Abbrechen der Parabolantenne an einem Wohnmobil während des Transports auf offenem Eisenbahnanhänger ist Betriebsschaden, der in Teilkaskoversicherung nicht versichert ist

AG Köln, Urteil vom 18.12.2013 – 118 C 282/13

Abbrechen der Parabolantenne an einem Wohnmobil während des Transports auf offenem Eisenbahnanhänger ist Betriebsschaden, der in Teilkaskoversicherung nicht versichert ist

Versicherungsnehmer trifft weit überwiegendes Verschulden, wenn er trotz Hinweises der Bahn Dachantenne nicht abbaut

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.000,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2012 sowie Mahnkosten zu 3,00 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand
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Die Klägerin ist die Fahrzeugversicherung des Beklagten hinsichtlich dessen Wohnmobil mit dem amtlichen Kennzeichen …, die auch eine Teilkaskoversicherung mit umfasst. Für Elementarschäden gilt eine Selbstbeteiligung von 1.500,00 € je Schadensfall.

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Am 1. April 2012 hatte der Beklagte gegen die Mittagszeit sein Wohnmobil auf Bahntransport nach der Insel T. gegeben. Dabei riss die Dachantenne ab. Die Klägerin liquidierte den Versicherungsfall zu einer Schadenssumme von 1.629,11 €, zog indes lediglich einen Selbstbehalt i.H.v. 500,00 € ab. Mit der Klage verfolgt sie die Rückzahlung des nach ihrer Auffassung zu viel gezahlten Schadensbetrages i.H.v. 1.000,00 € unter Berufung auf den höheren Selbstbehalt. Es habe sich um einen Sturmschaden gehandelt. Dessen ungeachtet habe sich das normale Betriebsrisiko realisiert; selbst dann, wenn das Fahrzeug des Beklagten rückwärts transportiert und die beschädigte Antenne herunter geklappt gewesen wäre.

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Die Klägerin beantragt

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wie erkannt sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, auf die klägerseits verauslagten Gerichtskosten Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit von dem Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu bezahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen

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Der Beklagte bestreitet das Vorliegen eines Sturmschadens. Es habe lediglich starker Fahrtwind von etwa 100 km/h vorgelegen. Am Beförderungstage habe lediglich morgens starker Wind mit Böen, mittags dagegen nur Wind mit einer Geschwindigkeit von 45 – 75 km/h vorgelegen. Der Zugwind stelle bei der Zugfahrt, erst recht in Hinblick auf eine Beförderung gegen die Fahrtrichtung, kein allgemeines Betriebsrisiko dar. Rückwärtsfahrten würden ansonsten mit solchen Kraftfahrzeugen nur mit Schrittgeschwindigkeit vorgenommen werden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
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Die Klage ist umfassend begründet.

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Die Klägerin als Fahrzeugversicherung des Beklagten kann von diesem bei der Liquidation des Schadensfalls versehentlich zu wenig einbehaltenen Selbstbehalt i.H.v. 1.000,00 € gezahlt verlangen, § 812 Abs. 1 BGB.

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Nach Dafürhalten des Gerichts liegt bereits kein Versicherungsfall vor.

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Die hier zu Grunde liegenden und für die Beurteilung des vorliegenden Streitfalles maßgeblichen AKB 2008 lauten:

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A.2.1.1. Versichert ist Ihr Fahrzeug gegen Beschädigung, Zerstörung oder Verlust infolge eines Ereignisses nach A.2.2 (Teilkasko)* oder A2.3 (Vollkasko)**.

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*A.2.2 Brand, Explosion, Entwendung, Sturm, Hagel, Blitzschlag, Überschwemmung, Zusammenstoß mit Haarwild, Glasbruch, Kurzschlussschäden an der Verkabelung

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**A.2.3 Unfall, mut- oder böswillige Handlungen

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Zwischen den Parteien ist zunächst streitig, ob ein Sturmschaden anzunehmen ist. Dies kann indes tatsächlich offen bleiben. Unterstellt man mit dem Vortrag der Klägerin einen Sturmschaden, so gilt aus dem zugrunde liegenden Tarif ein Selbstbehalt von 1.500,00 € je Schadensfall. Dann hätte die Klägerin irrtümlich einen um 1.000,00 € zu geringen Selbstbehalt der Schadensforderung entgegengestellt. In dieser Höhe wäre der Beklagte daher vor dem versicherten Tarif zu Unrecht bereichert. Will man demgegenüber mit dem Vortrag des Beklagten unterstellen, es läge kein Sturmschaden vor, dann läge bereits kein Versicherungsfall im Sinne der Ziffern A. 2.1.1. i.V.m. A. 2.2. vor. Das Vorbringen des Beklagten kann daher durchaus unterstellt werden, ohne dass ihm dies gegen die Klageforderung hülfe. Liegt nämlich mit seinem Vorbringen bereits kein Versicherungsfall vor, so ist die Leistung der Klägerin erst recht rechtsgrundlos erfolgt, so dass er sie jedenfalls im Umfange des Klageantrages zurückzuerstatten hat.

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Es liegt aber nach Auffassung des Gerichts vorliegend auch kein Unfallgeschehen im Sinne der Ziffer A. 2.3., sondern lediglich eine Realisierung des Betriebsrisikos vor.

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Das Abbrechen einer Parabolantenne an einem Kraftfahrzeug bzw. Wohnmobil während der Fahrt auf einem Eisenbahnanhänger ist jedenfalls dann kein versicherter Unfall, wenn es allein darauf zurückzuführen ist, dass die Antenne sich während des normalen Fahrbetriebs durch die damit verbundenen physikalischen Einwirkungen auf das Fahrzeug, unter anderen durch den Fahrtwind, gelöst hat. So soll es sich nach dem Vorbringen des Beklagten jedenfalls verhalten haben.

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Versichert sind grundsätzlich solche Schäden, die unfallursächlich auf die Verwirklichung eines ungewöhnlichen Risikos zurückzuführen sind.

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Die physikalischen Einwirkungen durch den Fahrtwind auf das Fahrzeug und die an ihm angebrachte Parabolantenne mögen zwar als mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis verstanden werden können und folglich den Unfallbegriff der AKB erfüllen. Allein das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale eines Unfalls schließt jedoch nicht aus, dass in der Kraftfahrzeugversicherung im Einzelfall aufgrund dessen besonderer Umstände gleichwohl ein nichtersatzpflichtiger Betriebsschaden angenommen werden muss. Unter Betriebsschäden kann man hier solche Folgen verstehen, die sich als Auswirkungen des normalen, gesöhnlichen Betriebsrisikos verstehen. Denn bei den Auswirkungen des normalen Betriebs handelt es sich um Folgen, die von einem Versicherungsnehmer in aller Regel in Kauf genommen werden. Der Schadenseintritt beinhaltet dann Merkmale des Voraussehbaren und Einkalkulierbaren.

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So liegt es hier. Nach Auffassung des Gerichts haben sich hier nur die Gefahren ausgewirkt, denen das Fahrzeug in seiner konkreten Verwendungsart üblicherweise ausgesetzt ist: Einer Rückwärtsfahrt bei etwa 100 km/h. Solche Auswirkungen des normalen Betriebsrisikos eines Fahrzeugs sind dann als Betriebsschäden aber in der Teilkaskoversicherung nicht versichert.

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Dem steht entgegen der Auffassung des Beklagten nicht entgegen, dass das Fahrzeug womöglich entgegen der Fahrtrichtung transportiert wurde und eine Fahrtgeschwindigkeit von 100 km/h bei einer Rückwärtsfahrt auf der Straße unüblich ist. Es mag dem Beklagten dabei zunächst zuzugestehen sein, dass der regelmäßige Betrieb einer Rückwärtsfahrt eines Kraftfahrzeuges auf der Straße mit kaum mehr denn Schrittgeschwindigkeit erfolgt. Hier wird das Fahrzeug indes zu seinem üblichen und regelmäßigen Verwendungszweck, nämlich als ein Fahrzeug zur Überwindung von Fahrtstrecken zwischen zwei verschiedenen Orten, genutzt. Die Fahrtgeschwindigkeit rückwärts wird dann zwar einerseits durch den Zug erreicht und vorgegeben. Allerdings hat andererseits das sich auf dem Zug befindliche Wohnmobil damit zugleich dieselbe Fahrtgeschwindigkeit wie der Zug. Allein der Umstand, dass das Fahrzeug dabei selbst transportiert wird, ändert also an einer normalen Betriebsfahrt nichts. Denn es ist, jedenfalls wenn man die von dem Beklagten vorgelegte Skizze (Anl. B7 zu Bl. 157 der Gerichtsakte) zugrundelegt, bei hohen Fahrtgeschwindigkeiten, wie sie zwar bei einem Straßenbetrieb bei Rückwärtsfahrt kaum anzunehmen sind, sehr wohl vorhersehbar und damit auch einkalkulierbar, dass die Parabolantenne nach ihrer Einklapp-Richtung durch einen mit solcher Geschwindigkeit von etwa 100 km/h auf sie treffenden Fahrtwind ausgehebelt und abgerissen würde. Der Beklagte setzt dann das Fahrzeug beim Eisenbahntransport nicht anders ein als führe er mit ihm auf der Straße mit einer Geschwindigkeit von etwa 100 km rückwärts.

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Es ist in der reichhaltigen Judikatur zur Frage einer nicht versicherten Betriebsgefahr anerkannt, dass jedenfalls aus Bedienungsfehlern resultierende Schäden nicht versichert sind. Schäden aufgrund von Bedienungsfehlern sollen also grundsätzlich nicht vom Versicherungsschutz erfasst werden. Denn dann spricht nämlich die Vermeidbarkeit eines Schadenseintritts bei sachgerechter Bedienung gerade für das Vorliegen eines Betriebsschadens. Hätte also der Beklagte entsprechend den Hinweisen der Deutschen Bahn (Anl. B6 zu Bl. 156 der Gerichtsakte) die Dachantenne vor der Fahrt entfernt, so wäre sie gar nicht erst zu Schaden gekommen.

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Ebenso sollen Schäden, die allein innerbetriebliche Ursachen und Auswirkungen haben, nicht versichert sein. So liegt es hier: Hätte der Beklagte die Dachantenne entsprechend der Hinweise der DB vorab abgebaut, so wäre sie ebenfalls nicht beschädigt worden. Andere Urteile stellen darauf ab, ob der Schaden auf einem Ereignis beruht, mit dessen Eintritt vom Fahrer gerechnet werden muss. Auch das ist hier der Fall. Die Sicherheitsratschläge der DB legten es ihm bei ungezwungener Betrachtung mehr als nur nahe, die Dachantenne vor Antritt der Fahrt abzubauen, damit sie keinen Schäden nähme. Beließ er sie gleichwohl auf dem Dach des Wohnmobils, so musste er entsprechend den Warnungen der DB mit einer Beschädigung u.a. durch den Fahrtwind rechnen.

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Wollte man es anders sehen, dann träfe indes den Beklagten ein weit überwiegendes Mitverschulden das seinen Anspruch auf die Versicherungsleistung gegen Null reduzierte, so dass er auch bei dieser Betrachtungsweise den ausgekehrten Betrag, jedenfalls im Umfang der Klageforderung, zurückzuerstatten hätte, § 254 BGB. Die hochgradige Gefahr des Schadenseintritts war dem Beklagten schon aufgrund der Hinweise der Deutschen Bahn bekannt, wie sie aus deren Sicherheitshinweisen (Anl. B6 zu Bl. 156 der Gerichtsakte) hervorgehen. Es heißt dort ganz unmissverständlich: „Dachantennen und nicht versenkbare Antennen montieren sie bitte vor der Auffahrt mit dem Zug ab“. Die Notwendigkeit dieses Hinweises und seine zwingende Beachtung erweisen der vorliegende Schadensfall. Dementsprechend hat der Beklagte sein Fahrzeug und die auf ihm befestigte Dachantenne wenigstens mutwillig der vorhersehbaren Gefahr und der letztlich eingetretenen Schadensfolge ausgesetzt.

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Die Nebenforderungen beruhen dem Grunde nach auf dem Gesichtspunkte des Verzuges und der Höhe nach auf dem Gesetz.

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Für den Feststellungsantrag ist vor dem Gesetz kein Raum, § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO. Wollte man demgegenüber Teilen der Rechtsprechung folgen und dies anders sehen, so wäre jedenfalls der Eintritt eines konkreten Schadens erforderlich, die konkrete Verzinsungspflicht im Einzelfall zu bejahen. Hierzu fehlt jedwedes tatsächliche Vorbringen.

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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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Streitwert: 1.000,00 €

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