Abschuss eines unter Schonzeit stehenden Wildschweins bleibt für Jäger folgenlos

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 9. März 2016, Az. 1 SsOWi 2/16 (5/16)

„Schwein gehabt“ – Abschuss eines Wildschweins bleibt für Jäger folgenlos

Beobachtet und erfasst ein Jäger alle äußeren Merkmale zur Altersbestimmung eines Wildschweins sorgfältig und irrt er sich trotzdem über das Alter des Tieres, so stellt dies keinen derart schwerwiegenden Verstoß gegen die Jagdgesetze dar, dass dieser Verstoß mit einer hohen Geldbuße zu bestrafen ist. Das hat der I. Senat für Bußgeldsachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts kürzlich entschieden und das Bußgeldverfahren gegen einen Jäger eingestellt.

Zum Sachverhalt: Ein 76jähriger Jäger war im Mai 2015 auf Wildschweinjagd in Ostholstein. Zu dieser Zeit ist nur die Jagd auf Wildschweine im ersten Lebensjahr (Frischlinge) und auf solche im zweiten Lebensjahr (Überläufer) erlaubt. Für alle übrigen Wildschweine besteht Schonzeit. Nachdem der Jäger mit seinem Fernglas ein einzelnes Wildschwein beobachtet hatte und es auf Grund seiner Größe, Statur und anderer Merkmale für einen weiblichen Überläufer (Überläuferbache) hielt, erlegte er das Tier. Der herbeigerufene Förster untersuchte später das Gebiss des Wildschweins. Er meinte, dass das Schwein älter als zwei Jahre sein müsse und zeigte den Jäger bei der Jagdbehörde an. Diese ließ das Gebiss des Tieres vom Kreisjägermeister und dem Kreisveterinär untersuchen, die ebenfalls zum Ergebnis kamen, dass das Wildschwein mindestens zwei Jahre alt sein müsse. Daraufhin warf die Jagdbehörde dem Jäger vor, er hätte bei Zweifeln über das Alter nicht auf das Tier schießen dürfen. Sie verhängte gegen den Jäger ein Bußgeld in Höhe von 500 €. Der Jäger legte dagegen Einspruch ein, denn er war sich anhand der für ihn erkennbaren Merkmale sicher, eine Überläuferbache vor sich gehabt zu haben. Das Verfahren wurde vor dem Amtsgericht fortgesetzt. Dort traten der Förster und der Kreisjägermeister als Sachverständige auf und erläuterten, dass anhand der Ausformung der Schneidezähne des Tieres zu erkennen sei, dass dieses mindestens zwei Jahre alt sei. Die Sachverständigen waren sich jedoch nicht einig, woran der Jäger das Alter des Wildschweines von seinem Hochsitz aus hätte erkennen können. Das Amtsgericht verurteilte den Jäger im Oktober 2015 wegen eines fahrlässigen Schonzeitverstoßes nach dem Bundesjagdgesetz zu einer Geldbuße in Höhe von 500 €. Der I. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts stellte demgegenüber das Bußgeldverfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ein.

Aus den Gründen: Der Senat hält es nicht für erwiesen, dass es sich bei dem Tier um ein mindestens zwei Jahre altes Wildschwein gehandelt hat. Die Methode der Altersermittlung anhand der Ausformung der Schneidezähne reicht zwar für jagdliche Zwecke aus, nicht aber für eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit, denn bei dieser Methode handelt es sich lediglich um einen vereinfachten Bestimmungsschlüssel für jagdpraktische Zwecke. Um jedoch die für eine Verurteilung erforderliche Sicherheit über das Alter des Wildscheines zu erlangen, hätte eine präzisere Altersbestimmung durchgeführt werden müssen. Es hätten der Zahnabschliff und das Vorhandensein des 3. Backenzahns beurteilt werden müssen. Das ist nicht geschehen. Zwar liegt der Unterkiefer des Wildschweins noch tiefgefroren bei der Jagdbehörde, so dass eine weitere Aufklärung möglich ist. Dieser Aufwand wird jedoch der Bedeutung des Falles nicht gerecht, denn der Jäger hat kein einziges Merkmal missachtet, das deutlich für ein zwei Jahre altes Wildschwein und gegen ein jüngeres Tier spricht. Er hat das Tier längere Zeit mit einem Fernglas beobachtet und die zutreffend erkannten äußerlichen Merkmale wie beispielsweise Fellfarbe, Gewicht, Körperbau und Gesamterscheinung des Tieres in seine Beurteilung einfließen lassen. Wenn er sich dann bei seiner Beurteilung irrt, stellt dies keinen so schwerwiegenden Verstoß gegen die Jagdgesetze dar, dass dieser mit einer so hohen Geldbuße zu bestrafen ist. Dies auch vor dem Hintergrund, dass wegen der stark steigenden Schwarzwildbestände und der dadurch verursachten landwirtschaftlichen Schäden allgemein die Forderung nach einer „straffen Bejagung“ von Wildschweinen erhoben wird. Die Verfahrenskosten trägt die Staatskasse.

Quelle: Pressemitteilung 4/2016 des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 05.04.2016

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