Zur Frage der Haftung des Architekten für Baukostenüberschreitung wegen fehlender Information an den Bauherrn

Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 25.03.2014 – I-23 U 166/12

Zur Frage der Haftung des Architekten für Baukostenüberschreitung wegen fehlender Information an den Bauherrn

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 12.10.2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

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Gründe:
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I.
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Die Klägerin nimmt den beklagten Architekten wegen Baukostenüberschreitung des von ihm geplanten und unter seiner Aufsicht errichteten Einfamilienhauses mit Garage auf Schadensersatz in Anspruch.
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Bereits vor Beginn der konkreten Planung übermittelte der Beklagte der Klägerin verschiedene grobe Schätzungen der Herstellungskosten auf der Grundlage von Kubikmeterpreisen des umbauten Raums und unterschiedlicher Ausstattungsvarianten (Standard/gehobene Ausstattung). Für das zunächst von der Klägerin gewünschte Haus mit einem umbauten Raum von 899 m³ zuzüglich 135 m³ für die Garage berechnete er mit Datum vom 19.6.2005 die Herstellungskosten auf der Grundlage einer Standardausstattung mit 270.230 € und einer gehobenen Ausstattung mit 299.460 €. Die Klägerin entschied sich aber für die Errichtung eines größeren Hauses. Auch bei den dann vorgesehenen 1.351 m³ umbauten Raum für das Wohnhaus und 135 m³ für die Garage, für die der Beklagte mit Datum vom 15.8.2005 in der gehobenen Ausstattung Herstellungskosten in Höhe von 439.190 € und in der Standardausstattung mit Datum vom 17.8.2005 361.000 € berechnete, blieb es nicht. Bis zum Bauantrag wurde der umbaute Raum auf Wunsch der Klägerin für das Wohnhaus auf 1472,072 m³ und für die Garage auf 158,449 m³ erhöht. Eine neue Schätzung der Herstellungskosten für das nochmals erhöhte Raumvolumen legte der Beklagte der Klägerin nicht vor. Er übersandte ihr jedoch mit Schreiben vom 24.10.2005 ein schriftliches Angebot betreffend den Architektenvertrag, in dem er im Rahmen der Berechnung seines Honorars von einer Bausumme von 360.000 € netto ohne Grundstück und ohne Innenausbau ausging. In dem Bauantrag, in dessen Baubeschreibung die Standardausführung zugrundegelegt war, gab der Beklagte die Herstellungskosten mit 360.000 € an. Das Haus wurde schließlich, wie sich aus dem erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten ergibt, in stark gehobenem Standard errichtet (vgl. Gutachten des Sachverständigen für Immobilienbewertung O vom 30.11.2009, GA 601); den Gebäudeherstellungswert hat der Sachverständige auf 512.080, 80 € ohne Baunebenkosten, und 594.013,73 € inklusive Baunebenkosten beziffert. Die Klägerin hat das Gutachten insoweit nicht angegriffen. Im Verlauf der Bauarbeiten kam es zu Leistungsänderungen gegenüber der dem Bauantrag beigefügten Planung. So wurde im Februar 2006 das Obergeschoss auf Veranlassung der Klägerin um 30 cm erhöht, das Dach wurde durch eine nachträgliche Herstellung eines Dachüberstandes (der in der dem Bauantrag beigefügten Planung nicht vorgesehen war) erweitert, und die Klägerin wünschte den Einbau einer Erdwärmeanlage, während im Bauantrag eine Gasheizung ausgewiesen war. Der gesamte Innenausbau wurde sehr aufwendig hergestellt, insbesondere die Elektroinstallationen mit Alarmanlage, Videogegensprechanlage, CAT-Verkabelung, elektrischen Rolläden; es wurden eine hochwertige Sanitärausstattung und raumhohe Innentüren eingebaut. Im Obergeschoss wurde anstelle der ursprünglich vorgesehenen Fliesen Parkett verlegt, die Kellerräume wurden verputzt. Unstreitig wurden mit zumindest einigen der mit der Bauausführung beauftragten Handwerker „Ohne- Rechnung-Abreden“ (ausweislich der Kostenübersicht vom 21.6.2006 jedenfalls mit den Unternehmen für die Gewerke Erdaushub, Rohbau, Zimmerarbeiten, Dachdecker, Putzer, Fenster, Sanitär und Heizung) getroffen, d.h. nur ein Teil der tatsächlich vereinbarten Vergütung war im „offiziellen“ Angebot bzw. der Schlussrechnung der Handwerker ausgewiesen, der Rest wurde bar ausgezahlt. Den entsprechenden detaillierten Sachvortrag des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 1.4.2008 hat die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 9.7.2008 im Kern nicht bestritten. Sie hat lediglich geltend gemacht, sie selbst habe, da sie als Ärztin ganz überwiegend Kassenpatienten behandele, selbst nicht über „Schwarzgeld“ verfügt. Sie habe dem Beklagten aber Bargeld übergeben, damit dieser „handlungsfähig“ bleibe und Zahlungen an die Werkunternehmer leisten könne. Dass sie wusste, dass mit dem Bargeld die „Ohne- Rechnung -Anteile“ der Vergütung gezahlt wurden, hat sie nicht in Abrede gestellt. Dass sich die im April und Juni 2006 der Klägerin überreichten Kostenübersichten mit den „Ohne- Rechnung-Abreden“ erklären lassen, ist ebenfalls unstreitig geblieben. Der Beklagte hat die von der Klägerin als Anlagen K9 und K 10(GA 69, 70) vorgelegten Aufstellungen dahin erläutert, dass sich aus der Spalte „Auftrag“ nur die bis zu diesem Zeitpunkt „offiziell“ vereinbarten Entgelte ergeben und in der Spalte „Abrechnung“ die damals bereits zusätzlich geleisteten Barbeträge aufgeführt worden seien. Für die bis zu dem Zeitpunkt der Kostenübersichten entstandenen Baukosten seien daher die in den Spalten Auftrag und Abrechnung genannten Beträge zu addieren. Unstreitig ist auch, dass der Beklagte der Klägerin spätestens in einem Gespräch im Mai 2006 diese Aufschlüsselung der Kostenübersichten vom 24.4.2006 mitgeteilt hat. Nach einer Besprechung mit den damaligen anwaltlichen Vertretern der Parteien am 12.7.2006 übersandten die Beklagtenvertreter mit Schreiben vom 21.7.2006 (Anlage K 12) eine Aufstellung der Gesamtherstellungskosten, die mit einem Betrag von 489.289 € endete. Hinzu kamen Baunebenkosten (Statik, technische Ausrüstung, Architektenleistung sowie Vermessungsgebühr) in Höhe von insgesamt 57.816 €. In dem Begleitschreiben wiesen die Beklagtenvertreter darauf hin, dass die Gesamtherstellungskosten, wie in dem Gespräch am 12.7.2006 erörtert, nur zum Teil auf durch den Beklagten festgestellten Kosten der Bauunternehmen basieren. Mit Anwaltsschreiben vom 31.7.2006 (Anlage K 19) monierte die Klägerin eine erhebliche Baukostenüberschreitung und forderte den Beklagten auf, einen „verbindlichen Handlungsplan“ vorzulegen, wann welche Restgewerke zu welchem Preis ausgeführt und fertig gestellt würden. Vorgegeben wurde dem Beklagten dabei, dass die Erdwärmeanlage „unbedingt“ realisiert werden müsse und dass die Kostenobergrenze von 361.000 € „ohne Wenn und Aber“ einzuhalten sei. Mit Anwaltsschreiben vom 7.8.2006 wies der Beklagte den Vorwurf einer Bausummenüberschreitung zurück und wies darauf hin, dass die Ausführung der Erdwärmeanlage bisher nicht beauftragt sei und sich durch die Herstellung einer konventionellen Heizanlage Einsparungen in Höhe von 25.000 € ermöglichen ließen, insgesamt könne die Klägerin für noch nicht beauftragte Leistungen durch Reduzierung des Standards Kosteneinsparungen in Höhe von 32.000 € erzielen. Dies wies die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 24.8.2006 (Anlage K 21) ebenso zurück wie die Aufforderung zur Bemusterung von verschiedenen noch nicht erbrachten Leistungen der Innenausstattung.
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Die Klägerin hat geltend gemacht, aus der dem Bauantrag beigefügten Ermittlung der Herstellungskosten ergebe sich, dass der Beklagte am 28.10.2005 gewusst habe, dass die Klägerin die „gemeinsam festgelegte“ Bausumme von 361.000 € nicht habe überschreiten wollen. Die Berechnung der Herstellungskosten von 361.000 € sei nachfolgend Grundlage der tatsächlichen Errichtung des Wohnhauses gewesen. Während der Bauphase habe sie, die Klägerin, den Beklagten immer wieder auf die Notwendigkeit der Einhaltung der Herstellungskosten von 360.000 € hingewiesen. Sie habe bei ihrer Hausbank ein Darlehen über 281.000 € für die Baukosten aufgenommen, darüber hinaus habe sie über 80.000 € Eigenkapital verfügt. Auch hieraus ergebe sich „im Rückschluss“, dass sie von Herstellungskosten in Höhe von 361.000 € ausgegangen sei. Die Leistungsänderungen seien teilweise auf Anraten des Beklagten erfolgt (Parkett im Obergeschoss). Den Dachüberstand und den Einbau einer Wärmepumpe habe sie von Anfang an gewünscht, der Beklagte sei deshalb verpflichtet gewesen, dies bei seiner ursprünglichen Planung zu berücksichtigen und innerhalb des Kostenrahmens von 360.000 € zu verwirklichen. Bei Sonderwünschen wie der Erhöhung des Dachgeschosses und dem Aushub für ein Schwimmbad habe der Beklagte auf Anfrage stets versichert, dass hierdurch das Budget von 360.000 € nicht überschritten werde. Die Klägerin hat ihren Schaden mit der Differenz zwischen den ihr angeblich entstandenen Baukosten (deren Höhe der Beklagte bestreitet) und der Bausummenobergrenze von 360.000 € berechnet.
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Der Beklagte hat vorgetragen, er habe im Bauantrag die Baukosten mit 360.000 angegeben, um die Kosten möglichst gering zu halten. Eine Einigung darüber, dass das Haus nur in Standardausführung und nicht in gehobenem Standard gebaut werden sollte, habe es aber im Zusammenhang mit der Stellung des Bauantrags nicht gegeben. Auch der finanzierenden Bank habe er auf Wunsch der Beklagten mit Schreiben vom 19.09.9.2005 voraussichtliche Baukosten in Höhe von 360.000 € mitgeteilt, weil er davon ausgegangen sei, dass die Klägerin in dieser Höhe einen Baukredit habe aufnehmen wollen. Dass auch der Grundstückskauf bereits fremdfinanziert gewesen sei, habe er nicht gewusst. Ihm sei bekannt gewesen, dass der Klägerin 80.000 € Eigenkapital zur Verfügung gestanden hätten, somit seien 440.000 € Baukosten gesichert gewesen. Auch dieser Betrag sei aber nicht als Kostenobergrenze vereinbart worden. Die Klägerin habe sich noch bis November 2005 nicht entschieden, in welchem Standard der Innenausbau erfolgen sollte.
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Das Landgericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung von Zeugen (vergleiche Sitzungsniederschriften vom 2.3.2009 und vom 13.7.2012). Wegen des Ergebnisses des außerdem erstinstanzlich eingeholten Verkehrswertgutachtens wird auf das schriftliche Gutachten vom 30.11.2009 sowie auf das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen O vom 1.4.2010 Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte habe seine Pflichten aus dem Architektenvertrag nicht verletzt, insbesondere sei nicht feststellbar, dass er eine von den Parteien vereinbarte Baukostenobergrenze überschritten habe. Von der vertraglichen Festlegung einer fixen Obergrenze für die Baukosten könne nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ausgegangen werden.
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Hiergegen richtet sich die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin, mit der sie die Beweiswürdigung des Landgerichts angreift und geltend macht, der Beklagte habe die ihn nach der DIN 276 treffende Pflicht zur Kostenermittlung „auf das gröbste“ verletzt. Nach ihrer Kenntnis habe der Beklagte bereits in der Planungsphase keine Kostenberechnung vorgenommen. Auch einen Kostenanschlag habe er nicht erstellt. Noch im April 2006 habe er die Baukosten mit 385.070 € berechnet, obwohl zu diesem Zeitpunkt alle für die Errichtung des Hauses auszuführenden Gewerke bereits beauftragt gewesen seien. Das Landgericht habe unter Berücksichtigung dieser groben Mängel den Toleranzrahmen viel zu hoch angesetzt. Der Beklagte sei zumindest verpflichtet gewesen, sie über die Risikospanne der Kostenschätzung aufzuklären.
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Die Klägerin beantragt,
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das am 12.10.2012 verkündete Urteil des Landgerichts Mönchengladbach – 11 O 98/07 – abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 186.105 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen.
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II.
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Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 634 Nr. 4, 636, 280 BGB wegen einer Pflichtverletzung des Beklagten im Zusammenhang mit der Überschreitung eines zwischen den Parteien vereinbarten Baukostenrahmens zu.
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Der Bundesgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung, der der Senat folgt, hinsichtlich der Frage, ob der Architekt bei Überschreiten der Kostenvorstellungen des Bauherrn seine Pflichten verletzt hat, von folgenden Grundsätzen aus (vgl. BGH, Urteil vom 21. 3. 2013 – VII ZR 230/11- juris, mit zahlreichen Nachweisen):
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Die Planungsleistung eines Architekten entspricht nicht der vereinbarten Beschaffenheit, wenn sie ein Bauwerk vorsieht, dessen Errichtung höhere Herstellungskosten erfordert, als sie von den Parteien des Architektenvertrags vereinbart sind. Der Architekt ist verpflichtet, die Planungsvorgaben des Auftraggebers zu den Herstellungskosten des Bauwerks zu beachten. Dabei muss er nicht nur genau vereinbarte Baukostenobergrenzen einhalten. Vielmehr ist er auch verpflichtet, die ihm bekannten Kostenvorstellungen des Auftraggebers bei seiner Planung zu berücksichtigen. Inwieweit der Auftraggeber seine Kostenvorstellungen ausreichend zum Ausdruck gebracht hat, muss durch Würdigung im Einzelfall ermittelt werden. Eine Erklärung, die Baukosten sollten maximal einen bestimmten Betrag nicht überschreiten, bringt die einzuhaltende Kostenvorstellung ausreichend zum Ausdruck. Nicht zwingend notwendig ist, dass der Auftraggeber dem Architekten gegenüber die Kostenvorstellungen selbst äußert. Es kann nach den Umständen des Einzelfalls ausreichen, dass diese Vorstellungen von den am Aufklärungsgespräch mit dem Architekten beteiligten Familienmitgliedern geäußert werden und der Auftraggeber ihnen nicht widerspricht oder anderweitig zum Ausdruck bringt, dass dies auch seine Vorstellungen sind. Die vom Auftraggeber im Rahmen der Grundlagenermittlung dem Architekten gegenüber zum Ausdruck gebrachten Kostenvorstellungen sind in dem Sinne verbindlich, dass sie vorbehaltlich einer Änderung den Planungsrahmen bestimmen und jedenfalls dann regelmäßig zum Vertragsinhalt werden, wenn der Architekt ihnen nicht widerspricht. Jedenfalls sind sie beachtlich, wenn der Architekt erklärt, das schaffe er schon. Es ist das Wesen des Architektenvertrags, dass nicht alle Planungsvorgaben bereits beim Abschluss des Vertrags feststehen, sondern erst im Laufe des Planungsprozesses entwickelt und zum Vertragsinhalt werden. Zu solchen im Laufe des Planungsprozesses zu entwickelnden Planungsdetails gehören auch die Kostenvorstellungen des Auftraggebers hinsichtlich der Errichtung des Bauwerks, wenn sie nicht bereits bei Abschluss des Vertrags zum Ausdruck gebracht worden sind. Diese Kostenvorstellungen sind auch dann beachtlich, wenn sie nicht eine genaue Bausummenobergrenze enthalten, sondern nur Angaben zur ungefähren Bausumme. Derartige Angaben stecken im Regelfall einen Kostenrahmen ab, den der Auftraggeber nicht überschreiten will. Gibt er seiner Kostenvorstellung mit einer Angabe Ausdruck, die eine mit „circa“ bezeichnete Summe enthält, so ist diese Bausumme für den Planer insoweit beachtlich, als sie ungefähr einzuhalten ist. Die Angaben in einem Bauantrag sind in der Regel nicht geeignet, den Inhalt des Architektenvertrags zu bestimmen. Sie können lediglich Indiz für einen bestimmten Vertragsinhalt sein (BGH, NJW-RR 2003, 877 =NZBau 2003, 388 = ZfBR 2003, 452 = BauR 2003, 1061).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen kann hier nicht festgestellt werden, dass die Parteien eine bestimmte Kostengrenze als Beschaffenheit des Architektenwerkes vereinbart haben, dass dem Beklagten eine entsprechende Vorgabe seitens der Klägerin gemacht wurde oder dass die Klägerin eine für den Beklagten erkennbare konkrete Kostenvorstellung hatte.
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Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass die Parteien eine bestimmte Kostengrenze vereinbart haben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest, dass die Klägerin eine für den Beklagten erkennbare konkrete Kostenvorstellung hatte, mit welchen Baukosten das Bauvorhaben verwirklicht werden sollte. Bereits vor der Planungsphase hat der Beklagte eine grobe Kostenschätzung offenbar anhand bestimmter Baukostenindizes auf zwei verschiedenen Grundlagen, nämlich einer Standardvariante und einer gehobenen Ausstattung ermittelt, die erheblich differierten. Dass sich die Klägerin für eine dieser beiden Kostenvarianten entschieden und den Beklagten konkret angewiesen hat, das Bauvorhaben als Standardbau mit einfacher Innenausstattung zu planen und durchzuführen, hat sie nicht einmal behauptet. Der Angabe der Kosten im Bauantrag kommt hier keine indizielle Bedeutung zu. Der Beklagte hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass er im Bauantrag die Herstellungskosten auf der Grundlage seiner Schätzung für die einfache Ausstattung angegeben hat, um die Gebühren (der Baugenehmigung), die von den Baukosten abhängen, möglichst niedrig zu halten. Dem ist die Klägerin nicht in erheblicher Weise entgegen getreten, insbesondere hat sie nicht dargelegt, dass sie den Beklagten vor Stellung des Bauantrags angewiesen hat, Haus und Garage einschließlich der Innenausstattung, die ohnehin nicht Gegenstand des Bauantrags war, entsprechend der groben Kostenschätzung in der Standardausführung für 360.000 € zu errichten. Dagegen spricht, dass der Beklagte der Klägerin kurz vor Einreichung des Bauantrags ein schriftliches Honorarangebot übermittelt hat, in welchen die Herstellungskosten mit 360.000 € netto ohne Innenausbau angegeben waren. Die Klägerin hat nicht bestritten, dieses Schreiben des Beklagten erhalten zu haben. Eine schriftliche Annahme dieses Angebots erfolgte zwar nicht; es wurde für sie aber deutlich, dass die in dem Bauantrag angegebenen Kosten nicht aufgrund einer Bruttoberechnung der voraussichtlichen Errichtungskosten erfolgt war und insbesondere nicht den Innenausbau einschlossen. Auch der finanzierenden Bank wurde nur die grobe Schätzung der einfachen Ausstattungsvariante vorgelegt, ohne dass zu diesem Zeitpunkt eine Einigung der Parteien darüber erzielt worden war, dass die Klägerin nur diese verwirklichen wollte.
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Dass im Zusammenhang mit der Vorlage bei der Bank eine Vereinbarung darüber getroffen worden ist, dass für die weitere Planung nur die einfache Ausführung zugrundegelegt werden sollte und die 360.000 € – entgegen der Angabe in dem Honorangebot des Beklagten – den Bruttobetrag betrafen und insbesondere den Innenausbau einschlossen, lässt sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen. Ein Rückschluss auf den zwischen den Parteien vereinbarten Kostenrahmen kann hieraus deshalb nicht gezogen werden.
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Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beklagte seine Pflicht zur Kostenberatung dadurch verletzt hat, dass er es im Rahmen der Grundlagenermittlung unterlassen hat, konkret zu ermitteln, ob seine Pläne für die Beklagten finanzierbar seien. Der Beklagte hat sowohl für den ursprünglich in Rede stehenden Bau eines erheblich kleineren Hauses als auch für das von der Klägerin ausdrücklich gewünschte größere Haus zwei verschiedene Kostenschätzungen erstellt; nach diesen Kostenschätzungen aus August 2005 ist das Bauvolumen nochmals erhöht worden. Es wäre daher Sache der Klägerin gewesen, dem Beklagten zu verdeutlichen, dass ihre finanziellen Mittel für die Verwirklichung der gehobenen Ausstattungsvariante nicht ausreichen, und Baukosten von 360.000 € in der Standardausführung die Obergrenze ihrer finanziellen Mittel darstellten. Dies war aber nicht der Fall. Vielmehr hat sie, nachdem sie Mitte August die beiden verschiedenen Kostenschätzungen erhalten hatte, bis zur Stellung des Bauantrags eine nochmalige Erhöhung des umbauten Raums hinsichtlich Haus und Garage gewünscht. Während der Bauausführung hat sie das Bauvolumen nochmals erhöht, indem sie das Obergeschoss 30 cm höher errichten ließ. Dass sie ihre angeblichen Vorstellungen einer Baukostenobergrenze von 360.000 € (brutto einschließlich Baunebenkosten und dem aufwändigen Innenausbau) gegenüber dem Beklagten zu irgendeinem Zeitpunkt nach Stellung des Bauantrags konkret geäußert hat, kann nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der hierzu getroffenen Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb neue Feststellungen gebieten, hat die Klägerin nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
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Insbesondere lässt sich der Aussage des Zeugen D, des Sohnes der Klägerin, nicht entnehmen, dass der Beklagte bei den Besprechungen im Mai 2006 oder im Juli 2006 eingeräumt hat, eine zuvor vereinbarte Kostenobergrenze von 360.000 € überschritten zu haben. Konkrete Erinnerungen an von dem Beklagten mit Blick auf die Kosten abgegebene Erklärungen hatte er nicht mehr; er war ersichtlich lediglich bemüht, seine Erinnerung an das von ihm gewünschte Ergebnis anzupassen.
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Die Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin J, die es bei ihrer zweiten Vernehmung auch vermieden hat, sich konkret hinsichtlich der Höhe des einzuhaltenden „Budgets“ und des der Klägerin zur Verfügung stehenden „Eigenkapitals“ festzulegen und deren Aussagetendenz zugunsten der Klägerin aus der protokollierten Aussage klar erkennbar war, hat das Landgericht nachvollziehbar begründet. Der Hinweis der Klägerin in der Berufungsinstanz darauf, dass die Klägerin und die Zeugin J seit Jahren befreundet seien, lassen die Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage nicht entfallen.
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Die Berufungsausführungen der Klägerin dazu, dass dem Beklagten ein grober Architektenfehler vorzuwerfen sei, weil er nach den ersten groben Kostenschätzungen keine Kostenberechnung und keinen Kostenanschlag erstellt habe, sind wohl im Zusammenhang mit der vom Landgericht zugebilligten Toleranz bei der Kostenüberschreitung, die im Falle der Kostenschätzung bis zu 40% betragen kann (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Auflage, Rdnr. 2298 ff.), zu sehen. Ein derartiger Toleranzrahmen kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei groben Architektenfehlern wie unrealistischen Kubikmeterpreisen nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 07.11.1996 – VII ZR 23/95- juris). Der Umstand, dass der Beklagte nach der Grobschätzung keine Kostenberechnung und keinen Kostenanschlag erstellt hat, kann hier aber nicht als grober Architektenfehler gesehen werden. Die Gewerke wurden überwiegend freihändig vergeben. Dass eine genauere Kostenberechnung und insbesondere ein Kostenanschlag nach den vertraglichen Abreden der Parteien geschuldet waren, kann mit Blick auf die mit den Bauhandwerkern getroffenen „Ohne-Rechnung-Abreden“ nicht angenommen werden. Die Klägerin verkennt, dass in § 15 HOAI (in der Fassung vom 21.09.1995, gültig bis 17.08.2009) keine Leistungspflichten geregelt sind (BGH, Urteil vom 11.11.2004, VII ZR 128/03-juris). Werden dem Architekten die Leistungsphasen 1 bis 9 aus § 15 Abs. 2 HOAI übertragen, ist zwar eine Vertragsauslegung dahin möglich und nahe liegend, dass dem Architekten damit auch die Verpflichtung auferlegt wird, eine Kostenschätzung, eine Kostenberechnung, einen Kostenanschlag und eine Kostenfeststellung vorzulegen (BGH, a.a.O.). Dies ist hier aber nicht feststellbar. Die Parteien haben keinen schriftlichen Architektenvertrag geschlossen; zu den dem Beklagten konkret übertragenen Leistungen hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Mit Blick auf die „Ohne-Rechnung-Abreden“ der Parteien mit den Bauhandwerkern dürfte bei beiden Parteien kein Interesse daran bestanden haben, die Differenz zwischen tatsächlich gezahlten und in den Rechnungen ausgewiesenen Vergütungen durch konkretisierte Kostenermittlungen zu dokumentieren. Dass diese geschuldet waren, lässt sich daher nicht feststellen.
26
Die Klägerin hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass sie bei Kenntnis von der angeblichen Kostenüberschreitung von dem Bauvorhaben ganz abgesehen hätte (was nicht anzunehmen ist, da sie das Grundstück offenbar unabhängig von der Beauftragung des Beklagten erworben hat) oder lediglich kleiner und in der Standardausführung für 360.000 € hätte errichten lassen.
27
Ein Schadensersatzanspruch des Bauherrn wegen fehlerhafter Kostenermittlung oder sonst falscher Beratung des Architekten zur Kostenentwicklung setzt voraus, dass der Bauherr die Ursächlichkeit der Vertragsverletzung für den Schaden nachweist (vgl. etwa OLG Hamm, Urteil vom 15. 3. 2013 – I-12 U 152/12 m.w.Nachw.). Dabei kann sich der Bauherr im Rahmen der Architektenhaftung wegen Baukostenüberschreitung nicht auf eine Vermutung für ein beratungsgerechtes Verhalten stützen. Vielmehr entzieht sich jeder typisierenden Betrachtung, wie sich ein Bauherr verhält, der von seinem Architekten pflichtgemäß über die Höhe der zu erwartenden Baukosten aufgeklärt wird. Denn die Entscheidung ist von vielen unterschiedlichen individuellen Faktoren abhängig. Es ist deshalb auch etwa bei ganz erheblicher Kostenüberschreitung nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass bei pflichtgemäßer Aufklärung das Bauvorhaben unterblieben wäre (BGH, Urteil vom 23.01.1997 – VII ZR 171/95; OLG Hamm, a.a.O.).
28
Den ihr obliegenden Kausalitätsnachweis hat die Klägerin nicht geführt. Unter Würdigung der gegebenen Umstände lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass sie bei Kenntnis der zu erwartenden Kosten von dem Bauvorhaben Abstand genommen oder dieses eingeschränkt worden wäre. Dagegen spricht insbesondere, dass sie das Haus nach dem Sachverständigengutachten in „stark gehobener“ Ausstattung errichten ließ und auch nach Kenntnis von der vermeintlichen Baukostenüberschreitung im April/Mai 2006 Einsparvorschlägen des Beklagten nicht gefolgt ist, z.B. an dem sehr kostenaufwendigen Einbau der Erdwärmeanlage festgehalten hat.
29
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 186.105 €.
31
Ein begründeter Anlass für die Zulassung der Revision ist nicht gegeben.

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