandekommt. Dieses ist auf das SGB III nicht übertragbar.

21

Soweit sich die Klägerin auf § 31 SGB III beruft zur Begründung der Verwaltungsaktqualität des Angebotsschreibens, erschließt sich dem Gericht nicht, was hiermit belegt werden soll. § 31 SGB III legt die Grundsätze der Berufsberatung fest. Möglicherweise handelt es sich hierbei von Seiten der Klägerin um einen Schreibfehler, vielmehr gemeint gewesen sein sollte § 34 SGB 10.“

22

Gegen dieses ihr am 01.10.2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 02.11.2009 eingegangene Berufung der Klägerin. Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, dass es sich bei dem Schreiben vom 21.12.2008 um einen Verwaltungsakt gehandelt habe. Sie habe bereits an einer ähnlichen Maßnahme im November 2008 teilgenommen. Die weiteren Angebote gleichen Inhalts seien mit der vorherigen Maßnahme identisch. Mit der vorgeschlagenen Trainingsmaßnahme sei keine zusätzliche Qualifizierung der Klägerin für eine neue Bewerbung zu erwarten gewesen. An Trainingsmaßnahmen, die überflüssig und sinnlos seien, brauche die Klägerin nicht teilzunehmen. Die Verwaltungsaktqualität des Maßnahmeangebotes ergebe sich auch aus der Rechtsfolgenbelehrung und den ergänzenden Hinweisen.

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Der Kläger beantragt,

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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 25.09.2009 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.


Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat hat den Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid nichts hinzuzufügen und nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die dortigen Ausführungen Bezug.

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Die Ausführungen im Berufungsverfahren geben zu keiner anderen Beurteilung Anlass. Die Klägerin wiederholt ihren Vortrag aus der ersten Instanz, ohne überhaupt auf die Entscheidung des BSG vom 19.01.2005 (a.a.O.) einzugehen, welches sowohl von der Beklagten als auch vom Sozialgericht bei seinem Hinweis vom 27.07.2009 thematisiert worden ist. Das BSG hat entschieden, dass Angebote, an einer Trainingmaßnahme teilzunehmen, nicht als Verwaltungsakte anzusehen sind. Dieses Urteil ist auf einhellige Zustimmung gestoßen, auch der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an (vgl. LSG NRW vom 21.09.2005 – L 9 AL 13/05 – ; LSG Bayern vom 28.07.2006 – L 8 AL 160/05 – ; Radüge in Juris PR-SozR 14/2005; Haase in AUB 2005 155; Köhler in SGB 2005, 598 bis 600; Luthe in Juris PR-SozR 27/2005). Der Senat hat weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung Anzeichen dafür gefunden, dass das Urteil des BSG vom 19.01.2005 in Zweifel gezogen und mit beachtenswerten Argumenten angegriffen wird.

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Die Berufung war somit zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt bezüglich der außergerichtlichen Kosten aus den §§ 183, 193 SGG. Der Senat hat der Klägerin zudem Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auferlegt, weil die Klägerin den Rechtsstreit fortgeführt hat, obwohl ihr vom Vorsitzenden im Termin am 17.11.2010 die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden ist. Die Klägerin ist auch auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden. Angesichts der Eindeutigkeit der Rechtsprechung erscheint die Fortsetzung des Prozesses trotz eines entsprechenden Hinweises als rechtsmissbräuchlich. Soweit die Fortsetzung des Rechtsstreits nicht durch die Klägerin selbst, sondern durch ihren Bevollmächtigten, einen zugelassenen Rechtsanwalt, veranlasst worden sein sollte, ändert dies am Ergebnis nichts. Nach § 192 Abs. 1 Satz 2 SGG steht den Beteiligten gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG in Höhe von 225,00 EUR für die Berufungsinstanz. Aber nicht nur der Beklagten sind unnötige Kosten entstanden, sondern auch dem Gericht. Die Kosten hierfür hat der Senat zugunsten der Klägerin auf nur 75,00 EUR geschätzt, so dass ein Verschuldensbetrag von insgesamt 300,00 EUR festgesetzt worden ist.

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