BGH, Urteil vom 04.02.2016 – I ZR 216/14
1. Nr. 27.2 ADSp lässt in Abweichung von § 660 Abs. 3 HGB aF bei Multimodaltransporten mit Seestrecke zur Durchbrechung der Haftungsbeschränkung auf zwei Sonderziehungsrechte je Kilogramm beförderter Ware ein qualifiziertes Verschulden der Leute oder Gehilfen des Frachtführers genügen.
2. Wird Transportgut ohne die für den Seetransport erforderliche Markierung versendet und beauftragt der Versender den Hauptfrachtführer damit, die fehlende Markierung nachzuholen, begründet ein unterbliebener körperlicher Abgleich der unmarkierten Sendung mit den Lieferpapieren hinreichende Anhaltspunkte für ein qualifiziertes Verschulden, wenn es infolge einer fehlerhaften Markierung zu einer Sendungsverwechslung und einem Verlust des Transportguts kommt.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5. September 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Die Klägerin ist Transportversicherer der V. I. GmbH (im Folgenden: Versicherungsnehmerin). Sie macht nach Regulierung eines Transportschadens wegen Fehlleitung von Transportgut auf sie übergegangene und von der Versicherungsnehmerin abgetretene Schadensersatzansprüche geltend.
2
Die Versicherungsnehmerin beauftragte am 19. März 2010 die Beklagte zu 1 zu festen Kosten mit der Durchführung eines Transports von Luftkanonenteilen, verpackt in drei Packstücken mit einem Gesamtgewicht von 1.585 kg, von Duisburg nach Jeddah in Saudi-Arabien. Ein Teil des Landtransports wurde von der H. Z. GmbH durchgeführt. Den Seetransport übertrug die Beklagte zu 1 der in Zypern ansässigen S. L. Ltd., die dabei durch ihre deutsche Agentin, die Sa. Sh. GmbH, vertreten wurde. Die Saco Shipping GmbH beauftragte die Beklagte zu 2, ein Container-Packunternehmen mit Sitz in Hamburg, mit der Übernahme des Transportguts und dessen Umladung in Seecontainer.
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Die H. Z. GmbH lieferte das Transportgut am 22. März 2010 per Lkw bei der Beklagten zu 2 an. Dort wurde festgestellt, dass die Sendung nicht mit einer für den Seetransport nach Saudi-Arabien notwendigen Markierung versehen war. Auf einen entsprechenden Hinweis der Beklagten zu 2 teilte die Beklagte zu 1 dies der Versicherungsnehmerin mit, die daraufhin die Beklagte zu 1 damit beauftragte, die notwendige Markierung durchführen zu lassen. Die Sa. Sh. GmbH leitete die Markierungsdaten zusammen mit dem Auftrag an die Beklagte zu 2 weiter, das Transportgut gegen Zahlung einer gesonderten Vergütung zu markieren. Bei der Beklagten zu 2 kam es zu einer Verwechslung mit einer anderen, ebenfalls von der H. Z. GmbH angelieferten, nicht markierten und für einen Transport nach Indien bestimmten, aus zwei Packstücken bestehenden Sendung. Das Transportgut der Versicherungsnehmerin wurde nach Indien verschifft; das andere von der Beklagten zu 2 nachträglich markierte Transportgut gelangte nach Saudi-Arabien. Es gelang den Beteiligten nicht, das fehlgeleitete Transportgut der Versicherungsnehmerin zurückzuerhalten.
4
Die Klägerin hat die Beklagten auf Ersatz des Wertes des abhanden gekommenen Gutes in Höhe von 24.121,88 € zuzüglich Zinsen in Anspruch genommen. Sie ist der Auffassung, Haftungsbeschränkungen kämen nicht zum Tragen, weil der Verlust des Gutes auf einem qualifizierten Verschulden der Beklagten zu 2 beruhe, das sich die Beklagte zu 1 zurechnen lassen müsse.
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Das Landgericht hat die Klage nur gegen die Beklagte zu 1 und lediglich im Gegenwert von zwei Sonderziehungsrechten je Kilogramm beförderter Ware und damit in Höhe von 3.546,34 € nebst Zinsen für begründet erachtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben (OLG Köln, TranspR 2015, 121).
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Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe lediglich gegen die Beklagte zu 1 ein Schadensersatzanspruch zu, der sich auch nur auf 3.546,34 € belaufe. Zur Begründung hat es ausgeführt:
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Der Klägerin stehe gegen die Beklagte zu 1 dem Grunde nach ein auf sie als Versicherer übergegangener Schadensersatzanspruch gemäß §§ 459, 452 HGB, § 606 Satz 2 HGB aF zu. Die Versicherungsnehmerin und die Beklagte zu 1 hätten einen Speditionsvertrag zu festen Kosten im Sinne von § 459 HGB geschlossen. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts werde von den Parteien nicht in Zweifel gezogen. Bei dem Vertrag, der zunächst per LKW und dann mit dem Schiff abgewickelt werden sollte, habe es sich um einen multimodalen Frachtvertrag gemäß § 452 HGB gehandelt. Der Schadensfall sei gemäß § 452a HGB nach Seefrachtrecht zu beurteilen. Die Seebeförderung habe nach der Ablieferung der Ware durch den Landfrachtführer bei der Beklagten zu 2 begonnen, weil diese mit der Umladung des Frachtguts für den Seetransport in Container befasst gewesen sei. Der Schadensersatzanspruch sei auf zwei Sonderziehungsrechte je Kilogramm beförderter Ware beschränkt. Diese Haftungsbeschränkung beruhe auf Ziffer 23.1.3 ADSp, deren Geltung die Versicherungsnehmerin und die Beklagte zu 1 bei der Vergabe des Auftrags wirksam vereinbart hätten. Ein qualifiziertes Verschulden, das nach Ziffer 27 ADSp einen Wegfall der Haftungsbegrenzung zur Folge gehabt hätte, habe nicht vorgelegen.
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Die Klage gegen die Beklagte zu 2 sei nicht begründet. Diese hafte nicht auf vertraglicher Grundlage wegen Schlechterfüllung der Markierungspflicht. Den Auftrag zur Markierung habe die Versicherungsnehmerin der Beklagten zu 1 erteilt, die den Auftrag über die Sa. Sh. GmbH an die Beklagte zu 2 weitergegeben habe. Auf die Klägerin übergegangene Ansprüche aufgrund des Vertragsverhältnisses könnten sich mithin nur ergeben, wenn die Beauftragung der Beklagten zu 2 als Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte anzusehen wäre. Ob hiervon auszugehen sei, könne dahinstehen. Nach § 334 BGB stünden der Beklagten zu 2 gegenüber der Klägerin alle Einwendungen zu, die ihr gegenüber ihrer Auftraggeberin zustünden. Gegenüber dieser könne sich die Beklagte zu 2 auf die Ausschlussfrist von einem Jahr des § 612 Abs. 1 HGB aF berufen.
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B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können weder über zwei Sonderziehungsrechte je Kilogramm des abhanden gekommenen Transportguts hinausgehende Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 verneint (dazu B I) noch Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 gänzlich ausgeschlossen werden (dazu B II).
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I. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe gegen die Beklagte zu 1 lediglich einen auf sie übergegangenen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von zwei Sonderziehungsrechten je Kilogramm des abhanden gekommenen Transportguts, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass das Vertragsverhältnis zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zu 1 nach deutschem Recht zu beurteilen ist (dazu B I 1). Es hat weiter mit Recht angenommen, dass die Beklagte zu 1 der Versicherungsnehmerin für den Verlust des Transportguts dem Grunde nach haftet; seine Annahme, diese Haftung sei der Höhe nach beschränkt, hält einer rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand (dazu B I 2). Einen auf eine Schlechterfüllung des Markierungsauftrags gestützten Schadensersatzanspruch der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte zu 1 hat das Berufungsgericht dagegen ohne Rechtsfehler verneint (dazu B I 3).
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1. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zu 1 ein Speditionsvertrag zustande gekommen ist, auf den gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I-Verordnung) deutsches Sachrecht anzuwenden ist. Soweit die Parteien in Bezug auf einen Vertrag über die Beförderung von Gütern – wie im Streitfall – keine Rechtswahl nach Art. 3 dieser Verordnung getroffen haben, ist nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Rom-I-Verordnung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Übernahmeort oder der Ablieferungsort oder der gewöhnliche Aufenthalt des Absenders befindet. Bei dem hier in Rede stehenden Speditionsvertrag handelt es sich um einen Vertrag über die Beförderung von Gütern im Sinne dieser Bestimmung, da er in der Hauptsache der Güterbeförderung dient (vgl. Erwägungsgrund 22 Satz 1 und 2 der Verordnung; Mankowski, TranspR 2015, 17, 20; zu Art. 4 Abs. 4 Satz 3 des Übereinkommens von Rom vgl. EuGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 – C-305/13, TranspR 2015, 37 Rn. 28 und 32 – Haeger & Schmidt). Die Beklagte zu 1 ist Beförderer im Sinne dieser Vorschrift; der Begriff „Beförderer“ bezeichnet die Vertragspartei, die sich zur Beförderung der Güter verpflichtet, unabhängig davon, ob sie die Beförderung selbst durchführt (vgl. Erwägungsgrund 22 Satz 3 der Verordnung). Da die Beklagte zu 1 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und das Gut in Deutschland zur Beförderung übernommen wurde, ist deutsches Sachrecht anwendbar.
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2. Das Berufungsgericht hat zwar mit Recht angenommen, dass die Beklagte zu 1 der Versicherungsnehmerin für den Verlust des Transportguts dem Grunde nach haftet; seine Annahme, diese Haftung sei der Höhe nach beschränkt, hält einer rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand.
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a) Die Beklagte zu 1 haftet der Versicherungsnehmerin dem Grunde nach für den Verlust des Transportguts. Dabei kann offenbleiben, ob sich diese Haftung aus den Vorschriften des Landfrachtrechts (§ 425 HGB) oder des Seefrachtrechts (§ 606 Satz 2 HGB aF) ergibt.
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aa) Die Versicherungsnehmerin und die Beklagte zu 1 haben einen Speditionsvertrag zu festen Kosten im Sinne von § 459 HGB abgeschlossen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass auf diesen Speditionsvertrag hinsichtlich der Beförderung die §§ 452, 452a HGB anwendbar sind, weil die Beklagte zu 1 einen multimodalen Transport zu besorgen hatte (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2007 – I ZR 207/04, BGHZ 173, 344 Rn. 23 f.; Urteil vom 18. Juni 2009 – I ZR 140/06, BGHZ 181, 292 Rn. 20 f.; Urteil vom 11. April 2013 – I ZR 61/12, TranspR 2013, 437 Rn. 20 f.; Koller, Transportrecht, 8. Aufl., § 452 HGB Rn. 6). Die Beförderung des Gutes sollte aufgrund des einheitlichen Speditionsvertrages mit verschiedenartigen Transportmitteln (Lkw, Schiff) durchgeführt werden. Die Beförderung mit den jeweiligen Beförderungsmitteln wäre verschiedenen Rechtsvorschriften unterworfen gewesen, wenn über sie gesonderte Verträge geschlossen worden wären. Der Transport per Lkw von Duisburg nach Hamburg wäre nach den Vorschriften des Landfrachtrechts (§§ 425 ff. HGB) zu beurteilen. Auf den Transport per Schiff von Hamburg nach Jeddah/Saudi Arabien wären die Vorschriften des Seefrachtrechts in der im Streitfall noch maßgeblichen, bis zum 24. April 2013 geltenden Fassung (§§ 556 ff. HGB aF) anzuwenden.
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bb) Steht im Falle eines multimodalen Transportes fest, dass der Verlust auf einer bestimmten Teilstrecke eingetreten ist, so bestimmt sich die Haftung gemäß § 452a Satz 1 HGB nach den Rechtsvorschriften, die auf einen Vertrag über eine Beförderung auf dieser Teilstrecke anzuwenden wären. Andernfalls richtet sich die Haftung gemäß § 452 Satz 1 HGB grundsätzlich nach dem Landfrachtrecht. Dies gilt nach § 452 Satz 2 HGB auch dann, wenn ein Teil der Beförderung über See durchgeführt wird.
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(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Haftung der Beklagten zu 1 richte sich danach grundsätzlich nach dem Seefrachtrecht. Der Verlust des Gutes sei auf der Seestrecke eingetreten. Die Seestrecke habe nach der Ablieferung der Ware durch den Landfrachtführer bei der Beklagten zu 2 begonnen. Die Beklagte zu 2 sei mit der Umladung des Frachtguts für den Seetransport in Container befasst gewesen. Diese Tätigkeit weise eine enge Verbindung zur nachfolgenden Seestrecke auf. Deshalb sei der Umladevorgang nach Seefrachtrecht zu beurteilen.
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(2) Es kann offenbleiben, ob die gegen diese Beurteilung gerichteten Einwände der Revision begründet sind. Für den Grund der Haftung kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1 nach dem Seefrachtrecht oder dem Landfrachtrecht haftet. Nach dem Seefrachtrecht (§ 606 Satz 2 HGB aF) haftet der Verfrachter für den Schaden, der durch Verlust der Güter in der Zeit von der Annahme bis zur Ablieferung entsteht, es sei denn, dass der Verlust auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht abgewendet werden konnten. Nach dem Landfrachtrecht (§ 425 HGB) haftet der Frachtführer gleichfalls für den Schaden, der durch Verlust des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung entsteht. Die Annahme des Berufungsgerichts, diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
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b) Das Berufungsgericht hat weiter mit Recht angenommen, dass die Haftung der Beklagten zu 1 der Höhe nach zwar auf zwei Sonderziehungsrechte pro Kilogramm beschränkt ist, ein qualifiziertes Verschulden ihrer Leute oder Gehilfen aber zu einer unbeschränkten Haftung der Beklagten zu 1 führt.
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aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Allgemeinen Deutschen Spediteur-Bedingungen (ADSp) in der im Streitfall noch maßgeblichen Fassung vom 1. Januar 2003 aufgrund eines entsprechenden Hinweises in der Auftragsbestätigung der Beklagten zu 1 vom 19. März 2010 in den zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zu 1 geschlossenen Vertrag einbezogen worden.
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bb) Nach Ziffer 23.1 und 23.1.3 ADSp ist die Haftung des Spediteurs bei Verlust oder Beschädigung des Gutes bei einem Verkehrsvertrag über eine Beförderung mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln unter Einschluss einer Seebeförderung der Höhe nach auf zwei Sonderziehungsrechte für jedes Kilogramm begrenzt. Der zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zu 1 geschlossene Speditionsvertrag hat von vornherein eine Beförderung des Gutes mit verschiedenartigen Verkehrsmitteln vorgesehen, und zwar unter Einschluss einer Seebeförderung. Für die Anwendung von Ziffer 23.1.3 ADSp kommt es nicht darauf an, ob der Schadensort bekannt ist und auf welcher Teilstrecke – Landstrecke oder Seestrecke – der Schaden eingetreten ist. Anders als in Ziffer 23.1.2 ADSp wird in Ziffer 23.1.3 ADSp nicht darauf abgestellt, dass der Schaden an dem Gut während des Transportvorgangs mit einem bestimmten Beförderungsmittel entstanden ist. Entscheidend ist vielmehr, ob eine Multimodalbeförderung unter Einschluss einer Seebeförderung vereinbart wurde. Ist dies – wie hier – der Fall, ist Ziffer 23.1.3 ADSp gegenüber Ziffer 23.1.2 ADSp lex specialis (BGH, TranspR 2013, 437 Rn. 50 mwN). Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob damit die Haftungshöchstbeträge des Seefrachtrechts (vgl. § 660 Abs. 1 HGB aF) übernommen oder aber die Haftungshöchstbeträge des Landfrachtrechts (§ 431 Abs. 1 und 4 HGB) modifiziert werden (vgl. Koller aaO ADSp Ziffer 27 Rn. 1a, 8).
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cc) Nach Ziffer 27.2 ADSp gilt diese Haftungsbegrenzung nicht, wenn der Schaden in den Fällen der §§ 425 ff., 461 Abs. 1 HGB durch die in §§ 428, 462 HGB genannten Personen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein verursacht worden ist, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Danach lässt Ziffer 27.2 ADSp bei Multimodaltransporten unter Einschluss einer Seestrecke in den Fällen der §§ 425, 461 Abs. 1 HGB zur Durchbrechung der Haftungsbeschränkung – anders als § 660 Abs. 3 HGB aF – ein qualifiziertes Verschulden der Leute oder Gehilfen des Spediteurs genügen. Darin liegt im Ergebnis – die Anwendbarkeit des Seefrachtrechts unterstellt – eine Abweichung von den gesetzlichen Haftungsregelungen zum Nachteil der Beklagten 1 als Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine solche Abweichung ist nach § 449 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 HGB in der im Streitfall maßgeblichen, bis zum 24. April 2013 geltenden Fassung (jetzt § 449 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB) zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 – I ZR 194/08, TranspR 2011, 80 Rn. 37; Koller aaO § 449 HGB Rn. 52; aA Bahnsen in Ebenroth/Boujong/Jost/Strohn, HGB, 3. Aufl., Nr. 27 ADSp Rn. 44).
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dd) Die sich nach den ADSp richtende Haftung der Beklagten zu 1 ist nicht durch Konnossementsbedingungen geändert worden. Zwar heißt es in der Auftragsbestätigung der Beklagten zu 1 vom 19. März 2010, dass sich ein Angebot im Falle der Ausstellung von FIATA Bills of Lading auf die von der FIATA verwendeten Konnossementsbedingungen oder diejenigen der eingesetzten Reedereien – im Streitfall der S. L. Ltd. – beziehe, die insoweit Vorrang vor den ADSp hätten. Darauf kommt es aber nicht an, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine FIATA Bill of Lading erstellt worden ist.
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c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten zu 2, das sich die Beklagte zu 1 nach Ziffer 27.2 ADSp zurechnen lassen muss, nicht verneint werden. Danach ist auch der Annahme des Berufungsgerichts, die Haftung der Beklagten zu 1 sei nach Ziffer 23.1 und 23.1.3 ADSp der Höhe nach auf zwei Sonderziehungsrechte für jedes Kilogramm begrenzt, die Grundlage entzogen.
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aa) Der Umschlag von Transportgütern ist besonders schadensanfällig und muss deshalb so organisiert werden, dass in der Regel der Eingang und der Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit Fehlbestände frühzeitig festgestellt werden können. Ohne ausreichende Eingangs- und Ausgangskontrollen, die im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier- oder EDV-mäßig erfassten Ware erfordern, kann ein verlässlicher Überblick über Lauf und Verbleib der in den einzelnen Umschlagstationen ein- und abgehenden Güter nicht gewonnen werden, so dass der Eintritt eines Schadens und der Schadensbereich in zeitlicher, räumlicher und personeller Hinsicht nicht eingegrenzt werden können. Das Erfordernis von Schnittstellenkontrollen wird noch verstärkt, wenn rechtlich selbständige Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden sind. Bei einer Betriebsorganisation, die Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, ist daher im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt, weil es sich bei diesen Maßnahmen um elementare Vorkehrungen gegen den Verlust von Ware handelt (zum Frachtführer vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2004 – I ZR 205/01, BGHZ 158, 322, 330 f. mwN; Urteil vom 22. Mai 2014 – I ZR 109/13, TranspR 2015, 33 Rn. 36; vgl. auch Ziffer 7 ADSp). Hiervon ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.
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bb) Der Anspruchsteller hat grundsätzlich die Voraussetzungen für den Wegfall der zugunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Er trägt daher die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Frachtführer oder seine Leute vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein gehandelt haben, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden eintreten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 3. März 2011 – I ZR 50/10, TranspR 2011, 220 Rn. 20 mwN). Die dem Anspruchsteller obliegende Darlegungs- und Beweislast kann jedoch dadurch gemildert werden, dass der Frachtführer angesichts des unterschiedlichen Informationsstands der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar, zu den näheren Umständen des Schadensfalls eingehend vorzutragen. Eine solche sekundäre Darlegungslast des Anspruchsgegners ist zu bejahen, wenn der Klagevortrag ein qualifiziertes Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt oder sich Anhaltspunkte für ein derartiges Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben. Der Frachtführer hat in diesem Fall substantiiert darzulegen, welche Sorgfalt er zur Vermeidung des eingetretenen Schadens konkret angewendet hat. Kommt er dem nicht nach, kann nach den Umständen des Einzelfalls der Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden gerechtfertigt sein (BGH, Urteil vom 13. Juni 2012 – I ZR 87/11, TranspR 2012, 463 Rn. 17 mwN). Für die Haftung des Spediteurs gelten diese Grundsätze entsprechend.
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cc) Das Berufungsgericht hat nach diesen Maßstäben dem unstreitigen Sachverhalt und dem Vorbringen der Klägerin ohne Rechtsfehler hinreichende Anhaltspunkte für ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten zu 2 entnommen. Im Gewahrsam der Beklagten zu 2 ist es unbestritten zu einer Verwechslung des für den Transport nach Saudi-Arabien bestimmten Guts der Versicherungsnehmerin mit einer für den Transport nach Indien bestimmten Sendung gekommen. Unstreitig hat die Beklagte zu 2 auf die für den Transport nach Indien bestimmte Sendung die für die Sendung der Versicherungsnehmerin vorgesehene Markierung angebracht. Nach dem Vortrag der Klägerin ist bei der Beklagten zu 2 kein Abgleich der Sendungen mit den Lieferpapieren erfolgt, anhand dessen sowohl bei einer Eingangs- als auch bei einer Ausgangskontrolle die Identität der Waren hätte festgestellt werden können. Die Klägerin hat vorgetragen, eine Identifizierung der Ware sei anhand der an den Packstücken angebrachten Packzettel möglich gewesen, auf denen auch der Bestimmungsort der Ware angegeben gewesen sei.
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dd) Das Berufungsgericht hat angenommen, die von den Beklagten dargelegten Betriebsabläufe bei der Beklagten zu 2 gewährleisteten grundsätzlich, dass es nicht zu Verwechslungen von Waren kommen könne; der Beklagten zu 2 könne daher kein qualifiziertes Verschulden vorgeworfen werden. Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung zu geringe Anforderungen an die zur Vermeidung von Warenverlusten erforderlichen Kontrollmaßnahmen gestellt hat.
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(1) Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung davon ausgegangen, die Waren würden mit LOT-Nummern angeliefert, die bei der Beklagten zu 2 infolge ihrer elektronischen Vernetzung mit der Sa. Sh. GmbH bereits verzeichnet seien. Anhand dieser Nummern sei das Ziel der jeweiligen Sendung erkennbar. Die LOT-Nummer sei sowohl auf der Anlieferungsquittung als auch auf dem Anlieferungsschein vermerkt. Anhand dieser Papiere könne eine Lieferung zweifelsfrei einer Destination zugeordnet werden. Sodann werde das Transportgut abgeladen und nach den in den Papieren bezeichneten Destinationen räumlich getrennt in den Hallen der Beklagten zu 2 abgelegt und zwischengelagert.
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Das Berufungsgericht hat angenommen, es stelle keinen Organisationsmangel dar, dass die LOT-Nummern, die die Destination zweifelsfrei erkennen ließen, nicht auf der Ware selbst vermerkt seien. Die Frachtstücke seien gewöhnlich entsprechend markiert und könnten bereits anhand dieser Markierung den Zielhäfen zweifelsfrei zugeordnet werden. Es stelle auch keinen Organisationsmangel dar, dass die Frachtstücke weder vor der Ablage in den Lagerhallen noch vor der späteren Verladung in den Container nochmals auf die Korrektheit ihrer Zuordnung überprüft würden. Für ordnungsgemäße Betriebsabläufe spreche, dass die nicht ordnungsgemäße Markierung sowohl der Sendung der Versicherungsnehmerin als auch der weiteren Sendung bei der Beklagten zu 2 aufgefallen und eine nachträgliche Markierung angefordert worden sei.
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Die Beklagte zu 2 habe mit ihrem Vortrag, der anliefernde Fahrer habe die Sendungen verwechselt und danach sei eine falsche Zuordnung zu den einzelnen Lagerplätzen und die Markierung entsprechend den Lagerplätzen erfolgt, einen Ablauf dargelegt, der nicht in ihrem Gefahrenbereich gelegen und ganz maßgeblich zu der schadensursächlichen Verwechslung der Markierung beigetragen habe. Bei einer derartigen Verwechslung der Papiere habe nicht mehr auffallen können, dass die eigentlich für Indien bestimmte Sendung nur zwei Frachtstücke, die für Saudi-Arabien bestimmte Sendung hingegen drei Frachtstücke umfasst habe. Die Kontrollen der Beklagten zu 2 hätten nur deshalb versagt, weil bei ihr am selben Tag von demselben Frachtführer zwei unmarkierte Sendungen eingeliefert worden seien. Wenn Sendungen unter diesen Umständen bei der Anlieferung verwechselt und einem falschen Zielort zugeordnet würden, begründe dies ein Versagen im Einzelfall, bei dem nicht auf eine grundsätzlich mangelnde Kontrolle der Beklagten zu 2 oder auf ein besonders gewichtiges Verschulden der Beklagten zu 2 geschlossen werden könne. Es spreche vieles dafür, von einer solchen versehentlichen Verwechslung im Einzelfall auch dann auszugehen, wenn tatsächlich kein Fehlverhalten des anliefernden Fahrers, sondern eine unzutreffende Zuordnung der Ablageplätze durch Mitarbeiter der Beklagten zu 2 vorgelegen hätte. Ein gesteigerter Verschuldensvorwurf im Sinne eines leichtfertigen Verhaltens könne darin nicht gesehen werden.
32
Ein leichtfertiges Verhalten der Beklagten zu 2 ergebe sich auch nicht im Zusammenhang mit der Markierung. Die diese Markierung vornehmenden Mitarbeiter der Beklagten zu 2 hätten von einer richtigen Zuordnung des Frachtguts zu den jeweiligen Zielhäfen ausgehen dürfen. Selbst wenn die Ware der Versicherungsnehmerin, wie von der Klägerin behauptet, mit einem den Bestimmungsort ausweisenden Packzettel versehen gewesen wäre, würde der fehlende Abgleich nicht zur Annahme qualifizierten Verschuldens der Beklagten zu 2 führen, weil der Packzettel nicht die Funktion habe, Auskunft über das Transportziel der Ware zu geben, sondern der Kontrolle der Vollständigkeit der angelieferten Ware diene.
33
(2) Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat damit zu geringe Anforderungen an die zur Vermeidung von Warenverlusten erforderlichen Kontrollmaßnahmen der Beklagten zu 2 gestellt.
34
Wenn die auf den Frachtstücken üblicherweise angebrachte Markierung – wie das Berufungsgericht angenommen hat – die fehlerfreie Zuordnung der Sendungen zu den jeweiligen Destinationen ermöglichte und ihr Fehlen deshalb eine besondere Gefahr der Fehlleitung und der Verwechslung mit anderen nicht markierten Sendungen begründete, hätte eine ordnungsgemäße Betriebsorganisation der Beklagten zu 2 es erfordert, nicht markierte Sendungen einer besonderen Behandlung zu unterziehen und beispielsweise mit den Lieferpapieren oder den Packzetteln abzugleichen. Dies würde erst recht gelten, wenn – wie die Beklagten behaupten – das Gut der Versicherungsnehmerin nicht nur ohne Markierung, sondern gänzlich ohne identifizierende Kennzeichnungen an den Packstücken angeliefert worden sein sollte.
35
Es würde daher den Vorwurf leichtfertigen Verhaltens begründen, wenn sich die Beklagte zu 2 allein auf die vom Anlieferungsfahrer vorgenommene Zuordnung der unmarkierten Waren zu den jeweiligen Zielorten verlassen hätte. Die Beklagte zu 2 nimmt nach ihrem eigenen Vortrag keinen Abgleich von Stückzahl, Abmessungen und Gewicht der bei ihr angelieferten Sendungen mit den Lieferpapieren vor, weder bei der Anlieferung per Lkw noch bei der Verladung der Sendungen in Container. Im Streitfall ist ein solcher Abgleich auch bei der Nachmarkierung der Sendung der Versicherungsnehmerin unterblieben. Nach dem Vorbringen der Klägerin wäre bei einem derartigen Abgleich hinsichtlich der Stückzahl und der Abmessungen die Verwechslung aufgefallen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts könnte auch der fehlende Abgleich mit einem den Bestimmungsort der Ware ausweisenden Packzettel ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten zu 2 begründen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass ein Packzettel der Kontrolle der Vollständigkeit der angelieferten Ware dient und nicht Auskunft über das Transportziel der Ware geben soll. Entscheidend ist, dass der Bestimmungsort der Ware anhand des Packzettels festgestellt werden kann. Es begründet daher den Vorwurf leichtfertigen Verhaltens, wenn Zweifel am Bestimmungsort der Ware nicht anhand des Packzettels ausgeräumt werden.
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Aufgrund der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann allerdings nicht beurteilt werden, ob die Beklagte zu 2 danach ein qualifiziertes Verschulden trifft, weil sie sich allein auf die vom Anlieferungsfahrer vorgenommene Zuordnung der unmarkierten Waren zu den jeweiligen Zielorten verlassen und den Bestimmungsort der Sendung der Versicherungsnehmerin nicht selbst überprüft hat. Im Streitfall steht nicht fest, wie es zu einer Verwechslung der beiden Sendungen bei der Beklagten zu 2 gekommen ist. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, ob die Sendung (wie von den Beklagten behauptet) ohne jegliche Kennzeichnung, insbesondere ohne Absender- oder Empfängerangabe, angeliefert worden war oder ob sie (wie von der Klägerin behauptet) mit einem angehefteten Packzettel versehen war, der ihren Bestimmungsort erkennen ließ. Ebensowenig ist festgestellt, aufgrund welcher Informationen der Anlieferungsfahrer und die Mitarbeiter der Beklagten zu 2 die Sendungen den für die entsprechenden Destinationen vorgesehenen Aufstellplätzen zugeordnet haben.
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3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht einen auf eine Schlechterfüllung des Markierungsauftrags gestützten Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1 verneint hat.
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a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei der fehlerhaften Markierung des Transportgutes habe es sich um die Schlechterfüllung einer speditionsrechtlichen Nebenpflicht (§ 461 Abs. 2 Satz 1, § 454 Abs. 2 HGB) gehandelt. Der Auftrag zur Markierung sei nicht als Werkvertrag zu qualifizieren; eine Schlechterfüllung dieses Auftrags könne daher keine Haftung nach §§ 280, 631 BGB begründen. Der Auftrag sei am Rande des bereits bestehenden Speditionsvertrages abgeschlossen worden, um eine für den Transport nach Saudi-Arabien zwingend erforderliche Markierung nachzuholen. Auf diesen Auftrag seien daher die für den Speditionsvertrag vereinbarten ADSp anwendbar. Danach hafte die Beklagte zu 1 für die fehlerhafte Markierung nur beschränkt.
39
b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
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aa) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass es sich bei der Nachmarkierung des Transportguts um eine speditionsrechtliche Nebenpflicht der Beklagten zu 1 gehandelt habe.
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(1) Das Revisionsgericht kann die Auslegung einer Individualvereinbarung durch den Tatrichter nur darauf überprüfen, ob gesetzliche oder anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, etwa weil wesentliches Auslegungsmaterial unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden ist (BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 – I ZR 176/07, NJW-RR 2010, 1410 Rn. 12 – Neues vom Wixxer, mwN). Die Revision zeigt keine derartigen Fehler auf.
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(2) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Kennzeichnung des Transportguts grundsätzlich nicht dem Spediteur oder dem als Frachtführer zu behandelnden Fixkostenspediteur (§ 459 Satz 1 HGB), sondern dem Versender obliegt (§ 455 Abs. 1 Satz 1, § 411 Satz 3 HGB). Von diesem Grundsatz kann allerdings durch Parteivereinbarung abgewichen werden (zur dem Versender obliegenden Verpackung vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2012 – I ZR 150/10, TranspR 2012, 148 Rn. 33). Im Streitfall hat die Beklagte zu 1 die Markierung des Guts aufgrund eines entsprechenden Auftrags der Versicherungsnehmerin übernommen. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Markierung der Sendung gegenüber dem Speditionsvertrag keine eigenständige Bedeutung hatte, sondern lediglich die noch fehlende Voraussetzung für die Durchführung des Transports schaffen sollte. Sie war dem Speditionsvertrag untergeordnet und ist deshalb als Nebenleistung anzusehen.
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bb) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass für diese Nebenpflicht die Regelungen des Speditionsvertrags zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zu 1 gelten und damit auch die in diesen Vertrag einbezogenen ADSp. Die Beklagte zu 1 kann sich danach auf die Haftungsbeschränkungen von Ziffer 23.1.3 ADSp berufen. Die Voraussetzungen einer unbegrenzten Haftung nach Ziffer 27 ADSp sind nicht erfüllt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Beklagten zu 1 weder ein qualifiziertes Verschulden noch die Verletzung vertragswesentlicher Pflichten im Sinne von Ziffer 27.1 ADSp vorzuwerfen. Die Verletzung von Nebenpflichten durch die Beklagte zu 1 oder die Beklagte zu 2 begründet keine unbeschränkte Haftung nach Ziffer 27.2 ADSp. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf § 461 Abs. 1 HGB und nicht auf die Regelungen des § 461 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 454 Abs. 2 HGB, die die Haftung für Schäden infolge der Verletzung von Nebenpflichten zum Gegenstand haben.
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II. Die Revision hat auch Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 2 wendet. Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung rechtfertigt die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 2 nicht.
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1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass die Versicherungsnehmerin mit der Beklagten zu 2 keinen Vertrag geschlossen hat, aus dem sich ein Anspruch der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte zu 2 ergeben könnte. Sowohl den Transportauftrag als auch den Auftrag zur Markierung hat die Versicherungsnehmerin der Beklagten zu 1 erteilt. Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1 oder aber die S. L. Ltd. oder die Sa. Sh. GmbH der Beklagten zu 2 einen entsprechenden Markierungsauftrag erteilt hat. Die Versicherungsnehmerin war jedenfalls nicht Auftraggeberin der Beklagten zu 2.
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2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können allerdings Ansprüche der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte zu 2 aus einem mit der Beklagten zu 2 geschlossenen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Versicherungsnehmerin nicht verneint werden.
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a) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob es sich bei dem der Beklagten zu 2 erteilten Auftrag zur nachträglichen Markierung der Sendung um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Versicherungsnehmerin gehandelt hat. Das Vorliegen eines solchen Vertrags, der eigene Ansprüche der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte zu 2 begründen könnte, ist deshalb im Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin zu unterstellen. Dasselbe gilt für entsprechende Ansprüche der Versicherungsnehmerin aus dem der Beklagten zu 2 erteilten Auftrag zur Umladung der Sendung in Seecontainer, die das Berufungsgericht nicht ausdrücklich geprüft hat.
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b) Das Berufungsgericht hat angenommen, nach § 334 BGB könne die Beklagte zu 2 gegenüber der Klägerin alle Einwendungen erheben, welche ihr gegenüber ihrer Auftraggeberin zustünden. Es seien seefrachtrechtliche Vorschriften anzuwenden, weil die von der Beklagten zu 2 vorgenommene Umladung im Zusammenhang mit dem von der S. L. Ltd. zu erbringenden Seetransport erfolgt sei. Die Beklagte zu 2 habe die Markierungsarbeiten aufgrund einer Beauftragung im Zusammenhang mit ihrer Umladeverpflichtung vorgenommen. Sie könne sich deshalb auf das Verstreichen der Jahresfrist des § 612 HGB aF berufen. Ob sich dasselbe aus den von der S. L. Ltd. als Reederin vorgelegten Konnossementsbedingungen ergebe, könne offen bleiben. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg.
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Da der Seetransport nicht der Beklagten zu 2, sondern der S. L. Ltd. oblag, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die von der Beklagten zu 2 vorzunehmende Umladung und die in diesem Zusammenhang beauftragten Markierungsleistungen im Verhältnis zu ihrer Auftraggeberin als eine Nebenpflicht im Zusammenhang mit dem Seetransport anzusehen sind. Für diese Leistung gilt daher nicht das Seefrachtrecht. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zur Rechtsnatur des der Beklagten zu 2 erteilten Auftrags getroffen. Es ist denkbar, dass die Beklagte zu 2 allein mit dem Umschlag des Transportguts beauftragt war. In dem isoliert vereinbarten Umschlag von Transportgut ist eine frachtvertragliche Leistung zu sehen, bei der sich die Haftung des Umschlagunternehmens nach den §§ 425 ff. HGB richtet (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 2014 – I ZR 100/13, TranspR 2014, 283 Rn. 8; Koller aaO § 407 HGB Rn. 10a mwN; Herber, Seehandelsrecht, 2. Aufl., § 21 II 3 a). Danach käme eine Haftung der Beklagten zu 2 gegenüber ihrer Auftraggeberin und – bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter – gegenüber der Versicherungsnehmerin nach § 437 HGB in Betracht. Für solche Ansprüche gilt die Verjährungsvorschrift des § 439 Abs. 1 HGB, die bei qualifiziertem Verschulden eine Verjährungsfrist von drei Jahren vorsieht.
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C. Für die wiedereröffnete Berufungsinstanz wird auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen:
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I. Soweit es die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage angeht, wird das Berufungsgericht erneut zu prüfen haben, ob diese für ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten zu 2 einzustehen hat und für den eingetretenen Schaden in weitergehendem Umfang haftet. Da die Klägerin hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens der Beklagten zu 2 vorgetragen hat und nach dem bisherigen Vorbringen der Beklagten nicht angenommen werden kann, die Beklagte zu 2 habe ihren Kontrollpflichten genügt, ist davon auszugehen, dass ein grober Organisationsmangel vorliegt. Unter diesen Umständen obliegt es grundsätzlich der Beklagten zu 1, die gegen die Schadensursächlichkeit des Organisationsmangels sprechenden Umstände darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (BGH, Urteil vom 15. November 2001 – I ZR 122/99, TranspR 2002, 448, 452 mwN; Urteil vom 30. Januar 2008 – I ZR 146/05, TranspR 2008, 117 Rn. 30). Das Berufungsgericht wird daher insbesondere dem bestrittenen Vortrag der Beklagten nachzugehen haben, der Beklagten zu 2 habe die fehlerhafte Zuordnung der für Saudi-Arabien bestimmten Sendung der Versicherungsnehmerin durch den Fahrer der H. Z. GmbH nicht auffallen können.
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II. Das Berufungsgericht wird ferner erneut zu prüfen haben, ob Schadensersatzansprüche der Klägerin aus auf sie übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte zu 2 in Betracht kommen. Dabei wird es zu erwägen haben, ob die der Beklagten zu 2 erteilten Aufträge zur Umladung und zur Markierung der Sendung der Versicherungsnehmerin als Verträge mit Schutzwirkung zugunsten der Versicherungsnehmerin anzusehen sind (zu den Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 – III ZR 277/08, BGHZ 181, 12 Rn. 16 f. mwN). Eine Inanspruchnahme der Beklagten zu 2 durch die Versicherungsnehmerin nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation kommt nach den vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht in Betracht. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Auftraggeberin der Beklagten zu 2 ihre Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 an die Versicherungsnehmerin abgetreten hat (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 18. März 2010 – I ZR 181/08, TranspR 2010, 376 Rn. 47 bis 51; Urteil vom 22. Januar 2015 – I ZR 127/13, TranspR 2015, 167 Rn. 22).